Andreas Resch: Gianna Beretta Molla

GIANNA BERETTA MOLLA
(1922-1962)

ÄRZTIN UND MUTTER

Heilig: 16. Mai 2004
Fest: 28. April

GIANNA BERETTA MOLLA wurde am 4. Oktober 1922 als Tochter von Alberto Beretta und Maria De Micheli in Magenta (Mailand), Italien, als zehntes von 13 Kindern geboren, von denen fünf bereits im zarten Kindesalter starben und zwei die Priesterlaufbahn einschlugen. Bei der Taufe am darauffolgenden 11. Oktober bekam sie den Namen Johanna Franziska, wurde jedoch allgemein Gianna genannt. Schon in den ersten Lebensjahren erhielt sie von ihren Eltern eine hervorragende christli­che Erziehung. Sie lehrten sie, das Leben als ein wunderbares Geschenk Got­tes zu betrachten, auf die Vorsehung zu vertrauen und an die Notwendigkeit und Wirksamkeit des Gebets zu glauben.

1925 übersiedelte die Familie Beretta aus beruflichen Gründen des Vaters zunächst nach Mailand und anschließend nach Bergamo. Dort empfing Gianna mit fünfeinhalb Jahren die Erstkommunion, besuchte die Volksschule und von der ersten bis zur vierten Klasse das öffentliche Gymnasium „Paolo Sarpi“. Da der Vater an einer perniziösen Anämie erkrankte, zog die Familie 1937 nach Genua-Albaro, wo Gianna bei den Dorothea-Schwestern von Quinto die fünfte Gymnasialklasse besuchte. Aus Gesundheitsgründen unterbrach sie die Studien für ein Jahr. Nach der Bombardierung von Genua 1941 kehrten die übrigen Familienmitglieder nach Bergamo zurück, während Gianna und ihre Schwester Virginia in Genua blieben, um das Lyzeum (1939-1942) abzuschließen. In der Zwischenzeit starben ihre Eltern, am 29. April 1942 die Mutter und am darauffolgenden 10. September der Vater.

Der Tod beider Eltern veran­lasste die Berettas wieder in ihren Geburtsort Magenta zurückzukehren. Gianna inskribierte noch im Herbst an der Medizinischen Fakultät der Universität Mailand und folgte damit dem Beispiel ihrer älteren Brüder Ferdinando und Enrico, der später unter dem Namen P. Albert als Kapuzinermissionar wirkte. Neben eifrigem Studieren trug Gianna, wie bereits in den Gymnasialjahren, auch ihrem Glauben Rechnung, und zwar durch unermüdlichen Einsatz bei den Jugendlichen der Katholischen Aktion, im Apostolat der Nächstenliebe bei den betagten Mitbürgern und in den Vinzenz-Konferenzen zum Wohle der Armen. Gleichzeitig pflegte sie ein intensives spirituelles Leben mit Besuch der hl. Messe, Kommu­nionempfang und täglicher Meditation, wie ihre Schwester berichtet: „Sowohl in Prüfungszeiten als auch in der übrigen Zeit an der Universität wechselten bei ihr Studium und Gebet einander ab. Wir haben uns gemeinsam auf die Pathologieprüfung vorbereitet und ich kann sagen, dass sie morgens gleich nach dem Aufstehen zwei Stunden lang lernte, dann zur Kirche ging, die Messe mitfeierte, die Kommunion empfing und zehn Minuten meditierte, bevor sie wieder nach Hause ging und dort bis Mittag weiterlernte. So gegen halb fünf Uhr nachmittags, wenn wir vom Studieren müde waren, gingen wir zu den Canossianerinnen; wir waren so ca. ein Stündchen außer Haus, besuchten in der Zeit die Kirche und sprachen mit den verantwortlichen Schwestern des Oratoriums. Dann machten wir uns erneut ans Lernen, bis zum Abendessen. Danach beteten wir den Rosenkranz, und wenn wir es schafften, vertieften wir uns noch ein wenig in die Lehrbücher.“

Ihr Universitätsstudium beschloss Gianna am 30. November 1949 mit der Promoti­on in Medizin und Chirurgie an der Universität von Pavia. Ihr Praktikum absolvierte sie im Spital von Magenta sowie in der Geburtsklinik Mangiagalli in Mailand, weil sie, in diesem Bereich spezialisiert, die Absicht hatte, in die Mission zu gehen. Am 27. Januar 1950 erhielt sie den vorläufigen Befähigungsnachweis zur Ausübung ihres Berufes und trug sich in das Berufsregister der Ärztekammer von Mailand und Umgebung ein.

Im Juni 1950 eröffnete Gianna in Mesero-Magenta ein medizinisches Ambulatorium und am 7. Juli 1952 beendete sie an der Universität Mailand ihre Fach­arztausbildung für Pädiatrie, wie beim Doktoratsstudium, mit der Höchstpunktezahl. Von ihren Patienten lagen ihr besonders Mütter, Kinder, Alte und Bedürftige am Herzen. Ihre Sicht des Arztberufes beschreibt sie so:
„Alle in der Welt arbeiten in gewisser Weise im Dienst der Menschen. Wir arbeiten direkt am Menschen. Bei uns ist der Gegenstand von Wissen und Arbeiten der Mensch, der als unser Gegenüber von sich selbst spricht, uns sagt: ,Hilf mir!‘ und von uns erwartet, die Fülle seiner Existenz erfahren zu dürfen. Jesus würde uns sagen, wer der Mensch ist. Er ist nicht nur Körper: in diesem Körper steckt ein Gedanke, ein Wille, der fähig ist, dem Leid entgegenzutreten, zu sonst nichts. Es steckt ein Geist in diesem Körper, der als solcher unsterblich ist. Es gibt da einen Abgrund zwischen Körper und Seele, es sind zwei so verschiedene Entitäten, und doch sind sie miteinander verbunden. Was würde uns Jesus sagen? Ihr müsst diesem Körper alle Sorge zukommen lassen. Gott hat so das Göttliche in den Menschen eingepflanzt, damit alles, was wir tun, den größtmöglichen Wert gewinnt. Heute gibt es leider auch in unserer Arbeit Oberflächlichkeiten. Wir behandeln den Körper, aber sehr oft ohne jede Sachkenntnis. 1) Machen wir unsere Sache gut! Studieren wir die Wissenschaft! Jeder jagt heutzutage dem Geld nach. 2) Seien wir ehrlich! Gläubige Ärzte! 3) Seien wir einfühlsam bei der Behandlung – wohl wissend, dass es unsere Geschwister sind! Pflegen wir diese Vornehmheit! 4) Vergessen wir nicht die Seele des Kranken! Und dann, die wir ein Recht darauf haben, dass uns gewisse Dinge anvertraut werden – hüten wir uns davor, die Seele zu profanieren! Es würde einem Verrat gleichkommen.“

Ihre Tätigkeit als Ärztin verstand Beretta daher als „Mission“. Nebenbei wuchs auch ihr Engagement innerhalb der Katholischen Aktion, wo sie sich vor allem der „ganz jungen Mädchen“ annahm. Zudem war sie eine begeisterte Schifahrerin und Bergsteigerin, womit sie ihrer Lebensfreude und Bewunderung für die Schöpfung Ausdruck verlieh.

Darüber hinaus besuchte Gianna die Mangiagalli-Klinik in Mailand, um sich in Geburtshilfe und Gynäkologie zu spezialisieren. Gleichzeitig dachte sie über ihre Berufung nach, die sie ebenfalls als ein Geschenk Gottes betrachtete. Anfangs spielte Gianna mit dem Gedan­ken, ihren Bruder, P. Albert, der als Kapuziner und Arzt in Brasilien wirkte, aufzusuchen, um dort in dessen Spital mitzuarbeiten, doch erhielt sie von ih­rem Spiritual den Rat, ihren Verlobten, Ing. Pietro Molla, zu heiraten. Die Hochzeit fand am 24. September 1955 in der Basilika San Martino in Magenta statt, es wurde eine glückliche Ehe. „Wenn ich an unsere große gegenseitige Liebe denke, kann ich nicht umhin, dem Herrn zu danken. Es ist tatsächlich so, dass die Liebe das schönste Gefühl ist, das der Herr in die Seele des Menschen gelegt hat. Und wir wollen uns immer so lieben wie jetzt, Pietro.“
Im November 1956 gebar Gianna Pierluigi, im Dezember 1957 Mariolina und im Juli 1959 Laura. Auf ebenso einfache wie harmonische Weise gelang es ihr, ihre Pflichten als Mutter, Ehefrau und Ärz­tin in Einklang zu bringen und ihrer großen Lebensfreude Ausdruck zu geben.

Nach zwei Fehlgeburten wurde Gianna neuerlich schwanger. Im September 1961, am Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats, traten Schmerzen auf. Im Uterus bildete sich ein Fibrom und der Arzt sagte ihr: „Wenn wir dein Leben retten wollen, müssen wir einen Schwangerschaftsabbruch machen.“ Ihre Antwort: „Professor, das werde ich nie zulassen!“ Prof. Vitali, ein Jude, sagte voller Bewunderung: „Das ist eine echte christliche Mutter!“

Vor dem notwendigen Ein­griff ersuchte Gianna den Chirurgen, wohl wissend, welches Risiko eine Fortset­zung der Schwangerschaft mit sich brachte, das werdende Leben in ihrem Schoß auf alle Fälle zu bewahren, und empfahl sich dem Gebet und der Vor­sehung. Das Leben wurde gerettet, wofür Gianna dem Herrn dankte, und sie ertrug die sieben Monate bis zur Geburt mit beispielloser Seelenstärke und unverändertem Einsatz als Mutter und Ärztin. Sie hatte Angst, das Kind könnte behindert zur Welt kommen, und so bat sie Gott, dies nicht geschehen zu lassen. Wenige Tage vor der Geburt, stets im Vertrauen auf die Vorsehung, war sie bereit, ihr Leben für das ihres Kindes hinzugeben: „Sollten Sie zwischen mir und dem Kind entscheiden müssen, so zögern Sie bitte nicht! Entscheiden Sie sich – und das verlange ich! – für das Kind! Retten Sie das Leben des Kindes!“
Am Morgen des 21. April 1962 kam Gianna Emanuela zur Welt. Für die Mutter aber begann ein paar Stunden später ein langwieriger Todeskampf, der sich trotz aller Anstrengungen und Behandlungsmaßnahmen, um auch ihr Leben zu retten, acht Tage hinzog. Als sie sah, dass nichts mehr zu machen war, ersuchte sie heimgebracht zu werden, um in ihrem Ehebett zu sterben. In der Nacht vor dem Weißen Sonntag kam Gianna nach Hause. Beim Lärm erwachten die Kinder im Nebenzimmer, zum letzten Mal hörte sie ihre Stimmen. Beretta Molla lebte die vollendete Liebe, die Christus verkündet und gelebt hatte: es gibt keine größere Liebe als wer sein Leben hingibt für die geliebte Person.

Am Morgen des 28. April 1962, nach dem Stoßgebet: „Jesus, ich liebe Dich! Jesus, ich liebe Dich!“, starb sie in Magenta im Ruf der Heiligkeit. Sie war 39 Jahre alt. Die Beerdigung geriet zu einer einhelligen Demonstration tiefer Bewegtheit, des Glaubens und des Gebets. Die Beisetzung erfolgte auf dem Friedhof von Mesero, wo ihre sterblichen Überreste links vom Eingang, in der Kapelle der Familie Molla, ruhen.

Am 16. Mai 2004 wurde Gianna Beretta Molla von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der sie am 24. April 1994 seliggesprochen hatte.