Andreas Resch: Georg Matulaitis-Matulewicz

GEORG MATULAITIS-MATULEWICZ
(1871-1927)

TITULAR-ERZBISCHOF
VON ADULI

REFORMATOR DER KONGREGATION DER
REGULARKLERIKER
(MARIANER)
GRÜNDER DER KONGREGATION DER
SCHWESTERN DER ARMEN VON DER UNBEFL. EMPFÄNGNIS
UND DER
DIENERINNEN JESU
IN DER EUCHARISTIE

Selig: 28. Juni 1987
Fest: 27. Januar

 

GEORG MATULAITIS-MATULEWICZ wurde am 13. April 1871 als Letztes von acht Kindern von Andreas s und Ursula Matulaitis in Luginé, Litauen, geboren und auf den Namen Georg Boleslav getauft. Nach dem Tod des Vaters 1874 und der Mutter 1881 zum Waisen geworden, kam er in die Obhut des älteren Bruders, der die Vormundschaft übernahm. Nach der Volksschule (1879-1882) arbeitete er, dem Willen seines Bruders entsprechend, auf dem Felde. 1889 folgte er seinem Schwager Johann Matulewicz nach Polen, wo er seinen Schreibnamen in Matulewicz änderte und sich den Studien zur Vorbereitung auf die Priesterweihe widmete; diese erfolgte am 20. November 1898.

Nach Beendigung des Studiums erhielt er im Juni 1899 den Titel eines Magisters der Theologie. Im Dezember desselben Jahres inskribierte er zur Vertiefung seiner theologischen Studien an der Universität Freiburg, Schweiz, wo er 1903 promovierte. Seine pastorale Tätigkeit begann Matulewicz in Kielce, wo er mit der Professur für Kirchenrecht und Latein am wieder eröffneten Seminar betraut wurde. 1904 musste er sich wegen einer latenten Tuberkulose in das Armenspital von Warschau zurückziehen, von wo aus er anschließend in die Pflege der Herz Jesu-­Schwestern entlassen wurde. Als Dank für die gebotene Betreuung überarbeitete er 1907 deren Konstitutionen.

Sein Großmut und seine Intelligenz veranlassten Matulewicz, den Bedürftigen aller Gesellschaftsschichten gleichermaßen entgegenzukommen, besonders aber der Arbeiterklasse. Mit Hilfe des bekannten Warschauer Soziologen und Priesters Marcellus Godlewski gründete er einen Katholischen Arbeiterverein und rief die periodische Zeitschrift Arbeitskollege ins Leben. Gleichzeitig engagierte er sich auch in einem Studentenverein mit der Bezeichnung „Aufbruch“.
Im Herbst 1907 verließ Matulewicz Warschau in Richtung Petersburg, wo er an der Katholischen Akademie zum Professor für Soziologie und später für Dogmatik ernannt wurde. Als er während seines Aufenthaltes in Petersburg die Unterdrückung der religiösen Institute durch die russische Regierung miterlebte, erinnerte er sich der im Untergrund arbeitenden Herz Jesu-­Schwestern und setzte alles daran, um so auch den alten Regularkleriker-­Orden der Marianer zu retten, dem damals nur noch das Kloster in Marijampolé geblieben war. Diesen fühlte er sich zu großer Dankbarkeit verpflichtet, hatten sie ihm doch in seiner Heimatpfarre den ersten Katechismusunterricht erteilt.

Anlässlich eines Besuches in Marijampolé legte Matulewicz dem betagten Oberen seinen Plan zur Reform der Konstitutionen vor. Dieser versicherte ihn seiner vollen Zustimmung und erteilte ihm die Vollmacht, beim Hl. Stuhl vorzusprechen. 1909 ging Matulewicz nach Rom und erhielt vom Hl. Stuhl die Erlaubnis, die zeitlichen Gelübde ohne Noviziat abzulegen, dem er nach seiner Rückkehr nach Warschau am 29. August des Jahres Folge leistete. Im Jahr darauf reformierte er die Konstitutionen, welche – ohne Vorschreibung eines eigenen Ordenskleides – die Abschaffung des weißen Habits vorsahen sowie die Aufhebung der Verpflichtung zum Chorgebet und die Ablegung der einfachen anstatt der feierlichen Gelübde. Die verbesserten Konstitutionen wurden am 15. September 1910 von Papst Pius X. approbiert und Matulewicz war der erste Professe in der neuen Kongregation. Inzwischen hatte er an der Akademie von Petersburg insgeheim auch das erste Noviziat mit drei Novizen eingerichtet.

Am 10. April 1911 starb der alte Ordensobere und so wählten die ersten drei Professen Matulewicz am 14. Juli 1911 zu ihrem Generaloberen. Dieser verzichtete daraufhin auf sämtliche Ämter an der Akademie und begab sich, um der zaristischen Polizei zu entgehen, in die Schweiz, wo er in Freiburg unter dem Decknamen „Studienhaus“ ein Noviziat eröffnete, um es den Ordensleuten zu ermöglichen, ungehindert wieder nach Russland einzureisen. Besagtes Noviziat war innerhalb kurzer Zeit Sammelstelle einer Reihe hervorragender Priester aus Litauen und Polen.

1913 reiste Matulewicz mit zwei im Freiburger Noviziat ausgebildeten Marianern in die USA, wo er in Chicago ein Haus mit Noviziat gründete. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914–1918 überraschte ihn in Polen. Dort eröffnete er 1915 ein Haus mit Noviziat für Polen in Bielany (Warschau). Im Frühjahr 1918 konnte er wieder nach Litauen zurückkehren und in Marijampolé etwa ein Dutzend Mitbrüder aus Russland und der Schweiz um sich versammeln. Er reorganisierte das religiöse Leben und richtete im Haus von Marijampolé das Noviziat für die Litauer ein.

Als er die Jugend nach Kriegsende völlig auf sich gestellt sah, gründete er die Kongregation der Schwestern der Armen von der Unbefleckten Empfängnis, deren Konstitutionen von ihm verfasst und am 15. Oktober 1918 vom Diözesanbischof approbiert wurden. Die neue Gemeinschaft fand rasche Verbreitung.

Nach Kriegsende beschloss Papst Benedikt XV., in Wilna einen Bischof einzusetzen, und ernannte im Zuge dessen Matulewicz am 23. Oktober 1918 zum Bischof der Diözese. In den folgenden drei Jahren unterstand das Gebiet um Wilna abwechselnd acht verschiedenen Regierungen: bald den Deutschen, bald den Russen bzw. Bolschewisten, dann den Polen und schließlich den Litauern. Dieser ständige Wechsel bereitete Matulewicz viele Probleme, weil die aus Polen, Weißrussen und Litauern bestehende Gemeinschaft der Gläubigen Anspruch auf die Verwendung ihrer jeweiligen Muttersprache in den Kirchen erhob. Als Wilna am 20. Oktober 1920 unter polnische Herrschaft fiel, entluden sich große Feindseligkeiten gegen den nicht polnischen Bischof. Dieser ertrug alles in heroischer Nächstenliebe und versuchte zwischen allen zu vermitteln. So gründete er 1924 die Kongregation der Dienerinnen Jesu in der Eucharistie (Abb.) zur Unterstützung der armen weißrussischen Bevölkerung. Als 1925 vom Hl. Stuhl und der polnischen Regierung das Konkordat beschlossen wurde, ersuchte Matulewicz den Papst, ihn von seinen pastoralen Aufgaben zu entbinden, um sich so um die Leitung seines Instituts, dessen Generaloberer er war, kümmern zu können. Nach wiederholten Gesuchen wurde seinem Ansinnen schließlich stattgegeben.

Am 3. August 1925 verließ Matulewicz Wilna in Richtung Rom, wo er ein internationales Kolleg für angehende Marianer gründete und beschloss, das Generalatshaus dorthin zu verlegen. Am 1. September 1925 ernannte ihn der Papst in Anerkennung seiner Bemühungen und Verdienste zum Titularerzbischof von Aduli und am 7. Dezember zum Apostolischen Visitator von Litauen. Nach seiner Ankunft in Litauen am 10. Dezember gelang es ihm nach drei Monaten intensiver Arbeit, Unsicherheiten und Missverständnisse auszuräumen und einen Entwurf für die Errichtung einer Kirchenprovinz Litauen, bestehend aus fünf Diözesen und einer Praelatura nullius mit Bischofssitz in Kaunas, vorzubereiten. Im März 1926 kehrte er nach Rom zurück, wo sein Projekt angenommen und approbiert wurde. Am 4. April 1926 gab der Hl. Stuhl die Apostolische Konstitution Lituanorum gente heraus, und am darauf folgenden Tag wurden die Bischöfe für die neuen litauischen Diözesen ernannt. Der Apostolische Visitator selbst promulgierte die Apostolische Konstitution feierlich im Beisein von Bischöfen, Klerus, Behörden und Gläubigen am 13. Mai 1926 in der Kathedrale von Kaunas.

Von Litauen aus unternahm Matulewicz eine Reise nach Nordamerika, wo er die 92 Pfarreien litauischer Emigranten besuchte, die über verschiedene Teile der USA verstreut waren.

Nach seiner Rückkehr nach Litauen im September 1926 fand er dort eine schwierige Situation vor. Im Dezember jedoch wurde die kirchenfeindliche Regierung unter Einsatz des Militärs in einem Staatsstreich gestürzt. Mit der neuen Regierung gelang es dem Apostolischen Visitator, den Grundstein für ein Konkordat zwischen Litauen und dem Hl. Stuhl zu legen. Am 21. Januar 1927 sandte er dem Hl. Stuhl einen Projektbericht und beabsichtigte, so bald als möglich selbst nach Rom zu reisen.

Der Mensch denkt und Gott lenkt. Im Zuge eines akuten Blinddarmdurchbruches kam es nach der Operation zu lebensbedrohlichen Komplikationen. Matulewicz starb am 27. Januar 1927 in Kaunas. Der Leichnam wurde in der Krypta der Kathedrale von Kaunas beigesetzt, von wo er dann 1934 feierlich in die Pfarrkirche von Marijampolé überführt wurde.

Am 28. Juni 1987 wurde Georg Matulaitis­-Matulewicz von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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