Andreas Resch: Genoveva Torres Morales

GENOVEVA TORRES MORALES
(1870-1956)

GRÜNDERIN
DER SCHWESTERN VOM
HL. HERZEN JESU UND
VON DEN HEILIGEN ENGELN

Heilig: 4. Mai 2003
Fest: 5. Januar

GENOVEVA TORRES MORALES wurde am 3. Januar 1870 in Almenara, einem Dorf in der Provinz Castellón, Spanien, als jüngstes von sechs Kindern des José Torres Seguí und der Vicenta Morales Sanz geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Genoveva. Als das Mädchen ein Jahr alt war, starb der Vater und innerhalb weniger Jahre starben auch vier ihrer Geschwister. Von der Mutter erzogen, besuchte sie die Dorfschule, wo sie schreiben, sticken und kochen lernte. 1878, als sie 8 Jahre alt war, starb auch die Mutter. Genoveva musste die Schule aufgeben und sich fortan um den Haushalt kümmern. José, ihr einziger überlebender Bruder, war für sie Vaterersatz. Er hatte zwar ein gutes Herz, war aber viel zu anspruchsvoll, von ernstem Wesen und wenig kommunikativ. Im Januar 1943, im Alter von 73 Jahren, schrieb Genoveva nicht ohne eine gewisse Bitterkeit: „Ich bin alt und habe in meinem Leben nie Zuwendung erfahren, nicht einmal von den Eltern. Sie waren weit weg. Nur ein Bruder, und für einige Jahre… Und welchen Dienst habe ich meinem älteren Bruder in dieser kurzen Zeit erwiesen? Wie gut haben mir seine Strenge und seine Ansprüche getan!“

Sie lernte Leid zu ertragen und bescheiden zu sein. So schreibt Genoveva weiter: „Mit Recht erlaubt es Gott, keinen Namen und keine Ausbildung zu haben. Mir fehlt es an allem; ich benötige alles.“ „Wie ein armer Hausdiener zu leben, der seinem Herrn in dieser Welt dient, ohne materiellen Besitz und spirituellen Beistand, heißt, das authentische Leben einer irdischen Seele zu leben, Herr.“

Mit zehn Jahren erwachte in ihr das Interesse an Büchern, vor allem spirituellen Inhalts. In einem davon las sie, dass man auf Erden sei, um stets den Willen Gottes zu tun, und dass jeder sich der Aufgabe widmen solle, die ihm Gott zugedacht hat. Dies wur­de zur Norm ihres Lebens.

Nach der Heirat des Bruders und dem Tod der Schwägerin nach der Geburt des ersten Kindes musste sie sich auch um die kleine Nichte kümmern, die jedoch noch im zarten Kindesalter dahingerafft wurde.

1883, im Alter von 13 Jahren, als Genoveva – zweifellos nicht zuletzt aufgrund des großen Arbeitspensums, das sie in ihrem einsamen und entbehrungsreichen Leben zu bewältigen hatte – bereits an schmerzhaften Krankheiten litt, wurde ihr wegen eines Tumors im Knie das linke Bein amputiert. Die Operation wurde wegen der damaligen armseligen Verhältnisse zu Hause auf dem Tisch ausgeführt – ohne ausreichende Narkose, was zur Folge hatte, dass ihr nie mehr eine Prothese angepasst werden konnte und sie die ganze Zeit hindurch, bis zum 86. Lebensjahr, gezwungen war, sich auf Krücken fortzubewegen. 1885 manifestierte sich die Krankheit von neuem. Ihr Körper war von Narben übersät und bei der kleinsten Bewegung litt sie starke Schmerzen.

Als ihr Bruder José 1886 wieder heiratete, musste Genoveva auf Begehren der neuen Schwägerin das Elternhaus in Almenara, das ihr durch so viele mit Blut und Tränen besiegelten Erinnerungen heilig war, verlassen. Sie wurde damals in das von den Karmelitinnen von der Nächs­tenliebe errichtete „Haus der Barmherzigkeit“ in Valencia aufgenommen, wo sie von 1885 bis 1894 blieb. Es war Don Carlos Ferris, der spätere Jesuitenmissionar und Gründer des Lepraspitals in Fontilles (Alicante), der sie begleitete und unterstützte. Nach neun Jahren Aufenthalt im „Haus der Barmherzigkeit“ vernahm sie den Ruf des Herrn zum Ordensleben und bat um Aufnahme bei den Karmelitinnen, was ihr jedoch wegen ihres physischen Gebrechens verwehrt blieb. Genoveva suchte in keiner anderen Kongregation mehr um Aufnahme an. All das hielt sie jedoch nicht davon ab, weiterhin nach dem Plan des Herrn in ihrem Leben zu forschen.

1894, im Alter von 24 Jahren, verließ sie das „Haus der Barmherzigkeit“ und zog sich mit zwei Frauen, Isabella Futter und Amparo Ribes, in ihr Heimatdorf zurück, mit dem vagen Gedanken, eine Gemeinschaft mit spiri­tueller Ausrichtung – Verehrung der Eucharistie und Unterstützung der Bedürftigen – ins Leben zu rufen. Genoveva widmete sich manuellen Arbeiten, wo­für sie großes Talent besaß. Außerdem führte sie die „Nachtwache für Frauen vor dem Allerheiligsten Altarsakrament“ ein. Sie war getragen vom eucharis­tischen Sühnegedanken und einer tiefen Verehrung für das Heiligste Herz Jesu – eine Spiritualität, die ihr Leben prägte.

1911 legte der Kanoniker Giuseppe Barbarrós den drei Gefährtinnen die Gründung einer neuen Gemeinschaft ans Herz. „Meinen Beichtstuhl bevölkern viele arme Frauen, die nur eine bescheidene Rente haben und kein selbstän­diges Leben führen können; die Ärmsten leiden und nehmen viel Ungemach auf sich, wenn sie in Untermiete wohnen oder ihr Leben sonstwie fristen.“ Nachdem sich Genoveva mit dem Jesuiten Martin Sánchez, dem Spiritual ihrer kleinen Gruppe, beraten hatte, gründete sie am 2. Feb­ruar 1911 in Valencia mit vier dort Ansässigen das „Haus der alleinstehenden Frauen … unter dem Schutz unserer Lieben Frau von den Obdachlosen“. So entstand die Kongregation der Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu und von den heiligen Engeln – die allseits bekannten Angélicas. Genoveva wurde zur Leiterin des Hauses ernannt.

Die spezielle Aufgabe der Neugründung lag in der Aufnahme und Be­treuung notgedrungen alleinstehender Frauen und Mädchen. Nach Genovevas Vorstellung sollten diese Wohnheime eine Art Ersatz für den häuslichen Herd sein, wo die Frauen jenen Frieden und jene Ruhe genießen sollten, die ihnen die eigene Familie nicht vermitteln konnte. Auf diese Weise wurde einer Not­wendigkeit Rechnung getragen, die auch in der heutigen Gesellschaft durch­aus noch gegeben ist.

Im Mai 1912 ging Genoveva nach Saragossa, wo am 31. Juli ein neues Wohnheim eingeweiht wurde. Hier fanden nach verschiedenen Versuchen Generalatshaus und Bildungshaus ihren Sitz. Mit der Zunahme an Berufungen kam es zu weiteren Gründungen. Vom Dezember 1912 an trugen die Schwestern ihr charakteristisches Kleid. 1915 erfolgte mit der Ablegung privater Gelübde die Weihe an Gott, nachdem Statuten ausgearbeitet worden waren, die bereits den Kern der künftigen Ordensgemeinschaft in sich trugen. Am 5. Dezember 1925 wurde das Dekret erlassen, kraft dessen die Gemeinschaft der Angélicas als Diözesaninstitut errichtet wurde. Am 18. Dezember desselben Jahres leg­ten Genoveva und 18 Gefährtinnen vor dem Erzbischof von Saragossa die Ordensprofess ab. Zwei Tage später wurde sie zur Generaloberin des Instituts ernannt.

Es folgten weitere Gründungen, doch kam es im Zuge der religiösen Ver­folgung von 1931 und des Spanischen Bürgerkriegs 1936 auch zu schwieri­gen Situationen.

Im Haus in Valencia konnten die Schwestern nicht nur den verschiedenen Mitgliedern religiöser Kongregationen, sondern ebenso Laiengruppen Schutz gewähren, mit der Möglichkeit, auch das Allerheiligste Altarsakrament aufzubewahren. Nach Kriegsende ermutigte Mutter Genoveva ihre Töchter, die während des Konflikts verlorenen Häuser zurückzugewinnen. Von da an verbreitete sich die Gemeinschaft in ganz Spanien. Zwischen 1939 und 1941 musste in der Nähe der Basilika von Pilar ein neues Haus gebaut werden, wo das Generalatshaus, das Wohnheim für betagte Frauen und die dort geläufige Aufnahmepraxis nach wie vor an Genovevas Glauben und Nächstenliebe erinnern.

Dort betreute sie in den letzten Jahren nicht nur die im Haus wohnenden Frauen, sondern auch die Schwestern, deren Generaloberin sie war. Dabei erschöpften sich ihre Kräfte immer mehr, doch fand das Werk weiterhin Verbreitung. Nichts bereitete Genoveva in dieser Zeit mehr Freude als das „Decretum laudis“ von Seiten Roms vom 25. März 1953, das in al­len Häusern des Instituts gebührend gefeiert wurde. Die Kongregation erhielt so päpstlich-universalen Charakter und trug von diesem Moment an die Bezeichnung Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu und von den heiligen Engeln.

Aufgrund völliger Taubheit und des zunehmend geschwächten Zustandes von Mutter Genoveva wurde auf dem vierten Generalkapitel von 1954 eine neue Generaloberin gewählt, und Sr. Genoveva verstand es, fortan als ehr­fürchtige und gehorsame Ordensfrau zu leben. Nach einem Schlaganfall am 30. Dezember 1955 und der daraufhin erfolgten Krankensalbung starb die allen als „Engel der Einsamen“ vertraute Mutter Genoveva am 5. Januar 1956 im Alter von 86 Jahren in Saragossa im Ruf der Heiligkeit. Ihr Leben kann durchweg als ein Wunder der Gnade Gottes bezeichnet werden. Im Leben wie im Tod war sie vom Ruf einer wahrhaft authentischen Heilig­keit begleitet.

Die sterblichen Überreste Genovevas ruhen in der Krypta des Mutterhauses, Piazza del Pilar, 22, Saragossa, Spanien, wo sie das beständige Ziel von Schutz und Hilfe suchenden Gläubigen sind. Inzwischen gibt es ihr Werk in Spanien, Italien, Mexiko und Venezuela. Die „Angélicas“ versuchen, überall dort präsent zu sein, wo die Einsamkeit ihr schmerzliches Antlitz zeigt: bei den Alten, den Behinderten, den Unverstandenen.

Am 4. Mai 2003 wurde Genoveva Torres Morales von Papst Johannes Paul II. in Madrid heiliggesprochen, der sie am 29. Januar 1995 seliggesprochen hatte.

Am 4. Oktober 2006 wurde in einer Nische von St. Peter in Rom von Papst Benedikt XVI. eine Statue der Genoveva Torres Morales eingeweiht.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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