Andreas Resch: Friedrich Albert

FRIEDRICH ALBERT
(1820-1876)

PRIESTER
UND GRÜNDER
DER VINZENTINERINNEN
DER IMMACULATA
(ALBERTINEN)

Selig: 30. September 1984
Fest: 30. September

FRIEDRICH ALBERT wurde am 16. Oktober 1820 als erstes von sechs Kindern des Generalstabschefs Alois Albert und der Lucia Riccio in Tu­rin, Italien, geboren. Seine Kindheit verbrachte er bei den Großeltern mütter­licherseits. Wo er die Volksschule besucht hat, ist nicht bekannt.

Als er 15 Jahre alt war, traf der Vater wegen seines Interesses an der mi­litärischen Laufbahn Vorkehrungen für die Aufnahme in die Militärakademie von Turin. Plötzlich aber erfuhr Friedrichs Leben eine entscheidende Wende. Beim Gebet vor dem Altar des Seligen Sebastian Valfre in der Kirche von San Philipp verspürte er die Berufung zum Priester.
Obwohl der Vater überrascht und verärgert zugleich war, legte er ihm nichts in den Weg. Im Herbst 1836 nahm Friedrich Albert den Talar und be­gann beim Klerus der Kirche der Oratorianer mit den Vorbereitungen auf das religiöse Leben. Gleichzeitig inskribierte er an der Theologischen Fakultät der Königlichen Universität von Turin, wo er am 19. Mai 1843 das Theologiestu­dium mit dem Doktorat abschloss. Am 10. Juni desselben Jahres wurde F. Al­bert zum Priester geweiht.

Die Stellung des Vaters und seine ausgeprägten Tugenden als Priester erreg­ten die Aufmerksamkeit des Hauses Savoyen, woraufhin er 1847 von S. M. König Karl Albert zum Hofkaplan ernannt wurde. Er übte dieses Amt mit großem Eifer und kluger Entschiedenheit aus, ohne sich zu isolieren. Beson­deres Engagement zeigte er für die Armen und Schwachen, die Turin damals in großer Zahl bevölkerten.

In religiöser Hinsicht waren es schwierige Jahre. In Piemont, der Wiege des italienischen Risorgimento, war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat be­sonders traumatisch und stellte viele Katholiken auf die Probe. Albert hinge­gen gehörte zu jenem Teil des Klerus, der in Loyalität zum Auftrag der Kirche stand. Er betete, litt und gab so weit als möglich Anregungen in Treue zum Evangelium, womit er sogar die Wertschätzung des Königs Viktor Emanuel II., dessen Familie und anderer Personen gewann. Berühmtheit erlangte eine seiner Fastenpredigten im Castello di Moncalieri 1852 in Anwesenheit des Kö­nigs, der königlichen Familie und des gesamten Hofes. Als er das Evangelium von der Ehebrecherin auszulegen hatte, tat er dies in voller Klarheit, ohne sich um die Gegenwart des Königs zu kümmern, dessen diesbezügliche Eska­paden allgemein bekannt waren. Während die Höflinge murrten, würdigte der Monarch Alberts Offenheit und meinte bei der Abschiedsaudienz: „Danke, Sie haben mir immer die Wahrheit gesagt.“

Unzufrieden darüber, dass er nicht die ganze Zeit seiner Arbeit als Priester widmen konnte, wandte er sich an den hl. Johannes Bosco, der ihn zu einem seiner Mitarbeiter machte und ihn mit den Exerzitien für die Jugendlichen im Oratorium von Valdocco (1848) betraute.
Von 1850 bis 1852 wirkte F. Albert als Seelsorger in der Pfarre von San Karl.

1852 wurde er zum Vikar von Lanzo Torinese ernannt, wobei er dort eigent­lich die Funktionen eines Pfarrers wahrnahm.
Obwohl Lanzo wegen der Bedeutung seines Marktes, der viele Bewohner nicht nur der hoch gelegenen Täler, sondern auch aus den Dörfern der cana­vesischen Ebene anlockte, bereits eine erhebliche Geschäftstätigkeit verzeich­nete, gab es dort noch keine Industrie, so dass die Einkünfte der hier lebenden Menschen außer vom Handel ausschließlich aus bescheidenen handwerkli­chen Tätigkeiten und der nicht gerade üppigen Landwirtschaft stammten. Al­bert wusste die Funktion von Lanzo als Hauptort der umliegenden Täler ent­sprechend zu nutzen und machte es zu einem Zentrum schulischer und sozia­ler Einrichtungen für die Bevölkerung aus dem Hochland und der Tiefebene.
Das Programm seiner seelsorglichen Tätigkeit ist in der Inschrift zusammen­gefasst, die er im Atrium des Pfarrhauses anbringen wollte: „Der gute Hirte gibt das Leben für seine Schafe.“ Diesem Motto blieb er treu bis in den Tod.

Alberts „pastorale Nächstenliebe“ gründete sich auf beharrliches Gebet, das nicht nur zu den täglichen Verpflichtungen eines Priesters allgemein gehörte, sondern auch viele nächtliche Stunden in Anspruch nahm, ihm zum pädagogi­schen Ansporn anderen gegenüber wurde und Synthese seines Lebens war.

1858 gründete er einen Kinderhort, den er den Schwestern der Nächstenlie­be anvertraute. 1859 ließ er ein Waisenhaus für Mädchen bauen und 1866 er­richtete er ein Mädchenpensionat mit Volksschule, Unterricht in Französisch, Zeichnen und Musik sowie mit Ergänzungskursen zur Vorbereitung auf das Lehramt.

Diese Gründung war ein unschätzbares Verdienst, beklagten doch die offi­ziellen Berichte der damaligen Zeit das Fehlen öffentlicher Mädchenschulen in den ländlichen Ballungsgebieten, wo jungen Frauen der Zugang zur Bildung durch althergebrachte Vorurteile versagt blieb. 1864 verwendete sich Albert dafür, dass Don Bosco in Lanzo ein Oratorium eröffnen konnte, das später zu einem Kolleg für die männliche Jugend ausgebaut wurde.

Aufgrund seiner bemerkenswerten Fähigkeiten als Prediger hielt er auch Exerzitien für Klerus und Laien sowie Volksmissionen ab, denen er – so schrieb sein Freund, der Erzbischof von Turin, Mgr. Gastaldi – „zwei, drei, vier Wochen, buchstäblich den ganzen Tag und die ganze Nacht widmete und dabei auf seine körperlichen Bedürfnisse völlig vergaß“.

1869 gründete er schließlich – um die Fortsetzung seiner erzieherischen Ar­beit zu gewährleisten – die Kongregation der Vinzentinerinnen der Immaculata, heute besser bekannt unter der Bezeichnung Albertinen. Die­se Gründung erfolgte nicht zum Zwecke der „Erneuerung des kirchlichen Le­bens“, sondern aus einem Bedürfnis der Nächstenliebe im lokalen Umfeld heraus, also auf „Dienstleistungsebene“ und den Formen des Apostolats der da­maligen Zeit entsprechend. Heute erfordert dies im Bereich der Betreuung, Erziehung und Ausbildung, entweder den alternativen Dienst bzw. die Entfal­tung bereits vorhandener Strukturen im Innern zu wählen oder sich, getragen vom Hl. Geist, auf einen Dienst einzulassen, der dort — wo man auf die Träg­heit der Bürokratie keine Rücksicht nehmen kann oder wo moderne Struktu­ren nicht immer hingelangen — nach wie vor ein „Erfordernis der Nächstenlie­be“ ist.

Sein überaus großer Einsatz kam auch den Oberen zu Ohren, die ihn für das Bischofsamt vorschlugen. Man bot ihm nacheinander die Diözesen Biella und Pinerolo an, doch beide Male bat Albert inständig darum, auf ihn verzich­ten zu wollen, um bei seiner pfarrlichen Tätigkeit bleiben zu können.

Als in Italien die „Arbeiterfrage“ explodierte, erkannte Albert die Notwen­digkeit, auch die „Bauernfrage“ aufzugreifen, und so plante er in Lanzo die Eröffnung eines Zentrums zur Schulung junger Männer für die Feldarbeit auf der Basis des technischen Fortschritts. 1873 machte er sich an die schwierige Aufgabe der Gründung einer landwirtschaftlichen Schule zur Heranbildung ehrlicher, religiöser und fachlich qualifizierter Bauern. 1875 waren die neuen Räumlichkeiten bezugsfertig, und es kamen die ersten Bauern, die in der Schule von den Schwestern unterwiesen und in der praktischen Arbeit von technischem Personal geschult wurden.

Das Leben des eifrigen Priesters fand jedoch durch einen Unfall ein jähes Ende. Neben der Landwirtschaftsschule hatte Albert eine Kapelle errichten lassen, die als Pfarrsaal dienen sollte. Am Vormittag des 28. September 1876 stieg er über ein Baugerüst auf ein Kranzgesims ca. sieben Meter über dem Boden, um für die kommenden Feierlichkeiten am Gewölbe ein paar Girlan­den anzubringen. In diesem Augenblick kam ein junger Mann, um einen Pfos­ten vom Gerüst zu entfernen, und don Albert schickte sich an, ihm zu helfen. Doch während er den Jungen anwies, nur ja keinen Fuß nach hinten zu set­zen, war gerade er es, der einen Schritt zurück machte, in die Tiefe stürzte und mit dem Kopf aufschlug. Helfer trugen ihn in das Pfarrhaus, wo man ihm erste Hilfe leistete und angesichts seines ernsten Zustandes die Krankensal­bung spendete. Selbst Don Bosco, der dieser Tage bei den Salesianern in Lan­zo zu Besuch weilte, eilte an sein Krankenbett. Man konnte jedoch nichts mehr für Albert tun und so starb er am Morgen des 30. September 1876.

Er wurde auf dem Friedhof von Lanzo beigesetzt und am 6. September 1937 in die Kapelle vom Herzen Mariä überführt. Seine Gebeine ruhen heute noch dort neben dem Hauptaltar der Pfarrkirche S. Peter in Vincoli in Lanzo, wo er immer stundenlang kniend im Gebet verharrt hatte.

Am 30. September 1984 wurde Friedrich Albert von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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