Andreas Resch: Franziska Anna Cirer Carbonell


FRANZISKA ANNA CIRER CARBONELL
(1781-1855)

PROFESS-SCHWESTER
DES INSTITUTS DER BARMHERZIGEN SCHWESTERN

Selig: 1. Oktober 1989
Fest: 27. Februar

FRANZISKA ANNA VON DER SCHMERZENSJUNGFRAU wurde am 1. Juni 1781 in der Gemeinde Sencelles der Diözese Mallorca auf den Balearen in Spanien geboren und auf den Namen Franziska Maria Bonaventura getauft. Ihre Eltern Paulo Cirer und Juana Carbonell waren ziemlich wohlhabende Bauern von aufrechter und tiefreligiöser Gesinnung, die die Kleine zu einem soliden christlichen Leben erzogen. Wenngleich sie nicht anders war als die übrigen Mädchen des Dorfes, merkt ihr Biograf doch an, dass sie sich, nachdem sie in den Vollbesitz ihrer Vernunft gelangt war, bevorzugt religiösen Übungen widmete. Sie ging weder zur Schule noch lernte sie lesen oder schreiben, aber sie hatte eine gediegene christliche Ausbildung, die sie den Kinder und Erwachsenen im Dorf weitervermitteln konnte.

Am 9. Mai 1788 wurde Franziska gefirmt, 1791 empfing sie die Erstkommunion. 1798 schloss sie sich den Franziskaner-Terziarinnen an und 1813 schrieb sie sich vermutlich in ihrer Pfarre in die Bruderschaft vom Allerheiligsten Altarsakrament ein.

Während ihrer Kindheit und Jugend war Franziska mit Arbeiten im Haus und auf dem Feld beschäftigt; nebenbei hegte sie eine besondere Verehrung für die Allerheiligste Dreifaltigkeit, die Passion Christi, die Schmerzensjungfrau und die Armen Seelen. Freudig betete sie den Rosenkranz und benutzte die Samstage zum Fasten. Von ernster, nachdenklicher und hilfsbereiter Art, äußerte sie den Wunsch, Nonne in einem Kloster in Palma zu werden, doch stemmte sich ihr Vater aus unbekannten Gründen dagegen. Franziska glaubte darin den Willen Gottes zu erkennen und beschloss, zu Hause das Leben einer Nonne zu führen. Es war geradewegs das Leben selbst, das sie durch die harte Schule der Gegensätze, der Schicksalsschläge und der Einsamkeit führte. Innerhalb weniger Jahre musste sie den Tod ihrer Angehörigen miterleben: zuallererst ihrer fünf Geschwister (zwischen 1788 und 1804), dann den Tod der Mutter (1807) und schließlich des Vaters (1821). Franziska fand sich völlig allein am Fuße des Kreuzes, so wie die Schmerzensmutter, zu der sie ein besonderes Verhältnis hatte.

Nachdem sie nun freier geworden war, gab sie sich noch eindringlicher dem Gebet und der Betrachtung hin, ohne dabei die Feldarbeit zu vernachlässigen. Den Ernteerlös teilte sie mit ihrer Gefährtin Magdalena Cirer Bennássar (gest. 1870), den Rest schenkte sie den Armen. Den Mittelpunkt ihres Apostolats bildeten die Kranken und Bedürftigen. Ihnen ließ sie alle nur erdenkliche Hilfe angedeihen, unterwies sie im christlichen Glauben und im Katechismus.

Wegen ihrer außergewöhnlichen Charismen galt Franziska die ganze Aufmerksamkeit und Bewunderung der Bevölkerung. Sie erschien als eine Person, die sich gern in sich selbst zurückzog, ein abgeschiedenes Leben führte, in Armut und Geschäftigkeit, dem Gebet und Werken der Barmherzigkeit ergeben. Sie folgte den Anweisungen und Anregungen der Geistlichen, die auch ihre spirituellen Führer waren. Unaufhörlich sorgte sie sich um das geistige Wohl von Sencelles und entwickelte dabei in ihrem Innern ein ehrgeiziges Projekt, nämlich „die ganze Bevölkerung von Sencelles zu Gott zu führen“. Darauf verwandte sie ihr ganzes Engagement. Sie gab alles, was sie besaß, und was noch wichtiger war: sie opferte sich selbst.

Stets war sie bereit zu einem Rat, schenkte allen Gehör und reichte dem, der es nötig hatte, ihre hilfreiche Hand. Besonderes Augenmerk legte sie auf die Kinder; so kümmerte sie sich um deren Ausbildung und führte sie in den Katechismus ein. Mit den Burschen scherzte sie bei jeder Gelegenheit und gab ihnen allerlei Anregungen. Vor allem für das Verhalten der Mädchen fühlte sie sich verantwortlich, sie kannte alle, hatte häufig mit ihnen zu tun und wurde so zu deren Bezugsperson. In ihrem kleinen Landhaus organisierte sie fröhliche Zusammenkünfte und Tanzveranstaltungen, bei denen sich die jungen Leute – unter Franziskas Aufsicht, die von allen respektiert wurde – zwanglos unterhalten konnten. So wurde neben Spaß und Spiel auch immer wieder der Rosenkranz gebetet; sie stand den Jugendlichen mit Rat und Tat zur Seite und ließ ihnen die nötige Führung zuteil werden. Gleichzeitig spendete sie in jeder Art von Bedrängnis Trost, half den Armen und besuchte die Kranken, besonders jene im Endstadium, damit sie die Krankensalbung erhielten.

Ihre aufrichtige Nächstenliebe, ihr Verständnis, ihre heitere Art und lebhafte Intelligenz, wobei sie stets ein Lächeln auf den Lippen und ein freundliches Wort auf der Zunge hatte, brachten ihr allgemeine Sympathie ein. Selbst jene, die der Kirche fern standen, sparten nicht mit Wertschätzung. Alle wandten sich in ihren momentanen (auch geistigen) Nöten an sie. Und Franziska empfing sie alle, ganz gleich welchen Standes. Ihre Zeitgenossen erinnerten sich vor allem daran, dass sie die Armen aufnahm, „als handle es sich um Jesus persönlich“.

Während sie in völliger Hingabe an ihren Nächsten lebte, stand sie in einer beständigen inneren Verbindung mit dem Herrn. Ihr Pfarrer und Spiritual, Don Juán Molinas, sagte, dass sie es meisterhaft verstand, das aktive mit dem kontemplativen Leben zu verbinden. Andere Zeugen behaupten, sie habe unaufhörlich gebetet. Ihre Vereinigung mit Gott war bisweilen, vor allem in ihren letzten Jahren, so tief, dass sie – in völliger Verzückung ihrer Sinne beraubt – in einen Zustand echter Ekstase fiel.

Schon bald war Franziskas umsichtiger, diskreter und weitblickender Rat allerorts gefragt. Sie sprach wenig – das behaupteten zumindest jene, die sie kannten. Die Früchte ihrer Ratschläge und Empfehlungen waren der Friede und die Freude derer, die zu ihr kamen. Dazu gesellte sich, vorerst in Sencelles und den umliegenden Dörfern, dann auf der ganzen Insel, eine große Zahl an Visionen, Prophezeiungen und vor allem Wunderheilungen.

Im fortgeschrittenen Alter von 72 Jahren gewann sie nach einer Aussprache mit ihrem Spiritual, dem Pfarrer von Sencelles, die Überzeugung, dass Gott sie dazu erkoren hatte, in ihrem geliebten Heimatdorf ein Kloster der Barmherzigen Schwestern zu gründen. Sie investierte alles, was sie besaß, in dieses Unterfangen und benannte ihr Haus in „Casa de las Hermanas de la Caridad“ (Haus der Barmherzigen Schwestern) um. Die Neugründung unterstellte sie dem Schutz der Schmerzensreichen; sie selbst nahm den Namen Franziska Anna von der Schmerzensjungfrau an.

Als sie am 7. Dezember 1851 das Ordenskleid erhielt und gemeinsam mit zwei Gefährtinnen die Gelübde ablegte, erfolgte auch die Approbation der Gründung. Der eigentliche Zweck der neuen Ordensgemeinschaft war ein dreifacher: Hauskrankenpflege, Ausbildung der Mädchen sowie Katechismusunterricht für Jugendliche und Erwachsene im Kloster und in den verschiedenen Vororten.

Auch nach ihrer Ernennung zur Oberin, deren Funktion sie bis zu ihrem Tod innehatte, führte sie ihr Leben weiter wie bisher – „ein Leben, das ausschließlich dem Dienst an Gott und der Hilfe für den Nächsten geweiht war“, wie ihr Biograph Molinas schreibt. Sie zeichnete sich aus durch intensives Gebet und präzise Umsetzung der Gelübde und leitete das neue Institut mit großer Umsicht und viel Verständnis. Wenn man der Stimme des Volkes Glauben schenkt, lebte sie in einer übernatürlichen Atmosphäre und vollbrachte außergewöhnliche Dinge.

Aus diesem Grund war der 27. Februar 1855 für das Dorf Sencelles und all ihre Freunde „ein Tag der Bestürzung und Trauer“. Nachdem Franziska der Messe beigewohnt und die Kommunion empfangen hatte, fühlte sie sich nicht gut. Wenige Stunden später starb sie an einem Schlaganfall.

Ihr Leichnam wurde drei Tage lang aufgebahrt. Ganz Sencelles sowie unzählige Menschen auf Mallorca kamen, um ihr, die im Ruf der Heiligkeit stand, die letzte Ehre zu erweisen.

Aufgrund der großen Menschenmenge, die sich aus sämtlichen Gesellschaftsschichten zusammensetzte, gestaltete sich ihre Beerdigung zu einem bewegten Triumphzug. Unter den vielen Leuten waren auch jene Personen, denen die warme und hilfreiche Hand der Verstorbenen zugute gekommen war.

Ihr Grab befindet sich im Kloster „Hermanas de la Caridad“ (Kloster der Barmherzigen Schwestern), Carrer Caritat, 3, Sencelles, Mallorca, Balearen, Spanien.

Am 1. Oktober 1989 wurde Franziska Anna von der Schmerzensjungfrau von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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