FLORIDA CEVOLI
(Lucretia Helena)
(1685-1767)
PROFESSNONNE
DES ZWEITEN ORDENS
DES HL. FRANZISKUS
(KLARISSEN-KAPUZINERINNEN)
Selig: 16. Mai 1993
Fest: 12. Juni
FLORIDA CEVOLI wurde am 11. November 1685 als Tochter des Grafen Curzio Cevoli und der Gräfin Laura della Seta in Pisa geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Lucretia Helena getauft. Sie war ein sehr lebhaftes Kind mit einem schon früh ausgeprägten scharfen Intellekt, wodurch der Eindruck vermittelt wurde, dass sie bereits mit zwei Jahren ihre Vernunft gebrauchte. Am 24. Juni 1697 erhielt Lucretia die Firmung. Nachdem sie im geräumigen Palast im Kreis der Großfamilie herangewachsen war, wurde sie – nach damaliger Sitte – mit ca. 13 Jahren den Klarissen von S. Martino di Pisa zur weiteren Erziehung und Ausbildung übergeben. Während der fünf Jahre dort vervollständigte sie ihre Allgemeinbildung, vor allem in literarischer Hinsicht. An den Gedichten, die sie als Ordensfrau schrieb, ist klar zu erkennen, dass sie mit der Metrik und den klassischen poetischen Formen mehr als vertraut war. Was ihre religiöse Bildung anbelangt, so entwickelte sie weiter, was in ihr bereits als Kind grundgelegt war, und übte sich darüber hinaus noch in bestimmten Bußpraktiken. Ihr Wunsch war es, im Verborgenen ein asketisches Leben in absoluter Armut zu führen. Daher war, als sie die Klarissen verließ, ihre Berufung bereits entschieden.
Wieder zu Hause, tat sie ihren Eltern kund, dass sie bei den Klarissen-Kapuzinerinnen von Città di Castello eintreten wolle. Sowohl innerhalb der Familie, die an Lucretias Berufung zweifelte, stieß sie auf Hindernisse als auch bei den Kapuzinerinnen selbst, die zögerten, eine Kandidatin von so vornehmer Herkunft und mit solchen Qualitäten bei sich aufzunehmen. Nachdem die Schwierigkeiten überwunden waren, erhielt sie 1703 von diesen schließlich einen positiven Bescheid, woraufhin die Vorbereitungen begannen. Damals war es Brauch, dass eine Kandidatin vor ihrem Eintritt in das Kloster im Brautkleid die Klöster der Umgebung sowie die Familien von Verwandten und Bekannten aufsuchte. Also begann sie am 2. April damit, die zahlreichen Klöster von Pisa zu besuchen. In einem von ihnen fiel sie aufgrund des Bußgürtels, der ihr den Leib unter dem engen Mieder zusammenschnürte, während des Mittagessens in Ohnmacht. Sie musste ihn abnehmen, wofür sie aber eine Entschuldigung fand.
Am 7. Juni 1703 trat Lucretia bei den Klarissen in Città di Castello (PG) ein und nahm bei der Einkleidung den Namen Sr. Florida an. In ihrem Ordensleben wurde sie von den Empfehlungen und mehr noch vom Beispiel der Novizenmeisterin, der hl. Veronika Giuliani, geleitet. Diese war 1677 in das Kloster eingetreten und ließ ihre Liebe durch das Leiden konkrete Gestalt annehmen, indem sie Christus dem Gekreuzigten immer ähnlicher wurde, was sich in körperlichen Phänomenen, wie dem Abdruck der Dornenkrone, der Seitenwunde und den ihr am Karfreitag, den 5. April 1697, auferlegten Stigmen äußerte, die nach drei Jahren wieder verschwanden. Sr. Florida schreibt dazu: „Als ich Nonne wurde, bemerkte ich, dass Sr. Veronika an den Füßen einen Verband trug, um die Wunden zu verdecken, an den Händen hingegen nicht. Die Oberen erlaubten ihr das nicht, wohl um sie, wie ich meine, in ihrer Demut zu bewahren oder um ihrem Wunsch entgegenzuwirken oder weil sie glaubten, wir Mitschwestern würden dies ausnützen.“
Unter einer so erhabenen Lehrmeisterin zeigte Florida schon bald einen außergewöhnlichen Hang zum Gebet und zur Kontemplation. Kurz vor Ende des Probejahres musste die Novizin die Kommunität um die Gnade der Zulassung zur Profess ersuchen. Florida hatte Angst, man würde sie für unwürdig erachten, doch die Schwestern sahen in ihr schon damals eine vorbildliche Ordensfrau, weshalb sie ihr diese einstimmig erteilten. Sie legte die Profess am 10. Juni 1704 ab. Im Kloster war es die Norm, dass die Neuprofessen zwei weitere Jahre im Noviziat verbrachten, wenngleich mit schwarzem Schleier. Sr. Florida ersuchte, weiterhin den weißen Schleier tragen zu dürfen und dann noch um drei weitere Jahre im Noviziat, um voll und ganz den Geist und die Lehre der stigmatisierten Lehrerin in sich aufnehmen zu können.
1716 wurde Sr. Veronika zur Äbtissin des Klosters gewählt und Sr. Florida, noch nicht einmal zehn Jahre nach der Profess, zur Vikarin. Daraus entwickelte sich eine von der Vorsehung gewollte Zusammenarbeit, die sich sehr zum Wohle der Kommunität auswirkte. Während Mutter Giuliani ihre Hauptaufgabe in der Betrachtung Gottes und der Aufnahme geistiger Nahrung sah, kümmerte sich Sr. Florida um die materiellen Dinge und den Kontakt zu den Menschen. Als Sr. Veronika 1727 starb, wurde Sr. Florida (mit 42 Jahren) ersucht, ihren Platz einzunehmen, und sie erfüllte diese Aufgabe, nachdem sie in aufeinanderfolgenden Triennien wiedergewählt wurde, mit kurzen Unterbrechungen bis zu ihrem Tod.
Das Kloster beseelte sie mit neuem Eifer, was sich wie folgt äußerte: verstärkte Teilnahme an der Eucharistiefeier mit mehrmaligem Empfang der hl. Kommunion pro Woche; Intensivierung verschiedener Frömmigkeitsübungen; neue Bemühungen für ein Leben in Abgeschiedenheit von der Welt mit strengerer Auslegung der Klausur und der möglichen Kontaktnahme nach außen. Was sie von den anderen verlangte, war in erster Linie ihr ganz persönliches Programm. So pflegte sie zu sagen: „Gott sei Dank gibt es hier keine großen Dinge. Es ist besser, das Kleine zu züchtigen, damit es nicht groß wird.“
Die Nonnen wussten ihr bewundernswertes Beispiel zu schätzen und übertrugen ihr stets eine verantwortungsvolle Aufgabe. Einmal wählten sie sie zur Novizenmeisterin und bis zu ihrem Tod wechselte sie zwischen dem Amt der Äbtissin und Vikarin. Sie verfügte – wie es ein Zeuge formulierte – über „hundert Augen und ebenso viele Hände“, um nicht nur den Bedürfnissen ihrer Töchter gerecht zu werden, sondern auch den Notleidenden, die an die Klosterpforte klopften, und der einen oder andern armen Familie, die sie – soweit es die bescheidenen Mittel der Kommunität erlaubten – unterstützte.
Als ein wertvolles Zeugnis ihrer Spiritualität und ihres Wirkens dienen die von ihr geschriebenen Briefe an die verschiedensten Adressaten an allen möglichen Orten, selbst am Hof von England. Darüber hinaus wurde ihr von ihrem Beichtvater aufgetragen, ihre inneren Erlebnisse schriftlich festzuhalten. Ihrem Gehorsam folgend verfasste sie insgesamt zwanzig Hefte. Nach dem Tod ihres Seelenführers setzte sie alles daran, um wieder an ihre Schriften zu kommen und sie dann den Flammen zu übergeben.
Mit der Zerstörung ihres Schriftguts ging das persönliche Zeugnis ihrer Erfahrungen verloren, und so muss man sich mit dem begnügen, was ihre Mitschwestern zu Protokoll gaben. Darin ist die Rede von Visionen, Ekstasen und von außergewöhnlichen Ereignissen, wie der Vermehrung von Mahlzeiten. So berichtet die Bäckerin, Sr. Maria Anna, der Florida auftrug, zwei kleine Quarkstücke auf 33 Mitglieder der Kommunität aufzuteilen: „Und so war es: ich machte daraus 33 Teile und es reichte leicht für die ganze Gemeinschaft. Dasselbe geschah auch mit anderen Lebensmitteln wie Teigwaren, Käse usw. … Und ebenso war es mit ihrem Amt als Äbtissin. Oft mangelte es ihr an verschiedenen Dingen, aber sie setzte ihr ganzes Vertrauen auf Gott; und bis zum Abend hatte sie, was sie brauchte, und sie sagte: Seht, wie groß Gottes Güte und Vorsehung ist – er hat meine Not gesehen und mir wahrhaft reichlich gegeben.“
Die Zeugnisse sprechen vor allem auch von der Gabe der Prophetie, die drei Arten von außergewöhnlichen Fähigkeiten beinhaltete: die Zukunftsschau, das Erkennen von Gefühlen und Empfindungen auf Entfernung und das Erahnen der inneren Verfassung einer Person. Ein weiteres Phänomen wird als „Geruch der Heiligkeit“ beschrieben. Der Chirurg Giuseppe Bonzi berichtet von seinem Erlebnis um das Jahr 1747: „Ich erinnere mich noch gut, als ich zu den Kapuzinerinnen gerufen wurde… Sr. Florida war damals Mutter Äbtissin… ich trat also ein und auf dem Weg zum Krankenzimmer war mir, als ginge die Äbtissin geradewegs neben mir… und ich gewahrte jenen starken Wohlgeruch, den ich von Sr. Florida her kannte – ein so unvergleichlich zarter und zugleich erfrischender Duft, wie er mit den natürlichen Gerüchen nicht zu vergleichen ist.“
Was ihre Lehrerin Veronika Giuliani anbelangte, so hatte Cevoli Gelegenheit, dieser ihre Wertschätzung und Zuneigung dahingehend zu bezeugen, dass sie sich für die Einleitung des Seligsprechungsverfahrens einsetzte und Vorbereitungen traf, Giulianis Haus in Mercatello in ein Kloster umzuwandeln (1753). Sr. Floridas persönliches Leben war hingegen im ersten Abschnitt ihrer Ordenszeit von innerer Pein und Ängsten und schließlich von mysteriösen körperlichen Krankheiten gekennzeichnet. So zeigte sich in den letzten 20 Jahren ihres Lebens am ganzen Körper ein äußerst hartnäckiger Ausschlag. 1764 von der Leitung der Kommunität entbunden, war fortan ihr einziger Gedanke der Heimgang in die Ewigkeit. Dieser erfolgte am 12. Juni 1767. „Sie starb aus reiner Liebe zum Herrn“, sagte ihr Beichtvater, der sie in ihrer letzten Krankheit begleitete.
Die sterblichen Überreste von Florida Cevoli befinden sich unter dem Seitenaltar in der Klosterkirche S. Veronica Giuliani in Città di Castello (PG), Italien.
Am 16. Mai 1993 wurde Florida Cevoli von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]
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