Andreas Resch: Eugenia Ravasco

EUGENIA RAVASCO
(1845-1900)

GRÜNDERIN DER KONGREGATION DER
TÖCHTER DER
HEILIGEN HERZEN
JESU
UND MARIAE,
INSTITUT RAVASCO

Selig: 27. April 2003
Fest: 30. Dezember

EUGENIA RAVASCO wurde am 4. Januar 1845 als drittes von sechs Kindern des genuesischen Bankiers Francesco Matteo und der Adeligen Carolina Mozzoni Frosconi in Mailand geboren und am gleichen Tag auf den Namen Eugenia Maria getauft. 1848, als das Mädchen zwei Jahre alt war, starb die Mutter; der Vater kehrte daraufhin mit Ambrosius, seinem Ältesten, und der jüngsten Tochter Elisa, die kaum eineinhalb Jahre alt war, nach Genua zurück. Eugenia blieb mit ihrer Schwester Konstanze in Mailand, wo sie ihrer Tante Marietta Anselmi zur Pflege anvertraut wurde, die sich wie eine leibliche Mutter um sie kümmerte und sie mit Liebe, aber auch mit fester Hand erzog. Eugenia, von lebhaftem und offenherzigem Wesen, sah in ihr die Mutter und war ihr sehr zugetan.

1852 ging Eugenia zu ihrer Familie nach Genua, das von da an zum endgültigen Zuhause wurde. Hier lernte sie auch ihren Onkel, Luigi Ravasco, kennen, der an ihrer Ausbildung großen Anteil hatte, und die Tante Elisa Parodi mit ihren zehn Kindern, mit denen sie eine Zeit lang verbrachte. Vor allem aber wandte sie sich ihrer jüngeren Schwester Elisa zu, die zurückhaltend und sensibel war und mit der sie in eine tiefe spirituelle Einheit trat.

Drei Jahre später, am 20. März 1855, starb im Alter von 74 Jahren auch ihr Vater. Somit nahm sich Luigi Ravasco, der ebenfalls Bankier und überzeugter Christ war, der Waisenkinder an. Er sorgte für ihre Ausbildung und übergab die beiden Schwestern einer qualifizierten Erzieherin. Eugenia mit ihrem impulsiven Charakter und überschäumenden Naturell hatte ihre liebe Not mit dem etwas strengen Klima, doch wusste sie sich bereitwillig unterzuordnen.

Am 21. Juni 1855 empfing sie im Alter von zehn Jahren in der St. Ambrosius-Kirche (heute Chiesa del Gesù) in Genua das Sakrament der Erstkommunion und der Firmung, worauf sie sich unter der Leitung des Kanonikers Salvatore Magnasco vorbereitet hatte. Von jenem Tag an fühlte sie sich vom Geheimnis der Gegenwart Christi in der Eucharistie so angezogen, dass sie an keiner Kirche vorbeikam, ohne hineinzugehen, um vor dem Allerheiligsten Altarsakrament zu beten. Die Verehrung der Eucharistie wurde zu einem Eckpfeiler ihrer Spiritualität, zusammen mit dem Kult des Herzens Jesu und von Maria Immakulata. Von einem natürlichen Mitleid mit den Notleidenden beseelt, spendete sie von Kindheit an großzügig und von Herzen den Armen und Bedürftigen und brachte dafür auch gerne Opfer. Im Dezember 1862 verlor Eugenia Ravasco auch die Stütze des Onkels. Er hinterließ ihr nicht nur das moralische Vermächtnis einer großen Rechtschaffenheit, christlichen Verbundenheit und Freigebigkeit gegenüber den Armen, sondern auch die Verantwortung für die Familie, die nun in den Händen nicht immer ehrlicher Verwalter lag. Dennoch verlor sie nicht den Mut. Im Vertrauen auf Gott und auf Empfehlung von Kanonikus Salvatore Magnasco, des künftigen Erzbischofs von Genua, sowie umsichtiger Advokaten übernahm sie die Leitung der Familienangelegenheiten. Es gelang ihr allerdings nicht, den Bruder, der auf die schiefe Bahn geraten war, vor dem moralischen und physischen Ruin zu bewahren. Es war dies für sie eine der größten Belastungen und stellte auch ihren Glauben auf eine harte Probe. Zur gleichen Zeit traf ihre Tante Marietta Anselmi, die ihrer Nichte eine glänzende Zukunft bereiten wollte, Hochzeitsvorkehrungen. Doch Eugenia bat den Herrn inbrünstig, ihr den rechten Weg zu zeigen, fühlte sie sich doch zu Höherem berufen.

Am 31. März 1863 vernahm Eugenia in der Kirche der hl. Sabina in Genua, in die sie eingekehrt war, um Jesus in der Eucharistie zu verehren, durch die Worte des Priesters, der in diesem Augenblick zu den Gläubigen sprach, die Einladung „sich aufzuopfern, um aus Liebe zum Herzen Jesu Gutes zu tun“. Diese Erfahrung erhellte ihre Zukunft und veränderte ihr Leben.

Eugenia fand eine von Tante Marietta getrennte Wohnung und stellte sich unter der Leitung des Spirituals Msgr. Magnasco ohne Vorbehalte in den Dienst Gottes, indem sie Ihm zu seiner Ehre und zum Wohl der Seelen ihr Leben, ihre Geistes- und Herzensenergie und die von den Ihren geerbten Güter weihte: „Diese Gelder“ – pflegte sie zu sagen – „gehören nicht mir, sondern dem Herrn, ich verwahre sie nur.“ Gefasst ertrug sie die Vorhaltungen der Verwandten und die Verachtung der Frauen aus ihrem Stand und begann mutig, in ihrem Umkreis Gutes zu tun. Sie unterrichtete den Katechismus in ihrer Pfarrei Unsere Liebe Frau vom Karmel, arbeitete mit den Töchtern der Immakulata im Werk der hl. Dorothea als Assistentin für die Kinder des Viertels zusammen, öffnete ihr Haus, um ihnen Religionsunterricht zu erteilen, und gründete Näh- und Stickereiwerkstätten. Als Dame der Caritas der hl. Katharina in Portoria pflegte sie die Patienten des Spitals von Pammatone und der Spitäler für chronisch Kranke; sie besuchte die Armen und tröstete sie mit ihrer Liebe. Besonderen Schmerz empfand sie beim Anblick so vieler auf sich allein gestellten Mädchen und Kinder, die allen nur möglichen Gefahren ausgesetzt waren und von göttlichen Dingen keine Ahnung hatten.

Am 6. Dezember 1868 gründete sie mit 23 Jahren die Kongregation der Töchter der Heiligen Herzen Jesu und Mariae mit dem Auftrag „Gutes zu tun“, vor allem für die Jugend. So entstanden Schulen, Vereine, Oratorien, und es wurde der Katechismus unterrichtet. Das Erziehungsprojekt von Mutter Ravasco zielte darauf ab, die Jugendlichen zu einem soliden christlichen, von Arbeit und Offenheit geprägten Leben heranzubilden, damit sie „aufrichtige Staatsbürger inmitten der Gesellschaft und Heilige im Himmel seien“; sie wollte sie zum Glauben und zur Fähigkeit erziehen, die Gegebenheiten in einer heilsgeschichtlichen Perspektive zu sehen, und schlug ihnen die Heiligkeit als Lebensziel vor.

1878, während einer Zeit offener Feindseligkeiten gegen die Kirche und der Laisierung des gesellschaftlichen Lebens, eröffnete Eugenia im Blick auf die Bedürfnisse ihrer Zeit eine Bildungsanstalt für Lehrerinnen mit dem Ziel, jungen Frauen einen christlich orientierten Unterricht zu bieten und „christliche Lehrerinnen“ für die Gesellschaft auszubilden. Für diese Arbeit, die ihr unendlich am Herzen lag, stellte sie sich mit Entschiedenheit und Gottvertrauen den giftigen Angriffen der gegnerischen Presse.

Entzündet vom Feuer der Nächstenliebe, die sie aus dem Herz Jesu schöpfte, und beseelt vom Wunsch, dem Nächsten zu helfen, organisierte sie im Einverständnis mit den Pfarrern geistliche Exerzitien, Einkehrtage, religiöse Andachten und Volksmissionen, wobei sie beim Anblick so vieler Herzen, die zu Gott zurückkehrten und ihm in seiner Barmherzigkeit begegneten, große Genugtuung empfand und betete: „Herz Jesu, lass mich meine Sache gut machen und nichts anderes, überall.“ Sie förderte die Verehrung des Herzens Jesu, der Eucharistie und des Unbefleckten Herzens Mariae; sie gründete Vereine für die Mütter aus dem einfachen Volk ebenso wie für jene aus wohlhabenden Kreisen. Ihre Nächstenliebe drang bis zu den Sterbenden, den Gefangenen und den Kirchenfernen. Sie lenkte den Blick auf die Missionen – ein Traum, der sich nach ihrem Tod verwirklichen sollte.

1884 legte Eugenia gemeinsam mit anderen Gefährtinnen die ewige Profess ab. Sie setzte sich für die Entwicklung und Konsolidierung des Instituts ein, das nach der Anerkennung durch die Diözesankirche 1882 im Jahre 1909 päpstlichen Rechts wurde. Sie eröffnete die ersten Häuser und machte ihnen trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes ihre Aufwartung. Die Kommunität leitete sie mit Liebe, Weitblick und Umsicht und betrachtete sich als Letzte unter den Schwestern; sie bemühte sich, in ihren Töchtern die Flamme der Nächstenliebe und den Eifer für das Heil der Welt am Lodern zu halten, indem sie ihnen als Modell die Herzen Jesu und Mariae vor Augen führte. Sie lebte vom Glauben, vom Gebet, den Sorgen, von der Hingabe an den göttlichen Willen. „Brennen vor Sehnsucht nach dem Wohl der anderen, vor allem der Jugend“, war ihr apostolisches Ideal, „gottergeben und in den Händen von Maria Immakulata zu leben“ ihr Lebenseinsatz.

Geläutert durch Prüfungen wie Krankheit, Verständnislosigkeit und Isolation innerhalb der Gemeinschaft, wurde Eugenia Ravasco bis zum Schluss nicht müde, sich mit evangelischem Eifer für das Heil der Seelen vor allem der Jugendlichen jeden Alters und jeder Gesellschaftsschicht einzusetzen.

1892, ein Jahr nach Erscheinen der Enzyklika Rerum Novarum von Papst Leo XIII., machte sie sich unter spürbaren Opfern und Demütigungen an die Errichtung eines Gebäudes auf dem Carignano-Platz in Genua, das ein „Haus für die jungen Arbeiterinnen“ werden sollte. 1898, zwei Jahre vor ihrem Tod, gründete sie für dieselben noch die „Gesellschaft der hl. Zita“. Gleichzeitig schuf sie im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung das „Teatrino“ für Momente der Entspannung unter den jungen Besucherinnen des Oratoriums und der verschiedenen Vereine des Instituts, wobei sie eine freudige Atmosphäre für das wirksamste Erziehungsmittel hielt. „Seid fröhlich“ – pflegte sie zu sagen – „unterhaltet euch, aber heiligmäßig…“; und den Schwestern gegenüber meinte sie: „Eure Freude ziehe andere Herzen an, um Gott zu loben.“

Gesundheitlich aufgezehrt von einer Lungen- und Brustfellentzündung empfing sie am 29. Dezember 1900 ihre letzte Kommunion. Am Morgen des 30. Dezember starb Eugenia Ravasco im Mutterhaus des Instituts in Genua im Alter von 55 Jahren. „Ich belasse euch alle im Herzen Jesu“, waren ihre Abschiedsworte.

Ihr Grab befindet sich im Institut Ravasco, Piazza Carignano, 1, Genua, Italien.

Am 27. April 2003 wurde Eugenia Ravasco von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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