Andreas Resch: Eugenia (Maria Angela) Picco

EUGENIA PICCO
(1867-1921)

PROFESS-SCHWESTER
DER KONGREG. DER KLEINEN TÖCHTER
DER HEILIGEN HERZEN JESU UND MARIÄ

Selig: 7. Oktober 2001
Fest: 7. September

EUGENIA PICCO wurde am 8. November 1867 als Tochter von Giuseppe Picco und Adelaide Del Corno in Crescenzago (Mailand) geboren. Bei der Taufe am darauffolgenden 10. November erhielt sie den Namen Eugenia Maria Angela. Der Vater war ein sehr fähiger Musiker an der Mailänder „Scala“. Er war blind und ein gesuchter Flötist an den berühmtesten italienischen und ausländischen Theatern. Die Mutter war eine mondäne Frau, die für ihren Mann nichts übrig hatte, aber das Geld, den Erfolg und die Reisen liebte. Eugenia wurde daher den Großeltern anvertraut. Am 9. Juni 1876 erhielt sie die Firmung und mit 12 Jahren ging sie zur Erstkommunion.
Die Eltern traf sie nur bei den kurzen Aufenthalten, die sich diese zwischen den einzelnen Tourneen gönnten, bis die Mutter eines Tages allein, ohne ihren Mann, zurückkehrte, und dabei glaubhaft machte, dass er gestorben sei. In Wahrheit hatte er eine andere geheiratet, nachdem ihn Adelaide verlassen hatte, und war nach Amerika ausgewandert. Eugenia hörte nie mehr etwas von ihm. Von jenem Augenblick an zwang die Mutter ihre Tochter bei ihr und ihrem Liebhaber zu wohnen, von dem sie in der Folge noch zwei weitere Kinder hatte. Eugenia wuchs so in einer areligiösen und moralisch verkommenen Umgebung auf und musste sich mit den weltlichen Wünschen der Mutter abfinden, die sie als erfolgreiche Sängerin sehen wollte, und mit dem Liebhaber der Mutter, der sie oft belästigte und tyrannisierte. „Gefahren wie Gelegenheiten zu Hause und draußen“, sagte Eugenia in Erinnerung an jene qualvollen Jahre und die „instinktive“ Kraft, in der Stille der nüchternen Basilika St. Ambrosius in Mailand zu beten, die sie täglich aufsuchte, um Gott anzuflehen, sie von ihrer Bitterkeit und Unterdrückung zu befreien.

Es war an einem Abend im Mai 1886, wie Eugenia in ihrem Tagebuch, das sie auf Anordnung ihres Spirituals führte, vermerkt, „nachdem sich die Familie nach einer jener niederträchtigen Szenen zur Ruhe zurückgezogen hatte, warf ich mich, allein, erschöpft und in all meiner Verzweiflung auf die Knie, um zu einem Bildnis, das über meinem Bett hing, um Hilfe zu flehen.
Was genau ich tat und was geschah, kann ich nicht sagen. Ich erinnere mich nur an Folgendes: Von besagtem Bild ging ein Lichtstrahl aus (ähnlich der Klinge eines Dolches), warf sich auf mich und traf mich mitten ins Herz. Ich spürte einen akuten Schmerz wie bei einer Stichwunde. Das hat mich verändert. Ich spürte Licht und Kraft. Gott, der Herr, hatte mich getroffen. Maria gewann den Fall. Ich fühlte mich vollkommen verändert.“ Und weiter schreibt sie: „Dieser Keim, dieser Wunsch nach Heiligkeit, den ich seit meiner Kindheit und in meinem Leben verspürte, wurde heftig: Jesus zog mich mit ganzer Kraft an sich“, so stark, dass Eugenia mit 20 Jahren den Beschluss fasste, „die Welt gänzlich zu verlassen und nach Christus, nach Heiligkeit, zu streben“. Beim Besuch des Oratoriums und der allgemeinbildenden Schule bei den Ursulinen in Mailand lernte sie die junge Kongregation der Kleinen Töchter der Heiligen Herzen Jesu und Mariä von Parma kennen. Um ihre Berufung zu leben, was von der Mutter aufs Schärfste abgelehnt wurde, lief sie am 31. August 1887 von zu Hause weg und trat am Tag darauf in die genannte Kongregation in Parma ein, wo sie sogleich vom Gründer, dem ehrwürdigen Agostino Chieppi (1830-1891) in Empfang genommen wurde.
Am 26. August 1888 begann sie das Noviziat und am 10. August 1891 legte sie in die Hände des Gründers ihre ersten Gelübde ab. Die ewige Profess folgte am 1. Juni 1894.

Als junge Schwester wurde Eugenia mit der Aufgabe betraut, die Internatszöglinge in Musik, Gesang und Französisch zu unterrichten. Im Juli 1905 wurde sie zur Novizenmeisterin ernannt, 1910 zur Generalsekretärin. In all diesen Ämtern setzte sie sich vorbehaltlos ein, sodass sie am 19. Juni 1911 zur Generaloberin gewählt wurde, ein Amt, das sie bis zum Tode innehatte.
Justament am Beginn ihrer Arbeit als Generaloberin hatte sie jenes spirituelle Erlebnis, das die Theologen „Vermählung“ nennen, also die Feier des Brautbündnisses mit dem für uns geopferten Lamm. In ihrem Tagebuch können wir den Bericht über diesen Augenblick nachlesen, der sich, wie jede ihrer mystischen Erfahrungen, während der Feier der hl. Messe ereignete. Nach Beschreibung der Geste, mit der ihr Christus selbst den mit kostbaren Steinen der theologischen und Kardinaltugenden geschmückten Ring an den Finger steckte, schreibt sie: „Ich fühlte mich bei jener Handlung als die Braut der Ewigen Liebe… In der unmittelbaren Handlung sah ich unter mir ein weites Feld, ohne mir darüber klar zu sein, was es damit auf sich hatte. Der gute Herr zeigte darauf hin und gab zu verstehen, dass dies die Arbeit sei, die auf diese Unwürdigste zukommen würde… Jenes Feld; das Universum und die gesamte Menschheit… Ich war mir im Klaren. Diese Arme wandte sich an die göttliche Güte, gleichsam wie um Hilfe zu bitten und doch mit der Sicherheit zu bleiben, dort mit Ihm. Zugegeben… Dort zum Genuss oder besser: aus Liebe zur Teilnahme mit den Seligen Seraphimen; hier zur Aufopferung einer gebührenden eucharistischen Dankbarkeit.“

Eugenia machte nun das Gelübde, die Pflichten einer Oberin in Perfektion und mit Gelassenheit und Ruhe auszuführen, dies zur Erfüllung des Willens Gottes, und dabei dem Gesamtgefüge der Kongregation eine Lebenserneuerung aufzuprägen. Sich selbst weihte sie ganz der Entfaltung der Frömmigkeit und eines gediegenen Umgangs unter den Schwestern. Sie brachte die Regeln nach den vom Heiligen Stuhl erlassenen Normen auf den neuesten Stand und besorgte deren Druck; weiters arbeitete sie an der Erstellung eines Frömmigkeitshandbuches für die Kleinen Töchter mit, ebenso an der Abfassung des Rituale für die Ablegung der Gelübde und an einer Zeitschrift, der sie den Titel Poco Favilla („Kleiner Funke“) gab, welche die einzelnen Kommunitäten über Bildungsangelegenheiten und verschiedene apostolische Tätigkeiten informieren sollte. 1914 ließ sie den Leichnam des Gründers in die Kapelle des Generalatshauses überführen.

In ihrer Amtszeit hatte Mutter Eugenia aber auch moralische Prüfungen von verschiedenen Seiten zu bestehen, die ihr besondere Schmerzen bereiteten. Doch auch in diesen schwierigen Situationen bewies sie in hochherziger Weise Klugheit und Großzügigkeit im Vergeben.
Während des Ersten Weltkriegs stellte sie sich mit ihren Schwestern auf heldenhafte Weise in den Dienst des Militärs, zur Versorgung der Verwundeten und Heimkehrer, zu deren Betreuung sie die größtmögliche Zahl an Kräften aufbot, was bis zur Freistellung ihrer eigenen Vikarin sowie der Generalökonomin ging. Zudem wurden Aufnahmestellen für Kinder und alte Menschen geöffnet, die wegen des Krieges allein zurück blieben. Die Hauptstütze ihrer apostolischen Tätigkeit und Hingabe war für Schwester Eugenia die Eucharistie: „Wie Jesus das Brot gewählt hat, etwas so Alltägliches, so muss auch mein Leben sein, alltäglich… für jedermann zugänglich und gleichzeitig demütig und verborgen, wie das Brot.“
Die Eucharistie war für Eugenia nämlich das Kompendium der Liebe Jesu: „Hier verliert sich die Seele in seiner Mitte, im Herzen seines Herzens, in der Seele seiner Seele, in der Liebe seiner Liebe, im Leben seines Lebens; in seinem Ganzen, in seinem Wohlgefallen. In seinem Sein, weil er ist, und weil die arme Seele existiert.
Das sind die Stützpfeiler: das, was diese arme Kreatur von der Liebe im Altarsakrament verspürt.
Was spüre ich von Jesus im Sakrament der Eucharistie? Man spürt einen Faden, der die Herzen verbindet! Diesen Faden, der eine Kommunikationslinie mit dem heiligen Tabernakel bildet, scheint es tatsächlich zu geben.
Der heilige Tabernakel ist der Thron der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Er ist der Sitz des lebendigen Gottes! Er ist die Ursache und die Kraft der heiligen Märtyrer! Er ist die Stärke der Beichtväter und der heiligen Jungfrauen. Im heiligen Tabernakel betrachtet man, liebt man, verzehrt man sich, verliert man sich!
Man sucht Gott? Dort ist Er, lebendig und wahrhaftig! Man sucht Jesus? Dort ist Er, lebendig und wahrhaftig!“ (Libretto 144).
In diesem Sinne pflegte sie zu sagen: „In Jesus, für Jesus, mit Jesus, alles, alles, alles, Amen.“

Von labiler Gesundheit und gezeichnet von Knochentuberkulose, die 1919 zur Amputation des rechten Beines führte, zeigte sich Eugenia offen für die Erfüllung des göttlichen Planes und willigte sogar ein, als sie beim Generalkapitel am 6. November 1919 als Generaloberin wiedergewählt wurde.
Nicht einmal diese körperliche Beeinträchtigung konnte ihre Aktivität bremsen. Sie war von einem apostolischen Eifer getragen, der sich nichts versagte, einer Dynamik der Großzügigkeit frei von persönlichen Interessen. Als sie spürte, dass sich ihr Zustand verschlechterte, bat sie um die Sterbesakramente, die sie am 22. Januar 1921 empfing; am Tag darauf erhielt sie die Krankensalbung und erneuerte dabei vor dem Bischof von Parma, dem hl. Guido Maria Conforti, ihre Ordensgelübde.
Trotz fortschreitender Knochentuberkulose trat eine Besserung ein, während der sie sich mit ganzer Willenskraft und liebevoller Hingabe ihren Aufgaben widmen wollte – bis zum 7. September 1921, jenem Tag, an dem sie ihre Seele Gott überantwortete. Zunächst im Friedhof beigesetzt, wurden ihre sterblichen Überreste am 7. September 1946 in die Kapelle des Mutterhauses der Kleinen Schwestern von den Heiligen Herzen Jesu und Mariä, Parma, Piazzale San Giovanni, 7, überführt.

Am 7. Oktober 2001 wurde Eugenia Picco von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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