Andreas Resch: Elias del Socorro (Matthäus) Nieves Castillo


ELIAS DEL SOCORRO NIEVES CASTILLO
(1882-1928)

PROFESSPRIESTER UND MÄRTYRER
DES ORDENS VOM HL. AUGUSTINUS

Selig: 12. Oktober 1997
Fest: 10. März

ELIAS DEL SOCORRO (Matthäus) NIEVES CASTILLO wurde am 21. September 1882 als Sohn von Ramón Nieves und Rita Castillo auf der Insel San Pedro am See von Yuriria, Guanajuato, Mexiko, geboren und am selben Tag auf den Namen Matthäus Elias getauft. Am 1. September 1883 empfing er das Sakrament der Firmung. Die Eltern, praktizierende Katholiken, waren einfache Bauern in bescheidenen Verhältnissen. Einige Jahre nach Matthäus‘ Geburt verkauften sie ihren Besitz und zogen von der Insel in das Städtchen Yuriria, da der Vater dort die Stelle des Postkuriers erhalten hatte.

Den ersten Unterricht erhielt Matthäus von den Schwestern Magaña zu Hause. Am 19. März 1890 ging er zur Erstkommunion und verspürte bei dieser Gelegenheit auch erstmals den Wunsch, Priester zu werden, was die Lebensumstände jedoch nicht erlaubten. An Tuberkulose erkrankt, erhielt er am 24. Dezember 1894 Krankenkommunion und Krankensalbung. Matthäus betonte jedoch, dass seine Todesstunde noch nicht gekommen sei, da er ja zunächst einmal Priester werde.

Am 13. Oktober 1895 wurde der Vater von Banditen erschossen. Da nun die Quelle für sein Weiterkommen fehlte, war Matthäus schon mit 13 Jahren gezwungen, seine Studien aufzugeben und zum Unterhalt der Familie beizutragen. Einige Jahre konnte sie sich über Wasser halten. Anfang 1900 aber wurde der Umzug nach Celaya beschlossen, wo P. Adeodato Castillo O.S.A., ein Cousin von Matthäus, der Familie eine bescheidene finanzielle Hilfestellung bieten konnte. Als dieser versetzt wurde, genoss die Familie die Gastfreundschaft von P. Antonio Castillo O.F.M. in Irapuato, eines Onkels mütterlicherseits, der sich bereit erklärte, den Neffen auf das Seminar vorzubereiten. Der Aufenthalt gestaltete sich allerdings sehr kurz, denn innerhalb von zwei Wochen starben sowohl der Pater als auch die Mutter. Matthäus kehrte daraufhin in seinen Geburtsort Yuriria zurück, wo er in einem landwirtschaftlichen Betrieb eine feste Anstellung bekam und bei seiner mittlerweile verheirateten Schwester Lucia wohnen konnte. Inzwischen begann er über Möglichkeiten nachzusinnen, doch noch Priester zu werden.

Schließlich wurde er 1904 im Alter von 22 Jahren trotz spärlicher Vorbereitung in das Augustinerkolleg von Yuriria aufgenommen. Die Augustinerpatres konnten den jungen Leuten aber nur Unterkunft bieten; für den Rest mussten die Familien der Zöglinge oder diese selbst aufkommen. Wenngleich Matthäus von verschiedenen Personen unterstützt wurde, erlitt er 1905 aufgrund von Unterernährung eine schwere Augenerkrankung, sodass er Gefahr lief, das Augenlicht für immer zu verlieren. Dank der Vermittlung durch Frl. Maria Soledad Orozco wurde er von einem Spezialisten untersucht, bekam regelmäßige Mahlzeiten und erhielt eine entsprechende Behandlung. Am 19. Januar 1910 nahm er im Konvent von Morelia den Habit der Augustiner und wählte in Anerkennung der in vielen Momenten seines Lebens gewährten Unterstützung den Namen Elias von der Hilfe. Nach Beendigung des Noviziats wurde er am 20. Januar 1911 zur Ordensprofess zugelassen und zum Abschluss des Theologiestudiums in den Konvent von Aguascalientes geschickt.

Nach der Priesterweihe am 9. April 1916 arbeitete Elias als Seelsorger an verschiedenen Orten, bis er im Dezember 1921 zum Pfarrvikar von La Cañada de Caracheo, damals ein Dorf von 3000 Einwohnern im mittleren Süden des Staates Guanajuato, ernannt wurde. In diesem Zentrum mit seinen kargen wirtschaftlichen Ressourcen, ohne sanitäre Einrichtungen und öffentliche Schule, beschränkte sich Elias nicht nur auf den spirituellen Dienst an seiner Herde. Da er körperliche Arbeit und Elend von klein auf kannte, drückten ihn weder Entbehrung noch Armut. Er nahm diese großmütig und im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung an, wobei er sich ohne Vorbehalte für seine Pfarrkinder einsetzte und sie so mit Trost und christlicher Hoffnung erfüllte, indem er alle Widrigkeiten und alles Leid der Menschen in den für das Land so schwierigen Zeiten mit ihnen teilte.

Tatsächlich erlebte Mexiko damals einen der tragischsten Augenblicke seiner Geschichte. Nach der Befreiung von der spanischen Herrschaft durch den Unabhängigkeitskrieg 1822 war es noch nicht gelungen, zu einer echten nationalen Einheit zu gelangen. Die reichen Nationen, die enorme Rechte für die Konzessionen auf Öl und andere Bodenschätze beanspruchten, förderten jede nur mögliche interne Spaltung, was die Großgrundbesitzer und leider auch hochrangige Kirchenvertreter in verbissener Verteidigung ihrer alten Privilegien zu nutzen wussten. Gegen sie alle war das Klima stark aufgeheizt und zeitigte sogar Formen eines erbitterten Antiklerikalismus, den häufig die Priester inmitten des armen Volkes zu spüren bekamen. Es gab praktisch keine zentrale Macht, keine Rechtssicherheit, keine Hoffnung auf Gerechtigkeit. Wer immer Gelegenheit hatte, Menschen um sich zu scharen und Waffen zu horten, machte das Gesetz und wurde „das Gesetz“. Es kam zu Hassausbrüchen, Rivalitäten und erbitterten Kämpfen ohne jede Gnade.

Es ging generell die Angst um, dass eines Tages, vielleicht in einem kleinen Nest irgendwo auf dem Lande, eine Gruppe dieser Leute auftauchen könnte, denn einige Jahre zuvor hatte die Regierung drastische Maßnahmen erlassen, um jedwede religiöse Betätigung, die nicht der direkten Kontrolle der staatlichen Behörden unterstand, zu ersticken. Es waren dies Verfügungen, die im Allgemeinen nicht beachtet wurden, demjenigen jedoch, der auf die Kirche schlecht zu sprechen war, Tür und Tor für Exzesse öffneten. Für gewöhnlich nahm das religiöse Leben den normalen Lauf, wenn auch verbunden mit großen Risiken. Das war allgemein bekannt. Es ging gut, solange es eben gut ging, doch ein kleiner Funke genügte.

Gerade in jenen Jahren entstand die Volksbewegung der „cristeros“. P. Nieves hielt sich von diesem revolutionären Phänomen fern, das in der lokalen Bevölkerung, die ideologisch und geografisch von der gesellschaftspolitischen Problematik an der Basis der militärischen Antwort weit entfernt war, ohnehin keine Unterstützung fand. Als es Ende 1926 zur konkreten Verfolgung der Kirche kam, zog er sich trotz seines schüchternen Charakters vorsichtshalber in eine Höhle des nahegelegenen Hügels zurück, anstatt dem Regierungsbefehl Folge zu leisten und sich in den großen Stadtzentren aufzuhalten. Er verließ den Unterschlupf jedoch regelmäßig, um seinen Schäfchen jeden nur erdenklichen religiösen Beistand zu leisten, so als ob nichts geschehen wäre. Vorsicht ja, Angst nein! Die Pfarrmitglieder verstanden zwar nichts von den Regierungsmaßnahmen, dafür verstanden sie aber umso mehr P. Nieves und begannen ihn zunehmend zu schätzen.

Am 7. März 1928 kam eine Abordnung Soldaten auch nach La Cañada de Caracheo, auf der Suche – so schien es – nach irgendwelchen Viehdieben. Da es schon spät war, beschlossen sie, in der Pfarrkirche zu übernachten. Beim Versuch, gewaltsam die Tür zu öffnen, rebellierten die Einwohner jedoch und es kam zu einer Schießerei. Die Soldaten forderten daher Verstärkung an und bald darauf erreichte eine weitere Abteilung das Dorf. Am 9. März entdeckte eine Gruppe Soldaten hinter der weißen Gewandung eines Bauern P. Nieves. Er selbst gab sich als Priester zu erkennen, als man ihn nach seinen Personalien fragte. Zusammen mit zwei jungen Bauern, die versucht hatten, ihn zu decken, wurde er auf der Stelle verhaftet. Als man ihn nach La Cañada brachte und ein Mitglied der Pfarre ihn loskaufen wollte, ging er nicht darauf ein. Er hatte auch Gelegenheit, mit den beiden Soldaten, die ihn bewachten, über Religion zu sprechen, doch sein Schicksal war bereits besiegelt.

Am Morgen des 10. März 1928 machten sich die Soldaten mit den Gefangenen nach Cortazar auf, unter dessen Oberhoheit La Cañada stand. Doch die Gefangen kamen dort nie an. Zuerst traf es die Brüder Sierra. Man gestattete, dass der Pater ihnen die Beichte abnahm. Dann wurden sie erschossen, während sie ausriefen: „Es lebe Christus, der König!“ Daraufhin wurde der Weg fortgesetzt. Als sie in die Nähe von Cortazar kamen, stoppte der Kommandant die Truppe und meinte sarkastisch zu P. Elias: „Nun liegt es an Euch. Lasst uns sehen, ob Ihr auch so zu sterben versteht, wie Ihr die Messe lest!“ Der Pater antwortete: „Wahrlich! Für die Religion zu sterben ist ein gottgefälliges Opfer!“ Auf seine Bitte hin gewährte man ihm eine halbe Stunde, um sich auf den großen Schritt vorzubereiten, der für ihn wie das Offertorium einer Messe mit Jesus war. Er selbst war es, der die Schwere des Augenblicks abschüttelte, als er sagte: „Nun, ich bin bereit!“ Als die Gewehre auf ihn gerichtet waren, sagte er mit Entschiedenheit: „Und jetzt kniet euch nieder! Ich will euch zum Zeichen der Vergebung segnen.“ Alle taten, wie ihnen geheißen, mit Ausnahme des Kommandanten, der schrie: „Ich brauche keinen Segen! Mir genügt der Karabiner!“ Und noch während Pater Nieves die Hand zum Segen hochhielt, schoss er ihm mitten ins Herz. Der tödlich Getroffene hatte noch Zeit, um ebenso deutlich auszurufen: „Es lebe Christus, der König!“

Das Volk begann ihn sogleich als einen heiligen Märtyrer zu verehren. Sein Leichnam wurde unter großer Anteilnahme in einer triumphalen Feier beerdigt, die von seinem Blut getränkte Erde bewahrte man wie eine Reliquie und der Ort der Hinrichtung wurde unmittelbar zu seinem Heiligtum. Sein Opfer gereichte dem Volk zur Versöhnung.

Die sterblichen Überreste ruhen in der Pfarrkirche von La Cañada de Caracheo, Guanajuato, Mexiko.

Am 12. Oktober 1997 wurde Elias del Socorro (Matthäus) Nieves Castillo von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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