Andreas Resch: Edith Stein

EDITH STEIN
(Theresia Benedikta v. Kreuz)
(1891-1942)

PROFESSNONNE
DES ORDENS DER
UNBESCHUHTEN KARMELITINNEN

MÄRTYRERIN

Heilig: 11. Oktober 1998
Fest: 9. August

EDITH STEIN (Theresia Benedikta vom Kreuz) wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau, dem jetzigen Wrocław, Hauptort von Schlesien, heute Polen, als Letztes von 12 Kindern geboren. Die Eltern, Siegfried Stein und Auguste Courant, deutscher Nationalität, aber jüdischer Abstammung und Religion, waren bei ihren jüdischen Mitbürgern sehr angesehen. Edith war noch nicht einmal zwei Jahre alt, als der Vater, ein Holzhändler, starb. Die Mutter, eine sehr religiöse Frau, musste sich fortan sowohl um die Familie als auch um den großen Betrieb kümmern. Es gelang ihr jedoch nicht, in den Kindern einen lebendigen Glauben zu fördern. So verlor Edith mit 15 Jahren den Glauben an Gott. „Ich habe mir das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss abgewöhnt.“

Nach Abschluss von Gymnasium und Lyzeum bestand sie 1911 das Abitur mit Höchstnoten und begann daraufhin an der Universität Breslau Germanistik und Geschichte zu studieren – mehr um einen geeigneten Titel für den Beruf zu haben denn aus Interesse. Ihre wahre Leidenschaft war die Philosophie. Auch für Frauenfragen interessierte sie sich sehr. So trat sie der Organisation „Preußischer Verein für Frauenstimmrecht“ bei. Später schrieb sie: „Als Gymnasiastin und junge Studentin bin ich radikale Frauenrechtlerin gewesen. Dann verlor ich das Interesse an der ganzen Frage. Jetzt suche ich nach rein sachlichen Lösungen.“

1913 wechselte Edith Stein an das berühmte Athenäum nach Göttingen, um an den Kursen über Phänomenologie von Edmund Husserl teilzunehmen. Dort hörte sie bei einigen Vorträgen Max Schelers über Religion, die sie in den Bann zogen, zum ersten Mal vom Katholizismus sprechen. Im Januar bestand sie mit Auszeichnung das Staatsexamen. Das Referendarjahr begann sie jedoch nicht, weil sie sich nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht mehr frei fühlte, wie sie schrieb: „Ich habe jetzt kein eigenes Leben mehr.“ Sie besuchte stattdessen einen Kurs für Krankenpflege und machte Dienst in einem österreichischen Lazarett. Es waren dies harte Zeiten. Sie arbeitete im Operationssaal und musste mit ansehen, wie Männer in der Blüte ihrer Jugend das Leben ließen. Nach Schließung des Militärspitals folgte sie Husserl nach Freiburg im Breisgau und promovierte bei ihm 1917 summa cum laude mit der Arbeit „Zum Problem der Einfühlung“. Anschließend ernannte er sie zu seiner Assistentin.

Zu dieser Zeit beobachtete Edith Stein zufällig eine Frau aus dem Volk, wie sie mit ihrem Einkaufskorb in den Frankfurter Dom ging und sich dort für ein kurzes Gebet niederließ. „Das war für mich etwas ganz Neues. In die Synagogen und in die protestantischen Kirchen, die ich besucht hatte, ging man nur zum Gottesdienst. Hier aber kam jemand mitten aus den Marktgeschäften in die menschenleere Kirche wie zu einem vertrauten Gespräch. Das habe ich nie vergessen können.“

Gerade auf den letzten Seiten ihrer Dissertation schrieb sie: „Es hat Menschen gegeben, die in einem plötzlichen Wandel ihrer Person das Einwirken göttlicher Gnade zu erfahren meinten.“ Wie kam sie zu dieser Aussage? Edith Stein war in tiefer Freundschaft mit dem Assistenten Husserls in Göttingen, Adolf Reinach, und dessen Frau verbunden, die beide zum evangelischen Glauben konvertiert waren. Als Reinach 1917 starb, traf Edith beim Besuch der Witwe auf eine Frau, die wahrhaft glaubte. „Es war dies meine erste Begegnung mit dem Kreuz und der göttlichen Kraft, die es seinen Trägern mitteilt… Es war der Augenblick, in dem mein Unglaube zusammenbrach und Christus aufstrahlte.“

Im Herbst 1918 gab Edith Stein ihre Assistentenstelle bei Husserl auf, um unabhängig zu arbeiten und sich für die freie Dozentur zu habilitieren. Dies galt für eine Frau zur damaligen Zeit als unerreichbar. Husserl äußerte sich in einem Gutachten folgendermaßen: „Sollte die akademische Laufbahn für Damen eröffnet werden, so könnte ich sie an allererster Stelle und aufs Wärmste für die Zulassung zur Habilitation empfehlen.“ Später wurde ihr dies aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verwehrt.

Edith kehrte nach Breslau zurück, schrieb Beiträge über Psychologie und auf dem Gebiet der humanistischen Disziplinen. Sie vertiefte sich aber auch in das Neue Testament, in Kierkegaard und das Exerzitienbüchlein des Ignatius von Loyola und spürte, dass all dies in die Praxis umgesetzt werden müsste.

Im Sommer 1921 begab sie sich für einige Wochen nach Bergzabern in der Pfalz, auf das Landgut der Husserl-Schülerin Hedwig Conrad-Martius. Diese war mit ihrem Mann zum evangelischen Glauben konvertiert. Eines Abends stieß Edith im Bücherschrank auf die Autobiografie der Theresia von Avila und las darin die ganze Nacht hindurch. „Als ich das Buch schloss, sagte ich mir: ,Das ist die Wahrheit‘.“ Nach einer mehrmonatigen Vorbereitung durch den Pfarrer von Bergzabern empfing Edith Stein am 1. Januar 1922 die Taufe und die Kommunion und am folgenden 2. Februar die Firmung. Ihr Übertritt zum katholischen Glauben rief unter Kollegen wie Verwandten Befremden und Verwunderung hervor. Es war in der Tat ein radikaler Schritt.

Edith Stein verbrachte daraufhin sechs Monate bei ihrer Mutter in Breslau, während sich bei ihr immer mehr die Intention durchsetzte, in den Karmel zu gehen, doch wurde sie von ihren geistlichen Beratern an diesem Schritt gehindert. Sie ließ sich in Speyer nieder und blieb dort bis 1932, unterrichtete in dem von Dominikanerinnen geleiteten Frauenlyzeum St. Maria Magdalena und nahm am Gemeinschaftsleben der Schwestern teil. In der Freizeit führte sie zwei ihrer wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten zu Ende: Husserls Phänomenologie und die Philosophie des hl. Thomas von Aquin sowie die deutsche Übersetzung der Quaestiones disputatae de veritate des Aquinaten. Die nötige Kraft für ihr Leben und ihre Arbeit holte sie sich durchweg im Benediktinerkloster von Beuron, wohin sie sich jeweils zur Feier der Hochfeste des Kirchenjahres begab.

1931 beendete Stein ihre Tätigkeit in Speyer und versuchte neuerlich, die Habilitation zur freien Dozentur in Breslau und Freiburg zu erlangen, doch vergebens. Daraufhin verfasste sie eine Arbeit über die Grundbegriffe des Thomas von Aquin: „Potenz und Akt“, die sie im Konvent der Karmelitinnen von Köln später zu ihrem Werk Endliches und Ewiges Sein umarbeitete. Eine Drucklegung zu Lebzeiten war jedoch nicht mehr möglich. 1932 wurde ihr an einer anderen katholischen Einrichtung, nämlich dem Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster, ein Lehrstuhl zugewiesen, wo sie noch die Möglichkeit hatte, ihre eigene Sicht der Anthropologie zu entwickeln.

Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers im Februar 1933 war dann jedoch für die Juden in Deutschland kein Platz mehr. Der Erzabt Walzer von Beuron verbot ihr nun nicht mehr, in ein Karmelitinnenkloster einzutreten. Bereits in Speyer hatte sie die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. 1933 stellte sie sich der Mutter Priorin des Karmelitinnenklosters von Köln vor und begab sich noch einmal nach Breslau, um von der Mutter und ihrer Familie Abschied zu nehmen. Ihr letzter Tag zu Hause war der 12. Oktober 1933. Auch später schrieb sie dann der Mutter jede Woche einen Brief. Antwort erhielt sie nicht. Es war ihre Schwester Rosa, die ihr Nachrichten von daheim übermittelte. Am 14. April 1933 trat Edith Stein bei den Karmelitinnen von Köln ein und am 14. April 1934 wurde sie zur Einkleidung zugelassen, wobei sie den Namen Schwester Theresia Benedikta vom Kreuz annahm. Die Profess der zeitlichen Gelübde erfolgte am 21. April 1935; die ewigen Gelübde legte sie am 21. April 1938 ab.

Nach Bekanntwerden der Gräueltaten der Nazis gegen die Juden in der berüchtigten „Kristallnacht“ ersuchte sie am 9. November 1938 – zum Schutz des Klosters – ins Ausland versetzt zu werden. Mit der diesbezüglichen Erlaubnis übersiedelte sie am 31. Dezember 1938 in den Karmel von Echt in Holland, wohin ihr ein paar Monate später ihre Schwester Rosa folgte. Hier verfasste sie in aller Eile ihren Essay über Johannes vom Kreuz.

1940 fiel Holland unter deutsche Besatzung. Am 22. Juli ließen die katholischen Bischöfe Hollands von sämtlichen Kanzeln ihren Hirtenbrief gegen die antijüdischen Gewalttätigkeiten der Nazis verlesen. Tags darauf entfesselte sich die Verfolgung gegen die jüdischen Katholiken, die bis dahin von der Deportation verschont geblieben waren. Man versuchte die beiden Stein-Schwestern im Schweizer Karmel Le Pâqier in Sicherheit zu bringen, schaffte dies aber nicht mehr rechtzeitig. Am 2. August 1942 kam die Gestapo. Edith befand sich gerade zusammen mit den übrigen Schwestern in der Kapelle. Innerhalb von fünf Minuten hatte sie gemeinsam mit ihrer Schwester Rosa, die katholisch getauft wurde und bei den Karmelitinnen von Echt in Dienst war, vorstellig zu werden. Die letzten Worte Ediths in Echt an Rosa waren: „Komm, wir gehen für unser Volk.“ Die beiden wurden in das Sammellager von Westerbork gebracht. Es war dies ein gezielter Racheakt aufgrund des Protestschreibens der katholischen Bischöfe Hollands gegen die Progrome und die Deportation der Juden. Im Morgengrauen des 7. August bewegte sich ein Gefangenenkonvoi von 987 Juden in Richtung Auschwitz. Noch am Tag ihrer Ankunft, Sonntag, den 9. August 1942, wurden Sr. Theresia Benedikta vom Kreuz, ihre Schwester Rosa und viele weitere Juden in der Gaskammer hingerichtet und anschließend in einem der Öfen des Krematoriums verbrannt.

Am 11. Oktober 1998 wurde Theresia Benedikta vom Kreuz Edith Stein von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, der sie am 1. Mai 1987 in Köln seliggesprochen hatte.

Am 1. Oktober 1999 erfolgte die Ernennung zur Mit-Patronin Europas.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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