Das Schweißtuch von Oviedo

Andreas Resch

Das Schweißtuch von Oviedo

Inhalt
 I .GESCHICHTE
Weg nach Spanien
 Das Sudarium
 II. UNTERSUCHUNG
Anfänge
Verehrung
Heutiger Stand
 Blutspuren
Vergleichende Studien
 III. SCHLUSS

Die in diesem Beitrag verwendeten Abbildungen wurden dem Autor von Prof. José Luis Fernández Sánchez anlässlich des International Workshop on the Scientific Approach to the Acheiropoietos Images, 4. – 6. Mai 2010, in Frascati zur Verfügung gestellt.

Während das Grabtuch von Turin, die Tilma von Guadalupe und der Schleier von Manoppello als „nicht von Menschenhand gemacht“ bezeichnet werden, handelt es sich beim Schweißtuch von Oviedo um ein Tuch mit Blutspuren, die auf natürliche Weise auf den Stoff gelangten. Nach der Legende soll es sich dabei um ein Tuch handeln, mit dem das von Schweiß und Blut triefende Haupt des gekreuzigten Christus bei der Kreuzabnahme umhüllt war. Es ist daher mit Schweiß und Blut durchtränkt, zeigt jedoch, im Gegensatz zum Grabtuch oder zum Schleier von Manoppello, nicht das Bild eines Gesichtes, wenngleich diesbezügliche Hinweise nicht fehlen. Daher gewinnt es auch für die Grabtuchforschung zunehmend an Bedeutung. So stand das Sudarium von Oviedo sogar bei der internationalen Tagung Scientific Approach to the Acheiropoietos Images, der wissenschaftlichen Untersuchung der „nicht von Menschenhand gemachten Bilder“, vom 4. bis 6. Mai 210 im ENEA Forschungszentrum in Frascati bei Rom auf dem Programm, obwohl es nicht zu den acheiropoieta gehört. Prof. Dr. José Luis Fernández Sánchez von der Technischen Universität Madrid ging in seinem Vortrag The Sudarium of Oviedo and the Shroud of Turin. A question of authenticity(Das Sudarium von Oviedo und das Grabtuch von Turin. Eine Frage der Echtheit)1, der Frage nach, inwiefern das Schweißtuch von Oviedo (Sudarium) einen Betrag zur Grabtuchforschung leisten kann, insbesondere auch, was die Datierung betrifft.

I. Geschichte

Das Schweißtuch wird seit dem 8. Jahrhundert in der Kathedrale von Oviedo in Nordspanien (Abb. 1) aufbewahrt und befindet sich seit dem 7. Jh. in Spanien. Es soll, wie eingangs erwähnt, das Haupt Christi nach seinem Tod umhüllt haben. Die Bibelstelle, die von einem Schweißtuch spricht, findet sich bei Joh. 20,6-7:

Abb.1: Kathedrale von Oviedo

„Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden dort liegen und das Schweißtuch, mit dem das Haupt Jesu bedeckt war; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengefaltet an einem eigenen Platz.“

1. Der Weg nach Spanien

Wo sich das Schweißtuch nach der Sichtung im Grab befand, ist unsicher. Sicher ist hingegen die Geschichte darüber, wie es nach Spanien kam. Dies hat Mark Guscin sehr gut beschrieben. Die meisten Informationen entstammen jedoch den Geschichtswerken Liber Testamentorum Ecclesiae Ovietensis und  Chronicon Regum Legionensium des Pelagius († 1153), Bischof von Oviedo (1101–1130). Er schreibt, dass das Schweißtuch aus dem Grabe Jesu stamme und zusammen mit anderen Reliquien in einem Schrein aus Zedernholz bis kurz vor 614 in Jerusalem aufbewahrt wurde. Damals nahm ihn ein Mönch namens Philipp auf seiner Flucht vor der Eroberung Jerusalems 614 durch den Perserkönig Chosroes II. (590 – 628) nach Alexandria in Ägypten mit. Als Chosroes II. 616 auch Alexandria eroberte, brachte Philipp den Schrein über Nordafrika nach Cartagena in Spanien (Abb. 2) und übergab ihn dort dem hl. Fulgentius, Bischof von Écija. Dieser soll ihn seinem Bruder, dem hl. Leander, Bischof von Sevilla, anvertraut haben (in Wahrheit starb Leander am 13. März  596).

Weg des Sudariums
Abb. 2: Der Weg des Sudariusm nach Spanien

In Sevilla blieb das Tuch einige Jahre. Der hl. Isidor, ein Bruder Leanders und dessen Nachfolger, schenkte es seinem Schüler, dem hl. Ildefons (607 – 667), der 657 zum Bischof von Toledo ernannt wurde. Dieser nahm den Schrein 657 nach Toledo mit, wo er bis 718 verblieb. Von dort brachte man die Reliquien in einem neuen Schrein aus Eichenholz zum Schutz vor den muslimischen Arabern und Berbern, die zu Beginn des achten Jahrhunderts den Großteil der iberischen

Monsacro
Abb. 3: Monsacro

Halbinsel eroberten, in den sicheren Norden, wo er zunächst in einer Höhle auf dem Berg Monsacro (Abb. 3), 10 km von Oviedo entfernt, versteckt wurde. Um 840 soll ihn dann König Alphons II. nach Oviedo gebracht haben. Er ließ dort in seinem Palast eigens eine Kapelle, die Camara Santa (Heilige Kammer), bauen, die später in die Kathedrale von Oviedo eingebunden wurde (Abb. 4).
Das Schlüsseldatum in der Geschichte des Schweißtuches ist jedoch der 14. März 1075, als die „Arca Santa“, wie der Schrein in Spanien genannt wird, in der Camara Santa in Gegenwart von König Alfons VI., seiner Schwester, Doña Urraca, und Rodrigo Díaz de Vivar, besser bekannt als El Cid, offiziell geöffnet wurde. Dabei erstellte man eine Liste der in der Truhe enthaltenen Reliquien. Darunter befanden sich neben dem Sudarium zwei Kreuze von unschätzbarem Wert, das Kreuz der Engel, eine Spende von König Alfons II., und das Wappen der Stadt sowie das Sieges-Kreuz, das Symbol der Region, mit einer langen Ursprungsgeschichte.
1113 wurde die Truhe mit einem Silberüberzug versehen, an dem eine Inschrift alle Christen einlädt, die Reliquie, die das Heilige Blut enthalte, zu verehren (Abb. 5).
Dieser soll ihn seinem Bruder, dem hl. Leander, Bischof von Sevilla, anvertraut haben (in Wahrheit starb Leander am 13. März  596). In Sevilla blieb das Tuch einige Jahre.
Der hl. Isidor, ein Bruder Leanders und dessen Nachfolger, schenkte es seinem Schüler, dem hl. Ildefons (607 – 667), der 657 zum Bischof von Toledo ernannt wurde.
Dieser nahm den Schrein 657 nach Toledo mit, wo er bis 718 verblieb.
Von dort brachte man die Reliquien in einem neuen Schrein aus Eichenholz zum Schutz vor den muslimischen Arabern und Berbern, die zu Beginn des achten Jahrhunderts den Großteil der iberischen Halbinsel eroberten, in den sicheren Norden, wo er zunächst in einer Höhle auf dem Berg Monsacro (Abb. 3), 10 km von Oviedo entfernt, versteckt wurde.
Um 840 soll ihn dann König Alphons II. nach Oviedo gebracht haben. Er ließ dort in seinem Palast eigens eine Kapelle, die Camara Santa (Heilige Kammer), bauen, die später in die Kathedrale von Oviedo eingebunden wurde (Abb. 4).

Camara Santa
Abb. 4: Camara Santa mit den Reliquien (© CES)

Das Schlüsseldatum in der Geschichte des Schweißtuches ist jedoch der 14. März 1075, als die „Arca Santa“, wie der Schrein in Spanien genannt wird, in der Camara Santa in Gegenwart von König Alfons VI., seiner Schwester, Doña Urraca,

Arca Santa
Abb. 5: Arca Santa mit Inschrift (© CES)

und Rodrigo Díaz de Vivar, besser bekannt als El Cid, offiziell geöffnet wurde.
Dabei erstellte man eine Liste der in der Truhe enthaltenen Reliquien. Darunter befanden sich neben dem Sudarium zwei Kreuze von unschätzbarem Wert, das Kreuz der Engel, eine Spende von König Alfons II., und das Wappen der Stadt sowie das Sieges-Kreuz, das Symbol der Region, mit einer langen Ursprungsgeschichte.
1113 wurde die Truhe mit einem Silberüberzug versehen, an dem eine Inschrift alle Christen einlädt, die Reliquie, die das Heilige Blut enthalte, zu verehren (Abb. 5).

2. Das Sudarium

Beim Sudarium handelt es sich um ein in einen Holzrahmen, armiert mit Silber, eingespanntes blutgetränktes Leinentuch in der Größe von 84 x 53 cm (Abb. 6). Auf ihm zeigt sich kein Abbild, wenngleich es zur Umhüllung des Hauptes des Gekreuzigten nach dessen Tod und bei der Kreuzabnahme diente; Entsprechungen zum Antlitz auf dem Grabtuch sind allerdings gegeben.

Abb. 6: Sudarium (© CES

Nach jüdischer Tradition musste das Antlitz des Toten, wenn es verunstaltet war, mit einem Tuch bedeckt werden, um dem Volk den unangenehmen Anblick zu ersparen (Abb. 7). Dies war bei Jesus mit Sicherheit der Fall, war doch sein Gesicht durch die von der Dornenkorne verursachten Verletzungen mit Blut überströmt und durch das Hinfallen und die Schläge völlig entstellt.

Abb.: 7: Kopfverhüllung (© CES)

Dieses blutverschmierte Antlitz und die aus den Nasenlöchern ausgetretenen größeren Mengen serösen Blutes hinterließen auf dem Tuch deutliche Spuren, die heute noch mit bloßem Auge zu sehen sind. Daraus wird ersichtlich, dass der Tote eine hohe Stirn, eine feine lange, im unteren Drittel gequetschte Nase, einen Bart und schulterlanges Haar hatte.
Die Blutspuren stimmen weitgehend mit jenen auf dem Turiner Grabtuch überein, so dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um denselben Mann handelt.
Zudem fällt auf, dass auch das Material des Tuches mit dem des Turiner Grabtuches identisch ist, wenngleich nicht in derselben Webart – das Grabtuch ist im Fischgrätenmuster, das Sudarium im Taftmuster gewoben.
Mit Hilfe der Radiokohlenstoffmethode wurde das Alter des Tuches von Baima Bollone auf das 7. nachchristliche Jahrhundert datiert.3Allerdings gibt Bollone selber an, dass seine Untersuchung noch höchst unzuverlässig sei und man auch andere Indizien berücksichtigen müsse. Zudem ist der Karbontest bei einem dermaßen verunreinigten Leinen unangebracht.
Das verschmutzte und zerknitterte Tuch wird dreimal im Jahr öffentlich gezeigt, am Karfreitag, am 14. September, dem Fest Kreuzerhöhung, und am 21. September, dem Fest des hl. Matthäus.

II. Wissenschaftliche Untersuchung

Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Schweißtuches haben lange auf sich warten lassen, zumal man von Seiten der Grabtuchforschung zunächst keinen Wert darauf legte. Eine Untersuchung des Schweißtuches ohne Bezug zum Grabtuch wäre jedoch völlig verfehlt, da eine Untersuchung des Tuches für sich genommen keinen Deutungsraum aufweist, der über die Eigenart und den Geschichtsrahmen des Tuches in Spanien hinausführen könnte, zumal auch der Karbontest eine Datierung auf das 7. Jahrhundert nahelegte.
Mit dem Auftauchen neuer Forschungsmöglichkeiten, die über die reine Beobachtung hinausgehen, wollte man schließlich auch das Schweißtuch einer eingehenderen Betrachtung unterziehen.

1. Anfänge wissenschaftlicher Untersuchungen

Als Initiator der wissenschaftlichen Erforschung des Sudariums von Oviedo gilt Msgr. Giulio Ricci. Er verglich 1965 zum ersten Mal die Blutflecken des Schweißtuches mit denen des Grabtuches und veröffentliche die Ergebnisse 1966 in seinem Buch L’uomo della Sindone4. Ricci verglich in freier Beobachtung, was er auf dem Schweißtuch sah, mit einem Bild des Grabtuches. Dabei entdeckte er u. a. rechts auf der Mundseite des Mannes auf dem Grabtuch eine Blutspur, deren Entstehen damals niemand erklären konnte. Heute weiß man, dass es sich um Blut der Blutgruppe AB handelt.

a)  Pollenprobe und  Blutuntersuchungen

1979 entnahm Max Frei Pollenproben vom Tuch und stellte 30 verschiedene Pollenformen von sechs verschiedenen Pflanzen fest, von denen zwei typische Pflanzen des damaligen Palästina waren: quercus calliprinos und tamarindus, die er auch am Turiner Grabtuch fand.5 Die übrigen Pollen stammten aus Nordafrika und Spanien, was den Weg bestätigt, den das Schweißtuch laut den Berichten des Bischofs Pelagius nahm. Auf Palästina verweist auch die Verarbeitung des Leinens, aus dem das Tuch gewoben ist.
Die Arbeit Freis, der am 14.01.1983 verstarb, setzte Carmen Gomez von der Universidad Complutense in Madrid fort. Sie bestätigte, dass es Pollen aus Palästina auf dem Tuch gibt (Eiche, Palästinische Pistazie und Tamariske).6 Maria José Iriarte sagte hingegen 2007 auf dem 2. Internationalen Kongress zum Schweißtuch von Oviedo, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, Pollen zu identifizieren, die das Schweißtuch einem bestimmten geografischen Ort zugewiesen hätten.7
Die ersten Blutuntersuchungen des Schweißtuches wurden von Baima Bollone  durchgeführt. Ähnliche Untersuchungen machte später Carlo Goldoni.8 Ab 1984 begann sich auch José Luis Fernández Sánchez mit dem Sudarium zu befassen, doch konnten seine Projekte mangels Unterstützung nicht durchgeführt werden.9

b) Das Spanische Zentrum für Grabtuchforschung (CES)

Erst als Msgr. Giulio Ricci 1985 darauf verwies, dass das Schweißtuch von Oviedo und das Grabtuch von Turin mit dem gleichen Leichnam in Verbindung zu bringen seien, kam die Untersuchung der beiden Tücher in Fluss. 1987 wurde in Valencia das „Spanische Zentrum für Grabtuchforschung“ (CES) ins Leben gerufen und die Bildung eines Untersuchungsteams des CES, das EDICES (Investigation Team of the CES), in die Wege geleitet, das bereits 1989 die Erforschung des Schweißtuches im Blick auf das Grabtuch in Angriff nahm. Neben den Untersuchungen des Tuches, wie es mit freiem Auge zu sehen ist, wurden nun aus verschiedenen Blickwinkeln und Abständen Aufnahmen mittels normalem, ultraviolettem und infrarotem Licht gemacht und Staub- und Blutproben sowie kleine Stücke vom Tuch selbst entnommen. Schon diese Untersuchungen führten, kurz gefasst, zu folgenden Ergebnissen:10
Das Schweißtuch von Oviedo besteht aus reiner Wolle. Das Webmuster, Leinenbindung genannt, ist senkrecht in Schuss und Kette, im Gegensatz zum Fischgrätenmuster beim Grabtuch. Das Tuch ist schmutzig und stellenweise angebrannt. Durch mikroskopische Untersuchungen konnte eindeutig festgestellt werden, welcher Bereich des Tuches in direktem Kontakt mit dem Gesicht des Körpers war. Dieser Bereich, linke Kehrseite genannt, weist mehr Blutsubstanz auf als die anderen Bereiche.
Auf dem III. Internationalen Grabtuch-Kongress in Bologna, ebenfalls 1989, erklärte Dr. Alan Whanger bereits, dass er anhand der von Ricci veröffentlichten Fotografien des Sudariums über 100 Entsprechungen zwischen den Blutspuren auf dem Sudarium und jenen auf dem Grabtuch gefunden habe.
Am 9. November desselben Jahres erteilte dann das Kapitel der Kathedrale von Oviedo der CES die Erlaubnis, wissenschaftliche Untersuchungen am Schweißtuch durchzuführen. Vom 9. – 11. November wurden die Mitglieder des Untersuchungsteams EDICES in Oviedo vorgestellt und vom 16. – 18. Februar 1990 die ersten Daten gesammelt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden dem internationalen Forum auf der III. Nationalen Tagung des Grabtuches am 25. März 1990 in Valencia und am darauffolgenden 30. April auf dem Grabtuchkongress in Cagliari (Italien) von Guillermo Heras, Dr. José-Delfín Villalaín und Jaime Izquierdo vorgestellt. Auf dem III. Internationalen  Wissenschaftlichen Symposium zum Grabtuch von Turin am 12. Juni 1993 in Rom bestätigte Dr. Carlo Goldoni, dass die Blutgruppe des Mannes, dessen Gesicht mit dem Sudarium verdeckt wurde, AB ist. Im Oktober 1993 wurden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse auf dem II. Nationalen Kongress für Paläopathologie der Medizinischen Fakultät von Valencia vorgelegt. Auf dem I. Internationalen Kongress zum Schweißtuch von Oviedo, der vom 29. – 31. Oktober 1994 in Oviedo abhalten wurde, kamen dann alle bis dahin gemachten Untersuchungen zur Sprache:

Ab. 8: Typische Blutflecken und Falten auf dem Sudarium: Links die punktförmigen Flecken, darunter der Schmetterlingsfleck. Im Zentrum die Faltlinie, 1 und 4 Hauptfleck gespiegelt, rechts davon der „Akkordeon-Fleck“, oben rechts, wo das Tuch zur Kapuze gebogen wurde, die Diagonalfalten (© CES).

Die Flecken auf dem Sudarium lassen sich in drei Typen unterteilen (Abb. 8):
1)  Ein Hauptfleck, entstanden durch die Faltung des Tuches, entspricht in Größe und Proportionen denen eines menschlichen Antlitzes;
2)  eine Gruppe punktförmiger und viel intensiverer, vom Hauptfleck deutlich getrennter Flecken, die leicht halbmondförmig angeordnet sind;
3)  ein schwacher, schmetterlingsförmiger Fleck unterhalb der punktförmigen Gruppe.
Dies besagt, dass die Fleckengruppen unterschiedlich entstanden sind. Der Hauptfleck hat die Größe eines Gesichts und lässt anhand der Blutspuren die Form und Länge der Nase, die Breite und Höhe der Stirn, die Lage der Augen und die Form der Lippen des Antlitzes ausmachen, von dessen Haupt der Abdruck stammt. Die Nase war 8 cm lang und 2 Zentimeter hoch. Das Tuch wurde direkt an die Nase gedrückt, was zu einer leichten Verzerrung der übrigen Proportionen führte und den Blutfluss durch den Haaransatz und die Augenwimpern stoppte. Als eine starke Blutung aus den Nasenhöhlen einsetzte, durchdrang sie die doppellagige Umhüllung.
Auf der Tagung wurde auch der Beitrag „The Historical Jesus: The Sudarium of Oviedo“ vorgestellt, der vom Bibel-Institut in Madrid in „Biblia y Fe“, Nr. 71, veröffentlicht wurde. Er befasst sich vor allem mit der Frage, warum in der Hl. Schrift keine Rede davon ist, dass nach dem Tod Jesu sein Haupt mit einem Tuch bedeckt wurde. Den Grund sieht man darin, dass ein Bericht vom Tod eines mit einem Tuch bedeckten Mannes, aus dessen Nase und Mund Blut und Lungenflüssigkeit quollen, schrecklich und untragbar, ja für einen Juden schlicht unbeschreiblich gewesen wäre. Das dürfte dazu geführt haben, dass man darüber schwieg, mit Ausnahme der bedeutsamen Notiz bei Johannes:
„Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden dort liegen und das Schweißtuch, mit dem das Haupt Jesus bedeckt war; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengefaltet an einem eigenen Platz.“ (Joh 20,6-7)
Diese Aussagen des Johannes, die bisher kaum beachtet wurden, werden erst durch die neuesten Forschungen des Sudariums verständlich, wie wir noch sehen werden.

2. Verehrung

Diese Zurückhaltung konnte jedoch die große Verehrung des Schweißtuches nicht mindern, denn seine Identität wurde nie in Frage gestellt. Bis in das 17. Jahrhundert gab es sogar eine eigene Messe zum Schweißtuch. Als diese aufgehoben wurde, protestierte der Bischof von Oviedo 1640 dagegen. Der Grund der Aufhebung ist unklar. Er könnte in Verwechslungen von Sudarium und Grabtuch gelegen haben, zumal Julius II. 1506 eine Messe für das Grabtuch approbierte. Inzwischen ist die Messe wieder erlaubt und wurde vom Erzbischof von Oviedo mit den Teilnehmern der Tagung von 2007 eigens gefeiert.

3. Heutiger Stand der Untersuchungen

Die seit der Gründung der CES durchgeführten Untersuchungen durch die Mitglieder der EDICES werden heute von der Internationalen Grabtuchforschung anerkannt und lassen sich in folgende Aussagen zusammenfassen:
– Bei dem Blut auf dem Schweißtuch handelt es sich um menschliches Blut der Blutgruppe AB.
– Das Tuch ist schmutzig, zerknittert, zum Teil gerissen und angebrannt, fleckig und stark kontaminiert.
– Der Mann, dessen Gesicht das Tuch bedeckte, hatte einen Bart, einen Schnurrbart und langes Haar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden war.
– Der Mund des Mannes war geschlossen, seine Nase gequetscht und durch das gegen das Gesicht gepresste Tuch nach rechts gedrückt. Diese beiden anatomischen Elemente wurden auf dem Sudarium von Oviedo klar identifiziert und decken sich mit den Spuren am Antlitz des Grabtuches von Turin.

Abb. 9: Kopfverhüllung am Kreuz (© CES)

– Der Mann war tot. Der Prozess der Spurenbildung schließt jegliche Atmungstätigkeit aus.
– An der Unterseite des Hinterkopfes findet sich eine Reihe von Wunden, die zu Lebzeiten durch scharfe Gegenstände verursacht wurden. Diese Wunden hatten etwa eine Stunde lang geblutet, bevor das Tuch darübergelegt wurde.
– Fast der ganze Kopf, die Schultern und zumindest ein Teil des Rückens des Mannes waren voller Blut, bevor er mit dem Tuch bedeckt wurde. Soviel steht fest, weil es unmöglich ist, die Blutspuren im Haar, auf der Stirn und am Kopf mit dem Blut eines Leichnams zu erzeugen. Es kann daher gesagt werden, dass der Mann vor dem Tod mit etwas verwundet wurde, das seine Kopfhaut zum Bluten brachte und Wunden auf seinem Nacken, den Schultern und dem oberen Teil des Rückens verursachte.
– Der Mann litt im Endstadium an einem Lungenödem.
– Das Tuch wurde doppellagig, aber nicht gänzlich um den Kopf gelegt, weil der rechte Nackenbereich bereits die Schulter berührte. Dies weist darauf hin, dass die Kopfbedeckung schon aufgesetzt wurde, als der Körper noch am Kreuz hing. Nachdem der Mann gestorben war, verblieb der Körper noch etwa eine Stunde lang in vertikaler Position. Der rechte Arm wurde durch den 70° nach vorne und 20° nach rechts geneigten Kopf gestreckt (Abb. 9).
– Die Anordnung der Blutspuren auf dem Tuch von Oviedo besagt, dass der Mann mit beiden Armen am Kreuz hing und die Füße in einer Position hatte, die ihm das Atmen sehr erschwerte – eine Position also, die sich vollkommen mit der Kreuzigung deckt (Abb. 10). Man kann sagen, dass der Mann zuerst verwundet (Blut an Kopf, Schultern und Rücken) und dann gekreuzigt wurde.

Abb. 10: Leicht schräg geneigter Kopf am Kreuz. Das Blut ergoss sich über die untere Gesichtshälfte auf das Tuch (© CES)

– Darauf wurde der Leichnam vom Kreuz abgenommen und auf seiner rechten Seite auf den Boden gelegt, mit der Stirn auf einer harten Unterlage. In dieser Position wurde er etwa eine weitere Stunde belassen (Abb. 11)
.
– Anschließend wurde der Leichnam weggetragen, wobei einer der Träger das Austreten von Flüssigkeit aus Mund und Nase jeweils mit der linken Hand durch starken Gegendruck zu unterbinden suchte. Das Tragen dürfte ca. fünf Minuten in Anspruch genommen haben.
– Das Tuch blieb die ganze Zeit übereinandergefaltet, wurde dann ausgebreitet, wie eine Kapuze um den Kopf gewickelt und wiederum mittels scharfer Halterungen befestigt. Daraufhin wurde der Leichnam mittels einer geschlossenen linken Hand teilweise angehoben und das Tuch seitlich über das Gesicht geschlagen. Es bedeckte nunmehr den gesamten Kopf, und der Körper wurde ein letztes Mal bewegt, wobei eine geschlossene linke Hand von unten gegen das Gesicht drückte. Diese Bewegung verursachte den großen dreieckigen Fleck, an dessen Oberfläche die fingerartigen Abdrücke zu sehen sind und auf der Rückseite des Tuches die in die Wange eingegrabene bogenförmige Linie. Gleich der vorherigen Bewegung dürfte auch dies höchstens fünf Minuten gedauert haben.

Abb. 11: Gesicht auf dem Boden. Das Blut ergoss sich über die obere Gesichtshälfte der Nase entlang (© CES).

– Als man schließlich zum Bestimmungsort kam, wurde der Leichnam mit dem Gesicht nach oben hingelegt und das Tuch aus unbekannten Gründen vom Kopf abgenommen.
Die jüngsten Untersuchungen, über die auf dem 2. Internationalen Kongress zum Schweißtuch im April 2007 in Oviedo und auf dem ISWAI 2010 in Frascati berichtet wurde, haben die oben angeführten Forschungsergebnisse untermauert.
Vor allem konnte sichergestellt werden, dass das Tuch auf das Antlitz eines bereits toten Mannes gelegt und hinter dem Kopf gefaltet und befestigt wurde.

4. Die Blutspuren

Die symmetrisch angeordneten Blutflecken auf beiden Seiten des Tuches bestehen aus einem Teil Blut und sechs Teilen ödematöser Lungenflüssigkeit. Diese Flüssigkeit sammelt sich nach dem Tod durch Ersticken, wie es bei einer Kreuzigung der Fall ist, in den Lungen. Die Todesursache des Mannes, dessen Blut auf dem Schweißtuch von Oviedo erhalten ist, deckt sich mit der des Mannes auf dem Grabtuch. Da einige Flecken von anderen überlagert sind, kann daraus geschlossen werden, dass die ersten bereits trocken waren, als die anderen, von denen sie überdeckt wurden, sich bildeten.

Abb. 12: Kopfmodell von Villalain (© CES)

Zudem sind im Mund- und Nasenbereich, wie bereits erwähnt, Abdrücke von Fingern zu erkennen, die von jener Person herrühren dürften, die den Blutfluss zu stoppen versuchte, der aus Nase und Mund auf das den Kopf umhüllende Tuch gelangte. José Denifle Villalaín, Prof. für Rechtsmedizin an der Universität von Valencia, gelang es nämlich zusammen mit anderen Mitgliedern von EDICES, die Flüssigkeit, die aus Nase und Mund kam, zu simulieren und die Zeit abzuschätzen, die zwischen der Bildung einer jeden Fleckenüberlagerung verstrich, indem er die Mischung von Blut und ödematöser Lungenflüssigkeit nachbildete und den Fluss der Flüssigkeiten anhand eines speziell modellierten Kopfes (Abb. 12) reproduzierte.

5. Vergleichende Studien

Da die Blutflecken die Hauptmerkmale auf dem Sudarium sind, beziehen sich die vergleichenden Studien zum Grabtuch vornehmlich auf den Vergleich der Blutspuren bzw. ihre gerichtsmedizinischen, chemischen und geometrischen Entsprechungen mit dem Grabtuch (Abb. 13).

Abb. 13: Antlitz auf Grabtuch und Sudarium (© CES)

Das Blut auf beiden Tüchern ist menschliches Blut der Blutgruppe AB.
Die Größe der Blutflecken deckt sich geometrisch, wenn man deren relative Stellung auf jedem Tuch betrachtet.
Die Flecken, die von Blutergüssen im Leben herrühren, sind auf beiden Tüchern gleich. Sie besetzen die vom Körperbild des Grabtuches aus voraussagbaren Positionen.
Es gibt Übereinstimmungen zwischen anatomischen Elementen des Sudariums und dem Mann auf dem Grabtuch, wie folgende Tabelle  zeigt:11
A. und M. Whanger wandten die „Polarized Image Overlay Technique“ zum Vergleich von Blutflecken auf dem Sudarium und dem Grabtuch an und fanden dabei siebzig Entsprechungspunkte für die Vorder- und 50 für die Rückseite. Die Ergebnisse müssen allerdings noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden.12

Anatomische Entsprechungen
  Element    Sudarium   Grabtuch
  Flächte der Entsprechungen    2.280,00 mm 2   2.000,00 mm2
  Schwellung an der rechten Nasenseite   100 mm2   90,00 mm2

Die Länge der Nase, durch die das Blut und die Lungenflüssigkeit kamen, wurde auf 8 cm berechnet, eine Länge, die genau mit jener auf dem Grabtuch übereinstimmt.
Legt man das Gesicht des Grabtuches auf die Blutspuren des Sudariums, so beeindruckt am meisten die genaue Übereinstimmung der Blutspuren mit dem Bart des Gesichts.
Eine kleine Blutspur am Mund zur rechten Handseite wurde auch am Grabtuch gefunde
Die Dornenwunden am Nacken stimmen vollkommen mit den Blutspuren auf dem Grabtuch überein.

III. Schlussbemerkung

Wenngleich in Bezug auf Sudarium und Grabtuch noch viele Fragen offen sind, reichen die erzielten Forschungsergebnisse heute schon aus, nicht nur von der Echtheit der beiden Tücher zu sprechen, sondern vor allem auch davon, dass beide Tücher den gleichen Mann bedeckt haben – das Sudarium allerdings nur den Kopf. Außerdem ist festzuhalten, dass das Sudarium erst durch die Entsprechungen mit dem Grabtuch den wissenschaftlichen Schluss auf Christus ermöglicht, wie dies auch für den Schleier von Manoppello zutrifft.
Damit haben wir durch das Grabtuch von Turin, den Schleier von Manoppello und das Sudarium drei geschichtliche Gegenstände, die sich gegenseitig decken und nach den Literaturberichten nur mit den Aussagen  der Evangelien übereinstimmen, wo vom Leiden Christi gesprochen wird. Was das Sudarium betrifft, erlangt in diesem Zusammenhang, wie schon angedeutet, die Aussage bei Johannes eine besondere Bedeutung:
„Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden dort liegen und das Schweißtuch, mit dem das Haupt Jesu bedeckt war; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengefaltet an einem eigenen Platz.“ (Joh 20,6-7)
„Petrus sah das Schweißtuch, mit dem das Haupt Jesu bedeckt war.“ Dieses „war“ bezieht sich hier nicht auf die Bedeckung des Hauptes im Grabe, sondern auf die Bedeckung des Hauptes vom Kreuzestod bis zur Grablegung. Es ist völlig undenkbar, dass ein derart verschmutztes Tuch für die Beerdigung  in Frage kam. Man darf sich sogar wundern, dass ein so unreines Tuch überhaupt ins Grab kam. Dies ist nur dahin verständlich, dass es für jene Personen, welche die Beerdigung vornahmen, ein heiliges Gut war, insbesondere auch für Josef von  Arimathäa und Nikodemus.
„Josef aus Arimatäa, der aus Furch vor den Juden nur heimlich ein Jünger Jesu war, bat drauf Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen; und Pilatus erlaubte es. So kam er und nahm den Leichnam ab. Auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte, kam und brachte eine Mischung von Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit der wohlriechenden Mischung, wie es bei den Juden Begräbnissitte ist. Bei dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten ein neues Grab, in das noch niemand gelegt worden war. Dort setzten sie Jesus  bei wegen des Rüsttages der Juden; das Grab lag in den Nähe.“ (Joh 19, 38-42).
Neben den beiden genannten nahmen sicher auch die Frauen die Jesus begleitet hatten, vor allem seine Mutter, Maria Magdalena und wohl auch Johannes an der Grablegung teil. Zumindest ab der Kreuzabnahme war Jesus in den Händen der Seinen. Daher sind auch die Fingerabdrücke, die sich am Sudarium feststellen lassen, in diesem Kreis zu suchen.
Wie dargelegt, wurde das Sudarium vor der Grablegung vom Kopf abgenommen. Dies konnte nicht anders sein. Der Leichnam konnte nur bloß und würdevoll in die Leinenbinden gewickelt werden. Dafür spricht auch die Mischung von Myrrhe und Aloe. Viel mehr verwundert, wie schon erwähnt, dass man das Sudarium überhaupt ins Grab legte, war es doch unrein. Für die Jünger war es allerdings das unmittelbarste Zeugnis des Todes Christi. Es wurde daher gegen alle Gepflogenheiten nicht entsorgt, sondern man legte es an einen besonderen Platz. Vielleicht war es Maria, die Mutter Jesu, oder Johannes selbst, der es dort hinlegte und es daher in seinem Bericht eigens erwähnt. Das Sudarium trägt somit auch nicht die Spuren der Auferstehung, sondern bleibt vielmehr ein natürliches Zeugnis des Todes Christi, das zudem gleichsam als einsamer „Beobachter“ das Ereignis der Auferstehung und die Formung des Körperbildes auf dem Grabtuch miterlebte.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Sudarium, auch dank der dargelegten Forschungsergebnisse, eine Bestätigung des Grabtuches und über das Grabtuch ein historisches  Zeugnis des Todes Christi darstellt, als das es immer schon verehrt wurde.
Anmerkungen
1. J.L. FERNANDEZ SÁNCHEZ: The sudarium of Oviedo and the Shroud of Turin (2010)
2. M. Guschind: The History of the sudarium of Oviedo (2004)
3 B. Bollone: Book of Acts of the 1st International Congress on the Sudarium of Oviedo (1994).
4 G. Ricci: L’uomo della Sindone (1966).
5 J. M. Rodríguez Almenar: El Estudio de Oviedo (2000).
6 J. L. Fernández Sánchez: The Sudarium of Oviedo, S. 173.
7 Book of Acts of the 2nd International Congress on the Sudarium of Oviedo (2007).
8 J. M. Rodríguez Almenar: El Estudio de Oviedo.
9 J. L. Fernández Sánchez: The Sudarium of Oviedo, S. 173
11 J. L. Fernández Sánchez: The Sudarium of Oviedo, S. 173.
12 M. Guscin: The history of the Sudarium of Oviedo.
L i t e r a t u r
Bollone, Baima: Book of Acts of the 1st International Congress on the Sudarium of Oviedo, 1994, S. 428– 429.
Book of Acts of the 2nd International Congress on the Sudarium of Oviedo, 2007.
Fernández Sánchez, José Luis: The Sudarium of Oviedo and the Shroud of Turin. A question of authenticity.  International Workshop on the Scientific approach to the Acheiropoietos Images (IWSAI), 4 – 6 May 2010, ENEA Research Centre of Frascati, S. 171–177.
Guscin, Mark: The History of the Sudarium of Oviedo: How it Came from Jerusalem to Northern Spain in the Seventh Century A.D. Lewiston, NY [u. a.]: Mellen, 2004.
Heras, G. / Villalaín, J. D. / Rodríguez, J. M.: Comparitive Studies of the Sudarium of Oviedo and the Shroud of Turin. III Congresso Internazionale di Studi sulla Sindone di Torino, 1998.
Ricci, Giulio: L’uomo della Sindone. Roma: Coletti, 1966.
Rodríguez Almenar, J.  M.: El Estudio de Oviedo. Ediciones Universidad de Navarra, S.A., 2000.