COLOMBA JANINA GABRIEL
(Joanna Matylda)
(1858-1926)
GRÜNDERIN
DER BENEDIKTINERINNEN DER BARMHERZIGKEIT
Selig: 16. Mai 1993
Fest: 24. September
COLOMBA JANINA GABRIEL wurde am 3. Mai 1858 als erstes von zwei Kindern der wohlhabenden Adelsfamilie Gabriel in Stanislawow, damals unter österreichischer Herrschaft, heute in Polen, geboren und noch am gleichen Tag auf den Namen Joanna Matylda getauft, zu Hause aber immer Janina gerufen. Ihre Kindheit verbrachte sie im väterlichen Palast, wo sie vor allem von der Mutter eine tief christliche Erziehung erhielt und in Malerei, Musik und Tanz unterwiesen wurde. Nach dem Besuch der Volksschule in ihrer Heimatstadt übersiedelte sie, dem damaligen Brauch aristokratischer Familien entsprechend, mit elf Jahren in das Studentat der Benediktinerinnen nach Leopoli, um dort ihre Studien und die künstlerische Ausbildung fortzusetzen. 1876 erhielt sie nach Erreichen der Höchstpunktezahl das Lehrerinnendiplom zunächst für die Volksschule und drei Jahre später für höhere Schulen in den Fächern der dritten Gruppe (Mathematik, Zeichnen, Physik und Chemie) sowie die Lehrbefähigung. Angesichts dieser Qualifikation und der ihr in den Zeugnissen bescheinigten besonderen didaktischen Fähigkeiten wäre ihr im Schulbereich eine brillante Karriere sicher gewesen, doch hatte Janina im Schatten des Benediktinerklosters eine tiefe Hinwendung zu Christus und Maria erfahren.
Noch vor Abschluss der Studien trat sie am 30. August 1874 mit kaum 16 Jahren in das Noviziat des Klosters ein und erhielt das benediktinische Ordenskleid und den Namen Sr. Colomba. Es begann ein spiritueller Weg, der sie zu einer tiefen Einheit mit dem Herrn führte und für die Intentionen und Ideale derer aufgeschlossen machte, denen sie begegnete. Am 6. August 1882 folgte die ewige Profess. Schon bald fiel sie durch intensives Gebet auf, durch Umsicht und Weisheit, Diskretion, Unternehmergeist und Organisationstalent, das sie bereits mehr als einmal unter Beweis gestellt hatte. Daher schlug sie die Äbtissin Mutter Alexandra Hatal am 31. Januar 1889 als Priorin vor. Binnen kurzem wurde Sr. Colomba zur „Seele“ des Klosters, sie engagierte sich in den verschiedensten Belangen, so 1894 auch als Novizenmeisterin. Nach dem Tod von Mutter Alexandra am 24. Januar 1897 wurde sie von der Gemeinschaft zur neuen Äbtissin gewählt.
Neben der Erfüllung dieser Aufgaben und ihrem Bemühen um die spirituelle Entwicklung ihrer Mitschwestern zeigte sie auch eine große Liebe zu den Armen, die an die Klosterpforte klopften. Unter jenen, die von ihrer mütterlichen Zuneigung am meisten profitierten, befand sich auch der zwölfjährige Waise Paul Padrucki. Sr. Colomba nahm sich seiner wie eine Mutter an und sorgte für seine Ausbildung. Er schien sich prächtig zu entwickeln. Als er aber zu studieren begann, kam er mit dem Atheismus in Berührung und geriet zunehmend in den Bann seiner negativen Leidenschaften.
Mutter Colomba unterstützte ihn weiterhin in finanziellen Notlagen und versuchte, ihn zu Gott zurückzuführen. Padrucki aber, anstatt seinen Lebensstil zu ändern, arbeitete in jeder nur erdenklichen Weise gegen das Kloster, sodass Sr. Colomba es schließlich für angebracht hielt, Leopoli und ihr geliebtes Polen zu verlassen. Am 21. April 1900 erreichte sie unter unsäglichen Entbehrungen Rom, denn allein um ihres wohltätigen Wirkens willen sah sie sich gezwungen, das Kloster aufzugeben. Sie bot damit weniger fähigen Zeitgenossen einen willkommenen Anlass zu allerlei abwegigem Geschwätz. In Rom wurde sie von der Seligen Maria Franziska Siedliska und den Schwestern von der hl. Familie von Nazareth aufgenommen.
Sr. Colomba hoffte jedoch, sobald sich die Wogen einmal geglättet hatten, so schnell als möglich in ihr Kloster zurückkehren zu können. Der neue Erzbischof von Leopoli wies sie allerdings an, ihr Leben der Heiligung im Benediktinerinnenkloster des hl. Johannes des Täufers in Subiaco weiterzuführen. Schweren Herzens gehorchte Mutter Colomba und trat am 11. Juli 1902 ein Probejahr im genannten Kloster an. Die großen Probleme dort zeigten ihr aber ganz klar, dass sie der Herr für eine andere Aufgabe ausersehen hatte, nämlich für ein Leben im Dienst an den bedürftigen Mitmenschen, die sie durch das vergitterte Sprechfenster des Klosters nie würde erreichen können.
Am 21. Juni 1903 erhielt sie den Indult zur Exklaustration und kehrte nach Rom zurück, wo sie hinter der Sakristei von St. Peter als Gast der Schwestern des hl. Karl weilte. Sie mietete dann eine kleine Wohnung und verbrachte die Tage mit Katechismusunterricht und diversen Hilfeleistungen für die Entrechteten und die Kranken im Viertel der Pfarre S. Maria del Rosario ai „Prati“ – einsam und mittellos, aber voller Gottvertrauen, in Frohsinn und der Arbeit ergeben. Gerade diese tägliche missionarische Arbeit, die zwar mühsam war, aber auch Freude bereitete, war es, durch die der Herr durchblicken ließ, was er von nun an in der Kirche von ihr erwartete.
Unter der weisen Führung von P. Hyazinth Cormier (1832–1916), dem künftigen und mittlerweile seliggesprochenen Generalminister der Dominikaner, eröffnete sich ihr ein neuer Weg. Am 12. Oktober 1906 stellte sie P. Cormier dem Kardinalvikar von Rom, Pietro Respighi, vor, um ihre Bemühungen, „Gefährtinnen“ um sich zu scharen, zu unterstützen, damit sie in der Nachfolge Christi und in den Spuren des hl. Benedikt zur Heiligkeit gelangen und den Armen dienen könne. Sie suchte Rat beim Abtprimas der Konföderation der benediktinischen Kongregationen, P. Hildebrand De Hemptinne, der die Sache persönlich in die Hand nahm, den Vikar von Rom informierte und Sr. Colomba einlud, die ersten jungen Frauen als Oblatinnen aufzunehmen. Auf Anregung und mit unermüdlicher Unterstützung von P. Vincenzo Ceresi von den Missionaren vom hl. Herzen Jesu eröffnete Sr. Colomba am 1. Mai 1908 das erste Haus für mittellose Arbeiterinnen, die, der Willkür und Ausbeutung ihrer Arbeitgeber ausgesetzt, ohne jeden moralischen und gewerkschaftlichen Schutz waren. Am darauffolgenden 14. Mai erhielt sie dafür die Approbation des Kardinalvikars. Am 1. Oktober übersiedelte das Mutterhaus in ein 16-Zimmer-Appartement im Palazzo Sinibaldi.
Gleichzeitig suchte und fand sie die ersten Gefährtinnen, die der Einladung folgten, mit ihr ein Leben der Armut und bedingungslosen Nächstenliebe zu teilen. Auf diesem Weg entstand am 12. Oktober 1908 das Institut der Benediktinerinnen der Barmherzigkeit, einer zunächst aus fünf Personen bestehenden neuen Kommunität als Teil jener großen und jahrhundertealten benediktinischen Gemeinschaft, jedoch von eigener Wesensart, die unter Anleitung und auf Wunsch der Gründerin ihre Dienste in den verschiedensten Seelsorgebereichen anbietet: für die jungen Frauen in den Arbeiterinnen-Asylen, für die Kinder in den Schulen und Heimen, die Armen in der Dritten Welt, die Betagten und in den Pfarreien.
Am 1. Juni 1910 wurden die ersten jungen Frauen, Giuseppina Rosaz und Concetta Raglione, eingekleidet. Am 8. Juni desselben Jahres genehmigte der Kardinalvikar von Rom den weiteren Ausbau des neuen Instituts, damit es sich um das Arbeiterinnen-Asyl kümmere und helfend eingriff, wo Hilfe geboten war. Es ist dies das erste schriftliche Approbationsdokument einer kirchlichen Obrigkeit.
Tatsächlich konzentrierten sich die Mitglieder der Kongregation gemäß der Lehre des hl. Benedikt auf die „ausschließliche Gottsuche“, wobei sie Kindern, jungen Frauen und den Armen den Vorzug gaben – daher die Bezeichnung Benediktinerinnen der Barmherzigkeit. Sie arbeiteten auf den verschiedensten Gebieten: als Krankenschwestern in der Klinik Villa del Sole in Rom (1918), als Kindergärtnerinnen und Seelsorgehelferinnen in den Pfarreien Sardiniens (1922), als emsige Bienen im Haus von Scai bei Rieti (1925). Am 24. Februar 1921 erklärte der Kardinalvikar Basilio Pompili das Heim als vom Vikariat approbiert, woraufhin es monatlich eine finanzielle Unterstützung erhielt.
Für die Weiterentwicklung ihrer Kongregation, die am 5. Mai 1926 als Diözesaninstitut errichtet und 1978, viele Jahre nach ihrem Tod, zu einem Institut päpstlichen Rechts erklärt wurde, zahlte Mutter Gabriel – wenngleich unbestritten ist, dass ihr auch Tröstungen zuteil wurden – den hohen Preis ihrer Gesundheit, was sie stets als ein sicheres Zeichen göttlichen Willens wertete. Sogar das Sterben nahm sie gelassen hin, wie aus einem Brief an die Schwestern in Sardinien hervorgeht, die sich wegen ihres schlechten Zustandes sorgten: „Ich muss, wenn auch nicht gleich, so doch mit Sicherheit bald sterben; denn selbst wenn ich bei guter Gesundheit wäre, würde das einfach mein Alter verlangen. Gebenedeit seien der Herr und sein allerheiligster Wille! Mehr als alles andere fleht zum Herrn, er möge mir einen guten Tod gewähren.“
So empfahl sie wenige Tage vor ihrem Tod, der die gläubige Dienerin am 24. September 1926 in vertrauensvoller Gelassenheit in Rom ereilte, allen ihren geistigen Töchtern, den „Willen des Herrn mit Eifer und Liebe“ zu tun und – wie sie bei ihrer ersten Ankunft in Rom gesagt hatte – „mit allen barmherzig“ zu sein. Ihr Werk in der Kirche und in der Welt setzt sich heute bis hin nach Madagaskar und Rumänien fort.
Die sterblichen Überreste von Colomba Janina Gabriel ruhen in der Kapelle des Mutterhauses der Benediktinerinnen der Barmherzigkeit, via Torre de’Schiavi, 116, Rom.
Am 16. Mai 1993 wurde Colomba Janina Gabriel von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]
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