Andreas Resch: Clemens Marchisio

CLEMENS MARCHISIO
(1833-1903)

PRIESTER UND GRÜNDER
DES INSTITUTS DER
TÖCHTER
VOM HL. JOSEF

Selig: 30. September 1984
Fest: 16. Dezember

CLEMENS MARCHISIO wurde am 1. März 1833 als erstes von fünf Kindern des Schusters Giovanni Marchisio und der Lucia Becchino in Racconigi (Turin), Italien, geboren und am gleichen Tag auf den Namen Clemens getauft. Die Familie Marchisio stammte von der aus Biella gebürtigen alten Familie der Avogadro della Marchisia ab. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte Clemens in seinem Heimatdorf, wo er auch die Schule besuchte. Die Eltern hofften, dass er schon bald dem Vater in der Schusterwerkstatt helfen würde. Doch Clemens verspürte immer mehr die Berufung zum Priestertum und teilte dies den Eltern bei der erstbesten Gelegenheit auch unverhohlen mit. Diese waren zwar im ersten Moment sichtlich betroffen, leisteten aber keinen Widerstand, wenngleich sie wussten, dass sie das Studium nicht bezahlen konnten. Es war der Priester Giovanni Battista Sacco, der Clemens in den ersten Gymnasialjahren und beim Philosophiestudium zur Seite stand. 1849 erreichte er, dass Clemens in den klerikalen Stand aufgenommen wurde.

Seine theologischen Studien absolvierte er im Seminar von Bra. Dort beschloss er, keine Zeit zu verlieren, und legte sich einen präzisen und strengen Plan zurecht, der getragen war von Gebet, Studium und Arbeit. Nach Beendigung der philosophischen und theologischen Studien wurde Marchisio am 20. September 1856 zum Priester geweiht. Danach war er zwei Jahre lang Schüler des hl. Josef Cafasso im kirchlichen Konvikt des hl. Franz von Assisi in Turin. Don Cafasso hielt ihn zur Nächstenliebe gegenüber den vom Leben Benachteiligten an und forderte ihn häufig auf, ihm bei seiner seelsorglichen Arbeit in den Gefängnissen zu helfen. Dies war für Clemens eine sehr harte Prüfung, die ihm aber in seinen 47 Jahren pastoraler Tätigkeit sehr zugute kommen sollte. Er beendete seine Ausbildung im Konvikt mit dem Vorsatz, fortan ausschließlich und mit ganzer Kraft als Priester tätig sein zu wollen. So sagte er am Schluss des Bienniums: „Als ich in das Konvikt eintrat, war ich ein großer Spitzbube und ein Leichtfuß, ohne wirklich zu wissen, was es heißt, Priester zu sein. Als ich es verließ, war ich völlig verändert und mir der Würde des Priesters voll bewusst.“

Im Juni 1858 wurde Marchisio als Pfarrvikar der Gemeinde Cambiano zugeteilt. Dort zeigte sich ein markanter Aspekt seines Innenlebens: eine ganz besondere Verehrung der Eucharistie. Auf dieser „Grundlage“ wollte er seine gesamte seelsorgliche Arbeit aufbauen, wo immer seine Oberen ihn auch hinzuschicken gedachten. Seine Offenheit aber, mit der er die Jugend von Cambiano bei verschiedenen Gelegenheiten vor dem Verlust ihrer Würde bewahren wollte, brachte ihm die Versetzung ein. Er wurde als Pfarrer für Rivalba Torinese bestimmt, wo er am 18. November 1860, im Alter von erst 27 Jahren, einzog und 43 Jahre lang unermüdlich für seine Herde tätig war. Als er sich den Gläubigen des Ortes das erste Mal vorstellte, tat er auch gleich seinevordringliche Absicht kund: „Ja, meine lieben Pfarrangehörigen, ich möchte mit ganzem Herzen Christus, dem Hirten unserer Seelen, nachfolgen; ich will arbeiten, mich für euer Heil aufopfern… 0 mein Gott, das ist die Gnade, die ich von Dir erbitte: mich in dieser Pfarre erlösen zu können und mit mir alle meine Pfarrkinder.“

Die Pfarrkirche war nicht sehr einladend, und so dachte Marchisio schon bald an den Bau einer anderen, würdigeren Kirche. Es gelang ihm über 100.000 Ziegel zu sammeln, doch erteilten ihm die staatlichen Behörden keine Baugenehmigung. So beschränkte er sich darauf, die Kirche zu säubern und sie, so gut es ging, zu schmücken.

Die Arbeit in der Pfarre gestaltete sich schwierig. Er wurde mit Drohungen und tätlichen Angriffen konfrontiert, und man ging sogar so weit, die Gläubigen zum Verlassen der Kirche aufzuwiegeln, sobald der Priester mit der Verkündigung des Evangeliums begann, sowie Störung und Lärm zu provozieren, um ihn von der Predigt abzuhalten. So spielte er damals mit dem Gedanken, woanders hinzugehen. Und dennoch blieb er um des Gehorsams willen weiterhin auf seinem Platz und legte noch mehr Eifer an den Tag.

Um jeden Müßiggang zu vermeiden, organisierte er den Tagesablauf nach einem ziemlich straffen Stundenplan: um fünf Uhr aufstehen, unmittelbar darauf zwei Stunden Anbetung mit Breviergebet, Meditation und Rosenkranz, gefolgt von der Messfeier. Ein weiterer Rosenkranz beschloss den Tag um 24.00 Uhr. Seine besondere Verehrung galt zweifellos Jesus im Altarsakrament. Davon zeugen die Worte, mit denen er einmal eine bedrückte Seele tröstete: „Schau, auch ich bin manchmal ganz niedergeschlagen von all den Mühen und Plagen. Aber ich versichere dir: wenn ich fünf Minuten in lebendigem Glauben vor Jesus im Altarsakrament zugebracht habe, fühle ich mich wieder gestärkt, so stark, dass alles, was ich vorher hart und unerträglich fand, mir leicht und einfach vorkommt.“ Die Eucharistie war seine Energiequelle und diente ihm als Stützpfeiler bei seiner Arbeit als Priester, die sich auch auf die kulturellen und sozialen Belange der Pfarrei erstreckte.

Die Ziegel, die ursprünglich für die neue Kirche bestimmt waren, dienten nun zur Errichtung eines Kindergartens, einer Textilmanufaktur und zur Restaurierung des Castello, der Wiege seines Instituts. Die Textilmanufaktur gründete er 1871, um zu verhindern, dass die jungen Mädchen zur Arbeit nach Turin abwanderten, und die besten unter ihnen wählte er aus, damit sie diese leiteten. So entstand 1877 die von ihm gegründete Gemeinschaft der Töchter vom heiligen Josef (Abb).

„Es scheint, als wollte mir Gott meine Karten mischen, wie er es beim hl. Franz von Sales getan hat, dessen ursprünglicher Plan von Gott ziemlich durcheinander gebracht wurde.
In der katholischen Kirche gibt es schon viele Institutionen, deren Aufgabe in der materiellen und spirituellen Nächstenliebe besteht. Institutionen aber, die ausschließlich der Verehrung des Altarsakraments geweiht sind, gibt es meines Wissens noch keine. Deshalb beabsichtige ich auch, den Zweck des Instituts zu ändern, das sich — anstatt Jesus in den armen Fabriksarbeitern zu dienen — darum bemühen soll, Ihm selbst so gut als möglich in allem zu dienen, was zum Sakrament der Liebe gehört, und dies nicht nur mit Eifer und Gewissenhaftigkeit, sondern auch mit größtmöglicher Ehrerbietung und Hingabe.“

Dies ist das Sendungsschreiben der „Töchter vom hl. Josef“, die er der hl. Familie von Nazareth und im Besonderen dem hl. Josef empfahl, damit sie sich durch deren erhabenes Beispiel zu einem Leben der Arbeit und des Gebets im Blick auf Jesus Christus anleiten ließen. So übertrug er ihnen die Herstellung der für das Messopfer notwendigen liturgischen Gegenstände: Brot und Wein, Kerzen, Paramente und was sonst noch beim Gottesdienst gebraucht wurde.

Marchisio selbst blieb 43 Jahre lang Pfarrer. Allmählich gelang es ihm, die Herzen der Menschen zu gewinnen, bis er schließlich zum allerorts gefragten und geschätzten Ratgeber wurde. Vor allem die Armen und Kranken kannten seine Herzensgüte. Der Pfarrhof war für ihre Nöte immer offen und oft teilte er mit ihnen das Brot, weil er sich für alle verantwortlich fühlte:
„Ich versichere euch, Brüder, die Lasten, die ein Pfarrer trägt, sind schrecklich. Ich schulde euch ein gutes Beispiel, Unterweisung, meine Dienste, mich selbst. Das gute Beispiel schulde ich euch, um euch zur Tugend zu führen; Unterweisung schulde ich euch, um euch auf eure Pflichten hinzuweisen; meine Dienste schulde ich euch, um euch in all euren Nöten beizustehen; ich habe ganz für euch da zu sein, um mich — sollte es notwendig sein — für jeden von euch zu opfern.“

In dieser priesterlichen Verantwortung erfüllte Marchisio seine Pflicht, solange es seine Kräfte zuließen. Am Morgen des 14. Dezember 1903 feierte er seine letzte Messe und stürzte sich dann wie üblich in die Arbeit. Tags darauf war er nicht mehr in der Lage, die Messe zu lesen. Den Tod vor Augen empfahl er sich vertrauensvoll Jesus, Maria und Josef, deren Namen von den Anwesenden als letzte aus seinem Mund vernommen wurden.

Clemens Marchisio starb am 16. Dezember 1903 in Rivalba und wurde dort begraben, von den Pfarrkindern und mehr als 600 seiner „Töchter“ betrauert, die über die verschiedenen Diözesen Italiens verstreut sind und heute in verschiedenen Ländern der Welt arbeiten. Sein Grab befindet sich in der Pfarrkirche Rivalba bei Turin.

Am 30. September 1984 wurde Clemens Marchisio von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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