Andreas Resch: Clelia Barbieri

CLELIA BARBIERI
(1847-1870)

GRÜNDERIN
DER KLEINSTEN SCHWESTERN DER SCHMERZENSMUTTER

Heilig: 9. April 1989
Fest: 13. Juli

CLELIA BARBIERI wurde am 13. Februar 1847 als erstes Kind von Giuseppe Barbieri und Giacinta Nanetti in Le Budrie, Gemeinde S. Giovanni in Persiceto, Provinz Bologna, geboren und noch am gleichen Tag auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter auf den Namen Clelia Rachel Maria getauft. Sie wuchs im Schoß der Familie heran, wo sie schon als Kind die Armut ihrer Umgebung zu spüren bekam. Der Vater war Tagelöhner zweiter Klasse und die Mutter, wenngleich aus wohlhabendem Haus, wollte das Arbeiterleben teilen. Die Barbieris wohnten in einer Hütte für Tagelöhner und verdienten kaum das Nötigste zum Leben. Die Mutter unterwies die kleine Clelia im christlichen Glauben und lehrte sie schon früh nähen, Hanf zu spinnen und zu weben, wie es für die Emilia Romagna typisch ist.

Im Alter von acht Jahren, am 11. Juli 1855, verlor Clelia den Vater, der mit 33 Jahren an der Cholera starb, die in der Region Persiceto über 400 Opfer forderte. Durch die Großzügigkeit des Onkels, eines Arztes, konnten die Mutter, Clelia und ihre kleinere Schwester Ernestina in ein vornehmeres Haus in der Nähe der Pfarrkirche ziehen. In der neuen Umgebung nahm Clelias Lebensstil sehr präzise Formen an: Entweder war sie zu Hause, um zu spinnen und zu nähen, oder sie war in der Kirche, um zu beten. Am 8. Juni 1856 empfing sie das Sakrament der Firmung. Die Auswirkungen waren entsprechend, denn sie fragte die Mutter: „Wie kann ich heilig werden?“

Clelia suchte und fand schließlich im Pfarrer einen Spiritual, der zum privilegierten Zeugen dessen wurde, was der Herr in dem Mädchen und durch dieses in der gesamten Pfarrgemeinde zu verwirklichen begann. Mit elf Jahren, am 24. Juni 1858, wurde Clelia zur Erstkommunion zugelassen. Es war dies ein entscheidender Tag für ihre weitere Zukunft, denn sie hatte ihre erste mystische Erfahrung. Nach der Messe traf sie sich mit ihren Gefährtinnen zu einem kurzen Freudenmoment auf dem Platz vor der Kirche. Plötzlich spürte sie, wie ihr Herz in Liebe zu Gott entbrannte. Eilig verließ sie die Gruppe und begab sich nach Hause. Reue über die eigenen Sünden und die Sünden anderer sowie die Schmerzensmutter inspirierten von da an ihre Spiritualität. Sie nährte ihren Geist mit frommer Lektüre wie Übung der Liebe zu Jesus Christus vom hl. Alfons Maria von Liguori oder Nachfolge Christi und widmete sich dem gründlichen Studium des Katechismus von Kard. Michele Viale Prelà. Nach außen begann sie etwas sonderbar zu werden. Sie hatte halbstündige Ekstasen, bei denen ihr Gesicht nicht erblasste. Man glaubte allerdings, sie leide an irgendeiner Krankheit. Bei der Anbetung vor dem Tabernakel schien sie in der Tat wie eine unbewegliche Statue, versunken in das Gebet. Zu Hause war sie von den Mädchen, die arbeiten mussten, die älteste. Clelia machte ihre Sache mit Begeisterung und Liebe, wobei sie zu Gott betete und sogar von Ihm sprach.

Mit 14 Jahren nahm sie an der Pfarrgruppe „Arbeiter der christlichen Lehre“, der Katechisten, teil. Sie war die Jüngste in der Gruppe und unterwies die Kleinen ebenso wie die Erwachsenen. Zusammen mit einigen Gleichaltrigen, die ihren Durst nach Gott teilten, besorgte sie kleine Hilfsdienste für die Familien des Viertels, wobei sie besonders auf die Bedürfnisse der Ärmsten und Kranken einging.

Zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr traf sie sich sonntags nach der „Vesper“ für gewöhnlich mit drei Freundinnen, um über Gott zu diskutieren. Diese Begegnungen ließen zusehends den Vorsatz reifen, sich zu einem Gemeinschaftsleben zusammenzuschließen. „Wir sind sehr arm und können aus diesem Grund nie in ein anderes Institut aufgenommen werden; also schließen wir uns zusammen, um ein Leben der Innerlichkeit zu führen und um Gutes zu tun.“

Zu all diesen Initiativen gesellte sich im Alter von 20 Jahren eine Lungentuberkulose, die Clelia ans Bett fesselte. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden, als sie sich wieder erholte und zur Mutter sagte: „Nicht weinen, denn ich sterbe nicht jetzt; der Herr will noch etwas von mir.“

Es war gerade am Gipfelpunkt der Krise, die durch den Niedergang der Herrschaft des Papstes und die Geburt des italienischen Einheitsstaates ausgelöst worden war, mit Ausweitung der Siccardischen Gesetze auf das gesamte Königreich und der darauf folgenden Unterdrückung der religiösen Orden und Kongregationen, als Clelia am 1. Mai 1868 mit ihren drei Gefährtinnen, Ursula Donati, Theodora Baraldi und Violante Garagnani, das sogenannte „Haus des Meisters“ bzw. „die Klause“ bezog. So entstand – getragen von tiefer Armut, aber großem Gottvertrauen – eine neue Kommunität, die von Gemeinschaftssinn, kontemplativem Geist und dem Dienst bedingungsloser Nächstenliebe gekennzeichnet war; die Oberen gaben ihnen den Namen Kleinste Schwestern der Schmerzensmutter (Abb.). Clelia und die anderen blieben, wo und was sie waren, wenngleich nunmehr unter Gehorsam stehend. Nach drei Jahren Erfahrung im „Haus des Meisters“ verfolgte das Projekt immer noch sein ursprüngliches Ziel; vermehrtes Augenmerk wurde indes jedoch auf die Bedeutung der Eucharistie, die starken Bande mit Christus und der Kirche sowie die Bemühungen um die Kinder, Armen und Kranken gerichtet.

Während der gewaltsamen Protestkundgebung in S. Giovanni am 7. Januar 1869 gegen die Mahlsteuer bzw. die Steuer auf Brot, Polenta und Roggen, welche die Landbevölkerung erschütterte, leitete Clelia in der Kirche das Gebet der Frauen, die sich dort in Angst um ihre Männer und Söhne versammelt hatten. Und am darauf folgenden Sonntag gelang es ihr, in der Kirche die Ruhe zu wahren, als berittene Soldaten diese umstellten, um vorwiegend die jungen Männer zu verhaften, die herauskamen, darunter auch den Pfarrer, Don Gaetano Guidi. Die Leute scharten sich um Clelia, gleichsam um Schutz zu suchen, weil sie mit den anderen miterlebte, was Hunger war, aber ein göttliches Leuchten von ihr ausging. Ihr Handeln veränderte die Pfarre.
Am 31. Januar 1869 wurde sie während der Sonntagsmesse von dem ergriffen, was sie „eine große Inspiration“ nannte, nämlich einem außergewöhnlichen mystischen Feuer, wie sie auf einem kleinen Zettel festhielt. Es handelt sich um ihr einziges persönliches Schriftstück, ein Briefchen voller orthographischer Fehler – Clelia hatte keine Schulbildung – an den Bräutigam Jesus, das sie gleichsam als Eheversprechen zusammengefaltet am Herzen trug. Im Folgenden nun besagter Brief in deutschem Wortlaut und sprachlich purgiert, jedoch in seiner ganzen Kraft und Größe:
„Mein liebster Bräutigam Jesus, ich schreibe diese Zeilen, um sie für immer in Erinnerung zu bewahren.
Unermesslich ist die Gnade, die mir Gott an diesem 31. Januar 1869 zuteil werden lässt, während ich in der Kirche der heiligen Messe beiwohne. Ich vernehme die klare Eingebung, mein Wollen in allem aufzugeben, um dem Herrn immer mehr zu gefallen, und ich verspüre den Willen, dies auch zu tun, doch reichen meine Kräfte nicht aus. Großer Gott, Du kennst meine Absicht, Dich zu lieben und Dich niemals zu verletzen; und doch ist meine Armseligkeit derart, dass ich Dich unentwegt verletze. Herr, öffne Dein Herz, sende aus die Flammen der Liebe und entzünde damit das meine, auf dass ich in Liebe entbrenne.

Meine liebe Tochter, du kannst es nicht fassen, wie groß meine Liebe zu dir ist, ich bin dir so unendlich gut, und die Hoffnung, dich heilig zu sehen, ist unermesslich. Daher nur Mut im täglichen Kampf! Sei gewiss, dass alles gut geht, und wenn es etwas gibt, das dich bedrückt, so zögere nicht, es mir anzuvertrauen; mit der Hilfe des Herrn werde ich versuchen, Dir Ruhe zu verschaffen.

Geliebter Gott! Vergiss nicht auf mich arme Sünderin! Deine Dienerin Clelia Barbieri.“
Dank dieses „Eheversprechens“ mehrte sich das Gute in ihren Händen. Sie bewirkte Heilungen, bekehrte Sünder, strahlte Frieden, Einfachheit, Güte und Bescheidenheit aus. Als die Soldaten von Cadorna nach Le Budrie kamen, um diejenigen, die Anfang Januar 1869 gegen die ungerechte „Mahlsteuer“ rebelliert hatten, zu verhaften, drängten sich die Leute um Clelia, als ob sie Schutz suchten. In der Tat sah die Bevölkerung in ihr zusehends eine Leitfigur, eine Vermittlerin des Glaubens, und sie begannen, sie „Mutter“ zu nennen, obwohl sie erst 22 Jahre alt war.

Immer mehr junge Menschen kamen in ihre „Klause“. Ihre ganze Liebe war Jesus der Gekreuzigte und Jesus in der Eucharistie; und ihre Führerin war Maria die Schmerzensmutter, weil diese in Le Budrie sehr verehrt wurde und es Clelias Lieblingsbezeichnung für die Madonna war. Sie verstanden sich als „die Kleinsten“ wegen der großen Verehrung, die Clelia dem heiligen Minderbruder und Eremiten Franz von Paula, dem Patron und Schutzherrn der aufstrebenden Gemeinschaft, entgegenbrachte.

Anfang 1870 kam es bei Clelia zum Ausbruch der Tuberkulose, die sie unterschwellig begleitet hatte. Man rief den Arzt, ihren Onkel, der bewegt und wieder gläubig geworden aus dem Krankenzimmer trat. Clelia ertrug alles in großer Hingabe. Kurz vor ihrem Tod machte sie noch einige Prophezeiungen bezüglich des Instituts:
„Ich gehe, aber ich werde euch nie verlassen… Seht, wenn dort auf dem Feld neben der Kirche, wo die Heilkräuter wachsen, das neue Haus erstehen wird, werde ich nicht mehr da sein… Ihr aber werdet an Zahl wachsen und euch über die Ebene und den Berg hin ausbreiten und den Weinberg des Herrn bearbeiten. Es wird der Tag kommen, an dem viele Menschen mit Wägen und Pferden nach Le Budrie strömen werden… Ich gehe ins Paradies und alle Schwestern, die in unserer Gemeinschaft sterben, werden das ewige Leben haben.“
Der Tod ereilte sie am 13. Juli 1870, im Alter von 23 Jahren. Am darauffolgenden Jahrestag ihres Hinscheidens (13.07.1871) gewahrten die Schwestern während des Gemeinschaftsgebets ihre Stimme – ein Phänomen, das sich auch später wiederholen sollte.

Ihr Grab befindet sich im Heiligtum Clelia Barbieri, Oratorio di S. Giuseppe, neben der Pfarrkirche S. Maria, Le Budrie di Persiceto, Bologna.

Am 27. Oktober 1968 wurde Clelia Barbieri von Papst Paul VI. seliggesprochen und am 9. April 1989 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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