Andreas Resch: Bernhard von Corleone Latino

BERNHARD VON CORLEONE
(Philipp Latino)
(1605-1667)

PROFESSBRUDER
DES ORDENS DER KAPUZINER

Heilig: 10. Juni 2001
Fest: 12. Januar

BERNHARD VON CORLEONE (PHILIPP LATINO) wurde am 6. Februar 1605 als Sohn von Leonardo und Domenica Philippo in Corleone, Sizilien, geboren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Philipp. Er war das fünfte Kind des Schuhmachers, der möglicherweise auch den Beruf des Gerbers ausübte. Dessen Haus galt im Volksmund als ein „Haus von Heiligen“, weil sich Vater Leonardo den Armen gegenüber dermaßen großzügig erwies, dass er sie sogar mit nach Hause brachte, wo sie gewaschen, eingekleidet und mit viel Liebe gestärkt wurden. Auch seine Brüder und Schwestern halfen kräftig mit. Auf diesem so fruchtbaren Boden lernte Philipp schon früh, Barmherzigkeit zu üben und das Kreuz und die Gottesmutter zu verehren, der er jeden Samstag ein Licht entzündete.

Als Jugendlicher fügte er sich in den Kontext der sizilianischen Städte. Das Leben unter der spanischen Herrschaft war geprägt von politischen und religiösen Spannungen. So entsprach seiner Religiosität sein karitatives Wirken. Es gibt viele, die bezeugten, dass sie gesehen hätten, wie der Junge im Winter durch die Stadt ging, um Almosen für die armen Gefangenen zu sammeln, ohne sich dafür zu schämen. Als Philipp dann ein Schuhgeschäft führte, war er gut zu seinen Angestellten. Zufällig hatte er die Möglichkeit, eine damals von spanischen Truppen in der Stadt geleitete Fechtschule zu besuchen, und wurde innerhalb kurzer Zeit zu einem der besten und gefürchtetsten Degenfechter nicht nur Corleones, sondern der ganzen Umgebung ausgebildet. Seine ersten Biografen bestätigen, dass er sogar als „der erste Degenfechter Siziliens“ bezeichnet wurde.
Im Grunde ein guter und großzügiger Charakter, bereitete es ihm Vergnügen, seine Fähigkeiten im Kampf zu erproben, wenngleich ihm die in der Familie erhaltene tief christliche Erziehung den Kontrast zwischen dem Geist des Evangeliums und der Leidenschaft für eine Tätigkeit vor Augen führte, welche Konflikte, Rivalitäten und Gewalt heraufbeschwor und schürte. Tatsächlich kompensierte er seine Betroffenheit dadurch, dass er versuchte, seinen Degen in den Dienst der Armen und Wehrlosen zu stellen, was er mehr als einmal machte und so die Bewohner Corleones gegen die gewalttätigen Übergriffe der in der Stadt stationierten spanischen Soldaten verteidigte.

Der Gebrauch des Degens trug dazu bei, dass seine jugendlichen Unternehmungen von einem Hauch des Mythos umgeben waren und man ihn für einen Streithals hielt, was nicht der Wahrheit entsprach. Dass Philipp explodierte, wenn man ihn provozierte, war in Corleone kein Geheimnis. Einige Zeugen erklärten bei den Prozessen, dass an ihm nichts auszusetzen war außer sein Jähzorn, mit dem er den Degen ergriff, wenn man ihn herausforderte. Diese Ungestümheit rief bei Philipps Eltern berechtigte Ängste hervor. Sämtliche Zeugen gaben jedoch übereinstimmend zu Protokoll, dass Philipp nur dann zum Degen griff, wenn es darum ging, den Nächsten gegen irgendwelche Schikanen zu verteidigen oder um jemandem zu helfen. Jedenfalls provozierte niemals er, sondern stets sein Gegenüber.

Die Episode vom Duell mit Vito Canino 1624, im Alter von 19 Jahren, war sicherlich ein einschneidendes Ereignis in jungen Jahren, auch wenn es mit romanhaften Details ausgeschmückt wurde. Vor der fatalen Begegnung mit Vito Canino, die in der Bevölkerung breite Resonanz fand, hatte Philipp einige Scharmützel mit einem nicht näher identifizierten „Vinuiacitu“, einem lokalen Kriminellen, der dabei zwei verletzte Finger davontrug. Der Polizeikommissar Vito Canino aus Palermo, der nach Corleone kam, um Philipp den Fechtprimat zu entreißen, war in Wirklichkeit ein von „Vinuiacitu“ gedungener Meuchelmörder, der den Schuster ermorden und so die erlittene Demütigung rächen sollte. Beim Duell verletzte Philipp Canino so schwer am Arm, dass dieser für immer unbrauchbar war. Obwohl er sich nur rechtmäßig verteidigt hatte, empfand Philipp großen Schmerz und tiefes Unbehagen darüber, Canino verwundet zu haben, und obwohl er als der erste Degen Siziliens galt, bat er den Verletzten um Vergebung. Als er dann später Kapuziner wurde, griff er ihm durch Wohltäter wirtschaftlich unter die Arme und unterstützte ihn moralisch, bis die beiden schließlich enge Freunde wurden.

Die schmerzliche Erfahrung des Duells hatte großen Einfluss auf seine existenzielle Krise, sodass er beschloss, Ordensmann zu werden und um Aufnahme bei den Kapuzinern zu bitten, wo er von den Oberen, die um seine stürmische Vergangenheit wussten, nach langem Hin und Her grünes Licht bekam. Mit ca. 27 Jahren nahm er schließlich am 13. Dezember 1631 im Noviziat von Caltanissetta den Habit der Kapuziner, des in der Bevölkerung am stärksten verankerten Ordens, und nannte sich Bruder Bernhard von Corleone. Möglicherweise stand er Modell für Fra Cristoforo, jenen Ordensmann, der sich in den Promessi Sposi von Manzoni aus Reue über ein tödliches Degenduell für den Habit entschied. Nach Beendigung des Noviziats legte er die Ordensprofess ab und begab sich unverzüglich auf den Weg der christlichen Vervollkommnung. Seine Mitbrüder, die mit ihm zusammenlebten, gewahrten die religiöse Sorge eines Menschen, der stets darauf bedacht war, ein tief christliches und auf Vollkommenheit ausgerichtetes Leben zu führen. Es war die Prinzipientreue, die ihn zu einem echten christlichen Verhalten und zum Beispiel eines guten Kapuziners veranlasste. Ohne sich als Lehrmeister aufzuspielen, wollte Bruder Bernhard durch Gottesliebe und Entsagung alle auf den Weg der Erlösung führen.

Im Gebet zeigte sich das schönste und authentischste Bild von Bruder Bernhard von Corleone. Wer ihn sah, war der festen Überzeugung, dass er sich im Zwiegespräch mit Gott befand und all seine Gedanken und Empfindungen auf Ihn ausrichtete; gleichzeitig war er mit allen barmherzig und friedlich. Sein konkretes Leben spielte sich denkbar einfach ab. Er durchwanderte die verschiedenen Konvente der Provinz: Bisacquino, Bivona, Castelvetrano, Burgio, Partitico, Agrigent, Chiusa, Caltabellotta, Polizzi und vielleicht auch Salemi und Monreale – es ist schwierig, ein genaues chronologisches Bild zu zeichnen. Sicher ist, dass er die letzten 15 Jahre seines Lebens in Palermo verbrachte. Seine Aufgabe als Bruder war die eines Kochs oder Küchengehilfen. Doch kümmerte er sich darüber hinaus auch um die Kranken und verrichtete noch eine Reihe zusätzlicher Arbeiten, um sich bei allen nützlich zu machen.

In Bezug auf seine Großzügigkeit erzählt man sich eine ebenso schöne wie lustige Anekdote. Als er sich einmal während einer Epidemie mit den Mitbrüdern in Bivona aufhielt, gab er sein Bestes, um all ihre Bedürfnisse zu erfüllen, da er noch der einzig Gesunde in der Gemeinschaft war. Schließlich wurde auch er von der Krankheit heimgesucht. Da nahm er kurzerhand aus einer Kirche eine Statuette des hl. Franziskus, steckte sie in seinen Ärmel und sagte: „Du bleibst jetzt so lange da drinnen, bis du mich wieder gesund gemacht hast, damit ich den Mitbrüdern helfen kann!“

Seine Arbeit als Krankenpfleger erstreckte sich auch auf die Tiere – dies zu einer Zeit, wo der Tod eines Maultiers oder eines Ochsen den Ruin für eine Familie bedeuten konnte. Mit seinen Minipredigten in heute noch erinnerlicher Reimform machte er sich auf seine Weise zum Ermahner und Prediger: „Das Leiden ist auf Zeit, das Sterben für die Ewigkeit.“

Die Zeugenaussagen bei den Verfahren ergeben ein wunderbares Bild der besonderen Qualitäten seiner Persönlichkeit, die ebenso liebenswert und stark war wie seine Heimat: „Er hat uns ständig ermuntert, Gott zu lieben und für unsere Sünden Buße zu tun.“ „Immer war er im Gebet versunken… Wenn er in die Kirche ging, nahm er überschwänglich am Gebet und an der Vereinigung mit Gott teil.“ Da verfloss die Zeit und oft blieb er in Gedanken versunken und in Ekstase. Mit Vorliebe hielt er sich nachts in der Kirche auf, denn, so erklärte er, „es war nicht gut, das Allerheiligste Altarsakrament allein zu lassen, und so leistete er Ihm Gesellschaft, bis andere Mitbrüder kamen“. Um so nahe als möglich beim Tabernakel zu sein, fand er Zeit, dem Sakristan zu helfen. Entgegen damaligem Brauch ging er täglich zur Kommunion. In den letzten Jahren seines Lebens, als er wegen der ständigen Bußübungen schon völlig entkräftet war, erteilten ihm die Oberen schließlich den Auftrag, nur noch den Altardienst zu verrichten.

Nach bester Tradition der Laienbrüder des Ordens zögerte Bruder Bernhard nicht, sich als „Esel der Mitbrüder“ zu bezeichnen, und wer ihm den Rat gab, lesen zu lernen, dem antwortete er: „Die Wunden unserer Herrn Jesus Christus, die müssen wir studieren!“

Die Solidarität mit seinen Mitbrüdern ging so weit, dass sie geradezu eine soziale Dimension annahm. In Palermo machte er sich bei Naturkatastrophen wie Erdbeben und Stürmen zum Vermittler vor dem Tabernakel, indem er wie Moses kämpfte: „Langsam, Herr, langsam! Hab Mitleid mit uns! Herr, ich will diese Gnade, ich will!“ Und die Pein hörte auf, die Katastrophe wurde abgewandt.

Zwei Monate vor seinem Tod sagte Bruder Bernhard mehrmals: „Paradies, Paradies! Paradies! Bald werden wir uns im Paradies sehen“ – er sagte dies mit außerordentlicher Freude. Auf dem Sterbebett, nach dem Empfang der Krankensalbung, wiederholte er freudig: „Gehen wir, Gehen wir!“ Er starb im Konvent der Kapuziner in Palermo, am Mittwoch des 12. Januar 1667, um 14.00 Uhr.

Einer seiner vertrautesten Freunde, Bruder Antonino da Partanna, gewahrte ihn im Geiste, umgeben von einem Leuchten, wie er in unendlicher Freude ausrief: „Paradies! Paradies! Paradies! Gepriesen seien Zucht und Ordnung! Gepriesen die Wachen! Gepriesen die Bußübungen! Gepriesen die Entsagungen! Gepriesen die Akte des Gehorsams! Gepriesen das Fasten! Gepriesen die Übungen aller religiösen Vervollkommnung!“ Sein Ruf der Heiligkeit war so groß, dass die Oberen und die kirchlichen Behörden das Seligsprechungsverfahren einleiteten.

Sein Grab befindet sich in der Kapuzinerkirche, Piazza Cappuccini, 1, Palermo.

Am 10. Juni 2001 wurde Bernhard von Corleone von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Klemens XIII. am 15. Mai 1766 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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