Andreas Resch: Bernhard Lichtenberg


BERNHARD LICHTENBERG
(1875-1943)

PRIESTER UND MÄRTYRER

Selig: 23. Juni 1996
Fest: 5. November

BERNHARD LICHTENBERG wurde am 3. Dezember 1875 als erstes von fünf Kindern in Ohlau in Schlesien (heute Olawa, Polen) geboren und am 27. Dezember auf den Namen Bernhard Richard Leopold getauft. Kindheit und Jugend verbrachte er im Schoß seiner zutiefst christlichen Familie. Die Volksschule besuchte er in Ohlau, wo er am 12. April 1887 auch die Erstkommunion empfing. Als Junge nahm er jeden Morgen mit seiner Mutter an der hl. Messe teil.

Nach Ablegung der Reifeprüfung in Ohlau ging Lichtenberg am 12. März 1895 nach Innsbruck, Österreich, um an der Theologischen Fakultät der Universität Theologie zu studieren. Nach dem ersten Semester wechselte er an die Theologische Fakultät der Universität Breslau. Nach Abschluss der Studien wurde er am 12. Juni 1899 im Dom zu Breslau zum Priester geweiht. Ersten seelsorglichen Aufgaben in Neisse folgte am 13. August 1900 die Ernennung zum Kaplan von St. Mauritius in Berlin, wo er nebenbei die Wirtschaftsfakultät der Universität besuchte. Am 17. Oktober 1903 wurde er Kurat der Kirche von St. Michael. Am 30. November 1905 wechselte er nach Friedrichsfelde-Karlshorst, wo ihn im Februar 1907 die Eltern erreichten, die von Ohlau nach Friedrichsfelde übersiedelten. In der Umgebung von Berlin, wo die Katholiken eine kleine Minderheit bildeten und oft verspottet wurden, verteidigte Lichtenberg immer wieder mutig die Rechte der Kirche. Am 3. März 1913 wurde er schließlich zum geistlichen Hirten der Herz Jesu-Pfarre von Charlottenburg ernannt, die 35.000 Katholiken zählte, aber nur über ein kleines Gotteshaus für 400 Personen verfügte. Durch erfolgreiche Spendenaufrufe sorgte er für den Bau von vier weiteren Kirchen. Neben dieser organisatorischen Tätigkeit zeichnete sich Lichtenberg vor allem durch seine entschiedene Glaubenstreue, einen einfachen Lebensstil und grenzenloses Wohlwollen den Armen und Verlassenen gegenüber aus. Für seine Ehrlichkeit und seine mutige Verteidigung der Rechte der Kirche musste er häufig die Konsequenzen tragen. Am 1. Januar 1932 ernannte ihn der erste Bischof von Berlin zum Mitglied des Domkapitels, zum Dompfarrer und 1938 zum Dompropst.

Als ein Mann von Willensstärke, als unermüdlicher Verteidiger der Kirche, der Rechte des Menschen, der Priester und Ordensleute stand Lichtenberg von Anfang an im Visier der Nationalsozialisten. Im Juli 1935 wurde er aufgrund der Erkrankung des Kapitularvikars mit der Leitung der Diözese Berlin beauftragt. Als er von der unmenschlichen Situation in den Konzentrationslagern erfuhr, bat er um ein Treffen mit dem Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring und überreichte in dessen Abwesenheit einen Protestbrief gegen die Missstände, der zuerst den Zorn und in der Folge die Rache der Gestapo provozierte. Im gleichen Jahr besuchte er auf Anordnung des Bischofs die Inhaftierten im Gefängnis des Sitzes der Geheimpolizei und am 29. April 1937 wies er alle Kirchen an, im Monat Mai auf die Meinung des Heiligen Vaters für die Überwindung der religiösen Probleme der Heimat zu beten. Die Hilfen, die Lichtenberg für die diskriminierten und verfolgten sogenannten „Nichtarier“ bot, waren vielfältiger Natur. 1938 übernahm er die Leitung des „Hilfswerkes beim Bischöflichen Ordinariat Berlin“, das speziell zur Unterstützung der genannten Personen gedacht war, wobei er einige von ihnen sogar in seiner Wohnung beherbergte.

Nach der berüchtigten „Kristallnacht“ (9. November 1938), in der die Synagogen angezündet und die Geschäfte von Juden zerstört wurden, gedachte Lichtenberg beim üblichen Abendgebet ausdrücklich der Juden und der nichtarischen Christen, was er bedächtig in die Worte fasste: „Ich bete für die Priester in den Konzentrationslagern, für die Juden, für die Nichtarier.“ Die Kirche war voll von Menschen, darunter auch Ausländer und Gläubige anderer Konfessionen.

Nach den berühmten Predigten des Bischofs von Münster, Klemens August Graf von Galen, schloss sich Lichtenberg im August 1941 dem mutigen Bischof an und verurteilte in einem Brief an den Reichsärzteführer Conti mit allem Nachdruck die Euthanasie bei Geisteskranken. Einige Eltern hatten ihn nämlich über die Ermordung ihrer geistig behinderten Kinder informiert. Dieser Brief des Propstes, den er auch dem Reichskanzler Hitler, allen Ministern und der Gestapo zur Kenntnis brachte, schließt wie folgt: „Die Öffentlichkeit darf es nicht wissen, und die Angehörigen fürchten … für ihre Freiheit und ihr Leben, wenn sie öffentlich Einspruch erheben. Auch auf meiner priesterlichen Seele liegt die Last der Mitwisserschaft an den Verbrechen gegen das Sittengesetz und das Staatsgesetz. Aber wenn ich auch nur einer bin, so fordere ich doch von Ihnen, Herr Reichsärzteführer, als Mensch, Christ, Priester und Deutscher Rechenschaft für die Verbrechen, die auf ihr Geheiß oder mit ihrer Billigung geschehen und die des Herrn über Leben und Tod Rache über das deutsche Volk herausfordern.“
Zwischenzeitlich bemühte sich Lichtenberg unverdrossen, das Los der verfolgten Juden auf verschiedenste Weise zu lindern und gleichzeitig seine Gläubigen zu stützen und ihnen Mut einzuflößen.

Im Oktober 1941 verbreiteten die Nazis ein anonymes Flugblatt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass jeder, der Mitleid mit den Juden zeigte, Hochverrat gegen das Vaterland beging. Auf diese Drohung antwortete Lichtenberg mit einer Protestbotschaft, die er am folgenden Sonntag bei allen Messen von der Kanzel herab persönlich verlesen wollte. Doch aufgrund der Denunziation seitens zweier Frauen kam es zu einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo. Als sie das Protestschreiben fand, wurde Lichtenberg am 23. Oktober 1941 verhaftet und zunächst in das Gefängnis von Plötzensee, dann in den berüchtigten Kerker von Moabit eingeliefert.
In Wahrheit wurde Lichtenberg „nur“ wegen zweier „Vergehen“ angeklagt und verurteilt:

Das erste Delikt betraf sein Gebet für die Juden und die Nichtarier. Dazu heißt es in der Anklageschrift, er habe „als Geistlicher in Ausübung seines Berufes in einer Kirche mehrere Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung gemacht“. Mit „Angelegenheiten des Staates“ waren die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Juden und andere Personen gemeint, auf die sich Lichtenberg in seinem Fürbittgebet bezog.
Das zweite Delikt umfasste den Entwurf zur Kanzelvermeldung gegen das antisemitische Hetzblatt. Der Anklageschrift zufolge handelte es sich dabei um „eine böswillige und gehässige Äußerung über eine Anordnung leitender Persönlichkeiten des Staates und NSDAP…, die geeignet ist, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben“.

Auf all diese Anschuldigungen antwortete Lichtenberg während des ersten Verhörs durch die Gestapo, das zwei Tage nach seiner Inhaftierung stattfand, mit offener Überzeugung. Über seine Einstellung zu Hitler befragt, entgegnete er: „Die Taten eines Menschen sind die Konsequenzen seiner Grundsätze. Sind die Grundsätze falsch, so werden die Taten nicht richtig sein.“ Doch, wenn der Geist auch stark war, so war Lichtenberg körperlich bereits gezeichnet. Den Härten der Gefangenschaft konnte er nicht standhalten und erkrankte schwer. Dennoch wurde ihm die Verlegung in eine Klinik verweigert.

Während der Verhöre, die am 22. Mai 1942 mit der Verurteilung zu zwei Jahren Haft ihren Höhepunkt erreichten, bewies er heroischen Mut, indem er u. a. erklärte, dass er als katholischer Priester die Philosophie des Nationalsozialismus nicht gutheißen könne und dass die Gebote Gottes für ihn mächtiger seien als die Gesetze des Staates. Kurz vor seiner Entlassung bat er darum, im Ghetto von Litzmannstadt bleiben zu dürfen, um den getauften Juden priesterlichen Beistand zu leisten, was jedoch abgelehnt wurde.

Wenngleich Lichtenberg am 23. Oktober 1943 aus der Haft von Berlin-Tegel entlassen wurde, brachte man ihn am 28. Oktober in das Lager Berlin-Wuhlheide, von wo aus er – ohne Hoffnung, die Reise zu überleben – nach Dachau geschickt wurde. Die Entscheidung, Lichtenberg in diesem Zustand, in dem er ohne entsprechende Behandlung nicht überlebensfähig war, nach Dachau zu schicken, kam daher einem Todesurteil gleich.

Und in der Tat, als Lichtenberg am 3. November 1943 nach mehrtägiger Fahrt in Hof in Bayern ankam, befand er sich schon fast in einem komatösen Zustand. Er starb am 5. November 1943 in der Klinik von Hof, wobei er mit seinem heroischen und ruhigen Verhalten alle erbaute. Am 16. November wurde er auf dem Friedhof von St. Hedwig in Berlin beerdigt.

Sofort nach dem Tod Lichtenbergs verbreitete sich in der Diözese Berlin, aber auch an anderen Orten in Deutschland der Ruf von seinem Martyrium. Am 26. August 1965 wurden seine sterblichen Überreste in die Krypta der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin überführt.

Am 23. Juni 1996 wurde Bernhard Lichtenberg von Papst Johannes Paul II. in Berlin seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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