Ch
Chabad, Abk. für die drei > Sephiroth: > Chokmah (Weisheit), > Binah (Verständnis), > Da’ath (Wissen). Es handelt sich dabei um ein mystisches System des > Chassidismus, das von Rabbi Schneur > Salman (1747 – 1812) begründet wurde und die Rückkehr zur > Kabbala propagierte. Salman wollte mit C. das chassidische Programm ins praktische Leben umsetzen, was zur Verfolgung durch rabbinische Organisationen führte und ihn ins Gefängnis brachte. Aus dem C. entwickelte sich der > Zadikismus.
Lit.: Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2005.
Chabadismus > Chabad.
Chabakkuk > Habakuk.
Chabas, François Joseph (* 2.01.1817 Briançon; † 17.05.1882 Versailles), französischer Ägyptologe.
C. entstammte einfachen Verhältnissen, wurde als Kaufmann ausgebildet, trat 1831 in ein Handelshaus in Nantes ein und wurde 1848 Weinhändler in Châlons-sur-Marne. Nebenbei erwarb er sich ansehnliche Sprachkenntnisse; 1851 wandte er sich den Hieroglyphen zu, die er einzig nach > Champollions Grammatik studierte. 1852 vertiefte er sich unter der Leitung des Ägyptologen Emmanuel de Rougé (1811–1872) in die Ägyptologie und pflegte dabei einen Briefwechsel mit bedeutenden Ägyptologen seiner Zeit, die ihm für seine Studien Dokumente übermittelten, da er selbst Châlons kaum verließ, außer zu Reisen nach Italien. So war er auch nie in Ägypten. Schon nach wenigen Jahren veröffentlichte er jedoch seine erste Arbeit, D’une inscription historique du règne de Séti I (1856). Weitere wichtige Werke sind: Le Papyrus magique Harris (1861); Mélanges égyptologiques, 4 Bde. (1862–73); Revue rétrospective à propos de la publication de la liste royale d’Abydos (1865); Les Pasteurs en Égypte (1868); Étude sur l’antiquité historique d’apres les sources égyptiennes, ect. (2. Aufl. 1873); Le Calendrier de jours fastes et néfastes de l’année égyptienne: traduction complète du papyrus Sallier IV (1890); Œuvres diverses, 5 Bde. (1899 –1909). Von 1874 bis 1877 gab C. die Zeitschrift Égyptologie heraus.
W.: D’une inscription historique du règne de Seti Ier, Impr. J. Dejussieu, Chalon sur Saône, 1856 ;Voyage d’un Égyptien en Syrie, en Phénicie, en Palestine au quatorzième siècle avant notre ère, Paris, 1866; Détermination métrique de deux mesures égyptiennes de capacité, Maisonneuve, Paris, 1867; Les pasteurs en Égypte, Amsterdam, 1868; Mélanges égyptologiques [«trois séries en quatre volumes»], J. Dejussieu, Paris, Châlon, 1862–1873; Étude sur l’antiquité historique d’après les sources égyptiennes et les monuments réputés préhistoriques, Amsterdam, 1872; Recherches pour servir à l’histoire de la XIXe dynastie et spécialement à celle des temps de l’Exode, Amsterdam, 1873.
Chac („Donner“), Regen- und Gewittergott der > Maya, Gott der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus, auch Ah Hoya („der Urinierende“), Ah Tzenul („Der anderen Nahrung gibt“) oder Hopop Caan („Der den Himmel anzündet“) genannt.
C. ist Wohltäter und Freund der Menschen. Er lehrte sie die Technik des Pflanzenanbaus und ist Beschützer der Maisfelder. Mit Fasten und sexueller Enthaltsamkeit wird er außerhalb der Siedlungen um Regen angefleht.
Dargestellt wird er mit zwei großen Augen, einer langen, trompetenartig hochgebogenen Nase, einer Reihe gekrümmter Zähne und einer aus sehr komplizierten Knoten gemachten Frisur. C. kommt aus den vier Richtungen des Universums: im Osten ist er rot, im Norden weiß, im Westen schwarz und im Süden gelb. Mit seinen Steinäxten erregt er Blitze und gießt Regen aus. Sein vertrautes Tier ist der Frosch, dargestellt, wie er Wasser ausspeit.
C. ist einer der bedeutendsten Götter des Maya-Pantheons. Er entspricht dem Gott > Tlaloc der > Azteken, dem > Tajin der > Totonaken umd dem > Cocijo der > Zapoteken.
Lit.: Chactun – die Götter der Maya. München: Diederichs, 1994; Comte, Fernand: Mythen der Welt. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2008.
Cha-cha, im > Voodoo, auch Vodun, Voudou oder Wodu, eine mit Samenkörnern gefüllte Kürbis-Rassel, mit der bei den Tänzen der Rhythmus angegeben wird. In Kuba entwickelte sich aus C. der Cha-Cha-Cha zu einem paarweise getanzten Gesellschaftstanz, der sich in der ganzen Welt verbreitete.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Rankin, Robert: Der Tanz der Voodoo-Tasche. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2002.
Chadhir, „muslimischer Elias“, der sufitischen Lehrern, die in die göttlichen Geheimnisse eingeweiht waren, als Autorität galt.
Der Sage nach soll C. durch das Reich der Finsternis gewandert sein, bis er zu einem weißen Felsen kam, von dem alle anderen Wanderer hinabgeschleudert wurden. Er hingegen konnte den Felsen erklimmen und so zur „Quelle des Lebens“ gelangen. Nachdem er daraus getrunken hatte, wurde sein Gewand grün, und er erlangte > Unsterblichkeit.
Lit.: Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen. Stuttgart: Kröner, 1985.
Chado (jap., „Tee-Weg“), oft auch Cha-no-yu („heißes Teewasser“ oder einfach „Tee“) genannt. Zenbuddhistischer Weg, um das gewöhnliche > Bewusstsein zu überwinden und so das innere Selbst in Harmonie zu bringen, die sich in der Geistesverwirklichung der einzigen Buddha-Natur aller Erscheinungsformen ereignet.
Das Zubereiten und Trinken von Tee nahm, offensichtlich aus medizinischen Gründen, seinen Anfang in China. Die Praxis könnte sich vom Gebrauch des Tees als Anregungsmittel herleiten, das Meditierende wachhält.
Im C. fließen auch viele Einzelkünste wie Architektur, Gartengestaltung, Töpferei, Malerei und der Blumenweg (> Kado) in Schöpfung eines nur im Augenblick bestehenden Gesamtkunstwerkes zusammen, in dem alle Sinne an einer ganzheitlichen Erfahrung teilhaben, das zerlegende Denken aber ausgeschaltet ist. So sind die „Teemeister“, die in Zen bewandert sind, gesuchte Ratgeber in Fragen der Kunst.
Im 16. Jh. wurden über 100 Regeln ausgearbeitet, um die Zeremonie von C. richtig durchzuführen.
Lit.: Raab, Bernadette: Das Wunder der Teestunde. Ottensheim: Lilanitya, 1997; Oda, Eiichi: Cha no yu no michi Sen Rikyu no bun. Tokyo: Kyuryudo, Heisei 13 [2001].
Chaffin-Testament, auch Chaffin-Fall genannt, Traumgesicht in North Carolina, USA.
James L. Chaffin, ein Farmer in Davie County in North Carolina, hatte vier Söhne: John A., James P., Marshal A. und Abner C. Am 16. November 1905 verfasste er ein Testament, in dem er die Farm seinem dritten Sohn Marshal vermachte und diesen zum Testamentsvollstrecker ernannte. Seine Gattin und die anderen Söhne gingen leer aus. Am 16. Januar 1919 erstellte er ein neues Testament, in dem er erklärte, dass er nach dem Lesen des 27. Kapitels der Genesis seine Habe gleichmäßig unter den Kindern verteilt haben wolle. Am 27. September 1921 verstarb C. unerwartet an den Folgen eines Sturzes. Der dritte Sohn wurde aufgrund des ersten Testaments zum rechtmäßigen Erben.
Vier Jahre später, im Juni 1925, hatte der zweite Sohn, James P., mehrere seltsame Träume. In einem davon sah er seinen Vater am Bett stehen und hörte ihn sagen: „Du wirst mein Testament in der Tasche meines Mantels finden.“ Dort entdeckte man dann auch tatsächlich eine Papierrolle mit den vom Vater geschriebenen Worten: „Leset das 27. Kapitel in der Genesis in der alten Bibel meines Vaters.“ An erwähnter Stelle fand sich das neuere Testament, welches gerichtlich überprüft und als rechtsgültig anerkannt wurde. Nachdem niemand von diesem zweiten Testament Kenntnis gehabt hatte, der Vater somit sein Geheimnis durch seinen plötzlichen Tod mit in das Grab nahm, konnte nur er, wie im Traum erlebt, die Mitteilung gemacht haben. Der Fall erregte großes Aufsehen und wurde als Beweis für das Fortleben der Verstorbenen und deren Einwirken auf die Lebenden gedeutet. Die Parapsychologen verweisen hier auf die Möglichkeit einer unterschwelligen telepathischen Übertragung zu Lebzeiten des Vaters bzw. auf > Hellsehen im veränderten Bewusstseinszustand des Traumes.
Lit.: Case of the Will of James L Chaffin, PSPR 36 (1927), 517; Martinetti, Giovanni: La vita fuori del corpo. Turin: Editrice ELLE DI CI, 1986, S. 211–220.
Chagall, Marc (* 7.07.1887 Liosno bei Witebsk, Weißrussland; † 28.03.1985 Saint Paul-de-Vence, Frankreich), russisch-jüdischer Maler und Grafiker.
Als Sohn jüdischer Eltern besuchte Ch. wegen seines Stotterns die Grundschule nur unregelmäßig, erhielt aber von seinem Vater Musikunterricht und wurde trotz seiner lückenhaften Schulausbildung in die Kunstschule von Witebsk aufgenommen. 1907 zog er nach Petersburg und studierte dort an der kaiserlichen Kunstakademie, wo er mit französischen Malern bekannt wurde. In dieser Zeit entstand sein erstes Hauptwerk, „Der Tote“. Von 1910 bis 1914 weilte Ch. in Paris; bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrte er nach Russland zurück. In den Jahren 1931 und 1937 reiste er nach Syrien, Ägypten, Palästina, Polen, Spanien, Italien und in die Niederlande, um sich auf eine große Auftragsarbeit – die Bibelillustration – vorzubereiten, die sein bekanntestes Werk werden sollte. 1937 wurde er französischer Staatsbürger.
Der Aufenthalt in den USA und seine vielfältigen künstlerischen Arbeiten festigten seinen Ruf in Europa und den USA als einer der führenden Künstler der Avantgarde. 1949 ließ er sich endgültig in Saint-Paul-de-Vence nieder.
Sein künstlerisches Schaffen ist in Formgebung und Farbausdruck von der französischen Kunst beeinflusst, bleibt aber in seiner Thematik der Welt des > Chassidismus und des russischen Märchens verhaftet. Eine Reise nach Griechenland führte ihn zu Motiven aus der griechischen Mythologie, die er in seinen späteren Werken verwendete.
Sein gesamtes künstlerischer Schaffen ist im Letzten Ausdruck der individuellen Gefühle und Erlebnisse in Verbindung mit der kosmischen Weite, was besonders auch in den folgenden öffentlichkeitswirksamen Arbeiten zum Ausdruck kommt: Glasfenster der Kathedrale von Metz (1958 bis 1968), Wandgemälde für das Frankfurter Stadttheater (1959), Glasfenster der Synagoge der Hadassah-Klinik im israelischen Ein-Karem (1962), Deckengemälde für die Pariser Oper (1964), zwei Wandgemälde für die Metropolitan Opera in New York (1966), Glasfenster für das Fraumünster in Zürich (zwischen 1969 und 1970), Glasfenster für die Kathedrale von Reims (1972) und den Mainzer Dom (1978 und 1984).
Im Jahr 1973 wurde das „Musée National Message Biblique Marc Chagall“ als einziges Nationalmuseum in Frankreich zu Ehren eines lebenden Künstlers in Nizza eröffnet.
Alle seine Werke sind von einer tiefen Symbolik archetypischen Inhalts, allegorischer Aussage und kosmischer Erfahrung erfüllt.
Lit.: Meyer, Franz: Marc Chagall: Leben und Werk. Köln: DuMont Schauberg, 1961; Melcher, Ralph: Marc Chagall. Heidelberg, Neckar: Kehrer, 2010; Krause, Barbara: Marc Chagall – die Farben des verlorenen Paradieses. Freiburg i. Br.: Herder, 2010.
Chaggaj (hebr.) > Haggai.
Chagnon, Amélie, 14. Wunderheilung von Lourdes. C. wurde am 17. September 1874 in Poitiers (Frankreich) geboren und am 21. August 1891 im Alter von fast 17 Jahren in Lourdes geheilt. C. erkrankte mit 13 Jahren (1887) an einem Knieleiden. Die Schmerzen wurden zunächst dem Wachstum zugeschrieben, in Wirklichkeit aber litt sie an Tuberkulose, die sich dann noch auf den linken Fuß ausdehnte. Am 28. Oktober 1890 wurde sie in das Spital eingeliefert, wo die Krankheit als unheilbar beurteilt wurde. Obwohl C. schon 1889 in Lourdes gewesen war, ohne eine Besserung zu erfahren, unternahm sie erneut eine Wallfahrt dorthin.
Am 21. August 1891, um 9.00 Uhr morgens, traf sie in Lourdes ein. Um 15.00 Uhr desselben Tages ließ sie sich, nahezu bewusstlos, in das Wasserbecken tauchen. Nach anfänglich heftigen Schmerzen trat plötzlich eine Linderung ein. C. war augenblicklich geheilt. Auf der Rückfahrt benötigte sie keine Pflege mehr; eine Operation erübrigte sich. Die Krankheit war ohne Folgeerscheinungen geheilt, wie Dr. Dupont feststellte: Die Fistelbildung von etwa 2 cm war verschwunden, die Vernarbung vollständig. Das betreffende Gelenk schmerzte bei Druckausübung nicht mehr. C. fühlte sich frei und lebte wieder auf. Ende November 1891 trat sie bei den Herz Jesu-Schwestern in Poitiers ein und arbeitete später als Ordensfrau in der Nähe von Tournai (Belgien).
Schließlich beurteilte eine ärztliche Kommission die Heilung C.s von tuberkulöser Osteoarthritis des Knies und des Mittelfußknochens 2 (Os metatarsale II) als plötzlich, vollständig, dauerhaft und medizinisch nicht erklärbar.
Am 8. September 1910 wurde die Heilung von Bischof Charles G. Walravens von Tournai, Belgien, als Wunder anerkannt.
Lit.: Resch, Andreas: Die Wunder von Lourdes. Innsbruck: Resch, 22015.
Chagrin, auch Cogrino oder Harginn, ist ein Ausdruck der Zigeuner zur Bezeichnung eines besonders bösen Dämons. C. hat meist die Form eines großen gelben Stachelschweins oder Igels von 50 cm Länge und einer Spanne Breite. Er hat seinen Ursprung in Indien und Kaschmir und ist identisch mit dem Schadengeist Harginn, von dem im Nordwesten Indiens die Rede ist. Seine bevorzugte Beute sind Pferde, die von ihm bis zur Erschöpfung geritten werden. Das Erscheinen von C., in welcher Form auch immer, ist ausnahmslos ein > Omen für eine bevorstehende Katastrophe.
Lit.: Franklyn, Julian: A Survey of the Occult / with contributions by F. E. Budd, J. H. Mozley [and] S. G. Soal, [and] A. Baxter. [s.l.]: Barker, 1935.
Chai (chin., „Fasten“), formelles > Fasten, das sich zu einem der wichtigsten Feste im religiösen > Taoismus entwickelt hat. Bei diesem Fest bekennen die Schüler gegenüber ihrem Lehrer oder Meister ihre Verfehlungen, die als Ursache aller Krankheiten gelten. Jede Tao-Schule feiert ihre eigenen Fastenfeste, die mehrere Tage dauern können. Das Ritual beginnt allgemein damit, dass sich die Teilnehmer im Versammlungsraum, meist in Höfen taoistischer Klöster, zerzaust oder mit Kohlenstaub bzw. Schmutz beschmiert einfinden, um Bußfertigkeit zu bekunden. Unter Trommelwirbel ruft dann der Zeremonienmeister die verschiedenen Gottheiten an, die dem Fest beiwohnen sollen. Die Teilnehmer sprechen die 12 Gelübde der Reue und bekennen anschließend unter rhythmischem Trommeln ihre Sünden. Die dreimalige Wiederholung dieses Rituals mit nur einer Mahlzeit pro Tag führt zu physischer Erschöpfung und mündet in ekstatische Zustände. In diesem Zustand werfen sich die Teilnehmer auf den Boden und wälzen sich im Staub, um ihre Reue zu bekunden und innere Läuterung und Gesundheit zu bewirken.
Lit.: Kaltenmark, Max: Lao-tzu und der Taoismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1981; Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Blofeld, John: Der Taoismus. Augsburg: Weltbild-Verlag, 2004.
Chailasaeka, nach der hinduistischen Mythologie ein großes Geschlecht von > Dämonen, die sich nur von Ungeziefer ernähren. Sie entstammen den > Schudras, der untersten der vier Kasten, die aus > Brahmas Leib entsprang und zum Dienst der drei obersten bestimmt ist, da sie nur den Füßen des Gottes entnommen wurde. Jene Schudras, die in ihrem Beruf säumig waren, werden nach dem > Tod nicht mehr zum Leben gerufen, sondern in C. verwandelt.
Lit.: Klostermaier, Klaus: Hinduismus. Köln: J. B. Bachem, 1965; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chaitanya (sanskr.) > Caitanya.
Chaitanya-Purusha (sanskr.), Bewusstsein des > Purusha. Obwohl der Mensch seinem wahren Wesen nach absolutes Bewusstsein (> Chit) ist, benützt er C., um die Vorstellung zu bilden, Körper und Denken zu sein, wodurch er zum > Jiva wird. Jiva schafft durch sein Denken die Erscheinungswelt (> Maya).
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986.
Chaitu, in der grönländischen Mythologie ein Götze in Wolfsgestalt. Er wird aus Kräutern und Gras gebildet und bei den Wohnungen der Kamtschadalen aufgestellt. Diese schreiben ihm die Kraft zu, böse Tiere von den Wohnungen fernzuhalten.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chaitya (sanskr.; Pali: Cetiya), ein Erdhügel in Indien, der als Grab eines Heiligen Verehrung genießt. Aus dem Chaitya-Heiligtum ging der > Stupa, der oft sehr kunstfertige Kuppelbau buddhistischer Architektur, hervor, welcher das Allerheiligste beherbergt und von einem Wandelgang für das rituelle Umschreiten (Pradakshina) umgeben ist. Beide bilden eine halbrunde Apsis, die den Abschluss der C.-Halle darstellt, welche vollkommen in den Felsen geschlagen ist.
Ursprünglich war vor dieser Halle eine Holzfassade gesetzt, in deren Mitte Sonnenlicht durch ein großes Fenster drang und direkt den Stupa bestrahlte, den Rest der Halle aber im Dunkeln ließ.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Rosenheim, Bernd: Die Welt des Buddha. Frühe Stätten buddhistischer Kunst in Indien. Mainz: Philipp von Zabern, 2006.
Chaitya-Purusha (sanskr.), Einzelseelen. Nach der Sankhya-Philosophie entsteht das Universum aus der Vereinigung der Weltseele (> Purusha) mit der materiellen Natur (> Prakriti). Die > Weltseele vereinigt in sich alle Einzelseelen, die als C. bezeichnet werden.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988. Rosenheim, Bernd: Die Welt des Buddha. Frühe Stätten buddhistischer Kunst in Indien. Mainz: Philipp von Zabern, 2006.
Chakra (sanskr., Rad, Kreis), ein Mittelpunkt „feinstofflicher“ (psychischer) Energie (> Prana, > Kundalini) im Energieleib (> Astralkörper) des Menschen, den man sich als Lotos vorstellt, vor allem im > Tantrismus. Dieses Energiezentrum hat seinen Ursprung im Yoga des > Shaktismus und ist in verschiedene Funktionszentren gegliedert, deren Beschreibung und Zahl in den tantrischen Schriften und in den modernen westlichen esoterischen Schulen unterschiedlich ist, grundsätzlich aber auf folgender Vorstellung beruht:
Der menschliche Organismus braucht zum Leben kosmische Energie, die sich als Atem manifestiert und von sieben C., gleichsam als Regulatoren, gesammelt und verteilt wird, wobei 6 im grobstofflichen Körper liegen, das 7. außerhalb desselben. Aus jedem C. strahlt eine bestimme Zahl von Energiekanälen (Nadi) aus. Sensitive, die den Astralkörper des Menschen sehen können, beschreiben die C. als „Lotosblüten“ mit unterschiedlichen Blütenblättern. Die Zahl der Blütenblätter entspricht der Zahl der vom jeweiligen C. ausgestrahlten Nadis, die mit den Meridianen, den Energiebahnen der Akupunkturpunkte, identisch sind. Zudem wird jedem C. eine Keimsilbe (sanskr. bīja, z.B. OM, AH), d.h. eine Silbe zugeordnet, der bestimmte Funktionen im Energiesystem entsprechen.
Die 6 C.s im Körper, die sog. Haupt-C.s, liegen im Hauptenergiekanal des Körpers (Sushumma-Nadi; im Buddhismus Avadhuti), der sich entlang der Wirbelsäule erstreckt. Sie sind miteinander verbunden und werden im Hinduismus anerkannt. Es sind dies:
1. Wurzel-C., Muladhara, liegt an der Basis des Rückgrats. In ihm ruht die > Kundalini, die „Schlangenkraft“, dargestellt als zusammengerollte Schlange, die allen C.s Macht und Energie verleiht. Von ihm gehen vier Nadis aus.
Die symbolische Form ist das Quadrat, die Farbe Gelb, die Keimsilbe LAM, das Tiersymbol ein Elefant mit sieben Rüsseln, seine Gottheiten sind > Brahma und > Dakini, die Brahma als > Shakti zugeordnet ist.
Wer meditierend das Wurzel-C. beherrscht, hat die „Erd-Eigenschaft“ überwunden und keine Angst mehr vor dem Tod.
2. Milz-C., Swadhishthana, liegt an der Wurzel der Genitalien, seine körperliche Entsprechung ist der Bereich der inneren Organe, der Ausscheidung und Fortpflanzung beherrscht. Von ihm gehen sechs Nadis aus.
Die symbolische Form ist der Halbmond, die Farbe ist Weiß, die Keimsilbe VAM, das Tiersymbol das > Krokodil, seine Gottheiten sind > Vishnu und als Shakti die niedere Gottheit > Rakini.
Wer meditierend das Milz-C. beherrscht, hat keine Furcht mehr vor dem > Wasser. Er / sie verfügt über verschiedene psychische Kräfte, wie intuitives Erkennen, Beherrschung der Sinne und Überwindung des Ego.
3. Nabel-C., Manipura, liegt in der Nabelgegend. Das ihm entsprechende körperliche Zentrum, der Solarplexus, beherrscht die Leber, den Magen und andere Organe. Von ihm gehen zehn Nadis aus.
Die symbolische Form ist ein Dreieck, die Farbe ist Rot, die Keimsilbe RAM, das Tiersymbol ist der > Widder, seine Gottheiten sind > Rudra und > Lakini.
Wer meditierend das Nabel-C. beherrscht, überwindet die Furcht vor dem > Feuer und kontrolliert seine eigene Gesundheit.
4. Herz-C., Anahata, liegt über dem Herzen. Das ihm entsprechende körperliche Zentrum, der Plexus cardiacus, beherrscht das Herz. Von ihm gehen 15 Nadis aus.
Die symbolische Form ist das > Hexagramm, seine Farbe das Graublau, die Keimsilbe YAM, das Tiersymbol die > Gazelle, die beherrschenden Gottheiten sind Isha und Kakini.
Wer meditierend das Herz-C. beherrscht, kontrolliert die Lufteigenschaften (Satvas-Harmonie), vermag zu fliegen, kann in die Körper anderer eindringen und versteht die kosmische Liebe und andere göttliche Eigenschaften.
5. Kehlkopf-C., Vishudda, liegt in der Mitte der Kehle und ist das Zentrum des Ätherelements. Von ihm gehen sechs Nadis aus. Die symbolische Form ist der Kreis, die Farbe Weiß, das Tiersymbol der Elefant, die Keimsilbe HAM und die beherrschenden Gottheiten sind Sada-Shiva und die Göttin Shakini.
Wer meditierend das Kehlkopf-C. beherrscht, wird nie vergehen und erlangt die Weisheit über die vier Veden.
6. Stirn-C., Ajna, liegt zwischen den Augenbrauen in der Mitte der Stirn. Körperlich entspricht ihm der Plexus cavernosus, der als Sitz des Bewusstseins gilt. In westlichen esoterischen Systemen wird dieses C. als das > Dritte Auge bezeichnet. Von ihm gehen zwei Nadis aus.
Seine Farbe ist ein milchiges Weiß, die Keimsilbe das kurze A, die zugeordneten Gottheiten sind Param-Shiva in der Form von Hamsa und die Göttin Hakini.
Durch Konzentration auf dieses C. wird alles Karma aus vergangenen Leben zerstört. Der Yogi, der es beherrscht, befreit sich von den Banden des weltlichen Lebens, was im Hinduismus und Buddhismus sehr bedeutsam ist.
7. Scheitel-C., Sahasrara, liegt oberhalb des Scheitelpunktes des Kopfes und daher außerhalb des grobstofflichen Körpers. Dieser „Lotos“ hat tausend Blätter, d.h. tausend Nadis. Die physische Entsprechung ist das Gehirn, die Keimsilbe OM.
Auf den tausend Blütenblättern dieses Lotos laufen die fünfzig Buchstaben des Sanskrit-Alphabets zwanzigmal rundum, sodass diese Nadis die Gesamtheit aller Keimsilben und Chakras darstellen. Das Scheitlel-C. ist allen anderen übergeordnet und gehört einer höheren Ebene der Wirklichkeit an als die anderen sechs Haupt-C.s. Es ist die Behausung des Gottes > Shiva und entspricht dem kosmischen Bewusstsein.
Wer es erfährt, erlebt höchste Glückseligkeit, Überbewusstsein und höchste Erkenntnis.
Im Hinduismus ausgebildet, wo C. auch einen Kreis von Gottesverehrern bezeichnet, spielt das System der C.s als Energiezentren und der sie verbindenden Energiekanäle (Nadis) im Buddhismus die gleiche Rolle wie im Kundalini-Yoga. Die damit verbundene Symbolik ist jedoch der buddhistischen Ikonographie entnommen. Die darauf aufbauende meditative Praxis unterscheidet sich allerdings in vieler Hinsicht wesentlich von der des Kundalini-Yoga (Govinda).
Lit.: Avalon, Arthur: Die Schlangenkraft. [München]: Barth, 1994; Govinda Anagarika: Grundlagen tibetischer Mystik. Grafing: Aquamarin-Verl., 2008; Lübeck, Walter: Die Chakra-Energie-Karten. Oberstdorf: Windpferd, 2009; Sharamon, Shalila: Das Chakra-Handbuch. Oberstdorf: Windpferd, 2009.
Chakrabandha (sanskr.), Zustand, in dem alle > Chakras aktiviert sind. Es ist dies der Zustand, in dem die > Kundalini in das Scheitelchakra, Sahasrara, das siebte Zentrum feinstofflicher Energie, aufsteigen und damit die Erleuchtung bewirken kann.
Lit.: Sharamon, Shalila: Das Chakra-Handbuch. Oberstdorf: Windpferd, 2009.
Chakrasamvara (sanskr., „der das Rad [der Wiedergeburt] anhält“), häufig auch unter der Kurzform Samvara, Sambara; buddhistisch-tantrischer Schutzgott sowie Personifikation des gleichnamigen Tantra(buches), das auf innere Meditationspraktiken ausgerichtet und ein bedeutendes „Mutter-Tantra“ der höchsten Yoga-Tantra-Klasse darstellt, die alle wesentlichen Lehren der weiblichen Buddhas und Vajradakinis sowie Vajrayoginis enthält. Es dient dazu, den Geist des „Klaren Lichtes“ zu entfalten und zu meistern. Dieses Tantra wird in allen vier Hauptschulen des Tibetischen Buddhismus gelehrt.
Dargestellt wird C. gewöhnlich mit blauer Körperfarbe, vier Köpfen, zwei Beinen und zwölf Armen in geschlechtlicher Vereinigung (Yab-Yum) mit seiner Yogini Vajravarahi. Diese Umarmung versinnbildlicht die glückselige Vereinigung von Mitgefühl und Weisheit, die Wirklichkeit der Erleuchtung.
Lit.: Der Vergnügungssee der großen Glückseligkeit: ein Selbsteintritt in das Mandala des Cakrasamvara nach der Lūipa-Tradition. Fürth: Chödzong, 2002.
Chakratherapie, eine Therapieform zur Behebung von Störungen des energetischen Gleichgewichts, der Gesundheit, die darin besteht, dass die > Chakras ein- und ausfließende Energie ungehindert durchlassen. Je nach Art der Störungen dieses Energieflusses versucht man durch verschiedene Formen der Einwirkung auf die Chakras den freien Energiefluss zu erreichen. Viele Therapeuten legen dazu die Hände auf, andere fördern Imaginationsübungen, um die Chakras durch Vorstellungsbilder zu beeinflussen. Auch farbiges Licht, Düfte, Edelsteine, Klänge, Pyramidenmodelle, homöopathische Mittel, Massagepraktiken, Akupressur und Shiatsu, aber auch technische Geräte kommen zum Einsatz. Rückschlüsse auf den Zustand der Chakras sollen die Farben der > Aura, > Kirlianfotografie oder > Elektronographie liefern.
Dieses Harmoniedenken findet sich schon Jahrtausende vor der psychosomatischen Medizin des Westens im > Ayurveda.
Lit.: Grasse, Ellen: Chakren- und Auradiagnose. München: Droemer Knaur, [1995]; Sherwood, Keith: Chakra-Therapie. Darmstadt: Schirner, 2003; Teschler, Frauke: Polarity-Chakratherapie. Düsseldorf: Polarity-Verl., 2007.
Chakravada (sanskr.; Pali: Cakkavala), buddhistische Erdenwelt im > Triloka, dem Schauplatz des Kreislaufs der Existenzen. Auf ihr leben Menschen und Tiere. In ihrer Mitte liegt der in sieben Stufen aufsteigende Weltenberg > Meru. C. ist von einem Ozean umgeben und liegt oberhalb der > Narakas (Höllenwelt) und unterhalb der > Devaloka (Himmelswelt). Nur auf ihr ist endgültige Erlösung von > Samsara (Kreislauf von Tod und Wiedergeburt) möglich.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chakravartin, auch Cakravartin (sanskr., „Raddreher“; cakra, Rad; vartin, „einer, der dreht“; Pali: cakkavattin), ein Herrscher von dem man sagt, dass die Räder seines Wagens ohne Behinderung überallhin rollen, ein Weltenherrscher.
Im > Hinduismus ist dies ein gewöhnlicher Herrscher in dieser Welt, aber ein idealer, der die Verbindung von Himmel und Erde herstellt.
> Buddhismus und > Jainismus übernahmen diese Idee und identifizierten das Rad mit dem > dharma, nach dessen ethischen und religiösen Prinzipien der C. seine Herrschaft ausrichten soll. Dabei werden drei Arten des weltlichen C. unterschieden: cakraval cakravartin, der Herrscher über alle vier Kontinente der indischen Kosmologie; dvipa cakravartin, der Herrscher über einen Kontinent; pradesa cakravartin, der Herrscher über das Volk eines Kontinents. Diese C. bilden den weltlichen Gegenpol zu > Buddha. Manchmal werden vier Arten von Radherrschern unterschieden, die durch ein Rad aus Gold, Silber, Kupfer oder Eisen symbolisiert werden.
Später wurde C. zur Bezeichnung für einen Buddha, dessen Lehre universell ist und dessen Wahrheit den ganzen Kosmos enthält. Dieser verzichtet auf das politische Leben eines weltlichen Königs und leitet das Volk durch seine spirituelle Kraft, da die religiöse Wahrheit stärker und universeller ist als politische Macht.
Lit.: Three worlds according to King Ruang: a Thai Buddhist cosmology Lithai. Berkeley, Calif., distributed by Asian Humanities Press / Motila Banarsidass, 1982; Bakshi, S. R.: Advanced history of ancient India. New Delhi: Anmol Publ., 1995.
Chalcedon, auch Chalzedon, latinisierte Form des griech. Chalkedon. Der Name geht auf die Stadt Chalkedon am Bosporus oder auf Karthago (Karchedon) zurück. In der Mineralogie wird unter Chalcedonen auch die Gruppe der mikrokristallinen Quarze verstanden. Der natürliche C. hat gewöhnlich keine Bänderung und ist weißgrau bis hellblau. Blauer C. findet sich in der Türkei, in Südafrika (gebändert), Indien, Mosambik und Uruguay. Das schönste Blau weist der C. aus Namibia auf.
Der C. ist ein > Edelstein, von dem die hl. > Hildegard von Bingen behauptet, er schütze vor Zorn und verleihe einen ruhigen und verträglichen Sinn. Nach anderen Autoren hat er auch bei Schwangerschaft, Unsicherheit, Stimmproblemen, Vergiftung und Wechseljahren eine heilsame Wirkung.
Seit der Antike gilt der C. als Stein der Redner, weshalb Menschen, die häufig im Rampenlicht stehen, einen solchen bei sich tragen sollten. Die Wärme des C., in der Hand gehalten oder hervorgerufen durch den warmen menschlichen Atem, soll angeblich die schädlichen Säfte, die den Verstand des Menschen verwirren, schwächen und so die Rede lebendig und verständlich machen. Am Körper auf eine Ader gelegt, würden Ader und Blut seine Wärme aufnehmen und diese Kräfte stärkend an andere Adern und das übrige Blut weitergeben.
Paranormologisch werden dem C. eine Reihe magischer und medizinischer Eigenschaften zugesprochen. Die Tibeter vergleichen ihn mit einer > Lotusblüte, die vor Schwermut und Unzufriedenheit schützt. Die Schwermut vertreibe er durch Zerteilen der Galle (Zedler 5, 796). Am besten sollen seine Heilkräfte auf Rachen, Kehlkopf und Hals wirken. Nach einer schwäbischen Klosterabschrift gibt er, am Hals getragen, die Kraft, Widersacher zu überwinden, Attacken böser Geister abzuwehren und sich vor Sünden zu hüten (Alemannia 26 (1898)).
Der C. gehört zu den Monatssteinen; die im Juni Geborenen befreit er angeblich von quälenden Sorgen und bringt ihnen Glück.
Er wirkt auf das 5. > Chakra und steht unter den Sternbildern > Krebs, > Steinbock und > Zwillinge.
Reinigen soll man ihn unter fließendem Wasser und zum Trocknen an die Sonne legen.
Lit.: Zedlers Großes vollständiges Universallexikon, Bd. 5; Hildegard von Bingen: Das Buch von den Steinen. Salzburg: Müller, 1975; Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine. Saarbrücken: Neue Erde, 2000.
Chalchihuitlicue (indian., „die mit dem grünen Edelsteinrock“), aztekische Wasser- und Regengöttin, Göttin der Maispflanzen und Kalendergöttin des fünften Tages im Monat sowie dritte Regentin der Tagstunden und sechste Regentin der Nachtstunden. Göttin und Beschützerin der Kinder. C. war die Gemahlin des Regengottes > Tlaloc, nach anderen die Schwester und Gemahlin des > Xiuhtecutli. Ihr Beiname ist „Matlalcueye“ („Blaurock“). Ihr Attribut ist der Rasselstab. Einmal ließ sie angeblich nach einer Schöpfungsphase einen so heftigen Regen auf die Erde niedergehen, dass sich die Menschen zum Überleben in Fische verwandeln mussten. Ihr wasserfarbenes Hemd und ihr Rock sind mit Wasserlinien verziert.
Den Göttern des Wassers und der Berge zu Ehren wurden fünf Feste gefeiert, bei denen immer zahlreiche Menschenopfer vorkamen.
Lit.: Read, Kay Almere / González, Jason J.: Handbook of Mesoamerican Mythology: A Guide to the Gods, Heroes, Rituals, and Beliefs of Mexico and Central America. Oxford and New York: Oxford University Press, 2002.
Chalcomantie (griech. chalceos, Kupfer, Erz; mantike, Wahrsagen; engl. chalcomancy), > Wahrsagen durch Interpretation der Töne, die beim Anschlagen von Kupfer oder Messing entstehen.
Lit.: Wahrsagungen und Prophezeiungen. Time Life Bücher, 1991.
Chaldäer (griech. Chaldioi), ursprünglich die Bezeichnung für einen Volksstamm, der seit dem frühen 1. Jh. v. Chr. in Babylonien nachweisbar ist. Unklar ist, ob sie Westsemiten bzw. Aramäer oder eine eigene ethnische und sprachliche Größe unter den semitischen Völkern waren. Seit der 1. Hälfte des 9. Jh. v. Chr. sind sie als Feinde der Assyrer in akkadischen Texten u.a. als Kaldu belegt. Die Etymologie ist unbekannt, da „Chaldäer“ nur als Fremdbezeichnung auftaucht.
Sowohl in der biblischen (Hdt. I.181; Dan 2,4; 4,4) als auch in der klassischen Überlieferung (Diog. Laert. 1,1,6) ging außerhalb Babyloniens nach dem Untergang des babylonischen Reiches die Bezeichnung C. auf die in Rom und Griechenland sehr geschätzten babylonischen Astrologen, Magier, Zukunftsdeuter und Gelehrten über. Von ihnen sollen Pythagoras, Demokrit, Zoroaster, Cyprianus u.a. ihre Weisheit bezogen haben. Echte Chaldäer, und solche, die sich so nannten, waren nämlich schon im 4. Jh. v. Chr. in Griechenland verbreitet und zogen durch ihre Geheimlehren und ihre Magie Aufmerksamkeit auf sich (Boll).
Die als „chaldäisch“ ausgewiesene Zauberliteratur befand sich in einem Bibliothekssaal in Ninive in Form von beschriebenen Tonplatten, ursprünglich bei 200. Das jetzt noch Erhaltene kann als die Abschrift einer wesentlich älteren Quelle (884 – 860 v. Chr.) gelten.
Das Material zeigt, dass die C. ein sehr ausgeklügeltes dämonologisches System besaßen, welches einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die abendländische Geisteswelt ausübte wie das ägyptische (Schröder). Dämonen seien bei Wettererscheinungen und besonders bei Krankheiten von Mensch und Tier am Werk, deren man mittels Beschwörung Herr zu werden versuchte. Die Austreibung von Krankheitsdämonen ging mit Hilfe eines Bildnisses derselben in der Annahme vor sich, dass die Dämonen vor ihrem eigenen Anblick flüchten würden. Haus und Bewohner sollten > Amulette und > Talismane schützen.
Die Zauberliteratur gibt zwar keine Anweisung für Zauberhandlungen, wohl aber wie man sich dagegen wehren kann. Die häufigste Form des > Schadenzaubers sind der > Böse Blick und der > Wachspuppenzauber, bei dem man einem Abbild das zufügt, was man dem Feind antun möchte.
Besonders geschätzt waren die astrologischen Kenntnisse der C. So werden sie in den astrologischen Traktaten der Spätantike oft als Autorität angeführt (Cumont) und Oracula Chaldaica waren mit ihrem Namen verbunden.
In der römischen Kaiserzeit änderte sich dann das Ansehen der C. aufgrund der zahllosen umherwandernden Wahrsager und Gaukler, die sich ihren Lebensunterhalt durch Horoskope und Wahrsagen verdienten. Eudoxos von Knidos (zit. bei Cicero, De Divinatione II, 42,87) schreibt: „Man glaube nicht den Chaldäern, die das Leben des Menschen vorhersagen und nach dem Tag seiner Geburt bestimmen.“ Im römischen Kaiserreich wurden die C., weil sie die Zukunft durch Berechnung der Gestirne zu erkunden suchten, meist „mathematici“ genannt, deren Tätigkeit zu verbieten sei. Kaiser Tiberius (42 v. Chr. bis 37 n. Chr.) versuchte vergeblich, sie aus Italien zu vertreiben. Auch spätere römische Kaiser gingen mit „Zauberern, Mathematikern und anderen dergleichen“ hart ins Gericht, wie die im Codex Justinianus aufgelisteten Verordnungen zeigen.
Lit.: Catalogus codicum astrologorum Grecorum. Bd. I – VIII, hrsg. von Franz Boll, Franz Cumont, usw. Brüssel: Lamertin, 1898; Cumont, Franz: Astrology and Religion among the Greek und Romans. London, 1912; Schröder, Franz Rudolf: Germanentum und Hellenismus: Untersuchungen zur german. Religionsgeschichte. Heidelberg: Carl Winter, 1924; Boll, Franz: Sternglaube und Sterndeutung. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1966; Lenormant, François: Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer. Walluf (bei Wiesbaden): Sändig, 1974; Codex Justinianus. Leipzig: Reclam, 1991.
Chaldäische Astrologie > Chaldäer.
Chaldäische Orakel, ein Schriftkorpus, der im 2. Jh. n. Chr. entstanden ist und in den folgenden Jahren und Jahrhunderten nachhaltig in der spätantiken Kultur wirkte. Die Orakel selbst sind nicht erhalten. Ihre Texte wurden von Neuplatonikern übersetzt und in griechische Hexameter gebracht und kommentiert. Doch auch die Hexameter und Kommentare der Neuplatoniker Porphyrios, Jamblichos, Syrian und Proklos gingen verloren. Erhalten sind nur 210 sicher authentische und 16 zweifelhafte Fragmente mit Zitaten und Paraphrasen. Die Bezeichnung „Chaldäische Orakel“ ist erstmals sogar erst im 5. Jh. bezeugt.
Im 11. Jh. befasste sich der byzantinische Universalgelehrte > Michael Psellos intensiv mit den Orakeln und verfasste drei Schriften, in denen er ausschließlich ihre Lehren behandelt. Es handelt sich um einen Kommentar (Exegesis), eine Skizze (Hypotyposis) und eine Darlegung (Ekthesis). Eine weitere wichtige Quelle ist der „17. Brief “ des byzantinischen Gelehrten (12. Jh.) Michael Italicus, der sein Wissen aus einer verlorenen Schrift bezog, die auch Psellos kannte.
Als Autoren des Urtextes werden ein Chaldäischer Zoroaster und der unter Marc Aurel (161–180) lebende > Julian der Theurg mit seinem Vater, Julian der Chaldäer, genannt. Julian verfasste Theurgica, Telestika und Sprüche in Versen sowie weitere Werke über okkultes Wissen.
Heute werden die Fragmente nach der Nummerierung der erstmals 1971 erschienenen kritischen Ausgabe von Édouard des Places zitiert. Nach diesen Fragmenten gipfelt die Hierarchie der Götter in einem Vater, der zugleich den Intellekt personifiziert und sich der Sinnenwelt entzogen hat. Zahlreiche Zwischenwesen, Engel und die sog. Iynges vermitteln zwischen dem Intellekt und der Sinnenwelt. Diesen gnostischen Vorstellungen entsprechend hat die menschliche Seele ihren Ursprung im göttlichen Vater. Wenn sie diese Herkunft bedenkt, vermag sie sich von ihrer irdischen Bindung zu lösen und dem göttlichen Licht entgegenzustreben. Dadurch entgeht sie ihrem Schicksal, der Verführung durch die Dämonen, kann ihren Aufstieg zu Gott vollenden und in ihm Erlösung und Ruhe finden, sofern sich die einzelne Seele nicht für eine neuerliche > Reinkarnation entscheidet, um religiös weniger entwickelten Menschen in ihrem Seelenwanderungsschicksal zu helfen (Fragment 38 und 160).
Die C. haben vor allem den Neuplatoniker > Jamblichos von Chalkis in seinem Werk De mysteriis stark beeinflusst.
W.: Majercik, Ruth (Hg): The Chaldean Oracles (griech. Text, engl. Übersetzung, Einführung und Kommentar). Leiden: Brill, 1989; Des Places, Édouard: Oracles chaldaïques, avec un choix de commentaires anciens. Paris: Les Belles Lettres, 2003.
Lit.: Cremer, Friedrich W.: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis. Meisenheim am Glan: Hain, 1969; Geudtner, Otto: Die Seelenlehre der chaldäischen Orakel. Meisenheim am Glan: Hain, 1971; Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy. Paris: Études Augustiniennes, 1978.
Chaldäische Reihe, Anordnung der Planeten nach ihrer mittleren Geschwindigkeit in aufsteigender Reihenfolge. Beginnend mit Saturn, an die Ecken eines Siebensterns geschrieben, ergibt sich, wenn man den Zügen des Sterns folgt, die richtige Reihenfolge der Wochentage: > Saturn (Samstag); > Sonne (Sonntag); > Mond (Montag); > Mars (Dienstag); > Merkur (Mittwoch), > Jupiter (Donnerstag); > Venus (Freitag).
Diese Reihe wurde im Tetrabiblos des > Ptolemäus überliefert, hat ihren Ursprung aber bei den > Chaldäern. Sie bestimmt noch heute die Reihenfolge unserer Wochentage und entspricht zugleich den sieben Weltentwicklungsstufen, die unser Planetensystem im Zuge seiner Entwicklung durchläuft.
Die C. ist kein Gesetz, sondern nur eine Regel, die durch retrograde Planeten gelegentlich gestört werden kann. > Ägyptische Reihe.
Lit.: Claudius Ptolemaeus: Tetrabiblos. Mössingen: Chiron-Verl., 1955; Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.
Chaldäische Zwölfjahresperiode. Dieser Zwölfjahreszyklus wurde von den Alten, im Zusammenhang mit dem Dodekaoros, die „chaldäische“ Dodekaeteris genannt. Der Dodekaoros ist der Kreis der zwölf Stunden oder besser Doppelstunden mit den zwölf Tieren, denn in zweimal zwölf Stunden vollzieht sich der tägliche scheinbare Umlauf des Fixsternhimmels um die Erde. Dodekaoros und Dodekaeteris findet man, bei manchmal verschiedener Auswahl und Anordnung der Tiere, in Bedeutung und Sinn jedoch völlig gleich, in ganz Ostasien, von China und Japan bis Turkestan, verbreitet. Bei vielen Völkern benennt man danach noch heute die Jahre als Jahr des Affen, des Hundes usw.
Lit.: Boll, Franz u.a.: Sternglaube und Sterndeutung. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1966.
Chaldäisches Buch der Zahlen. Dieses seltene Werk enthält laut H. P. > Blavatsky alles, was im > Sohar des Simeon Ben-Jochai steht. Es muss jedoch einige hundert Jahre älter sein als der Sohar und in einer Hinsicht als seine Vorlage gedient haben, da in ihm bereits sämtliche Grundprinzipien verankert sind, die in der hebräischen > Kabbala gelehrt werden, und zwar noch in der unverhüllten Form.
Das Buch soll nur noch in zwei oder drei Exemplaren existieren und sich in Privatbesitz befinden.
Lit.: Bentley, Peter J: Das Buch der Zahlen. Darmstadt: Primus, 2012.
Chalmecatecutli, bei den > Azteken Gott des Opfers, Kalendergott und elfter Regent der Tagstunden.
Lit.: Knaurs Lexikon der Mythologie. Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chalzedon > Chalcedon.
Cham (Tscham), eine Volksgruppe indo-chinesischen Usprungs, die sich in Indochina und besonders in Thailand ansiedelte und für ihre Zauberinnen bekannt war. Bei den magischen Initiationsriten tanzten nackte Frauen mit einem zuvor zweigeteilten jungen Hahn, der durch gemurmelte Zauberformeln wieder zusammenwachsen und zum Leben kommen sollte. Die Zauberinnen standen auch im Ruf, aufgrund ihrer profunden Kenntnisse ritueller Initiationen böse > Geister besänftigen und günstige > Omen für die Ernte von Reis und anderen Feldfrüchten deuten zu können.
Lit.: Aymonier, E.: Les Tchames et leur Relìgions. Paris, 1891; Aymonier, Chaton: Dictionnaire Cam-Française. Paris, 1906; Cahaton: Nouvelles recherches sur les chams. Paris, 1901.
Chamäleon (griech., „Erdlöwe“), leguanartiges Tier, das je nach Stimmung Farbe und Gestalt ändern kann. Es gibt derzeit ungefähr 160 verschiedene Arten, die sich in zwei Unterfamilien aufteilen: Echte Chamäleons (Chamaeleoninae) und Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae). Sie gehören zu den Reptilien (Kriechtieren), sehen aus wie Echsen, besitzen einen langgestreckten Körper, vier Beine und einen langen Schwanz. Ihre Größe reicht von dreieinhalb cm bis zu einem Meter.
Wegen seiner Fähigkeit, die Farbe zu wechseln, wurde das C. auch zum Sinnbild für falsche, heuchlerische und wankelmütige Menschen. Diese Deutung findet sich schon bei Aristoteles und dem hl. Hieronymus. Im genannten Sinn ist das C. auch Symboltier für die Wechselhaftigkeit des Schicksals.
In afrikanischen Mythen gilt das C. als Kulturheros und Überbringer von Gottes Botschaft, dass die Menschen ewig leben würden. Allerdings kommt ein anderes Tier (Schlange, Eidechse oder Hund) dem langsamen C. mit der Nachricht vom Tod zuvor.
Lit.: Bambeck, H.: Zur Geschichte vom die Farbe wechselnden Chamäleon. Fabula 25 (1984); Ferguson, Alane: Das Chamäleon. München: cbt, 2009.
Chamatkara (sanskr., „Staunen“), das Außergewöhnliche, vor allem das, was jenseits der Sinne liegt. Es gehört zum verfeinerten Bewusstsein und offenbart sich nur der > Intuition.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München; Wien: Scherz, 1986.
Chamberlain, Houston Stewart
(* 9.09.1855 Portsmouth / Engl.; † 9.01.1927 Bayreuth / Deutschland), britischer Publizist, der vor allem dem neuheidnischen Germanentum huldigte. 1899 veröffentlichte er die einflussreiche kulturhistorische Abhandlung Foundations of the 19th Century (Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts) in zwei Bänden. Beeinflusst von der Rassenlehre von Graf Joseph Arthur de Gobineau (1816 –1882) und von den Schriften Richard Wagners, schildert er die abendländische Geschichte als einen Kampf der Rassen und charakterisiert die Germanen als die kulturschöpferische Rasse, die für die Aufrechterhaltung christlicher Kultur gegenüber den Einflüssen des Judentums verantwortlich sei. 1909 heiratete er Wagners Tochter Eva von Bülow und nahm 1916 die deutsche Staatsbürgerschaft an. 1923 traf er mit Adolf Hitler zusammen, der seine Schriften besonders schätzte, während C. umgekehrt von Hitler beeindruckt war. Seine fanatische Betonung der arischen Rasse hatte großen Einfluss auf Hitler und trug zu dessen Machtergreifung bei.
Aus paranormologischer Sicht ist die ungeheure Wirkung der hochgespielten Symbolik der arischen Rasse als „Magie der Macht“ zu bezeichnen.
Lit.: Ravenscroft, Trevor: The Spear of Destiny. New York: G. P. Putman’s Sons, 1973; ders.: Der Speer des Schicksals. München: Universitas, 1988.
Chambers, Dr. Robert (*10.07.1802 Peebles; † 17.03.1871 St. Andrews) war Geologe, Literat und zu seiner Zeit einer der erfolgreichsten Verleger Großbritanniens.
Neben naturgeschichtlichen Themen, wie dem 1844 zunächst anonym veröffentlichten Buch Vestiges oft the Natural History of Creation mit einer Darstellung der Erdgeschichte bis zur Entstehung des Menschen, befasste er sich auch mit Grenzfragen. In Testimony: Its Posture in the Scientific World (1859) prüft er den Stellenwert der psychischen Phänomene. Auch das Vorwort zu D. D. > Home’s Buch Incidents in My Life sowie der Anhang, Connection of Mr. Home’s Experiences with those of Former Times, stammen von ihm. C. nahm sowohl an Sitzungen Home’s als auch der > Fox-Schwestern in Amerika teil und machte verblüffende Erfahrungen mit dem Medium Charles H. > Foster, der auf seiner Haut Schriftzüge produzierte. Aufgrund dieser zahlreichen Erfahrungen war C. von der Echtheit paranormaler Phänomene überzeugt.
W. (Auswahl): Vestiges of the Natural History of Creation. London: J. Churchill, 1847; Testimony: Its Posture in the Scientific World. Edinburgh Papers, 1859.
Chambon, Marie-Marthe (*6.03.1841 Croix-Rouge bei Chambery; † 22.03.1907 Chambery), Schwester des Heimsuchungsklosters (Visitantinnen) von Chambery in Savoyen und Vorkämpferin für die Verehrung der Wundmale des Herrn.
Bereits im Alter von acht Jahren sah Ch. in einer Vision den Gekreuzigten. 1862 trat sie in den Orden der Heimsuchung Mariä in Chambery ein und erhielt den Namen Marie-Marthe. Am 2.08.1864 legte sie als Laienschwester die Profess ab. Als bei ihrem strengen Bußleben Ekstasen auftraten, wurde sie unter strengste Kontrolle gestellt. 1867 erhielt Ch. den Auftrag, die Verehrung der > Wundmale Christi zu fördern. Vier Jahre hindurch lebte sie nur von der Eucharistie, bis sie am 20. September 1873 wiederum Nahrung zu sich nehmen konnte. 1874 empfing sie nacheinander die Wundmale Christi, die nach einigen Monaten auf ihr Bitten hin zu bluten aufhörten; lediglich die Kopfschmerzen blieben. In einer eintägigen Ekstase im September 1867 erkannte sie ihre Berufung, die Andacht zu den hl. Fünf Wunden zu verbreiten, selbst aber im Verborgenen zu bleiben. Nach ihrem Tod im Jahre 1907 setzte schon bald ihre Verehrung ein. Der Seligsprechungsprozess wurde am 22.04.1937 eröffnet.
Lit.: Castellan, Dominique Joseph Marie Paul: Soeur Marie-Marthe Chambon. Chambéry, o. J.; Schwester Maria Martha Chambon, Apostel und Missionärin von den Heiligen Wunden. Freiburg: Kanisiuswerk, 1932; Garrigou-Lagrange, Réginald: Soeur Marie-Marthe Chambon et la dévotion aux Saintes Plaies. La Vie Spirituelle ascétique et mystique 53 (1937), 150 –168.
Chambre ardente (franz., „brennende / glühende Kammer“), außerordentlicher Gerichtshof in Frankreich, der 1553 von König Franz I. als außerordentliches Inquisitionsgericht zur Verfolgung der Hugenotten eingeführt wurde. Das Verfahren fand in einem schwarz verhängten, von Kerzen erhellten Raum, der „glühenden Kammer“, statt. Die vom Gerichtshof zu verschiedenen Zeiten verhängte Strafe war meist der Feuertod. Im Mai 1560 wurde die Ch. aufgehoben, 1677 von König Ludwig XIV. als Cour de Poison (Gift-Gerichtshof) jedoch wieder eingeführt. Die Angelegenheit begann mit dem Verdacht, dass einige Mitglieder des französischen Adels von einem geheimen internationalen Ring vergiftet wurden, und so befahl der König 1677 dem Polizeichef Nicolas de la Reynie, eine Untersuchung anzustellen, wobei auch mehrere Anführer des Ringes, darunter Adelige, ein Rechtsanwalt und ein Bankier ausgeforscht wurden. Der Polizeichef beschlagnahmte Giftvorräte, die in ganz Frankreich verstreut waren. Die Straftaten reichten vom bestellten Giftmord über Abtreibungen bis hin zur Praktizierung > Schwarzer Messen. 442 Personen kamen in Verdacht, davon wurden 367 verhaftet und 36 in den anschließenden Verfahren hingerichtet.
Unter den Hingerichteten befand sich auch die Wahrsagerin La Voisin, die Hauptakteurin der Affäre. Sie wurde ab 1667 regelmäßig von Madame Montespan, der Geliebten König Ludwigs XIV., aufgesucht. Diese fürchtete nämlich, die Gunst des Königs an eine Nebenbuhlerin zu verlieren, und bat La Voisin um Hilfe. Daraufhin soll La Voisin einige Priester zur Feier Schwarzer Messen für Montespan veranlasst haben, damit der Teufel ihr helfe. Zudem kam zu Tage, dass sich La Voisin mittels Gift ihres Ehemannes entledigt und an die Witwe des verstorbenen Präsidenten des französischen Parlaments sowie an den Cousin eines der Richter in dem Prozess Gift verkauft hatte. Sie wurde zusammen mit anderen so schrecklichen Folterungen ausgesetzt wie > Spanischer Stiefel, > Streckbank und > Wasserfolter. Das Todesurteil wurde am 22. Februar 1680 vollstreckt. La Voisin bestand bis zum Schluss darauf, keine Hexe zu sein, und stieß mehrfach das um sie herum brennende Holz beiseite, bis sie schließlich überwältigt wurde.
Nach der Hinrichtung wurde die Kammer 1680 offiziell wieder aufgelöst. 1682 mussten auch die Untersuchungen unterbrochen werden, weil der König die Unterlagen vernichten ließ. Reynie ging nun den Aussagen über Montespan im Geheimen nach, die, obwohl nachweislich an den Gräueltaten beteiligt, nicht vom Hof verjagt wurde, sondern sich in ein Kloster in Bourbon zurückzog, wo sie der französische König regelmäßig besuchte.
Wenn also trotz der angeordneten Vernichtung Einzelheiten über den Fall bekannt wurden, so beruhen diese auf den Aufzeichnungen des Pariser Polizeikommissars und den Akten des Archivs der Bastille (Bde. IV bis VIII).
Der Dichter E.T.A. Hoffmann bezieht sich in seiner Erzählung „Das Fräulein von Scuderie“ auf eben diese Ch. Ludwigs XIV., womit er verdeckt die ihm aus seiner beruflichen Erfahrung als Jurist bekannte Sondergerichtsbarkeit in Preußen kritisierte.
Lit.: Weiss, Nathanaël: La Chambre ardente [Texte imprimé]: Étude sur la liberté de conscience en France sous François Ier et Henri II (1540 –1550). Suivie d’environ 500 arrêts inédits rendus par le Parlement de Paris de mai 1547 à mars 1550. Geneve: Slatkine reprints / 1970; Gallo, Max: La chambre ardente. Paris: Fayard, 2008.
Cham-er, auch ah Tcam-er, > Todesdämon bei den Chorti-Indianern in Guatemala. C. erscheint sterbenden Männern als riesenhafter Mann in Frauenkleidern, sterbenden Frauen hingegen als große Frau in Männerkleidung. Er hält ein Steinmesser in der Hand, mit dem er am vorherbestimmten Tag den Todesstoß versetzt.
Nach einer anderen Version tritt er als Skelett mit weißer Totenkleidung und einem langen Speer mit Knochenspitze in der Hand auf. Nur der Sterbenskranke kann ihn sehen. Ähnlich dem „Gevatter Tod“ in europäischen Märchen tritt er am Kopfende auf, wenn der Kranke wieder gesund wird; zeigt er sich am Fußende des Bettes, ist der Tod unausweichlich.
Lit.: Biedermann, Hans: Dämonen, Geister, dunkle Götter. Graz: Leopold Stocker, 1989.
Champ, Seemonster im 175 km langen Lake Champlain an der Grenze zwischen New York und Vermont.
Die Irokesen nannten das Monster chaoussarou. Sie waren der Ansicht, dass C. außergewöhnliche Fähigkeiten besitze, z.B. Beobachter in > hypnotische Trance zu versetzen. Einst sollen sich Herden von C. im See getummelt haben, jetzt ist nur mehr von einem, höchstens zwei, die Rede. Der erste Europäer, der C. gesehen haben soll, war der Forscher Samuel de Champlain. Nach der Meinung einiger beschreibt Champlain jedoch lediglich einen großen Hornhecht. Beschreibungen zufolge soll es sich bei C. um ein nacktes, dickes, schlangenartiges Wesen handeln. 1977 machte Sandra Mansi angeblich ein Foto von dem Monster und in den 1980er Jahren fassten die Gesetzgeber in Vermont und in New York Beschlüsse zu seinem Schutz.
Lit.: Costello, Peter: In Search of Lake Monsters. London: Garnstone Press, [1974]; Zarzynski, Joseph W.: Champ. Beyond the Legend. Wilton, N.Y., USA: M–Z Information, 1988.
Champa, Volksgruppen, die erstmals in chinesischen Quellen des 2. Jh. n. Chr. als Linyi erwähnt werden. Das alte Reich der C. von Lâm âp (192 –758) mit der Hauptstadt Champapura erstreckte sich über die Region von Huê in Vietnam. Sie mussten dann unter chinesischem Druck nach Süden ausweichen und gingen in der heute in Südvietnam lebenden austronesisch sprechenden Bevölkerung auf.
Nach mythologischer Überlieferung entstammt das Volk der C. der Vereinigung der Wassergöttin Nagar (vietnames. Thiên Yana) in Gestalt eines Sandelholzstammes mit einem Irdischen. Die Göttin war unter ihrem Namen Pô Nagar („Königin des Landes“) die erste Regentin des alten C.-Reiches und hatte ihr Hauptheiligtum in Nha-trang, das im 8. Jh. von javanischen Invasoren zerstört, dann aber wieder aufgebaut wurde. Ende des 14. Jh. erfolgte schließlich der Niedergang der C.
Lit.: Maspero, Georges: Le royaume de Champa. Brüssel: G. Van Oest, Paris, 1928; Tarling, Nicholas: The Cambridge History of Southeast Asia: From Early Times to c. 1800. Cambridge University Press, 1992.
Champacaöl (bot. Magnolia champaca), auch als Joy Parfümbaum, Huang Yu Lan oder Safa bekannt, ist eine südostasiatische Magnolienart (Sektion Michelia), aus deren gelben Blüten durch Wasserdampfdestillation ein Öl gewonnen wird, das zur Herstellung von „Joy“, dem teuersten Parfümaroma der Welt, dient und dessen Geruch dem des Ylang-Ylang-Öls ähnlich ist.
Die Pflanze wächst als Strauch oder Baum und trägt Blüten zwischen hellem Gelb und blassem Orange, die in fast allen südostasiatischen Ländern für > Ayurveda, Zeremonien und Massagen verwendet werden. Das wohlduftende Wasser wird anschließend bei der Segnung des Hauses und beim Beten rituell versprengt.
Eine alternativmedizinische Anwendung erfolgt bei Gastritis, chronischer Arthritis und Koliken sowie zur Stärkung von Bändern und Muskeln. C. wirkt diuretisch und gilt als wirksames > Aphrodisiakum.
Lit.: Brooks, Benjamin: Studien über die ätherischen Öle der Champaca-Blüten, des Pfeffers und des Ingwers. Göttingen, Univ., Diss., 1912.
Champollion, Jean-François (* 23.12.1790 Figeac, Departement Lot; † 4.03.1832 Paris), französischer Sprachwissenschaftler und Ägyptologe.
Sprachbegabt von Kindheit an, präsentierte C. bereits als 16-jähriger Gymnasiast an der Akademie von Grenoble eine Abhandlung, in der er behauptete, dass das Koptische nichts anderes als die alte Sprache Ägyptens sei. Zwischen 1807 und 1809 studierte er in Paris Koptisch und Arabisch, nachdem er Griechisch und Latein bereits beherrschte. Bis 1821 lehrte C. dann in Grenoble Geschichte und befasste sich mit dem Verständnis der Namen der ptolemäischen Zeit und der früheren ägyptischen Könige. 1822 legte er in seiner berühmten Abhandlung Lettre à M. Dacier relative à l’écriture des hiéroglyphes phonétiques die Prinzipien der ägyptischen Schrift dar. 1824 folgte sein Précis du système hiéroglyphique. Erst 1828 besuchte er Ägypten. Vier Jahre später starb C., erschöpft durch sein immenses Lebenswerk, im Alter von 42 Jahren.
Fast ohne die Arbeiten anderer zu benutzen, entzifferte C. mit Intelligenz und erstaunlicher Intuition die ersten Hieroglyphen auf dem > Stein von Rosette und legte damit den Grundstein für die wissenschaftliche Erforschung des dynastischen > Ägypten. > Hieroglyphen.
W. (Auswahl): De l’écriture hiératique des anciens Égyptiens (1821); Lettre à M. Dacier relative à l’écriture des hiéroglyphes phonétiques. Paris: Firmin Didot Pè̀re et Fils, 1822; Panthéon égyptien (1823); Précis du système hiéroglyphique des anciens Égyptiens (1824); Lettres écrits d’Égypte et de Nubie en 1828 et 1829 (1833) Dictionnaire égyptien en é́criture hiéroglyphique. Paris: Firmin Didot, 1841–1844.
Cham-Tänze (tib. cham), häufig auch „Tscham-Tänze“ geschrieben, sind lamaistische rituelle Zeremonientänze, bei denen legendenhafte und historische Begebenheiten dargestellt werden, die zumeist mit der Einführung des > Buddhismus in Tibet zusammenhängen und die Wandlung heilswidriger in heilswirksame Kräfte zum Inhalt haben.
Lit.: Das Lexikon des Buddhismus. Bd. 1. Freiburg i. Br.: Herder, 1998.
Chamuel (hebr., „Gott ist mein Ziel“), einer der sieben Erzengel, der auch unter den Namen Haniel, Kemuel, Shemuel, Camiel, Camniel oder Zamael bekannt ist. Er ist ein Gott ergebener Engel mit einem offenen Herzen für den Menschen. In der jüdischen > Kabbala gehört er den Herrschaften an. Er herrscht über den Planeten > Venus. Nach anderen Versionen soll Ch. als Herr des Krieges und des > Mars derjenige gewesen sein, der die Engel anführte, die > Adam und Eva aus dem Paradies geworfen haben. Als Samael wurde er sogar mit > Satan gleichgesetzt, während ihn > Henoch als einen von Gottes Liebesengeln beschreibt. So sieht man in ihm auch den Engel, der Jesus im Garten Gethsemane Trost spendete: „Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm (neue) Kraft“ (Lk 22,43).
In der christlichen > Angelologie ist meist nur von den Erzengeln > Michael, > Gabriel und > Raphael die Rede.
Lit.: Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens. Graz: Verlag f. Sammler, 2004; Hafner, Johann: Evangelist. Angelologie. Paderborn: Schöningh, 2010.
Chāmundā, auch Chamundi, Chamundeshwari oder Charchika genannt (sanskr. Cāmundā), Mutter- und Schutzgöttin von Mysore (Maisur) und Beiname der > Durga. Als die beiden > Asuras (Dämonen) Sumbha und Nisumbha sowie deren beide Diener Chanda und Munda gegen die > Devas aufbegehrten, besiegte C. alle Dämonen, einschließlich der beiden Diener. Aus den Namen der beiden Diener Chanda und Mundi entstand ihr Name. Dort, wo C. die beiden Diener bezwang, steht heute der Durga-Tempel von Varanasi.
Dargestellt wird C. zornig und in Skelettform, in roter oder schwarzer Farbe. Ihr Symboltier ist die > Eule.
Lit.: Kinsley, David: Indische Göttinnen. Weibliche Gottheiten im Hinduismus. Frankfurt a. M.: Insel, 1990.
Ch’an (chin., „Meditation“, „Versenkung“), chinesische Form von > dhyana (sanskr., „Meditation“), jhana (Pali), > Zen (Japan); wurde von dem indischen Mönch > Bodhidharma in China eingeführt. Im C. geht es nicht um das rationale, sondern um das intuitive Erfassen der Wirklichkeit. Dies ist nur durch Überwindung des Dualismus von objektiver und subjektiver Wahrnehmung möglich. Die > Erleuchtung selbst erfolgt dabei plötzlich.
Lit.: Lai Whalen, Lancaster Lewis R.: Early Ch’an in China and Tibet. Berkeley, Ca.: Asian Humanities Press, 1983.
Ch’ang (chin., „beständig, dauerhaft, ewig“), Begriff des philosophischen Taoismus (> Tao-chia) zur Bezeichnung des Wandellosen, des Ewigen, im Gegensatz zum Vergänglichen. Im > Tao-te ching wird das Attribut C. all jenen Gesetzmäßigkeiten verliehen, die allgültig und nicht wandelbar sind. Durch die Verwirklichung von C. erlangt man Erleuchtung (> Ming), die im Erkennen des Unwandelbaren besteht.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Tao te king: Das Buch vom Sinn und Leben. Hamburg: Nikol, 2010.
Ch’ang-an (chin.), Hauptstadt der früheren Han-Dynastie (202 v. Chr. – 9 n. Chr.) sowie der Dynastie Sui (589 – 618) und T’ang (618 – 907). Erstmals erwähnt wurde C. zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (722 – 481 v. Chr.). Der erste historische Kaiser des vereinten China, Qin Shihuangdi († 210 v. Chr.) errichtete in der Nähe der Stadt sein Mausoleum, das 1974 mit der berühmten Terrakotta-Armee entdeckt wurde.
Wie alle chinesischen Hauptstädte war auch C. nach den Bewegungen und Positionen der Sonne, des Mondes und der Sterne ausgerichtet und als Stadt im Zentrum der Welt liegend konzipiert. Mit ihren Gittermustern und der Platzierung wesentlicher architektonischer Komponenten ist sie ein klassisches Beispiel des kosmisch-religiösen Ideals einer kaiserlichen Hauptstadt.
Nach der T’ang-Dynastie verfiel C. in die Bedeutungslosigkeit. Die Ming-Dynastie errichtete in der Nähe die heutige Stadt Xi’an.
Lit.: Thilo, Thomas: Chang’an. Chinas Tor zur Seidenstraße. In: Ulrich Hübner u. a.(Hg.): Die Seidenstraße. Hamburg: EB-Verlag, 2005, S. 131–153; Schinz, Alfred: The Magic Square: History of Chinese City Planning. Honolulu: Axel Menges, 2006.
Ch’ang-sheng pu-ssu (chin., „lange leben, nicht sterben“), > Unsterblichkeit, das Ziel vieler taoistischer Praktiken, das auf zweierlei Weise verstanden wird.
Ursprünglich befasste sich der > Taoismus mit der körperlichen Unsterblichkeit, wozu die Suche nach Substanzen und Übungen gehörte, um dieselbe zu erlangen. So versuchten die Anhänger des Äußeren Elixiers (> Wai tan) durch das Einnehmen verschiedener Drogen Unsterbliche (> Hsien) zu werden. Andere Praktiken sind das Vermeiden des Genusses von Körnerfrüchten (Pi-ku), > Atemübungen, Gymnastik (Tao-yin), > Meditation und sexuelle Praktiken (Fang-chung shu). Ein körperlich Unsterblicher steigt beim hellen Tag zum Himmel oder stirbt nur zum Schein. Öffnet man den Sarg, ist er leer.
Der reflexivere oder philosophische Taoismus des > Lao-tzu oder > Chuang-tzu betrachtet die spirituelle Unsterblichkeit als wichtiger und als die einzig erreichbare. Sie besteht in der Erleuchtung und Erlangung der Einheit mit dem höchsten Prinzip (> Tao), in einem Zustand jenseits der Gegensätze von Leben und Tod, in der Vereinigung von > Yin und > Yang. Spirituelle Unsterblichkeit beinhaltet neben der Freiheit von Leben und Tod auch Freiheit von Raum und Zeit und von sexueller Identität. Daher werden Unsterbliche manchmal männlich und manchmal weiblich dargestellt.
Da aber die Sprache als Verschlüsselung des inneren Suchens benutzt werden kann, ist nicht immer klar, welchen Weg eine bestimmte Schule verfolgt. Diese Zweideutigkeit gilt in hohem Maß auch für alchemistische Texte. Die Unsterblichkeit ist in jedem Fall nur vorläufig, denn sie schiebt den Tod nur für gewisse Zeit auf.
Symbole für C. sind u.a. > Kranich, > Pfirsich, > Pilz / Pflanze der Unsterblichkeit, Kiefern oder ein knorriger Holzstock.
Lit.: Blofeld, John: Der Taoismus oder die Suche nach Unsterblichkeit. München: Diederichs, 1995.
Ch’an-tsung (jap. zenshu, „die Zen-Schule“), Bezeichnung der verschiedenen Wege und Zweige des > Zen-Buddhismus als eine Schule des > Buddhismus. Dabei sind die verschiedenen „Schulen“ des Buddhismus eher einander ergänzende als einander widersprechende Formen, dem einen > Buddha-Dharma Ausdruck zu verleihen.
In Japan gibt es offiziell nur die > Rinzai-Schule, die > Soto-Schule und die > Obaku-Schule, aber keine Zen-Schule. Der Terminus „Zenshu“ wird hier jedoch, wie in > China, als Sammelbegriff verwendet.
Lit.: Suzuki, Daisetz Teitaro: Leben aus Zen. Bern: O. W. Barth, 1987.
Chandi (sanskr.), eine heilige Schrift, in der > Shakti, die Göttliche Mutter, als „Letzte Wirklichkeit“ beschrieben wird. C. besteht aus 13. Kapiteln und gehört zu den > Shakta-Tantras.
Lit.: Preston, James J. (Hg.): Mother Worship: Theme and Variations. Berkeley, Ca.: Asian Humanities Press, 1983.
Chandogya-Upanischad (sanskr.), „Geheimlehre der Chandoga-Schule“, zweitälteste der > Upanischaden. Sie gehört zum > Samaveda, ist nach einer Priesterklasse benannt und stellt in acht Kapiteln den Ursprung des Kosmos und die Beziehung zwischen der universellen und der individuellen Seele sowie das Leben im Jenseits dar. Hier finden sich wichtige Lehren des > Brahmanismus, wie Seelenwanderung (> Reinkarnation), die Einheit von > Brahman und > Atman sowie der große Lehrsatz > Tat Tvam Asi („Das bist Du“).
Berühmt wurde auch die Unterhaltung zwischen dem Weisen Uddalaka Aruni und seinem Sohn Shevetaketu über die All-Einheit: das Sein ist in allem enthalten und der Kosmos ist überall vom Absoluten durchdrungen.
Lit.: Sechzig Upanishad’s des Veda / aus d. Sanskrit übers. u. mit Einl. u. Anm. vers. von Paul Deussen [Nachdr. d. Ausg.] Leipzig: Brockhaus, 1897; Bielefeld: Kleine, 1980, S. 61–202.
Chandra (sanskr., „der Glänzende“; auch Candra), indischer Mondgott, der als Planetengott zu den > Navagraha gehört. Er ist der Sohn des > Atri. Seine Gattinnen sind die 27 Töchter des > Daksha, die Sternbilder des monatlichen Himmelsweges. Mit Tara, der Frau des Brihaspati, die er entführt, zeugt er den Planetengott > Budha. Später wird er zum vedischen > Soma. Man nennt ihn auch Somadeva („der Gott des Soma“).
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chandra, Jagdish (*4.03.1923 Bareilly, Uttar Pradesh, Indien). Als Sohn von K. K. N. Sahay und seiner Frau Jamuna begann C. im Alter von 3½ Jahren Erinnerungen an sein Vorleben in Benares zu erzählen, die sein Vater schriftlich festhielt. Dieser veröffentlichte am 27.06. und 5.07.1926 zwei Briefe in der Zeitung Leader, um eine unabhängige Untersuchung anzuregen. Am 1.08.1926 besuchte Sahay mit seinem Sohn erstmals Benares. Später beschrieb er den Fall in seinem Buch Reincarnation: Verified Cases of Rebirth after Death (1927).
1939 führte S. C. Bose eine Untersuchung durch und Ian > Stevenson begann seine Nachforschungen, nachdem er 1959 durch Sahays Buch von dem Fall erfahren hatte. Die angebliche frühere Inkarnation war Jai Gopal Pandey, der Sohn des Panda (Pilgerführer) Babu Pandey. Er verstarb wahrscheinlich im Oktober 1922 im Alter von zehn oder elf Jahren in Benares. Babu Pandey verhielt sich bei den Untersuchungen des Falles (an denen auch Behörden und Anwälte in Benares beteiligt waren) sehr zurückhaltend. Vermutlich hatte er Angst vor Enthüllungen. Zu den damals noch nicht publizierten Erinnerungen von C. gehörte nämlich auch der Raubmord des Babu an einem Pilger.
Bei Berichten von C. über das frühere Leben in Benares wurde die Hälfte seiner Aussagen bestätigt, darunter genaue Ortsangaben. Zudem zeigte C. eine Reihe von Verhaltensmustern von Gopal Pandey.
Im Zusammenhang mit dem Fall C. ist auch darauf zu verweisen, dass nach hinduistischem Glauben Personen, die in Benares sterben, nicht wiedergeboren werden.
Lit.: Sahay, Kekai Nandan: Reincarnation: Verified Cases of Rebirth After Death. Bareilly, 1927; Stevenson, Ian: Cases of the Reincarnation Type. 4 Volumes. University Press of Virginia, 1975.
Chang Chüeh († 184 n. Chr.), Gründer der taoistischen Schule des T’ai-p’ing tao (chin., „Weg des höchsten Friedens“). Die Doktrin der Schule fußt auf der Lehre des T’ai-p’ing ching und ging aus dem Huang-lao tao (dem Weg des Huang-ti und des Lao-tzu) hervor. In einer Zeit von Unterdrückung und Not vertrat C. die Versöhnung und die Gleichheit aller Menschen. Mit diesem Ideal scharte er innerhalb von zehn Jahren mehrere hunderttausend Anhänger um sich. In kollektiven Riten zur Heilung von Krankheiten (> chai), die er als Wirkung böser Taten auffasste, ließ er die Teilnehmer gemeinsam ihre Verfehlungen bekennen, um das erforderliche Gleichgewicht wiederherzustellen.
In der Zeit zwischen 165 und 184 verbreitete sich seine Lehre in acht Provinzen. C. setzte sich als „Himmelsfürst-General“ an die Spitze seiner streng organisierten Anhänger und führte 184 den Aufstand der Gelben Turbane an, der wegen der gelben Kleidung (huang-chin) der Beteiligen so genannt wurde. Der Aufstand wurde von den Herrschern blutig niedergeschlagen. Dabei fanden C. und einige seiner Mitstreiter den Tod.
Ausgangspunkt der religiösen Tätigkeit von C. war eine innere Offenbarung, die das Herannahen des „höchsten Friedens“, des Paradieses auf Erden, verhieß. Der Friede sollte mit der Ablöse der Han-Dynastie durch die des „Gelben Himmels“ des T’ai-p’ing tao erfolgen. Gelb war die Farbe des > Gelben Kaisers Huang Di, der von C. sehr verehrt wurde.
Seine große Popularität verdankte C. jedoch nicht zuletzt seinen Fähigkeiten als > Heiler.
Lit.: Michaud, Paul M.: The rebellion of the Yellow Turbans in China, A.D. 184. Monumenta Serica, 17 (1958).
Chang Hsien (chin. Hsien, „Der Unsterbliche“), Chang der Heilige, Unsterbliche, der Schutzpatron der Kinder. Er schenkt männliche Nachkommen und wird manchmal von Sung-tzu-niang-niang, der Frau, begleitet, die Söhne bringt.
Dargestellt wird C. als alter Mann, der einen Bogen spannt und damit in den Himmel zielt. Oft findet man neben ihm den Himmelshund (t’ien-kou), vor dem er die Kinder schützt. An seiner Seite wird er meist von seinem Sohn begleitet, der in den Armen den Knaben trägt, den C. den Gläubigen schenken wird.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chang Hsiu (chin.), General der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) und Begründer einer Bewegung innerhalb des > Taoismus, die dem > Wu-tou mi tao des > Chang Lu sehr ähnlich war, der ihn 190 n. Chr. ermordete.
Den Schwerpunkt der Praktiken dieser Bewegung bildeten Zeremonien zur Heilung von Krankheiten, bei denen für die Drei Herrscher (> San-kuan) Himmel, Erde und Wasser geopfert wurde. Die Krankheiten galten als Auswirkung böser Taten, die Kranken wurden daher in ein Erholungsheim eingesperrt, wo sie über die Sünden nachzudenken hatten. Die endgültige Heilung erfolgte jedoch erst, wenn der Kranke die Sünden auf drei Blatt Papier schrieb, die für die Drei Herrscher auf einem Berggipfel hinterlegt, in der Erde vergraben bzw. in einen Fluss geworfen wurden.
Die Bewegung berief sich auf das > Tao-te-ching und war straff-militärisch organisiert, mit Offizieren und sog. „Dämonensoldaten“.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chang Kuo-lao (chin.), Heiliger und Unsterblicher (> Hsien), der zu den 8 > Pa-hsien des > Taoismus zählt. Als alter Mann legte er täglich auf einem > Esel viele tausend Meilen zurück. Wenn er diesen nicht mehr benötigte, faltete er ihn wie ein Taschentuch zusammen und steckte ihn ein. Sein Attribut ist eine Trommel mit zwei Stäben. Als seine Schüler sein Grab öffneten, fanden sie es angeblich leer vor.
C. behauptete, in prähistorischer Zeit geboren zu sein, die Legende setzt ihn jedoch als Diener zweier Kaiser der T’ang-Dynastie (618 bis 907) in das 7. Jh.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chang Liang († 187 v. Chr.), hoher chinesischer Beamter der frühen Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr). Der Überlieferung nach ist er der Begründer des religiösen > Taoismus (Tao-chiao) und einer der ersten Unsterblichen (> Hsien), die in der taoistischen Literatur genannt werden. Zur Erlangung der Unsterblichkeit soll er bereits Gymnastik betrieben und auf den Genuss von Körnerfrüchten verzichtet haben.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986.
Chang Lu (2. Jh. n. Chr.), Mitbegründer der taoistischen Bewegung > Wu-tou-mi tao („Fünf-Scheffel-Reis-Taoismus“). Um 190 gelang es C., dem Enkel von Chang Taoling, mit Hilfe von > Chang Hsiu, der eine sehr ähnliche Bewegung leitete und später von ihm beseitigt wurde, ein streng hierarchisch geführtes politisch-religiöses Staatsgebilde zu gründen, das 30 Jahre währte. Im angenommenen Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde (> Chai) predigte er, von vielen als Wunderheiler verehrt, dass alle Krankheiten von > Geistern als Vergeltung für böse Taten geschickt würden. Er veranstaltete Massenzeremonien, in denen die Gläubigen ihre Vergehen bereuten und so Gesundheit erlangten. Als Honorar verlangte er für eine Heilung fünf Scheffel Reis, daher der Name der Bewegung. C. selbst führte den Titel > T’ien-shih (Himmelsmeister oder Himmelsherr), der dann von seinem Nachfolger übernommen wurde und bis heute vererbt wird.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986; Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chang Po-tuan (984 –1082), berühmter taoistischer Meister, der die Lehren des > Taoismus mit jenen von > Zen-Buddhismus und > Konfuzianismus verband. C. gehörte zu den bedeutendsten Vertretern der alchemistischen Schule des Inneren Elixiers (> Nei-tan), die nach spiritueller Unsterblichkeit strebt. Das Innere Elixier ist die Rückkehr zum Ursprung durch die Erleuchtung des Geistes.
Nach den Darlegungen seiner Lehre im Werk Wu-chen p’ien („Essay über das Erwachen zur Wahrheit“) sind „wahres Blei“ und „wahres Quecksilber“, also die Essenz von > Yang und > Yin, die Ingredienzien des Inneren Elixiers. Yin muss von Yang eingefangen und absorbiert werden, was er die Vermählung von Yin und Yang nennt. Dabei sei Yang das Wirkliche und Yin das Unwirkliche.
Diese beiden Essenzen werden vom Alchimisten, wenn er zur Mitternacht und zur > Wintersonnenwende in > Meditation auf seinem Bett liegt, mit Hilfe der Lebensenergie (> Chi) in seinem Körper vermählt. Es bildet sich ein „Embryo“ (sheng-t’ai), der in dem Maße wächst, in dem Yang zunimmt. Dadurch kann der Alchemist > Unsterblichkeit erreichen. Der Embryo wird zum neuen Ich, das erleuchtet und daher unsterblich ist und keine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt kennt.
W.: Chang, Po-tuan: Das Geheimnis des Goldenen Elixiers. Bern: Barth, 1990.
Chang Tao-ling oder Chang Ling (2. Jh. n. Chr.), Gründer einer der bedeutendsten Schulen des > Taoismus, > Wu-tou-mi tao, die den Zusammenhang zwischen Sünde und Leiden betonte und Buß- und Heilungszeremonien einführte.
C. begann in der Provinz Szechwan durch Rezitieren magischer Formeln und das Verabreichen geweihten Wassers Kranke zu heilen. Für eine Behandlung verlangte er fünf Scheffel Reis, weshalb man seine Schule „Fünf-Scheffel-Reis-Taoismus“ nannte. Die Bewegung wurde von > Chang Hsiu und > Chang Lu weiter ausgebaut. Seine Anhänger verehrten ihn als himmlischen Meister (> T’ien-shih). Als er in hohem Alter starb, soll er bei hellem Tag zum Himmel aufgefahren sein.
Über seine Lehre und Einzelheiten des Lebens gibt es nur Legenden, aus denen durchschimmert, dass er seine Autorität über gute und schlechte Mächte ausübte. Nach jahrelangen alchemistischen Experimenten soll es ihm auch gelungen sein, die Pille der Unsterblichkeit (> Ch’ang-sheng pu-ssu) herzustellen.
Neu ist mit Sicherheit die Aufteilung seiner Anhänger in 24 Gebietsabschnitte.
Lit.: Blofeld, John: Der Taoismus oder die Suche nach Unsterblichkeit. München: Diederichs, 1995.
Chang Tsung-yen († 1292), Himmlischer Meister (> T’ien-shih) der 36. Generation. 1276 bestätigte ihm Kaiser Khubilai den Titel und übertrug ihm die Herrschaft über alle taoistischen Gläubigen südlich des Yang-tse. 1288 rief ihn der Kaiser nochmals an den Hof, um das > Jadesiegel und das Schwert zu sehen, die der Legende nach seit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) von einem Himmlischen Meister auf den andern übertragen wurden. In der Tatsache, dass diese Gegenstände die Zeiten überlebt hatten, sah der Kaiser ein himmlisches Zeichen. Er erklärte die Funktion eines T’ien-shih für erblich, womit die eigentliche Bedeutung der Familie Chang begründet wurde. (> Chang Tao-ling).
Lit.: Blofeld, John: Der Taoismus oder die Suche nach Unsterblichkeit. München: Diederichs, 1995.
Changing Woman („Wandelfrau“), beliebte Gottheit bei den > Navajos, Gemahlin der > Sonne und Mutter der Zwillinge „Monstertöter“ und „Wasserkind“, die menschheitsbedrohende Ungeheuer erschlagen.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988.
Channachanna (hethit., „Großmutter-Großmutter“), hethitische Mutter- und Geburtsgöttin, die eine > Biene zur Botin hat. C. spielt eine bedeutende Rolle bei der Suche nach entschwundenen Gottheiten, z.B. dem Fruchtbarkeitsgott > Telipinu, der einer hethitischen Legende zufolge verschwand und die Erde dadurch ihrer Fruchtbarkeit beraubte. C. gelang es durch eine List, ihn wieder hervorzuholen.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Channel > ASW-Kanal.
Channeling (engl., „Kanalisierung“), Kommunikation mit transzendenten Wesenheiten.
C. hat sich in der sogenannten > New Age-Bewegung Nordamerikas und Europas der 1970er Jahre, in Anlehnung an den Begriff „Medium“ (Kanal) des > Schamanismus und > Spiritismus, zusehends als Bezeichnung der Kommunikation mit fremden Wesen etabliert. Zu diesen gehören neben Verstorbenen auch sog. „Geistführer“, > Engel, > Transplanetarier, > Ufonauten, archetypische Plastikgruppen, > Uraniden usw. Als Kanal dienen dabei medial begabte oder speziell ausgebildete Personen, die in einer körperlichen Entspannung oder im veränderten Bewusstseinszustand des > Traumes, der > Trance, der > Hypnose, des > Somnambulismus, aber auch durch den Gebrauch psychedelischer Drogen mit fremden Wesen in Kontakt treten und ihre Botschaften übermitteln.
Bekannt wurde der Begriff vor allem durch Jane > Roberts (1929 –1984), die in den Jahren von 1963 bis kurz vor ihrem Tod von Botschaften im Trancezustand von einem Wesen namens > Seth berichtet, das sich selbst als „Energiepersönlichkeitskern, der nicht mehr in der physischen Realität zentriert ist“, bezeichnete. Die Schauspielerin Shirley MacLaine (*1934) hat mit ihrem Bestseller „Tanz im Licht“, der ihr in nur fünf Wochen von ihrem höheren Selbst „diktiert“ worden sei, und mit ihren Auftritten in verschiedenen Medien ihren „Geistführer“ und die Unsterblichkeit der Seele weltweit bekannt gemacht.
Während im klassischen Spiritismus der > Kontakt mit Verstorbenen im Vordergrund steht, geht es beim C. auch um die Kommunikation mit höheren Geistern, Geistlehrern und geistigen Meistern, Kapitänen intergalaktischer UFO-Flotten, nicht inkarnierten Bewohnern höherer Sphären, mit Bewohnern von > Atlantis und anderen verschollenen Regionen, die in sogenannten Durchsagen Weisheiten verkünden. Diese Durchsagen werden meist als wichtige, oft erbauliche, warnende oder ethisch-philosophische Belehrungen vorgestellt.
Was ihre Beurteilung betrifft, so ist die Rede von Schöpfungen des kollektiven Unbewussten, von Selbsthypnose, von Teilpersönlichkeit und vom kollektiven Bewusstsein.
All diesen Beurteilungen muss jedoch die Feststellung vorausgehen, ob es sich um spontane Botschaften in einem veränderten Bewusstseinszustand handelt oder lediglich um marktgerechte Darstellungen einzelner Autoren.
Dieser allgemeine Zugang zur Transzendenz, der keine individuellen Anforderungen mehr stellt, wird auch als Ersatz von Religion gedeutet, da allen alles offen sei. > Tod und > Fortleben nach dem Tode stehen allerdings nicht zur freien Disposition.
Lit.: Klimo, Jon: Channeling. Freiburg i. Br.: Bauer, 1988; MacLaine, Shirley: Tanz im Licht. München: Goldmann, 1990; Roberts, Jane: Gespräche mit Seth. München: Goldmann, 2001; Schumacher, Irene: Channeling-Lehrbuch. Neckenmarkt: Ed. Nove, 2009.
Chantal, Johanna-Franziska Frémyot de (* 23.01.1572 Dijon; † 13.12.1641 Moulins, begraben in Annecy), französische Ordensgründerin, hl. (16.07.1767, Fest: 12. August); Tochter des burgundischen Parlamentspräsidenten Frémyot, heiratete 1592 den Baron Christoph de Chantal, dem sie vier Kinder schenkte. Nach seinem plötzlichen Tod 1601 führte C. ein Leben des Gebets und der Nächstenliebe und sorgte für ihre Kinder. 1604 fand sie in > Franz von Sales einen Seelenführer, mit dem sie eine lebenslange Seelenfreundschaft verband. 1610 gründete sie mit ihm den Orden von der Heimsuchung Mariens (Visitantinnen) in Annecy und bis zu ihrem Tod über 80 Klöster in Frankreich.
C. verband ihre tatkräftige und fruchtbare Arbeit mit einem mystisch-beschaulichen Leben, wobei sie sich für die Zurückhaltung gegenüber einer spektakulären Mystik aussprach.
W.: Briefe des heiligen Franz von Sales an die heilige Johanna Franziska Frémyot von Chantal. München: Theatiner-Verlag, 1927; Briefe der J.-F. C. an den hl. Franz v. Sales u. ihre Aussagen über sein Tugendleben, übertr. v. Elisabeth Heine. München: Kösel, 1929.
Chantico (indian., „die im Hause Weilende“, auch Chantli und Chantico-Cuauhxólotl genannt), in der Mythologie der > Azteken die Göttin des Herd- und Vulkanfeuers. Zudem ist sie für kostbare Sachen verantwortlich und gilt als Beschützerin der Schätze. C. ist ferner Herrin des roten Pfeffers (Paprika) und Kalendergöttin des 19. Tages im Monat. Mit ihrem roten Schlangenschmuck und ihrer Krone mit vergifteten Kaktusstacheln symbolisiert sie die Kombination von Lust und Leiden.
Als sie trotz Verbots an Fasttagen mit Paprika gewürzte Speisen zu sich nahm, wurde sie zur Strafe von Tonacatecutli, dem Speisegott, in einen Hund verwandelt. Ihre Farben sind gelb und rot.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005; Prem: Hanns J.: Die Azteken: Geschichte – Kultur – Religion. München: Beck, 2006.
Chanukka (hebr., „Einweihung“), achttägiges jüdisches Fest, beginnend am 25. Dezember (Kislew), zur Erinnerung an die Neueinweihung des Tempels durch Judas Makkabäus 165/64 v. Chr. (1 Makk 4,52 – 59; 2 Makk 10,1 – 8). Das Fest wird auch Lichterfest genannt, weil man an den Abenden der acht Tage eine zunehmende Zahl von Lichtern entzündet. Von diesem Fest berichtet bereits Flavius Josephus (Antiquitates Judaicae 12,7) und in Joh 10,22 ist die Rede vom „Tempelweihefest“. Nach dem Talmud (Schabbat 21b) fanden die jüdischen Befreier für den siebenarmigen Leuchter (> Menorah) im Tempel nur noch ein kleines Krüglein mit > Öl, das mit dem Siegel des Hohenpriesters versehen war. Wie durch ein Wunder reichte das Öl für acht Tage.
Seit dem Mittelalter gibt es für die Lichter im Haus verschiedene Formen von C.-Leuchtern mit acht Flammen und einem neunten Licht, dem sog. „Diener“, das dem Anzünden der anderen dient.
Das Fest war offenbar auf den Tempel beschränkt, denn das Volk feierte gleichzeitig mit Lichtern die Wintersonnenwende.
Lit.: Solis-Cohen, Emily: Hanukkah, the Feast of Lights. Philadelphia: The Jewish Publication Society of America, 1937; Stemberger, G.: La festa di Hanukkah, il libro Giuditta e midrašim connessi: Studi giudaici in memoria di A. Vivian, hg. von G. Busi. Bologna, 1993, S. 525 – 545.
Chanwashuit, hethitische Throngöttin, die dem König die Regentschaft verleiht.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chanzong (chin., „Versenkung“; sanskr. dhyana; jap. Zen), Meditationsschule des chinesischen > Buddhismus.
Es gab zwar schon vor dem historischen Erscheinen des C. in China C.-Meister unter dem buddhistischen Klerus, doch legte man erst im eigentlichen C. den Schwerpunkt religiöser Praxis auf die > Meditation als Mittel zur Erleuchtung. C. nimmt bis heute einen breiten Raum ein, wenn auch nicht in einer solchen Form wie der japanische > Zen.
Lit.: Dumoulin, Heinrich: Geschichte des Zen-Buddhismus. Bd. 1 – 2. Bern: Francke, 1985.
Chao-chou Ts’ung-shen, jap. Joshu Jushin (778 – 897), einer der bedeutendsten Zen-Meister Chinas, Dharma-Nachfolger (Hassu) von Nan-ch’üan P’u-yüan (jap. Nansen Fugan).
Bereits im Alter von 18 Jahren erfuhr C. eine tiefe Erleuchtung, die ihm einen Weg zeigte, den es zu gehen lohnte. Nach 40 Jahren Ausbildung bei seinem Lehrer Nan-ch’üan, wanderte er auf der Suche nach anderen Ch’an-Meistern durch > China. Mit 80 Jahren ließ er sich schließlich in einem kleinen Zen-Kloster in Chao-chou nieder, versammelte Schüler um sich, lehrte sie freundlich und ruhig, aber auf eine sehr scharfe und kurze Weise. Er betreute seine Schüler bis zu seinem Tod im Alter von 120 Jahren.
Ein besonderes Verdienst von C. ist das Aufzeigen des Zusammenhangs von > Ch’an und > Tao, womit er einen Weg der Koexistenz bahnte. Auf ihn geht das > Koan zurück: „Wenn alle Dinge in das eine zurückkehren, wohin kehrt aber dann das Eine zurück?“ Den gedankenlosen Gebrauch von Worten (Verbalismus) lehnte er ab.
C. hatte 13 Dharma-Nachfolger. Da es jedoch wenige gab, die ihm an Tiefe der Erfahrung gleichkamen, starb seine Linie nach wenigen Generationen aus.
Dogen: Shōbōgenzō. Frankfurt, M.: Angkor-Verl., 2008.
Chaomantie (engl. chaomancy; it. caomanzia), Wahrsagen aus Lufterscheinungen wie > Donner und > Blitz, Wolkenbildungen, Auftreten seltener Himmelserscheinungen wie Kometen. > Aeromantie, > Austromantie, > Meteormantie.
Lit.: Das große Handbuch der Magie. München: Wilhelm Heyne, 1990; Hogrebe, Wolfgang (Hrsg.): Mantik. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2005.
Chaos (griech. chaos, von chainein, „gähnen“), vollständig ungeordneter Weltzustand als Urzustand des noch ungeformten Weltstoffes und Weltraumes.
C. ist somit der Gegenbegriff zu > Kosmos, dem griechischen Begriff für Ordnung. Die Bibel spricht von „tohu-wa-bohu“ (Gen 1,2). Nach Hesiod (Theog. V, 116, 123) ist C. der gähnende Abgrund des Weltbeginns, der vor Allem entstanden ist. Im > Taoismus entspricht dem C. das > Wuji, der Zustand der Formlosigkeit. Diese Vorstellung vom formlosen Urzustand der Welt vor dem Beginn von Raum und Zeit findet sich in vielen Schöpfungsmythen der Völker. C. entspricht dem ägyptischen > Abydos und dem germanischen > Ginnungagap. Von ihm ist aber auch am Ende der Welt die Rede. So wird die von apokalyptischen Texten erwartete endzeitliche Katastrophe vor der neuen Schöpfung ebenfalls als C. bezeichnet.
In der > Alchemie sind die Vorstellungen der > Orphiker von besonderer Bedeutung, denen zufolge im Zentrum eine in den Schriften des Orpheus geoffenbarte Theo- und Kosmogonie steht, die ihren Ausgang aus dem C. nimmt. Zuerst entsteht der > Chronos, aus dem ein > Weltenei hervorgeht, das im Zerbrechen den Lichtgott > Phanes gebiert, der den Samen aller Götter, Menschen und Dinge enthält und daher endrogyne Züge hat. Dieses Ei der Philosophen spielt in der griechischen Alchemie eine zentrale Rolle als Ausgangsmaterial für das > Opus magnum. Nach Hesiod gehen aus dem C. > Erebos und > Nyx (Nacht) hervor. > Gaia und > Eros stehen als weitere Urprinzipien daneben, die jedoch nicht unmittelbar vom C. abstammen.
In der > Esoterik ist C. oft gleichbedeutend mit > Abyss. Das C. verfügt über das verborgene Potential der Schöpfung. In der Magie ist C. der große unsichtbare Kraftspeicher der Natur, in dem die Ureigentümlichkeiten aller Dinge enthalten sind.
In der neueren Philosophie sieht F. W. J. Schelling C. als „als metaphysische Einheit der Potenzen“, F. Nietzsche als „Grundcharakter der Welt“ und C. G. Jung verbindet C. mit dem Unbewussten.
Für den gesellschaftlichen Bereich ist C. noch bei T. Hobbes die übliche Bezeichnung für den von ungeordneter Gewalt beherrschten Urzustand der Gesellschaft. Ab Mitte des 17. Jh. wird C. dann durch das Wort „Anarchie“ verdrängt. Neuerdings ist C. zu einem beliebten Begriff der evolutionstheoretischen Diskussion geworden. > Chaosforschung, > Chaosmagie.
Lit.: Khunrath, Heinrich: Vom Hylealischen, das ist Pri-Materialischen Catholischen oder Allgemeinen Natürlichen Chaos, der Naturgemässen Alchymiae und Alchymisten: Wiederholte … philosophische Confessio oder Bekentnvs. Magdeburg, 1597; Schabert, Tilo: Strukturen des Chaos. München: Fink, 1994; Die Schöpfungsmythen. Düsseldorf: Albatros, 2002; Niesel, Walter: Vom Chaos zur universellen Ordnung. Oldenburg: Bis, 2002.
Chaos-Forschung (engl. chaos theory), Teilgebiet der Mathematik und Physik, das sich mit komplexen, vornehmlich dynamischen Systemen befasst, deren Dynamik unter bestimmten Umständen von den Anfangsbedingungen abhängt, sodass ihr Verhalten nicht langfristig vorhersagbar ist. Chaotische dynamische Systeme sind nämlich nicht linear. Beispiele sind der Schmetterlingseffekt beim Wetter, Wirtschaftskreisläufe wie auch neuronale Netze und damit letztlich auch menschliches Verhalten.
In den 1980er Jahren hat die C. vor allem mit psychedelischen Computergrafiken die Öffentlichkeit geradezu elektrisiert. Die damit verbundenen Erwartungen in Wissenschaft, Wirtschaft, alternativer Medizin und > Esoterik konnten jedoch nicht erfüllt werden, weshalb der Begriff in Fachkreisen eher gemieden wird.
Lit.: Sheldrake, Rupert: Denken am Rande des Undenkbaren. Bern: Scherz, 1993; Wehr, Marco: Der Schmetterlingsdefekt: Turbulenzen in der Chaostheorie. Stuttgart: Klett-Cotta, 2002.
Chaosmagie (engl. chaos magic), eine okkulte Bewegung, die ihren Anfang in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre nahm und durch die beiden Bücher Liber Null und Psychonaut des Briten Peter J. > Carroll Verbreitung fand. 1978 gründete Carroll mit Ray Sherwin die magische Organisation Illuminates of Thanateros (IOT). Dabei ist das Kunstwort „Thanateros“ eine Zusammensetzung aus griech. thánatos (Tod) und lat. eros (Liebe, Leidenschaft). Grundlage des Ordens ist die von Carroll in seinem Liber Null entwickelte C., eine Kraft, die dem Universum Struktur und Vielfältigkeit verleiht und die Entstehung des Lebens verursacht. Das geoffenbarte Universum wird als kleine Insel im unermesslichen Ozean des > Urchaos definiert.
In dieser neuen Magie werden die Techniken und Inhalte der traditionellen Rituale wie > Amulette, > Dämonenbeschwörung, > Geisterbeschwörung, > Räucherungen usw. abgelehnt und durch unkonventionelle Methoden ersetzt, die Carroll als psychologische Anarchie („Chaos“) bezeichnet, in der alles erlaubt ist, was funktioniert. Im deutschsprachigen Raum wurde die C. 1986 gegründet. Zu ihrem wichtigsten Vertreter wurde Ralf Tegtmeier (Frater V.D.), der im Orden den Namen „Fraund Neonfaust 1.309“ erhielt.
1990 kam es zwischen den beiden Gründern zum sogenannten „Ice Magick War“ und zum Schisma des IOT, da sich Tegtmeier der > Eismagie zuwandte. Sektionen des Ordens finden sich inzwischen in mehreren Ländern. Die lokalen Gruppen heißen „Tempel“ und werden von einem „Magister Templi“ geleitet. Viele der neuen Rituale sind von der > Sexualmagie geprägt. „Benutze die sexuellen Erregungsenergien, um damit Wille und Imagination zu aktivieren und zu speisen“ (Frater V.D.).
Lit.: Frater V.D.: Ausländischer Schweinkram? Unicorn 9 (1984), 84 – 88; Carroll, Pete: Liber Null. York Beach, Me.: Weiser, 1987; ders.: Liber Null & Psychonautik. Bad Ischl: Ed. Ananael, 2005; Mayer, Gerhard: Arkane Welten. Würzburg: Ergon Verlag, 2008.
Chaostheorie (engl. chaos theory), mathematische Systemtheorie, die > Chaos als ein spezielles, unvorhersagbar erscheinendes und instabiles Verhalten komplexer nichtlinearer dynamischer Systeme definiert. Die C. hat sich Ende der 1970er Jahre im Anschluss an die Kybernetik und die Allgemeine Systemtheorie als eigene Forschungsrichtung etabliert. Sie geht davon aus, dass sich die Prozesse der Natur sprunghaft und daher anscheinend chaotisch vollziehen. Hinter der Oberfläche des Chaos liege jedoch eine verborgene Ordnung.
Die zentrale Methode der C. ist die Computersimulation, die zu verschiedenen Erkenntnissen führte, z.B. dass chaotisches Verhalten im Zeitablauf zu geordneten Mustern einschwingt. Diese geordneten Muster, „Attraktoren“ oder „Fraktale“, können zwar bildlich dargestellt und typisiert, nicht aber exakt vorausgesagt werden.
Verschiedene Wissenszweige wie Medizin, Psychologie, Literatur, Soziologie, Wirtschaft, insbesondere auch alternative Richtungen, versuchten mit der C. neue, nicht nachweisbare Wirkungsformen aufzuzeigen und einzusetzen.
Inzwischen hat sich die Euphorie bei diesen Anwendungen deutlich gesenkt.
Lit.: Pelz, Waldemar: Chaos-Theorie und ihre Anwendbarkeit in der Ökonomie. Frankfurt [Main]: Univ., Professur für Hochschuldidaktik d. Wirtschaftswiss., 1986; Hess, Rainer: Zur Chaos-Theorie. Frankfurt a. M.: Verein Wiss. und Sozialismus, 1992; Dietrich, A.: Der seltsame Attraktor – gestern, heute, morgen. Bonn: AES-Verl., 2008.
Chaosvogel, heiliger Vogel in der chinesischen Mythologie. Dieser Vogel hatte nach dem Buch Chan Hai King („Buch der Berge und der Meere“) sechs Füße und vier Flügel. Manchmal glich er einem gelben, dann wieder einem roten Sack. Er hatte kein Gesicht und auch nicht die sieben Löcher zum Sehen, Hören, Atmen und Essen. Er konnte aber tanzen und singen. Manche sagen, er war ein Königssohn, den sein Vater verbannt hatte. Er herrschte über das > Chaos, das am Anfang wie ein leerer Sack war. Nichts war noch geordnet und es gab noch keine Löcher des Lebens. Das war am Anfang der Welt.
Lit.: Rosny, Léon de: Chan-hai-king: antique géographie chinoise. Paris: Libraire de la société sinico-japonaise, 1891.
Chapanga (abgeleitet von kupanga, „ordnen“, „schaffen“), höchstes Wesen bei einigen Stämmen im südlichen Tansania, so bei den Njasa, Pangwa, Matengo und Ngoni. C. ist kein abwesender, sondern ein anwesender, gegenwärtig wirkender Gott. So sagt man, wenn ein Gespräch stockt oder bei einem Erdbeben, „Chapanga geht vorüber“.
Lit.: Werner, Bonin: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979.
Chapman, Caroline Randolph
(1881–1973), amerikanische > Sensitive, die annähernd 40 Jahre als > Medium wirkte. Obwohl sie bereits als Kind mehrere paranormale Erlebnisse hatte, zeigte sie kein spezielles Talent dafür. Als sie jedoch eines Nachts erwachte und ihre verstorbene Mutter und die Tochter an ihrem Bett sah, die ihr mitteilten, dass sie ein Medium sein werde, war sie so getroffen, dass sie an ihrer Normalität zweifelte. Sie suchte daher einen Psychiater auf, der ihr Erlebnis jedoch überraschenderweise nicht als krankhaft, sondern als Aufforderung zur Tätigkeit als Medium beurteilte. Sie folgte seinem Rat und fand zunehmend Wertschätzung auf diesem Gebiet. C. wurde des Öfteren untersucht, doch niemals beanstandet. Ihre hellseherischen, psychometrischen Fähigkeiten sowie ihre Botschaften Verstorbener an die Lebenden fanden großen Anklang.
Lit.: Weldon, Warren: A Happy Medium: the Life of Caroline Randolph Chapman. Foreword by Hugh Lynn Cayce. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall, [1970].
Chapman, George William (*4.02.1921 bei Liverpool; † 9.08.2006), britischer Geistheiler.
C. arbeitete nach der Schulzeit in einer Autowerkstätte, in einem Schlachthof und im Hafen. Während des Krieges war er Sergeant bei der britischen Luftwaffe und ab 1946 Feuerwehrmann; schließlich wurde er Heiler. Dazu führten ihn zwei tiefgreifende Ereignisse: der Tod seiner Tochter vier Wochen nach der Geburt 1945 und das > Glasrücken, das er als Feuerwehrmann von seinen Kollegen in der Freizeit gelernt hatte und zu Hause mit seiner Frau fortsetzte. Sehr bald meldete sich über das von den Händen auf einem Alphabet geschobene Glas seine früh verstorbene Mutter und berichtete, dass sie die verstorbene Tochter betreue. In weiteren Mitteilungen wurde er auf seine Heilkräfte aufmerksam gemacht. Daraufhin bildete er sich in spiritistischen Sitzungen zum Volltrance-Medium aus. Zuerst sprachen verschiedene Geistwesen durch seinen Mund, doch allmählich wurde ein Dr. Lang der alleinige Verbindungsmann, dessen Name ihm bis dahin unbekannt war.
Dr. med. William Lang, geb. am 28.12.1852, war Arzt und machte sich als Diagnostiker und Chirurg wie als Wissenschaftler einen guten Namen. 1881 gründete er mit Kollegen die Britische Ophthalmologische Gesellschaft. Lang verfasste auch mehrere Arbeiten über Augenheilkunde und führte Verbesserungen bei der Augenoperationstechnik ein. Er starb am 13. Juli 1937.
Ab 1951 wirkte Dr. Lang dann als Geisterarzt durch die Stimme und die Hände des Mediums C., der einige Jahre später seinen Beruf als Feuerwehrmann aufgab. Beim Heilen war C. in > Volltrance, die beim Eintreffen des ersten Patienten am Morgen einsetzte und am Nachmittag nach Beendigung der Sprechstunde endete. Über die Zwischenzeit wusste C. hinterher nichts. Dr. Lang operierte überwiegend den Astral- oder > Geistkörper indem sich C. über den Patienten beugte und in geringem Abstand mit seinen Händen über dessen Kleidung wie ein Chirurg unsichtbare Gewebe herausholte und mit einer unsichtbaren Spritze Injektionen gab. Die Behandlung bewirkte bei manchen Kranken beeindruckende Besserungen, bei anderen blieb sie völlig erfolglos. Der Andrang war groß.
Lit.: Hutton, Joseph Bernard: Healing Hands. London: W. H. Allen, 1966; Chapman, George: Operationen am Aetherleib. Remagen: Der Leuchter, Reichl, 1979.
Chappaz, Maurice (*21.12.1916 Lausanne; † 15.02.2009 Martigny VS), war einer der bekanntesten französischsprachigen Schweizer Dichter aus dem Kanton Wallis. C. studierte Jura und Literatur in Saint-Maurice und Lausanne. Ab 1939 schrieb er über vierzig Bücher. 1947 heiratete er die Dichterin Corinna Bille und hatte mit ihr drei Kinder. C. war Dichter, Weinbauer, Essayist und Übersetzer aus dem Lateinischen. 1997 erhielt er den großen Schillerpreis, den bedeutendsten Literaturpreis der Schweiz. Seine Literatur ist immer auch durchtränkt vom Mythischen. Vor allem aber war er Umwelt- und Kulturschützer mit bissiger Feder.
Im deutschsprachigen Wallis und darüber hinaus ist er besonders durch seine Bücher „Die Walliser“, „Rinder, Kinder und Propheten“, „Die hohe Zeit des Frühlings“ und vor allem durch sein poetisches Pamphlet „Die Zuhälter des ewigen Schnees“ bekannt geworden.
Lit.: Bergseen der Schweiz / Texte von Maurice Chapaz und Hans Heierli, mit Aufnahmen von Edmond van Hoorick. Zürich: Buchclub Ex Libris, 1981.
Character Magico-Cabbalistico-Sophicus (lat., “Schrift [character] magisch-kabbalistischer Weisheit“), in Latein abgefasste alchemistisch-theosophische Schöpfungs- und Naturgeschichte (68 Quartseiten). Sie enthält das Gedankengut des > Opus Mago-Cabalis-
ticum et Theologicum, das dem Schwaben Georg von Welling (1652–1727) zugeschrieben wird. Über Welling, der vom französischen > Abbé de Villars (1635 –1673) und seinem „Le Comte de Gabalis“ (Der Graf von Gabalis) beeinflusst war, führt der Weg zu > Paracelsus und zur > Magia naturalis des Giovanni Battista > della Porta (1535 –1615).
Ferdinand Runkel hat nach einer ihm zugänglichen Kopie des C. den Inhalt dieser Lehrschrift zusammenfassend wiedergegeben. Auf einer Tafel mit 24 magisch-kabbalistischen Zeichen findet sich nach Auffassung Runkels die Symbolik, welche die pansophische Kosmogonie darstellt.
Frick, Karl R. H.: Die Erleuchteten: gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Graz: ADEVA, 1998, S. 264 –267.
Charadrius, Caradrius (vulgärlat.; griech. charadrios), ein im Physiologus, einem frühchristlichen Kompendium der Tiersymbolik (im 2. Jh. vermutlich in Alexandria, Ägypten, entstanden), in Text und Bild dargestellter Vogel, der am Bett eines Kranken die Heilungsmöglichkeit anzeigt: Setzte er sich so hin, dass sein Kopf dem Kranken zugekehrt war, besagte dies Aussicht auf Heilung; wandte er den Kopf jedoch ab, gab es keine Hoffnung.
Was im deutschen MA über C. berichtet wird, geht auf den jüngeren Physiologus zurück, eine um 1130 niedergeschriebene Übersetzung der lateinischen Bearbeitung einer griechischen Zoologie aus dem 2. Jh. Auch dort steht, dass wenn der Vogel sich abwende, der Kranke sterbe, wenn er sich ihm jedoch zuwende und den Schnabel über den Mund des Kranken halte, um dessen „Unkraft“ an sich zu nehmen, und sodann zur Sonne auffahre, werde der Kranke gesund. Diese Eigenschaft wurde auf Christus übertragen, der unsere Krankheiten und Schmerzen auf sich nahm. So wurde der dem Kranken zugewandte C. zum Symbol für Christus.
Ähnliches sagt > Albertus Magnus, der neben Caladrius auch die Form Caladrion nennt und hinzufügt, dass der Vogel aus Persien stamme und von manchen Königen als Orakeltier bei Krankheiten gesucht werde.
Lit.: Albertus <Magnus>: De animalibus, 12. Jan. 1479; Lauchert, Friedrich: Geschichte des Physiologus. Straßburg: Trübner, 1889; Henkel, Nikolaus: Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen: Niemeyer, 1976; Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik; übers. u. hrsg. von Ursula Treu; Berlin: Union Verlag, 1981.
Charaktere(s) (griech. charakter, das Eingegrabene, von griech. charássein, eingraben, einritzen), ursprünglich Bezeichnung für magische > Symbole ohne unmittelbaren Mitteilungscharakter, die an sich magisch wirken (> Runen). Solche magische Symbole finden sich in > Zauberbüchern, auf > Talismanen, > Amuletten, Medaillen, Metallblättchen aus Gold, Silber, Zinn und Blei (vgl. die > Fluchtafeln).
Im Altertum wurden > Hieroglyphen, bei den Arabern > Keilschriften und in der europäischen > Magie besonders hebräische Geheimschriften, wie das Alphabet des David, benutzt.
Der Glaube, dass bestimmte Zeichen Träger magischer Kräfte sind und durch Rituale aktiviert und verstärkt werden können, ist weit verbreitet. In den Zauberbüchern sind die Zeichen oft nur in Verbindung mit dem > magischen Quadrat zu verstehen. Die älteren C., die schon in griechischen Zauberpapyri enthalten sind, können nach ihrer Herkunft nicht gedeutet werden. Es handelt sich wohl um verstümmelte Schriftzeichen wie in der Astrologie, mit Ausnahme von Sonne und Mond. In einem stark jüdisch gefärbten Zauber dienten die C. auch als Schutzmittel.
Die Kirche hat die verbreiteten Bräuche mit C. von Anfang an bekämpft, ohne sie jedoch ausrotten zu können. So erwähnt sie Chryros-
tomus (in Gal. Migne P. Gr. 61, 623), Basilius (in ps. 45. Opp. ed. Garnier, Paris 1721), Julian von Halicarnass, der ausdrücklich von auf Zinn- und Bleiplatten geritzten Zeichen spricht (in Job tract. 3), und Nicolaus von Dünckelspühel, der die „ignoti characteres“ (Panzer: Beiträge 2, 257) verbietet.
Die > Charakteromantie hat hingegen mit diesen C. nichts zu tun, sondern betrifft die Deutung von Vorzeichen (> Prodigia).
Später wurden C. in der Psychologie, vor allem des deutschsprachigen Raumes, zur Bezeichnung der individuellen Besonderheit eines Menschen, seiner Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale, womit sich Charakterologie und Persönlichkeitspsychologie befassen; in einer stark an der Verhaltensforschung orientierten Psychologie ist von diesem Thema nur am Rande die Rede.
Für die > Paranormologie sind die persönlichen Besonderheiten Ausgangspunkt für die Prüfung etwaiger paranormaler Begabungen, wie deren Handhabung und persönlichen Integration. > Sensitive.
Lit.: Panzer, Friedrich: Beitrag zur deutschen Mythologie. Bd. 2. München, 1845; Schwarz-Winklhofer / Biedermann, H. (Hg.): Das Buch der Zeichen und Symbole. Graz: Verlag für Sammler, 1972; Wirth, Bernhard P.: Alles über Menschenkenntnis, Charakterkunde und Körpersprache: von der Kunst, mit Menschen richtig umzugehen. Heidelberg: mvgVerl., 2007.
Charakteromantie, späte Neubildung zur Bezeichnung sämtlicher Wahrsageformen, die aufgrund von allerlei Zeichen, Charakteren und Buchstaben sowie basierend auf > Zauberworten oder > Zauberzeichen geübt werden. Auch > Onomatomantie, > Gematrie, > Geheimschriften, > ars notoria und > Tachygraphie werden dazugerechnet, wie in der einzigen Sonderschrift zur C. zu lesen ist.
Lit.: Rüdel, Hermann: Characteromantia. Diss., Altdorf, 1693.
Charakterpanzerung, von Wilhelm > Reich geprägter Begriff zur Bezeichnung der gesamten muskulären und psychischen Verspannungen beim Menschen. Die körperlichen Spannungen zeigen sich meist in Steifheit, Starre und Unbeweglichkeit, die psychischen in stereotypen Abwehrmechanismen wie Lächeln, Ironie, Hochmut oder Kichern. Nach Reich bilden sich solche Verhaltensformen meist von Kindheit an zur Abwehr bedrohlicher Impulse, Affekte und Triebregungen und werden nicht selten zu Charakterzügen. Diese dienen als „Panzer“ zum Schutz gegen schmerzliche oder bedrohliche Erlebnisse. Es handelt sich also um eine Form von „Schutzinstinkt“, der gezielt eingesetzt hilfreich sein kann, um eine konkrete Situation unverletzt zu meistern. Wird er jedoch zur Dauerreaktion auch schon bei latenter Anforderung, dann mindert er nicht nur den persönlichen Freiheitsraum, sondern auch die Entfaltung einer sicheren Persönlichkeit. Entspannungsübungen und Gefühlsmodifikationen können dies verhindern. > Bioenergetik.
Lit.: Reich, Wilhelm: Charakteranalyse. Wien: Selbstverl., 1933; ders.: Die Entdeckung des Orgons. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1969; Lowen, Alexander: Bioenergetik: Therapie der Seele durch Arbeit mit dem Körper. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 2002.
Charcot, Jean Martin (*29.11.1825 Paris; † 16.08.1893 Morvan), französischer Psychiater und Hypnotiseur.
C. studierte Medizin und begann seine medizinische Laufbahn als Anatom und Pathologe. 1862 wurde er Abteilungsleiter der Heilanstalt „Salpêtrière“, 1872 erhielt er eine Professur der pathologischen Anatomie. In der Salpêtrière, einem alten Pariser Krankenhaus, das seinerzeit zugleich Armenpflegeheim für einige tausend alte Frauen war, beobachtete er die Anfälle der Epileptikerinnen und sah, dass Hysterikerinnen diese Anfälle nachahmten. Er suchte daher nach Kriterien zur Unterscheidung von Hysterie und Epilepsie und studierte dazu ab 1878 auch die > Hypnose. Als er dann feststellte, dass es organische und hysterische Lähmungen gibt, versuchte er solche durch Hypnose hervorzurufen, was gelang. So kam er zur Ansicht, dass Hypnose nichts anderes sei als eine künstliche Hysterie.
C. bediente sich verschiedener Techniken und benutzte zur Einleitung der Hypnose vor allem den Schreck. Bei diesen Schreckszenarien fielen die Geisteskranken in Gruppen in einen hypnotischen Zustand. Dabei zeigten sich an der Grenze der Physiologie außergewöhnliche und unerklärliche Tatsachen, die nach C. keinem einzigen physiologischen Gesetz unterworfen sind, und er machte den unwiderlegbaren Ausspruch: „Es ist der Glaube, der heilt.“
C. befasste sich nun intensiv mit Hypnose, entwickelte eine Systematik und stand als Haupt der sog. „Pariser Schule“ im Gegensatz zur Schule von Nancy, die mit normalen Menschen experimentierte, während die Patienten von C. Geisteskranke waren. In diesem Zusammenhang untersuchte er auch das Phänomen der > Besessenheit bzw. der Besessenheitsepidemien und erstellte die Bildersammlung Les Demoniaques dans l’Art (1887).
1885/86 weilte auch Sigmund > Freud an der Salpêtrière. Er baute später die Erkenntnis von C., dass unbewusste „fixe Ideen“ manchen Neurosen zugrunde liegen, weiter aus.
W.: Krankheiten des Nervensystems, insbesondere über Hysterie. Leipzig: Toeplitz & Deuticke, 1886; Die Besessenen in der Kunst. Göttingen: Steidl, 1988.
Chari, Cadambur Tiruvenkatachari Kri-
shnama (*5.06.1909 Tiruvellore; † 5.01.1993 Tambaram), indischer Philosoph.
C. promovierte 1953 an der Madras-Universität zum Dr. phil. und wurde 1956 Prof. für Philosophie und Psychologie am Madras Christian College in Tambaram. Er gehört zu den weltweit bedeutendsten Philosophen, die sich mit paranormologischen Themen wie > Parapsychologie, > Astrologie, > Thanatologie und > Mystik befassten. Gegenüber den Reinkarnationsuntersuchungen von Jan > Stevenson in Südasien, mit dem er in Verbindung stand, verhielt er sich zurückhaltend.
W.: Quantum Physics and Parapsychology. Journal of Parapsychology 21 (1957); Comments on Parapsychology and “Reincarantion”. Indian Journal of Parapsychology (1962) 3, 22–26; ESP and the “Theory of Resonance”. Britisch Journal for the Philosophy of Science 15 (1964); Critical Review to Stevenson’s Twenty Cases (1967).
Charila (griech.), Name eines Mädchens, nach dem das alle neun Jahre gefeierte Fest benannt wurde, über dessen Ursprung Plutarch (ca. 45 –125) berichtet.
Zu > Delphi war eine große Hungersnot ausgebrochen. Die Bevölkerung kam zum König, um Nahrung zu erbitten. Dieser verteilte diese jedoch nur an höhergestellte Bürger. Als ihn das Waisenmädchen C. inständig um Essen bat, schleuderte er zornig seinen Schuh nach ihm. Das Mädchen grämte sich so sehr, dass es in den Wald ging und sich mit ihrem Gürtel erhängte. Daraufhin wurde die Not noch größer, denn es kamen ansteckende Krankheiten dazu. Man befragte die > Pythia und diese sagte, die > Manen von C. müssten versöhnt werden. Man suchte nach dem Mädchen, fand schließlich seinen Leichnam und wiederholte den Vorgang. Der König verteilte wieder Nahrung, diesmal aber an alle, Einheimische wie Fremde. Dann warf er seinen Schuh einer Strohpuppe, die C. darstellte, ins Gesicht, brachte sie an den Ort des Selbstmordes von C. und begrub sie mit einer Schlinge um den Hals. Dieser Ritus wurde seitdem alle neun Jahre unter dem Namen C. wiederholt.
Lit.: Plutarch: Quaestiones Graecae („Griechische Fragen“) Nr. 12.
Charing Cross Spirit Circle, erster spiritistischer Zirkel in London, der im Januar 1857 gebildet wurde und später in der London Spiritualist Union aufging. Als durch die Aktivitäten eines Mediums namens „Jones“ Schwierigkeiten auftraten, gründeten dessen ehemalige Anhänger eine neue Gruppe, den Circle of Spheral Harmony.
Lit.: Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Second Edition. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.
Charis > Chariten.
Charisma (griech., Gnadengabe, Geschenk, von > charis, Geschenk, Liebenswürdigkeit), vom Apostel Paulus in die christliche Literatur eingeführter Begriff zur Bezeichnung christlicher Gnadengaben (prophetische Re-
de, Lehre und Ermahnung, Barmherzigkeit) und Ämter, die als Manifestation der Charis, der Gnadenmacht Gottes und seines Geistes, zu verstehen sind. Außer im Brief an die Römer und im 1. und 2. Korintherbrief findet sich C. nur noch in 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6 und 1 Petr 4,10. Dabei beschränkt Paulus C. nicht nur auf außergewöhnliche ekstatische (> Ekstase) Phänomene, sondern sieht sein Wirken auch im alltäglichen Leben der Gemeinde, in dem die Liebe sich als größtes C. zu bewähren hat (1 Kor 13).
Im Gegensatz zu den rein immanenten außergewöhnlichen Phänomenen sind Charismen die Frucht der Einwirkung des > Heiligen Geistes auf die einzelnen Glaubenden durch Gaben, die auf vielfache Weise spontan gegeben werden. Sie stehen auch dem kirchlichen Amt bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Seite. Für Paulus fallen unter C. auch Ehe und Ehelosigkeit, Kassenverwaltung und Diakonie. In apostolischer Zeit waren folgende Charismen von besonderer Bedeutung: > Weisheit, > Erkenntnis, Stärkung, > Unterscheidung der Geister, Gemeindedienste, Sprachengabe, bergeversetzende Glaubenskraft, > Prophetie, > Heilung.
Da es in der Praxis schwierig ist, die Echtheit dieser außergewöhnlichen Gaben zu erkennen, weshalb schon Paulus gewisse Formen, wie etwa das > Zungenreden, eher skeptisch beurteilt, hat sich die Theologie mit fortschreitender Rationalisierung damit kaum noch befasst. Außerdem hat die Überbetonung einzelner Charismen in verschiedenen Bewegungen den Abstand zur Theologie noch vergrößert. Andererseits wurden im Falle kirchlicher Ablehnung außergewöhnliche Phänomene oft als dämonische Illusionen hingestellt. Heute spricht man lieber von paranormologischen Randgebieten, mit denen die Theologie nichts zu tun hat. Erst als das II. Vatikanum vom Wirken des Geistes Gottes in allen Mitgliedern der Kirche sprach (LG 32), wurde C. wieder von theologischem Interesse. So gehört nach Karl Rahner „das Charismatische ebenso notwendig und dauernd zum Wesen der Kirche wie das Amt und die Sakramente“ (LThK2 2, 1027).
Die fortschreitende Säkularisierung hat C. schließlich zu einem Alltagsphänomen gemacht, das nicht mehr aus der göttlichen Inspiration schöpft, sondern aus dem Begriff des „Außeralltäglichen“, den Max Weber (1864 –1920) in seine Herrschaftssoziologie aufnahm. C. wird bei ihm zum Inbegriff des „Führers“, der Persönlichkeit, von der geglaubt wird, dass sie „mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem anderen zugänglichen Kräften oder Eigenschaften“ (Wirtschaft, S. 140) ausgestattet sei. Damit erhält C. den Stellenwert einer Einbildung, während der „Führer“ mit einer > Aura umgeben wird, die man als „Ausstrahlung“ bezeichnet.
Lit.: Rahner, Karl: Das Dynamische in der Kirche. Freiburg i. Br.: Herder, 1958; Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen: Mohr, 51976; Charisma, in: TRE. Berlin: Walter de Gruyter 7 (1981), S. 682– 698.
Charismatik (griech. charisma, Gnadengabe), Handeln mit Gnadengaben in Form intuitiver und persönlicher Einschätzung. Dieses Handeln, in dem das Fühlen dem Denken vorausgeht und meist die zentrale Rolle spielt, findet Ausdruck in verschiedenen Bewegungen, wie > Pfingstbewegungen, > Erweckungsbewegungen, > Erneuerungsbewegungen unterschiedlicher Richtung bis hin zu esoterischen Praktiken und satanischen Identifikationen. Dabei geht es vor allem darum, durch persönliche Ausstrahlung und besondere Anziehungskraft anderen Menschen > Charisma zu vermitteln. Neben wirklich begabten Personen tummelt sich in der C. eine Schar von Besserwissern und Alternativpropheten ohne jede Kompetenz und Realitätskontrolle, worauf bereits der Apostel > Paulus bei aller Wertschätzung der Charismen hinweist (1 Kor 14,23). > Charismatiker.
Lit.: Balthasar, Hans Urs von: Thomas und die Charismatik: Kommentar zu Thomas von Aquin, Summa theologica quaestiones II II 171–182; Besondere Gnadengaben und Die zwei Wege menschlichen Lebens. Einsiedeln: Johannes, 1996; Ebertshäuser, Rudolf: Die Charismatische Bewegung im Licht der Bibel. Bielefeld: CLV, 21998; Hempelmann, Reinhard: Licht und Schatten des Erweckungschristentums. Ausprägungen … pfingstlich-charismatischer Frömmigkeit. Stuttgart: Quell-Verlag, 1998; Schmid, Georg: Kirchen, Sekten, Religionen … im deutschen Sprachraum. Zürich: Theologischer Verlag, 72003.
Charismatiker (griech. charisma, Gnadengaben), nach dem Apostel Paulus Menschen die durch Vermittlung des Heiligen Geistes über besondere Gaben verfügen und diese für das Allgemeinwohl einsetzen. „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist … Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern … die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten“ (1 Kor 12,4, 8-10).
Diese Aufzählung erhebt zwar keinen Anspruch auf Exklusivität, weist aber nicht nur auf die Vielschichtigkeit der Gaben hin, sondern vor allem auch auf deren individuelle Verteilung. Dabei muss der C. der Allgemeinheit dienen, denn die Gabe hat er nicht nur für sich bekommen. Dies gilt auch für Bewegungen und Gruppen. Als Träger von Charismen haben sie der Allgemeinheit zu dienen, sonst handeln sie wider den Heiligen Geist und ihre Gaben werden versiegen. Sektierertum, Fundamentalismus und Besserwisserei widersprechen den Gaben des Heiligen Geistes. > Charisma.
Lit.: Balthasar, Hans Urs von: Thomas und die Charismatik: Kommentar zu Thomas von Aquin, Summa theologica quaestiones II II 171–182, Besondere Gnadengaben und Die zwei Wege menschlichen Lebens. Einsiedeln: Johannes-Verlag, 1996; Hempelmann, Reinhard: Panorama der neuen Religiosität: Sinnsuche und Heilsversprechen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2001 Reihe Gottsucher, Mystiker, Charismatiker. St. Ottilien: EOS-Verlag, o. J.
Charismatische Bewegung, christliche Lebensgestaltung in der Überzeugung, dass der Heilige Geist besondere Gaben (griech. charisma) und Inspirationen verteilt, die innerlich erfahrbar und lebenswert sind. Sie entstand in den 1960er Jahren in einer Episkopalkirche in Kalifornien und sprang 1967 auf die katholische Kirche über (Catholic Pentecostals), wo sie zu starker Wirkung und Ausbreitung gelangte.
Die eigentlichen Wurzeln der C. liegen in der Urgemeinde und den damit verbundenen Aussagen des Apostels Paulus zu den Charismen (1 Kor 12,4, 8-11). Durch die fortschreitende Rationalisierung von Theologie, Wissenschaft und Gesellschaft wurde die innere Erlebnisdynamik immer mehr zurückgedrängt und fand zusehends nur mehr in esoterischen und privaten Kreisen eine alternative Ausdrucksform. Als schließlich Theologen auch die > Wunder in Frage stellten, besannen sich gläubige Kreise und Einzelpersonen des hl. Paulus, aus dem sie die Inspiration für die Gaben des Geistes bezogen. Aus dieser neuen Sicht der Wirkung des Heiligen Geistes setzte man in einem neuen Verständnis der Person im Kielwasser der > Heiligkeitsbewegung des 19 Jh. und der 1906/7 entstandenen > Pfingstbewegung auf eine veränderte Erfahrung der Gegenwart Gottes. Bei dieser Erfahrung fühlte sich so mancher vom Wirken des Heiligen Geistes erfasst (Lk 3,16; 24,49), zuweilen begleitet von Zungenreden, Gemeindeprophetie oder Heilung. Der gemeinsame Gottesdienst entfaltete sich in einer unverkennbaren Dynamik und fand rasch weltweiten Anklang. 1973 wurde die Bewegung von Papst Paul VI. bestätigt, und bei einer charismatischen Messe in St. Peter 1975 forderte er die > Charismatiker der ganzen Welt auf, die Freude des Heiligen Geistes mit jedermann zu teilen. Von der Pfingstbewegung unterscheidet sich die C. weniger durch ihr Erscheinungsbild als vielmehr durch ihr theologisches Verständnis.
Lit.: Kuen, Alfred: Die charismatische Bewegung: Versuch e. Beurteilung. Wuppertal: Brockhaus, 1976; Hocken, Peter D.: Streams of renewal: the origins and early development of the charismatic movement in Great Britain. Exeter: Paternoster Press, 1997; Ebertshäuser, Rudolf: Die charismatische Bewegung im Licht der Bibel. Bielefeld: CLV, 1998.
Charismatische Führung, außergewöhnlich erfolgreiche Leitung durch spontanes Verhalten, intuitives Erfassen einer bestimmten Situation und wegweisende Ausstrahlung – Eigenschaften, die von den Geführten widerspruchslos bis freudig angenommen werden. C. ist ein paranormales Phänomen, das sich aus der spontanen Interaktion von Führer und Geführten ergibt. Dieses Phänomen kann situationsgebunden, aber auch situationsüberdauernd sein, und zwar je nachdem, ob die Qualität der führenden Persönlichkeit und deren Ausstrahlung selbst situationsgebunden oder situationsüberdauernd ist. Dabei wird hier unter Ausstrahlung eine nicht messbare Wirkform einer Person nach außen verstanden, die von den Geführten spontan als verhaltensfördernd wahrgenommen wird.
Lit.: Hauser, Markus: Charismatische Führung. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag / Gabler, 2000; Lexikon der Psychologie 1. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2001.
Charismatisches Heilen, Heilen vornehmlich durch Handauflegung in Versammlungen der > charismatischen Bewegung, aber auch von Einzelpersonen, durch Anrufung des > Heiligen Geistes. > Geistheilung.
Lit.: Edwards, Harry: Praxis der Geistheilung. Spirituelles Heilen verstehen und praktizieren. Riehen: Verlag Andreas Mächler, 2009.
Chariten (griech. Plural von charis, Anmut, Gnade), drei Töchter des > Zeus und der > Eurynome. Ihre Namen sind Aglaia (Glanz), Euphrosyne (Frohsinn) und Thaleia (Blüte). In der Kunst und im Mythos treten sie im Gefolge der > Aphrodite, des > Hermes und des > Apollon auf und bringen Göttern und Menschen Anmut, Schönheit und Festesfreude. Sie sind den > Nymphen verwandt und befinden sich gern in Gesellschaft der > Horen und > Musen. Bei den Römern entsprechen sie den > Grazien.
Ursprünglich gab es wahrscheinlich nur eine Charis (Singular). Sie war vielleicht die Gemahlin des Hephaistos, dem sich die Göttin als Personifikation der Anmut zugesellte. Sie wurde in Sparta, Attika, aber auch in anderen Gegenden > Griechenlands kultisch verehrt.
Die oben genannte Dreizahl der C. geht auf > Hesiod zurück. Der besondere Wert der Gaben, welche die C. den Menschen bringen, wird von > Pindar in der 14. olympischen Ode gepriesen und gilt den C. von Orhomenos.
Lit.: Schwarzenberg, Erkinger: Die Grazien. Bonn: Habelt, 1966; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. s.l.: Verlag Brüder Hollinek, 1988; Lucius Annaeus Cornutus: Einführung in die griechische Götterlehre. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2010.
Charlottenburg-Spuk. Ende Januar 1929 wurde durch den Vorsitzenden der „Gesellschaft für parapsychologische Forschung“, Sanitätsrat Paul Bergmann, darauf hingewiesen, dass sich in der Traugottstraße 42 in Charlottenburg seit einiger Zeit Spukphänomene ereigneten, die an das kleine Mädchen Lucie gebunden zu sein schienen.
In ihrer Not wandte sich die Familie Albert Regulski an Pfarrer Hillebrandt, der sich der Sache annahm. Es handelte sich vornehmlich um Klopfgeräusche an den Zimmerwänden sowie um das Werfen und Bewegen von Gegenständen und Einrichtungen.
Die Untersuchungen durch Sanitätsrat Bergmann und weitere Personen, die vor allem in Beobachtungen bestanden, führten zu der Feststellung, dass die wahrgenommenen Phänomene von einer Intelligenz hervorgerufen wurden, die sich außerhalb der kleinen Lucie manifestierte und mit dieser in keinerlei Zusammenhang stand, zumal die Phänomene auch in Gegenwart anderer Personen (und auch in anderen Häusern) auftraten.
Übrigens befasste sich neben der Tagespresse einige Monate später, am 21. November und am 14. Dezember 1929, auch das Amtsgericht in Charlottenburg mit dem Spukfall, nachdem der Hausherr wegen der Vorkommnisse eine Räumungsklage gegen die Familie eingebracht hatte, die jedoch abgelehnt wurde.
Lit.: Grabinski, Bruno: Spuk und Geistererscheinungen. Graz: Styria, 1953; Zeitschrift für Parapsychologie, Heft 7 vom Juli 1929, Heft 10 vom Oktober 1929; Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Rankin, Robert: Der Tanz der Voodoo-Tasche. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2002.
Charnock, Thomas (1524?–1581), englischer Alchemist. Das Geburtdatum ist unsicher, wenngleich er eines seiner Manuskripte auf 1574 datiert mit der Bemerkung, dass er es in seinem 50. Lebensjahr geschrieben habe. Wie alle Alchemisten strebte auch C. die Erzeugung von Gold an. Zweimal wähnte er sich dem Ziel sehr nahe, wurde jedoch enttäuscht: 1555 zerstörte eine Explosion in seinem Labor seine diesbezüglichen Hoffnungen; 1557 musste er für England gegen Frankreich in den Krieg ziehen. Vorher vernichtete er noch all seine Vorrichtungen und Arbeiten. Nach dem Krieg zog er sich dann nach Schottland zurück, um in Ruhe seiner Arbeit nachgehen zu können. Von den zahlreichen Schriften, die C. zugeschrieben werden, gelten Folgende als echt: Breviary of Natural Philosophy (1557) und Aenigma ad Alchimiam (1572). Das Breviary nahm Elias Ashmole in sein Theatrum Chemicum Britannicum auf.
Lit.: Hughes, Jonathan: The World of Thomas Charnock, an Elizabethan Alchemist. In: Mystical Metal of Gold: Essays on Alchemy and Renaissance Culture. Stanton J. Linden, AMS Press, 2006.
Charon (griech. / lat.), Fährmann in der griechischen Totenwelt, der als greiser Mann die ihm von > Hermes überbrachten Seelen über die Unterweltflüsse > Acheron, > Kokytos, > Styx u.a. zu den Pforten des > Hades führte. Voraussetzung war die Beerdigung der Toten in der Oberwelt und die Entrichtung eines Obolus als Fährlohn, den man den Verstorbenen unter die Zunge legte (sog. „Charonsmünze“ oder „Charonsgroschen“). Gräberfunde haben gezeigt, dass dieser Brauch z.T. von den Germanen übernommen wurde.
Früher, als noch die uralte Vorstellung von einem Jenseits galt, das über dem Meer lag und das Land der Lebenden von den Toten trennte, war C. der Fährmann, der aus dem Jenseits kam, um die Toten dorthin zu bringen. Als sich später die Vorstellung von einem unterirdischen Reich des Hades ausbildete, wurde ihm seine Funktion am Unterweltstrom zugewiesen.
Lebende durfte C. nicht transportieren, denn nur ein goldener Zweig öffnete ihnen die Pforten der Unterwelt. Dass er den > Herkules ohne diesen goldenen Zweig übersetzte, kostete C. ein Jahr Freiheit. Einigen griechischen Helden gelang es jedoch, C. zu überlisten, so > Orpheus durch sein Saitenspiel oder > Aeneas mit einem goldenen Bogen; auch > Odysseus kam ungeschoren an ihm vorbei.
Im neugriechischen Volksglauben lebt C. als Charos fort, der zumeist als gespenstischer Reiter auf schwarzem Ross auftritt.
Der etruskische C. unterscheidet sich vom griechischen C. insofern als seine halb tierische, furchterregende Gestalt und der Hammer, den er mit sich führt, ihn als einen Todesgott ausweisen, der die Verstorbenen in die Unterwelt geleitet.
Das Thema des C. hat auch in Kunst und Literatur seinen Niederschlag gefunden.
Lit.: Radermacher, Ludwig: Das Jenseits im Mythos der Hellenen: Untersuchungen über antiken Jenseitsglauben. Bonn: Marcus & Weber, 1903; Scholz, C. H.: Der Hund in der griechisch-römischen Magie und Religion. Berlin: Triltsch & Huther, 1937.
Charonium (griech. / lat.), Höhlen in Kleinasien, in der Landschaft Carien, eine bei Thymbra, die andere bei Nysa. Beide wurden vom Volk für heilig gehalten, da aus ihnen giftige Dünste strömten. So hielt man vor allem jene von Nysa für einen Ort göttlicher Einwirkung. Zudem war man der Ansicht, dass man dort > Träume empfangen könne, in denen die Heilmittel für gewisse Krankheiten angezeigt würden.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Charonten (von etrusk. charun; griech. charon, später charontes), männliche und weibliche Todesdämonen der > Etrusker, dargestellt meist mit einem Geierschnabel, spitzen Ohren und einem Hammer.
Lit.: Pfiffig, Ambros Josef: Religio etrusca: sakrale Stätten, Götter, Kulte, Rituale. Wiesbaden: VMA-Verl., 1998; Bonfante, Larissa / Swaddling, Judith: Etruscan Myths. University of Texas Press, 2006; de Grummond, Nancy: Etruscan Myth, Sacred History and Legend. Philadelphia: University of Philadelphia Museum, 2006.
Charroux, Robert (*7.04.1909 Payroux; † 24.06.1978), eigentl.: Robert Grugeau, französischer Schriftsteller und Journalist.
C. war ursprünglich bei der Französischen Post beschäftigt und wandte sich später hauptberuflich und mit Erfolg der Schriftstellerei zu. In den 1940er Jahren verfasste er die Texte für die französische Komikserie Atomas, sein Hauptinteresse galt jedoch der keltischen Hochkultur und der > Prä-Astronautik. In den Sachbüchern, von denen er in den Jahren 1963 bis 1974 allein acht veröffentlichte, versuchte C. den Beweis zu erbringen, dass die Götter in den Mythologien Astronauten waren, die über die Kenntnis von uns bis heute nicht bekannten kosmischen Strahlen verfügten. Für die Sintflut machte er das Eindringen des Planeten Venus verantwortlich.
C. war Mitglied der Ancient Astronaut Society und gilt als Pionier der Prä-Astronautik.
W. (Auswahl): Vergessene Welten. München: Droemersche Verlagsanstalt Knaur, 1986; Verratene Geheimnisse. Frankfurt / M.: Ullstein, 1987; Phantastische Vergangenheit. Frankfurt / M: Ullstein, 1990; Das Rätsel der Anden. [München]: ECON-Taschenbuch-Verl., 1997; Die Meister der Welt. Unbekannt – geheimnisvoll – phantastisch. Düsseldorf: Econ Taschenbuchverlag, 1997.
Chartomancie, Chartomantie (engl. chartomancy) > Kartomantie.
Chartres, Kathedrale von. Chartres ist die Hauptstadt und die wichtigste Stadt des Départements „Eure-et-Loir“, 90 km südwestlich von Paris gelegen, und beherbergt mit seiner Kathedrale eines der herausragendsten gotischen Bauwerke der Welt.
Geschichte
Die Anfänge der Stadt liegen im Dunkeln. In Cäsars „Gallischem Krieg“ ist sie als Autricum erwähnt, doch ist die dortige Wallfahrtsstätte bedeutend älter. Man vermutet, dass der Granithügel, auf dem die Kathedrale heute steht, bereits in vorchristlicher Zeit den > Druiden als Heiligtum diente. Auf dem Hügel wurden eine Steingrabkammer (Dolmen) und ein > Brunnen errichtet, dessen Wasser heilende Kraft gehabt haben soll.
Im 4. Jh. wurde C. Bischofsstadt. Auf den bescheidenen hölzernen Kirchenbau folgten mehrere Steinbauten, die wiederholt durch Brände zerstört wurden. Der 876 eingeweihten Kirche übergab Karl der Kahle den Schleier der Jungfrau Maria als Reliquie, den sie beim Empfang der Botschaft ihrer Erwählung als Mutter Gottes durch den Erzengel Gabriel getragen haben soll und der heute als ca. 30 x 30 cm großes Tuch in der Kathedrale zu besichtigen ist. Damit wurde die Kathedrale zu einer Marienkirche.
Um 1020 initiierte Bischof Fulbert den ersten romanischen Bau, von dem uns nur noch die weiträumigste Krypta Frankreichs, die Türme und die nach einem kleinen Brand von 1134 in den Jahren 1145 bis 1150 neu errichtete Westfassade erhalten geblieben sind. Der verheerende Brand von 1194, den der Reliquienschrein mit dem „Schleier der Jungfrau Maria“ unversehrt überstand, rief innerhalb Europas eine Welle der Hilfsbereitschaft hervor. Könige, Adelige, Bischöfe und reiche Bürger schickten Spenden oder auch ihre Bauleute nach Chartres, sodass noch im gleichen Jahr mit dem Bau der heutigen gotischen Kathedrale begonnen werden konnte; diese wurde bereits 1220 fertiggestellt. Die offizielle Einweihung fand am 24. Oktober 1260 statt. 1979 wurde die Kathedrale in das Register des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Das in Stein gemauerte Geheimnis
Die imposante architektonische Erscheinung der weithin über die Stadt hinaus sichtbaren Kathedrale birgt ein in Stein gemauertes Geheimnis, das erst zu einem kleinen Teil entschlüsselt wurde: Woher kam das spontane Wissen für diese größte und erste gotische Kathedrale? Warum wurde die Kathedrale so mächtig gebaut, obwohl Chartres im Mittelalter ein Marktflecken mit nur einigen tausend Einwohnern war? Warum ist die Vierung von Notre Dame de Chartres nicht quadratisch? Wo liegt das heilige Zentrum, von dem aus die erste „ursprüngliche“ Kirche gebaut wurde? Das sind nur einige der noch offenen allgemeinen Fragen, ganz zu schweigen von den vielen Detailfragen, die sich dem Besucher nach wie vor stellen.
Die Heilige Geometrie
Einige Antworten erhält man durch die Anwendung der > Heiligen Geometrie. Diese arbeitet wie die „profane“ Geometrie, stellt aber einen spirituellen Bezug her. Ihr Urmuster ist die „Blume des Lebens“. Gott als Kreis in der Mitte, umgeben von 19 weiteren Kreisen in gleichem Abstand. Darstellungen dieser Lebensblume finden sich am ägyptischen Tempel von Abydos und in Werken Leonardo da Vincis. In der Kathedrale von Chartres ist sie im Grundriss versteckt. Nach diesem Grundriss teilt das Heilige Zentrum das Längsschiff im Verhältnis 2:1, was harmonikal exakt der Oktav entspricht, und legt das Verhältnis zum Querschiff als Quinte (3:2) fest. In der Gliederung des Kirchenschiffes finden sich vielfach der Musik entsprechende Relationen wie Oktave, Quinte, Quarte usw., genauso wie der Goldene Schnitt, der das Größenverhältnis des Längs- und Querschiffes bestimmt.
Die Skulpturen der Portale
Neben der architektonischen Grundstruktur ist auch die künstlerische Ausgestaltung der Kathedrale voller Symbolik.
An der Westfassade zeigt das Portal der Geburt Jesu die Sieben Freien Künste. Sie gehen auf das Altertum zurück und bilden seit Augustinus in der Einteilung Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) wie Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Physik) die Grundlage des klösterlichen Bildungsweges. Jeder Wissenschaft ist als Vertreter ein antiker Philosoph zugeordnet. In den Archivolten des linken Portals finden sich die Zeichen des > Tierkreises und Szenen der menschlichen Arbeit für jeden Monat im Jahreskreis. Das Mittelportal ist das Portal der endzeitlichen Theophanie. Nicht Jesus richtet, die Richter sind die 12 Apostel.
Das Nordportal ist der Jungfrau Maria gewidmet und enthält Darstellungen aus dem AT: Schöpfungsgeschichte, das Leiden Jobs, das Urteil Salomons und das Leben Marias.
Das Südportal veranschaulicht die Aussendung der Jünger, das Jüngste Gericht, die Märtyrer und Bekenner.
Fenster
In den Fenstern begegnet man der mystischen Theologie des > Dionysius Areopagita. Im Mittelpunkt seines Werkes steht die Idee: Gott ist das Licht! An diesem Licht hat jede Kreatur Anteil. Sie empfängt seine göttliche Erleuchtung, um sie selbst wieder auszustrahlen. Diese theologischen Aussagen sind eingebettet in die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der > Fibonacci-Reihe, des > Goldenen Schnitts, des > Pentagramms, der Zahl > Zwölf und des > Labyrinths.
Zahlenmystik
Beim Rundgang durch die Kathedrale begegnet man auf Schritt und Tritt der > Zahlenmystik, eingedenk der Worte der Bibel: „Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weish 11,20).
Ort der Kraft
Die Kathedrale gilt auch als > Ort der Kraft, vor allem der Chor und die Krypta, wohin sich im Mittelalter die Pilger zur Heilung begaben, um vom Wasser des im 17. Jh. zugeschütteten Brunnens zu trinken. Als besonders positiv wird die Energie genau in der Mitte des Westportals, unter der Jesus-Vesica, empfunden.
Abbild des Kosmos
Die Kathedrale von Chartres ist in ihrer Architektur und Ausstattung ein Abbild des gesamten > Kosmos. Wie Gott die > Planeten angeordnet hat, so dass sie in ihren Umläufen um die > Sonne die > Sphärenmusik erklingen lassen, so hat auch der Mensch göttliche Gesetze verwendet, um durch die Geometrie vollendete Schönheit und durch konstruktive Gestaltung vollendeten Wohlklang zu erzeugen.
Lit.: Schmidt, Anton: Die Kathedrale von Chartres: Das in Stein gehauene Weltbild des Mittelalters, in: Andreas Resch: Die Welt der Weltbilder. Innsbruck: Resch, 1994; Baer, Gerhard: Geometrie und Arithmetik in den Strukturen der Kathedrale von Chartres. Frankfurt a. M.: Haag und Herrchen, 2002; Klug, Sonja Ulrike: Kathedrale des Kosmos: die heilige Geometrie von Chartres. Bad Honnef: Kluges Verl., 2005; Walchensteiner, Kurt Richard: Die Kathedrale von Chartres: ein Tempel der Einweihung. Saarbrücken: Neue Erde, 2006; Ladwein, Michael: Chartres: Ein Führer durch die Kathedrale. Stuttgart: Urachhaus, 2010.
Chartres, Schule von, philosophische und theologische Schule, die um 990 von Bischof Fulbert von Chartres gegründet wurde. Sie gelangte im 12. Jh., vor allem unter der Leitung von Bernhard und Thierry von Chartres, durch ihre platonische und neuplatonische Naturphilosophie sowie ihre Logik zu besonderer Bedeutung. Dies führte zu einer Theologie „more geometrico“ (nach Art der Geometrie, Nicolaus von Amiens) und teilweise zu einer Art > Zahlenmystik. Die kosmologischen und naturphilosophischen Betrachtungen nahmen neupythagoreische und demokritische Elemente mit einer Tendenz zum Pantheismus auf, wobei Gott zur Weltseele (Bernhard Silvestris von Tours) oder zur Form allen Seins (Amalrich von Bene) wurde. Ihren Höhepunkt findet die Schule von C. in den wissenschaftstheoretischen Überlegungen des späteren Bischofs von Poitiers, Gilbert de la Porrée, die auch über die Schule hinaus wirkten. Bedeutende Mitglieder der Schule waren ferner der Naturphilosoph Wilhelm von Conches, der Erkenntnistheoretiker Walter von Mortagne, Clarenbaldus von Arras und der Geschichtsmystiker Joachim von Fiore († 1202).
Lit.: Der Kommentar des Clarenbaldus von Arras zu Boethius De Trinitate: ein Werk aus d. Schule von Chartres im 12. Jh. Breslau: Müller & Seiffert, 1626; Silvestris, Bernardus: Über die allumfassende Einheit der Welt: Makrokosmos und Mikrokosmos. Stuttgart: Mellinger, 1989; Teichmann, Frank: Der Mensch und sein Tempel. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1991.
Charubel, bürgerlicher Name John Thomas, Pseudonym Julius Balsamo (*9.11.1826 Montgomery, Wales; *11.11.1908 Manchester), Waliser Hellseher und Astrologe.
C. studierte calvinistische und methodistische Theologie und wurde 1851 methodistischer Geistlicher. Doch bereits in seinen frühen Zwanzigern entwickelte er sich zum Heil-Hypnotiseur, arbeitete dann als Medium und spiritistischer Berater und wandte sich später der Kräuterkunde und Astrologie zu. Als Haupt des okkulten Ordens der „Himmlischen Bruderschaft“ wurde ihm der Name „Charubel“ verliehen. Es wurden ihm auch bemerkenswerte Heilkräfte nachgesagt, besonders bei rheumatischen Erkrankungen. Zudem war er Herausgeber unterschiedlicher Zeitschriften: The Seer, The Occultist sowie The Psychic Mirror und Autor mehrerer Bücher: The Country of the Bible; Psychology of Botany; The Degrees of the Zodiac Symbolized. Meist publizierte er unter dem Pseudonym Julius Balsamo.
W. (Auswahl): Psychology of Botany. Tyldesley: R. Welch, 1906; Die Grade des Zodiaks, ihre Symbole und Bedeutung. Berlin: Schikowski, 1960; Symbolische Tierkreisgrade (mit Sephariel). Die Deutung der 360 Grade des Horoskops. Chiron Verlag, 2003.
Charun (etrusk.), häufig geflügelt dargestellter etruskischer > Todesdämon der > Unterwelt. Der Name ist vom griechischen Fährmann des Jenseits, > Charon, abgeleitet. C. wird als hässlicher Entführer der Lebenden dargestellt. Er ist rotäugig, hat spitze Tierohren und manchmal Schlangenhaare sowie eine geierschnabelartige Nase. Sein Attribut ist ein langstieliger Hammer. Er ist Totenführer und Wächter am Eingang der Gräber sowie Peiniger der Toten in der Unterwelt.
Unklar ist, ob mit dem abschreckenden Bild des C. auf den Gräbern diese vor Profanierung geschützt werden sollten oder ob darin die zunehmend düstere Sicht der späten Etrusker von einem höllenähnlichen Jenseits zum Ausdruck kommt. Auf alle Fälle scheint C. die mittelalterlichen Teufelsbilder beeinflusst zu haben.
Lit.: De Ruyt, Franz: Charun, démon étrusque de la Mort. Bruxelles: Lamertin, 1934; Pfiffig, Ambros Josef: Religio Etrusca. Wiesbaden: VMA-Verl., 1998.
Charvaka, auch Lokayata (sanskr. loka, Welt), alt-indische Philosophenschule für Atheismus, Materialismus und Hedonismus, benannt nach ihrem angeblichen Gründer gleichen Namens. C. wurde erstmals im 7. Jh. von dem Philosophen Purandara zur Bezeichnung der Materialisten verwendet. Dharmakirti, ein weiterer Vertreter des C., nennt in seinem Buch Pramanvartik fünf irrationale Handlungsweisen: Glaube an die Heiligkeit der Veden, Glaube an einen Schöpfergott, Baden in heiligen Gewässern als Verdienst, Kastenstolz, Buße für Sünden. Die beste Quelle zu C. ist angeblich das Buch Tattvopaplavasimha von Jayarashi Bhatta aus dem 8. Jh., das allerdings auch Ideen des Madhyamaka, einer Philosophenschule des Mahayana-Buddhismus, enthält. Ihren letzten bekannten Auftritt hatten die C.-Philosophen 1578 anlässlich einer Philosophenkonferenz am Hofe des Großmoguls Akbar.
Ihre Lehre heißt auch Lokayata (Welt), weil sie nur die Existenz dieser Welt annimmt, die aus den vier Elementen > Erde, > Wasser, > Feuer und > Luft besteht, aus deren Kombination das Leben entstanden sei. Eine geistige Welt, die Wirksamkeit ritueller Bräuche und sittliche Pflichten lehnten die C.-Philosophen ab. Sie vertraten vielmehr den Gewinn der Erkenntnis aus der Erfahrung und den Primat der Wahrnehmung vor der Deduktion. Aus der Erfahrung könne man weder auf Götter, ein Fortleben nach dem Tode oder auf > Karma schließen (Riepe). Da das Leben mit dem Tod ende, empfahlen sie den Lebensgenuss in rechtem Maß. Diese Lebensphilosophie stellte jedoch für Religion und Sittlichkeit eine Gefahr dar, weshalb C. zu einer Geheimlehre degradierte.
Lit.: Debiprasad Chattopadhyaya: Lokayata: A Study in Ancient Indian Materialism. New Delhi: People’s Pub. House, 1959; Riepe, Dale: The Naturalistic Tradition of Indian Thought. Dehli: Motilal Banarasidas, 1964.
Charybdis (griech.), Meeresungeheuer der Griechen, Tochter des > Neptun und der > Erde.
Der Mythos schildert C. als gefährliches Weib, das dem > Herkules Kinder raubte und deshalb vom Blitzschlag > Jupiters ins Meer geschleudert wurde, wo sie weiterhin ihr Unwesen trieb. Sie wohnte auf einem Felsen unter einem überhängenden Feigenbaum unweit der bellenden > Skylla und drohte als Verkörperung eines gefährlichen und alles verschlingenden Meeresstrudels den Vorbeifahrenden mit Tod und Verderben. Zur Stillung ihres Hungers fraß sie ganze Schiffe samt Inhalt. Von dem Strudel erzählt Homer in der Odyssee: ein Meeresstrudel, der dreimal am Tag Wasser einsog und es mit lautem Gebrüll wieder ausspie. Dabei schlürfte C. alles ein, was in die Nähe kam. Beim Ausspeien wurden dann oft Schiffe der Skylla zugeschleudert. Daher das lateinische Sprichwort: Incidit in Scyllam cupiens vitare Charybdiu (es gerät zur Scylla, wer die Charybdis vermeiden will). Beide bildeten für die Seefahrer eine beinahe unüberwindbare Gefahr, der selbst Odysseus nur mit Mühe entging. Den Ort dieser Gefahr sah man bereits im Altertum in der Meerenge von Messina.
Lit.: Homers Odyssee. Freiburg: Rombach, 2010.
Chasca Coyllur, Gott der Blumen und Beschützer der Jungfrauen bei den > Inka.
Lit.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chassîdê Aschkenas > Chassidimus.
Chassidismus (hebr. chasid, der Fromme), allgemeine Bezeichnung verschiedener Frömmigkeitsbewegungen mit volkstümlichem und zugleich mystischem und esoterischem Charakter im Judentum. In geschichtlicher Abfolge werden folgende Gruppen genannt:
1. Die Chassidäer, die „Frommen“, mit einer besonders strengen Treue zur Tora im 2. Jh. v. Chr., die gegen den hellenistischen Einfluss kämpften. Aus ihnen gingen die Makkabäer hervor. „Damals gingen viele von ihnen, die Recht und Gerechtigkeit suchten, in die Wüste hinunter, um dort zu leben… Damals schloss sich ihnen auch die Gemeinschaft der Hasidäer an, das waren tapfere Männer aus Israel, die alle dem Gesetz ergeben waren“ (1 Makk 2,29ff., 42). Sie gelten als die Vorläufer der Pharisäer.
2. Der aschkenasische C. (die Frommen aus Aschkenas) im 12.–13. Jh. in Deutschland und Frankreich, als jüdisches Parallelphänomen zur deutschen Mystik, gekennzeichnet von Weltflucht und Gelassenheit. Die wichtigsten Vertreter sind Samuel der Chassid († 1217) von Speyer, Juda der Chassid († 1217) von Regensburg sowie Eleaser ben Juda († ca. 1230) von Worms, dem die Niederschrift und Bearbeitung der älteren Traditionen zu verdanken sind: Ihr Hauptwerk war das Buch der Frommen (Sephar ha Chassidim). Sie betonten eine strenge Transzendenz und Einheit Gottes. Als Vermittler diente der geschaffene „Kabod“ (Herrlichkeit). Buchstaben und Zahlensymbolik (> Gematrie) führten zu einer entsprechenden Meditationspraxis. Im späten Mittelalter wirkte der aschkenasische C., verbunden mit magisch-volkstümlichen Vorstellungen und teilweise spekulativ mit der Kabbala verschmolzen, vor allem in der populären Erbauungsliteratur nach.
3. Der religiös-mystischen Bewegung im Ostjudentum, die von Israel Ben Elieser (> Baal-Schem-Tov, abgek. Bescht, 1698 –1760) gegründet wurde, ging es, im Gegensatz zum deutschen C. mit Gesetzeseifer, Askese und Gottesfurcht, um eine liebevolle Haltung zur Schöpfung und eine Gottverbundenheit im alltäglichen Leben. Gott ist in jedem Ding zu schauen und durch jede reine Tat zu erreichen. Kein Ding kann ohne einen göttlichen Funken in sich bestehen. Die Aufgabe der Chassidim, die auch Zaddikim (Gerechte) genannt wurden, ist es, diesen Funken durch jede Handlung zu entdecken und Vermittler zwischen Gott und Mensch zu sein. Die Quelle dieser Lehre ist die kabbalistische Mystik von Isaak > Lurja (> Kabbala), ohne sich deshalb für ausgefeilte Kosmologien zu interessieren. Es ging hier nicht um Theorie, sondern um die emotionale Erfahrung der Gottesanschauung. Gott und Welt sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Die Natur ist das Gewand der Gottheit, das sie den Augen des Menschen entzieht, obwohl sie stets inmitten ihrer Schöpfung weilt. Wer die höchste chassidische Frömmigkeit erreicht, gilt als Heiliger, da er den Schleier durchbrechen und Gott schauen kann.
Der C. im Ostjudentum entstand in sozialen Problemschichten Osteuropas und blieb, abgesehen von ausgewanderten chassidischen Gruppen in den USA und Palästina, auf Osteuropa, Polen, die Ukraine, Weißrussland, Russland und Österreich-Ungarn beschränkt. Das orthodoxe Judentum stand dem C. ablehnend gegenüber. Als Vertreter und Vermittler fungierten vor allem Martin > Buber (1878 –1965) und Friedrich Weinreb (1910 –1988). Heute zählt der C. zum orthodoxen Judentum, mit dem er die kompromisslose Abwehr von Aufklärung und Emanzipation teilt. Durch den Nationalsozialismus wurde der C. in Osteuropa völlig ausgerottet. Die Aussprüche und Legenden, vielfach in Jiddisch abgefasst, wurden von Chajim Bloch in seinen „Chassidischen Geschichten“ gesammelt.
Lit.: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen / Gershom Scholem. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1980; Wiesel, Elie: Chassidismus – ein Fest für das Leben: Legenden und Portraits. Freiburg: Herder, 2000; Bloch, Chajim: Chassidische Geschichten und Legenden. Verl.-Gemeinschaft Topos plus, 2006; Pourshirazi, Katja: Martin Bubers literarisches Werk zum Chassidismus: eine textlinguistische Analyse. Frankfurt a. M.: Lang, 2008.
Chassinat, Émile Gaston (*5.05.1868 Paris; † 26.05.1948 Saint-Gernain-en-Laye), französischer Ägyptologe und Koptologe.
Nach seiner Ausbildung in Ägyptologie durch Gaston Camille Charles Maspero (1846 –1916) und Eugène Revillout (1843 –1913) wurde C. 1894 in der ägyptischen Abteilung des Louvre angestellt und übernahm auch das Sekretariat der Revue de l’histoire des religions. 1895 wurde er Mitglied des Französischen Archäologischen Instituts in Kairo (IFAO). C. arbeitete am Tempel von Edfu unter der Leitung des Marquis de Rochemonteix (1849 –1891). 1898 wurde er als Direktor des IFAO Nachfolger von Urbain Bouriant (1849 –1903), eine Stellung, die er 13 Jahre innehatte. Dabei nahm er auch an Forschungsreisen nach Meir, Dendara und Abu-Roasch teil.
Für die Paranormologie sind vor allem seine Publikationen Le Temple d’Edfou (zus. mit Rochemonteix), 14 Bde. (1892 –1934); Le Mammisi d’Edfu, 2 Bde. (1910 –1939); Le Temple de Dendara, 4 Bde. (1934 –1935); Le Mystère d’Osiris au mois de Khoiak, 2 Bde. (1966 –1968), bedeutsam.
Lit.: Daumas, F.: Émile Chassinat (1868 –1948). Esquisse de biographie, Annales du Service des Antiquités de l’Égypte, Bd. 51 (1951), S. 537–548, Tafeln.
Chateaurhin, G. de (Ps) > Rijnberk, Gérard van.
Chateri (Gott), „Ichneumon“, im alten Ägypten eine Erscheinungsform des solaren > Horus. Beim Ichneumon handelt es sich um eine im Mittelmeergebiet und im tropischen Afrika beheimatete Mangustenart (Herpestidae), eine Säugetierfamilie aus der Ordnung der Raubtiere (Carnivora), auch Pharaonenratte oder Pharaonenkatze genannt.
Der früheste Beleg für eine Verehrung des Ichneumons ist ein Gedenkstein, der fünf angebetete Ichneumonpaare zeigt.
In den Kulten der ägyptischen Spätzeit taucht das Ichneumon als „Hilfskraft“ im Gefolge der großen Götter auf. Im Grab Ramses’ VI. wird ein schwarzes Ichneumon sogar mit dem Horus von Letopolis gleichgesetzt. Für die Verbindung mit Horus dürfte von Bedeutung gewesen sein, dass das Ichneumon als Schlangenvertilger zum Helfer im Kampf gegen > Apophis werden konnte.
Lit.: Kees, Hermann: Der Götterglaube im alten Ägypten. Berlin: Akademie Verlag, 1977; Bonnet, Hans: Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: de Gruyter, 2000.
Chattenring, germanische Form eines Gelübdes mit Gürtung und Bindung. Tacitus schreibt in der Germania, Kap. 31,1-2.4: „Eine Sitte, die auch bei anderen Völkerschaften Germaniens, doch nur selten und infolge des persönlichen Wagemuts einzelner vorkommt, ist bei den Chatten allgemein geworden, dass sie, sobald sie zum Mann herangereift sind, Haupthaar und Bart wachsen lassen und erst, sobald sie einen Feind erlegt haben, die gelobte und der Tapferkeit verpfändete Ausstattung ihres Gesichtes ablegen… Die Tapfersten tragen überdies einen eisernen Armring – dies ist in den Augen dieses Volkes ein Schimpf – gleichsam als Fessel, bis sie sich durch die Erlegung eines Feindes losmachen.“
Zu ähnlichen Fesselungen gehören der römische Prometheusring (Plinius: virtutis bellicae insigne) sowie die hoch- und mittelalterlichen Selbstfesselungen als Strafe und Buße (freiwilliger Gefangener St. Leonhards). Auch Märchen bedienen sich dieses Themas („Eiserner Heinrich“).
Lit.: Tacitus, Cornelius: Germania: lat.-dt., Köln: Anaconda, 2009.
Chattox, Old > Pendle, Hexen von.
Chatummaharajika, Chaturmaharajika, buddhistische Göttergruppe (> Deva), die in der gleichnamigen ersten Himmelsetage (> Devaloka) wohnt und 500 Jahre lebt, wobei 1 Tag für sie wie 50 Menschenjahre ist. Zur Gruppe gehören u.a. die 4 Caturmaharaja; die Gandharvas wohnen ebenfalls dort.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chatur-Yoni, Catur Yoni (sanskr. chatur, vier; yoni, Schoß ), vier Arten der Geburt, in denen die Wesen der sechs Existenzweisen (> Gati) in den drei Welten (> Triloka) wiedergeboren werden können: 1. Lebendgeborene (Jarayuga), Säugetiere, Menschen; 2. Eigeborene (Andaja), Vogel und Reptilien; 3. Feuchtigkeits- oder Wassergeborene (Samsvedaja), Fische und Würmer; 4. durch die Kraft des Karma Geborene (Aupapaduka), > Devas, > Pretas, > Narakas (Höllenbewohner) und Wesen einer neu entstandenen Welt.
Lit.: Ehrhard, Franz-Karl: Das Lexikon des Buddhismus. Bern: O. W. Barth, 1992.
Chaucer, Geoffrey (* um 1343 London; † wahrscheinlich 25.10.1400 ebd.), englischer Schriftsteller und Dichter.
C. schrieb in der Volkssprache und erhob so das Mittelenglische zur Literatursprache. Er kannte sich in den mittelalterlichen Wissenschaften aus und modifizierte als „gelehrter Dichter“ (poeta doctus) das Überlieferte auf seine Weise. Berühmt wurde er als Verfasser der Canterbury Tales, einer bunten Sammlung von Geschichten, die im Rahmen einer Pilgerfahrt nach Canterbury zusammengefasst wurden und als eine symbolische Darstellung des Strebens nach dem Heil verstanden werden kann. Wir finden bei ihm auch das alte Motiv des „Lustorts“ (locus amoenus) als irdisches Paradies und das Symbol der > Himmelsleiter. In der Fabel vom Hahn, der Henne und dem Fuchs schreibt er über das Wesen der > Träume, über das > Schicksal, die > Vorsehung und den freien Willen.
Sein Werk ist zwar stark von antiken, französischen und italienischen Vorbildern geprägt, enthält aber auch metrische, stilistische und inhaltliche Neuerungen, die ihn zum Begründer der modernen englischen Literatur machten.
W. (Auswahl): The Riverside Chaucer. Oxford: Oxford Univ. Press, 1988; Die Canterbury-Erzählungen, 3 Bde. München: Goldmann, 2000; Troilus und Criseyde. Frankfurt a. M.: Insel, 2000; The Nun’s Priest’s Tale on CD-ROM. Leicester: Scholarly Digital Editions, 2006.
Chaurasi, Rad der 8.400.000 körperlichen Gestaltungsformen, in denen eine Seele sich in der stofflichen Welt verkörpern kann.
Lit.: Davidson, John: Am Anfang ist der Geist. Bern: O. W. Barth im Scherz Verlag, 1994.
Chauvin, Rémy, Dr. rer. nat. (*10.10.1913 Toulon; † 8.12.2009 Sainte-Croix-aux-Mi-
nes, Haut-Rhin), Pseud. Pierre Duval, französischer Biologe, Entomologe, Ethologe und Professor an der Sorbonne.
Nach vierjährigem Medizinstudium inskribierte sich C. an der Naturwissenschaftlichen Fakultät von Paris und promovierte 1941 zum Dr. rer. nat. In seiner Lehrtätigkeit befasste er sich mit Ethologie, Tiersoziologie, Physiologie und Biologie der Insekten sowie mit allgemeiner Psychophysiologie. Von 1948 bis 1964 war C. Professor für allgemeine Psychophysiologie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät von Straßburg und ab 1964 Professor für Tiersoziologie an der Universität René Descartes (Paris V – La Sorbonne).
In seinem Verständnis der Evolution lehnte er den Darwinismus ab, weil die Evolution von einem inneren Programm gesteuert werde und die Steuerung von außen hingegen sehr begrenzt sei. C. wurde oft kritisiert, weil er sich auch mit Begriffen der Mystik befasste.
Sein Interesse für Parapsychologie und Ufologie brachte ihm zudem die Kritik der Skeptiker ein. Sein Interesse an der Parapsychologie galt vor allem den paranormalen Fähigkeiten von Tier und Mensch, speziell bezogen auf > Telepathie, > Hellsehen und > Psychokinese. 1959 veröffentlichte er Untersuchungsergebnisse von ASW-Tests. 1961 wurde er Gastberater des Parapsychologischen Laboratoriums der Duke Universität. 1968 schrieb er unter dem Ps. Pierre Duval zusammen mit Jean Meyer, der sich das Ps. E. Montredon beilegte, zwei Arbeiten über ASW bei Mäusen. Zudem befasste er sich mit der Beschleunigungsmöglichkeit der Abkühlung von Wasser mittels > PK und untersuchte unter Verwendung eines Tychoskops (Zufallsgenerator) die Wirkung der Psychokinese auf Mäuse.
C. verfasste über 250 Beiträge in verschiedenen Fachzeitschriften, darunter auch im Journal of the American Society for Psychical Research (JSPR); außerdem war er beratend tätig für die Revue internationale Pierre Teilhard de Chardin, das Journal of Scientific Exploration und die Université Interdisciplinaire de Paris (UIP). 1977 fungierte C. als Mitbegründer der „Ligue française de droits de l’animal“.
W. (Auswahl): Das Tier. München: BLV Verl.-Ges. Bayer. Landwirtschaftsverl, 1963; Tiere unter Tieren. Bern: Scherz, 1964; Die Welt der Insekten: München: Kindler, 1967; ESP Experiments with Mice. Journal of Parapsychology 32 (1968), S. 153; Die Hochbegabten. Bern: Haupt, 1979; A PK Experiment with Mice. JSPR 53 (1986), S. 348; ‘Built upon Water’ Psychokinesis and Water Cooling: An Exploratory Study. JSPR 55 (1988), S. 10.
Chavara, Cyriac Elias (*10.02.1805 Chennamkary, Indien; † 3.01.1871 Koonammavu, Indien), Ordensgründer, selig (8.02.1986, Fest: 3. Januar), heilig (23.11.2014).
Nach der Priesterweihe 1820 gründete C. 1831 mit Thomas Palakal und P. Thomas Porukara in Mannanam eine Ordensgemeinschaft im syro-malabarischen Ritus, die 1855 den Namen Karmeliten von der Unbefleckten Empfängnis Mariens erhielt. 1866 rief er zusammen mit P. Leopold Becaro OCD die heute „Mother of Carmel“ genannte Schwesterngemeinschaft ins Leben.
Mit besonderer Intuition und vielseitig begabt, stärkte C. die Spiritualität seiner Landsleute und schrieb dazu Werke in Lyrik und Prosa.
Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 –1990 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). Innsbruck: Resch, 2005.
Chavin de Huantár, die älteste der präkolumbianischen Kulturen Perus im oberen Maranon-Tal, am Osthang der Cordillera Blanca (südostlich von Huarez), 3.500 Meter über dem Meer gelegen, und benannt nach der Ruinenstätte eines Heiligtums. Die Kultur dürfte sich von 850 bis 200 v. Chr. erstreckt haben. Sie breitete sich im Hochland sowie entlang des Küstengebietes aus und beeinflusste viele der nachfolgenden Kulturen.
Worin C. eigentlich bestand, ist bis heute nicht bekannt. Zweifellos war es eine Kultstätte. Die Anlage gilt als das älteste Steinbauwerk in Peru und umfasst zahlreiche Gebäude mit verschiedenen Plattformen und Innenhöfen, die zum Teil durch unterirdische Gänge miteinander verbunden sind. Das Hauptbauwerk ist eine quadratische Pyramide. Eine erwähnenswerte Eigenart der Ruine in Skulpturen und Reliefs ist das wiederholte Auftauchen von jaguarartigen Dämonen mit schlangen- oder auch drachenartigen Zügen.
Im südlichen Peru gewährt die eigenartige, bunte, technisch hervorragend ausgeführte Keramik von Nazca Einblick in die religiöse Vorstellungswelt der Bewohner dieser wüstenhaft trockenen Täler. So finden sich Dämonendarstellungen mit katzen- und schlangenartigen Zügen und Figuren mit Kopftrophäen. Zudem finden sich auch kleine Kopfschalen, bei denen eine Seite ein aufgemaltes Gesicht trug. Häufig sind auf den Gefäßen Feldfrüchte und Tiere abgebildet, was auf Fruchtbarkeitskulte schließen lässt, da in diesem trockenen Gebiet Regen und Fruchtbarkeit der Felder von besonderer Bedeutung waren. Alle Gefäße kommen aus Gräbern. Sie zeugen als Totenbeigaben von der Sorgfalt, mit der die Verstorbenen bestattet wurden, die man zudem in kunstvolle Webereien aus Wolle oder Baumwolle hüllte. Die schönsten dieser Textilen mit unverblasster Farbenpracht fand man in der Gräberstadt Paracas.
Die von C. entwickelte Bewässerungstechnik wurde dann auch von den Erben dieser Zivilisation für den Feldbau verwendet.
Lit.: Burger, Richard L.: The prehistoric occupation of Chavin de Huántar, Peru. Berkeley: Univ. of California Press, 1984; Donnan, Christopher B.: Early Ceremonial Architecture in the Andes. Dumbarton / Washington, 1985; Lumbreras, Luis Guillermo: Chavín de Huántar: excavaciones en la Galeria de las Ofrendas. Mainz: von Zabern, 1993; Burger, Richard L.: Chavín de Huántar and Its Sphere of Influence. in: Helaine Silverman / William H. Isbell: Handbook of South American archaeology. New York: Springer, 2008, S. 681–701.
Chaya (sanskr., „Schatten“), hinduistische Göttin der Abendröte sowie Begleiterin und Gattin des Sonnengottes > Surya.
Lit.: Lommel, H.: Vedische Einzelstudien. Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft 99 (1945 – 1949).
Chaya Upashana (sanskr., „nahe beim Schatten sitzen“), Betrachtung des eigenen Schattens. In C. ist der eigene > Schatten oder das Spiegelbild Objekt der Betrachtung, die in mehreren Formen erfolgen kann. Es geht dabei um Selbsterkenntnis. Der Schatten ist die Gestalt der eigenen Person ohne Eigenschaften.
C. G. > Jung nennt den Schatten daher die dunkle Hälfte der Seele, der man sich irgendwie entledigt hat. In der > Alchemie wird diese Begegnung mit dem Schatten als „Melancholia“ empfunden, wobei das Schlechte der Welt als Teil der eigenen Person erlebt wird. Die Vereinigung mit diesem Schatten ist das Ziel der Alchemie, was mit der Form des > hieros gamos in der > Chymischen Hochzeit symbolisiert wurde.
Lit.: Saraswati, Swami Jyotirmayananda: Praxis der Meditation. Wien: Verlag der Palme, 1970; Jung, C. G.: Die Archetypen und das kollektive Unbewusste. GW 9/1. Zürich: Walter, 91996.
Chayot (hebr., „Blitzstrahl“), Wort mit dem die > Merkabah-Mystiker, eine Richtung der jüdischen Mystik, die vom 1. Jh. bis zum 11. Jh. bestand, Stadien der spirituellen Ekstase bezeichneten.
Lit.: Schäfer, Peter: The Origins of Jewish Mysticism. Tübingen: J. C. B. Mohr, 1988.
Chedammu, churritischer Dämon, der als Schlangendrache im Meer lebte. Durch seine Gefräßigkeit richtete er Länder und Städte zugrunde. Da trat ihm die akkadische > Ishtar mit ihren musizierenden Dienerinnen entgegen. Als C. aus dem Meer auftauchte, präsentierte sie sich ihm hüllenlos, woraufhin der betörte und ins Gespräch verwickelte C. auf seine Gefräßigkeit vergaß.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Cheiro (* 1.11.1866 Dublin; † 8.10.1936 Hollywood), Ps. des englischen Grafen Louis Hamon, Okkultist, Chirologe, Numerologe, Astrologe und Autor zukunftsdeutender Werke.
Als William John Warner geboren, nahm er schon früh den Namen „Count Louis Hamon“ an. Das Ps. Cheiro ist eine Verballverhornung von > Chiromantie. Mit 23 Jahren kam er nach London und eröffnete dort eine Handlesepraxis. Später studierte er in der Vatikanischen Bibliothek Astrologie.
Aufgrund seiner Voraussagen erlangte C. Weltruf. Zu seinen Kunden gehörten auch Lord Charles Russel (britischer Justizminister), Lord Kitchener und König Edward VII., Leopold II. von Belgien, Mark Twain sowie Leo XIII. Er sagte den Tod Edwards VII. und Lord Kitcheners, das Schicksal des russischen Zaren, das Attentat auf König Humbert von Italien und vieles andere voraus. Twain, der dem Bankrott nahe war, beruhigte er mit den Worten, dass er wieder zu Wohlstand kommen werde.
In der Öffentlichkeit machte C. auch seine Behauptung bekannt, dass Hiob 37,7 – „Er versiegelt die Hand aller Menschen, so dass alle Welt sein Tun erkennt“ – aus dem Hebräischen falsch übersetzt sei und richtig lauten müsse: „Gott schrieb Zeichen und Spuren in die Hände aller Menschensöhne, dass alle Leute ihre Taten wissen sollten.“
C. schrieb seine Erfolge der Handlesekunst, der > Numerologie und > Astrologie zu, doch dürften sie im Grunde mit seiner visionären und intuitiven Begabung in Zusammenhang gestanden sein, zumal seine Fähigkeiten nach mehr als zwanzigjähriger Praxis nachließen. Schließlich wanderte er nach Amerika aus und verbrachte dort die letzten Jahre in Hollywood.
W. (Auswahl): Chairo’s Memoirs: The Reminiscences of a Society Palmist. London: W. Rider & Son, 1912; Das Buch der Zahlen. Freiburg i. Br.: Bauer, 1994; Die Geheimnisse der Hand: erkenne deine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Leipzig: Bohmeier, 2009.
Cheiron, Chiron (griech. cheir, „Hand“), weiser, unsterblicher > Kentaur.
C. war Sohn des > Chronos und der Phylira, wohnte in einer Höhle des Peliongebirges und unterwies > Asklepios in der Heilkunst. Er erzog viele berühmte Helden, wie > Achilleus, > Theseus, > Iason, die > Dioskuren und > Aktäon. Im Unterschied zu seinen gewalttätigen Brüdern, wilden und schädlichen Waldgeistern, zeichnete er sich durch Weisheit, Gerechtigkeit und Güte aus und war ursprünglich wohl ein mächtiger thessalischer Gott der Heilkunst.
Als die übrigen Kentauren vor > Herakles zu ihm flohen, wurde er unversehens von einem giftigen Pfeil des Herakles getroffen. Da die erlittene Wunde nicht heilte, verzichtete C. zugunsten des Prometheus auf seine > Unsterblichkeit, um von seinem Leiden befreit zu werden. Zeus verwandelte ihn daraufhin in ein Sternbild. Die genannte Befreiung bewirkte aber auch, dass er später seinen Kult verlor.
Lit.: Cheirons des Kentauren Heillied = Centaurea. Ottersberg [b. Bremen, Schloss]: Verl. d. Welle [Dr.] K. Weichberger, 1933; Picard, Ch.: Le cult et la legend din centaure Chiron dans l’Occident mediterranéen. Rev. Ét. Anc. 53 (1951), 5 –25; Vogel Martin: Chiron, der Kentaur mit der Kithara. Bonn-Bad Godesberg: Verlag für Systemat. Musikwiss., 1978.
Cheker-Zeichen, Nachbildungen von Knoten, durch die Pflanzenstängel an einem Holzrahmen befestigt wurden, um so als Wand zu dienen.
Solche Zeichen, in Tempel- und Grabkammerwänden in Deckennähe angebracht, haben in > Ägypten neben der Dekoration auch die Funktion, auf das Götterhaus der Vorzeit, auf das Reichsheiligtum zu verweisen. Sie sind somit ein Hinweis auf die Zeit des Ursprungs, in der die Götter über Ägypten herrschten.
Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypten. Frankfurt a. M.: S. Fischer Verlag, 2005.
Chela (sanskr., „Diener“), hinduistische Bezeichnung des Schülers eines spirituellen Lehrers oder Gurus. Diese Bezeichnung versinnbildlicht auch die erste Stufe oder > Aschram im Leben eines > Brahmanen.
Lit.: Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2005.
Chelidonius (griech., „Schwalbenstein“), Konkrement in den inneren Hohlorganen von Vögeln, insbesondere der > Schwalben, daher der Name.
In der Volksmedizin wurden diese Steine bei Epilepsie, Melancholie und unregelmäßiger Periode als Heilmittel verwendet. In einem gelben Leinenbeutel um den Hals gebunden, sollte der C. gegen Fieber helfen.
Gewonnen wurde der Stein, indem man eine ganz junge Schwalbe aus dem Nest nahm, ihr den Bauch aufschnitt und in der Leber den Stein suchte. Eine andere Form bestand darin, dass man nach C. in einem Nest suchte, in dem Schwalben sieben Jahre hindurch gebrütet hatten. Je nachdem ob der Stein rot oder dunkel war, wurden ihm verschiedene Wirkungen zugesprochen. Der rote C. galt als Heilmittel gegen Siechtum, Mondsucht, Wahnsinn sowie Epilepsie und sollte als > Amulett getragen werden. Der schwarze sollte gegen Fieber, schädliche Säfte und Fallsucht helfen.
Dem C. wurde aber auch noch eine Reihe weiterer Wirkungen nachgesagt, so vor allem bei Augenleiden, da schon > Aristoteles die Schwalbe als das scharfsinnigste Tier bezeichnet hat.
Lit.: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 7. Berlin: Walter de Gruyter, 1987; Heyl, Johann Adolf: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol. Bozen: Verl.-Anst. Athesia, 1989.
Chelmsford, Hexen von. Im 16./17. Jh. fanden vor den Schwurgerichten in Chelmsford, Essex, England, vier bedeutende > Hexenprozesse statt.
1563 wurde von Königin Elisabeth I. (1558 –1603) ein Statut erlassen, das für Hexen und Zauberer die Todesstrafe befahl. Die Betreffenden wurden nach zivilem, nicht kirchlichem, Recht angeklagt und im Falle einer Verurteilung erhängt.
Im ersten Hexenprozess von C. 1566 waren drei Frauen angeklagt: Elizabeth Francis, Agnes Waterhouse und deren Tochter Joan. Agnes Waterhouse wurde für schuldig befunden und als erste Frau, die in England hingerichtet wurde, am 29. Juli 1566 erhängt.
Beim zweiten und dritten Prozess von C. 1579 wurden vier Frauen der Hexerei bezichtigt, unter ihnen wiederum Elizabeth Francis, die wegen Verhexung eines Menschen, eines Wallachs und einer Kuh, jeweils mit Todesfolge, angeklagt und schließlich mit zwei der vier Hexen erhängt wurde.
Der vierte Prozess wurde 1645 von dem gefürchteten „Hexensucher“ und Puritaner Matthew > Hopkins angeregt. Es ist zwar nicht bekannt, wie viele er zur Anklage brachte, doch listeten der Gefängniskalender und die nach den Prozessen verbreiteten Flugschriften 38 Männer und Frauen auf, von denen laut Hopkins 29 verurteilt wurden.
Insgesamt 1000 Hexen landeten im oben genannten Zeitraum in England am Galgen.
Lit.: Pickering, David: Lexikon der Magie und Hexerei. s.l.: Bechtermünz Verlag, 1999; Drury, Nevill: Magie. Aarau: AT Verlag, 2003.
Chelone (griech., „Schildkröte“), eine Nymphe aus der griechischen Mythologie, die von > Hermes zur ewigen Strafe in eine Schildkröte verwandelt wurde, weil sie als Einzige von allen Göttern und Menschen der Vermählung des > Zeus mit > Hera fernblieb und diese so lächerlich machte.
C. war auch der volkstümliche Name für eine Münze der Insel Aigina mit dem Gepräge einer Schildkröte. Ferner trägt eine Pflanzengattung der Wegerichgewächse den Namen C. (Schildblume, Schlangenkopf).
Lit.: Meyers Konversationslexikon. Bd. 3. Leipzig: Biographisches Institut, 1894.
Cheltenham-Geist, außergewöhnl. Spukfall.
1882 übersiedelte der Hauptmann Despart mit seiner Frau und den sechs Kindern in ein Haus in Cheltenham, Gloucestershire, England. Das Haus wurde 1860 erbaut und von Henry Swindhoe erworben, dessen Frau 1866 starb. Er heiratete daraufhin Imogen Hutchins, die den Schmuck seiner verstorbenen Frau verlangte, den er ihr jedoch nicht aushändigte, sondern in einem verschlossenen Tresorraum aufbewahrte. Imogen verließ ihn noch vor seinem Tod 1876.
1882 nahm die 19-jährige Medizinstudentin Rose Despard, Tochter von Hauptmann Despard, die Erscheinung einer hochgewachsenen, in Schwarz gekleideten Dame wahr, die sie für eine reale Person hielt. Diese ging die Stiege hinunter in den Garten und verschwand. An einem anderen Tag wurde sie von zwei Schwestern von Rose ebenfalls im Garten gesehen. Die häufigsten Erscheinungen erfolgten zwischen 1884 und 1886.
Die übrigen Familienmitglieder konnten das Phantom nicht sehen, hörten aber die Schritte; selbst der Hund reagierte auf seine Anwesenheit, nicht so die Katze. Versuche, das Phantom festzuhalten, schlugen fehl. Im Laufe der weiteren Jahre erschien die Gestalt mindestens sieben Personen. 1893 verließen die Despards das Haus, das dann leer stand, bis es 1898 in eine Knabenschule, 1901 in ein Nonnenkloster und zwei Jahre später in ein Wohnhaus umgewandelt wurde.
1894 nahm sich der Mitbegründer der > Society for Psychical Research, F.W.H. > Myers, des Falles an. Später befasste sich auch der Geisterforscher Andrew MacKenzie damit. Ihm zufolge gaben bis 1961 bis zu 17 Personen an, die geheimnisvolle Dame unter den verschiedensten Umständen gesehen zu haben, auch bei Tageslicht. Man hält die Gestalt für den > Geist der unglücklich verheirateten Imogen Hutchins, die 1878 starb.
Lit.: Bayless, Raymond: Animal Ghosts. New York: University Books, 1970; Guiley, Rosemary: The Encyclopedia of Ghosts and Spirits. New York: Facts on File Inc., 1992.
Chemiatrie (griech. chymia oder ägypt. Kemi, „Chemie“; iater, „Arzt“; syn. Iatrochemie), chemische Herstellung von Arzneien.
Mit dem Begriff C. stellte > Paracelsus (1493?–1541) die chemische Herstellung von Arzneien anstelle pflanzlicher oder mineralischer Naturstoffe in den Mittelpunkt. Wenngleich die Ärzteschaft des 16. Jh. den Gedanken von Paracelsus aufgrund seiner scharfen Kritik nur zögerlich folgen konnte, zumal seine in deutscher Sprache abgefassten Werke lediglich als Abschriften von Hand zu Hand gingen, fanden sie nach der Übersetzung ins Lateinische durch Adam von Bodenstein (seit 1560), Michael Toxites (seit 1564) und Gerhard Dorn (seit 1567) bereits im ausgehenden 16. Jh. Beachtung. Mit der Herausgabe der medizinischen Schriften des Paracelsus durch Johann Huser 1590/91 kam es dann zur Auseinandersetzung zwischen Galenisten (Anhänger der traditionellen humoralpathologischen Medizin nach > Galen) und Paracelsisten, welche die medizinisch-pharmakologische Literatur des 17. Jh. beherrschten.
Die Herstellung der Chemiatrika erfolgte nach dem Prinzip solve et coagula (löse und binde) mittels Extraktion, Sublimation, Destillation, langes Kochen im Wasserbad sowie das Verwesen, Verfaulen und Vergären, um die Quintessenz der Ausgangsstoffe zu gewinnen.
Die C. scheiterte letztlich aufgrund unlösbarer Widersprüche an ihrem Anspruch, eine allgemeine Theorie des Stoffwechsels auf der Basis von Säuren und Alkalien zu formulieren.
Dennoch stellt sie einen Entwicklungsschritt von der > Alchemie zur naturwissenschaftlichen Chemie dar, die über die Phlogistontheorie von Georg Ernst Stahl zu den grundlegenden Arbeiten von Antoine Laurent Lavoisier (1743 –1794) führte.
Lit.: Schröder, Gerald: Die pharmazeutisch-chemischen Produkte deutscher Apotheken im Zeitalter der Chemiatrie. Bremen-St. Magnus: Herbig, 1957; Wehle, Martin: Untersuchungen zur Geschichte der Chemiatrie. Diss., Braunschweig, 1964.
Chemie (griech. chymia oder ägypt. Kemi), Lehre vom Aufbau, Verhalten und von den Gesetzmäßigkeiten von Stoffen.
Es ist möglich, dass der Name „Chemie“ vom Namen > Ägyptens selbst, nämlich „Kemi“, herrührt. Jedenfalls entstand die C. als Wissenschaft in Alexandria, wo die empirischen Kenntnisse auf diesem Gebiet sehr entwickelt waren. Die Metallurgie eröffnete den Ägyptern zudem Kenntnisse über die Mischung von Metallen, wobei sie allerdings vorwiegend Erfindungen asiatischer Völker aufgriffen. In an den Tempeln angegliederten Labors wurden durch abenteuerlichste Mischungen Kosmetika und Parfüms hergestellt. Die > Mumifizierung erforderte vom Balsamierer die Kenntnis mineralischer oder pflanzlicher Öle, tierischer Fette und Harze, um eine perfekte Konservierung des Körpers zu erreichen. Zudem haben die ägyptischen Arzneibücher zu einer besseren Kenntnis der Pflanzen und Mischungseffekte beigetragen.
Dazu kamen die theoretischen und philosophischen Lehren der Griechen.
Mit dem Eintritt der Araber in die Geschichte im 7. Jh. gelangte die > Alchemie, wie die C. meist genannt wurde, als eine Zusammenfassung mystisch-religiöser und technischer Kenntnisse sowie naturphilosophischer Lehren auch nach Europa. Durch rationales Schlussfolgern aufgrund von Beobachtungen und Experimenten der Alchemie entstand dann im 17. und 18. Jh. allmählich die C. in ihrer heutigen Form als exakte Naturwissenschaft unter Verlust der geistigen Zusammenhänge und übergreifenden Deutungen, wie sie in der Chymia perennis zum Ausdruck kommt und in der Naturphilosophie und Esoterik weiterhin gepflegt wird.
Lit.: Meissner, W. Walter: Chymia perennis: eine ganzheitliche Betrachtung naturphilosophischer Prägung des stetig-ständigen Kreislaufes einer „immerwährenden Chemie“. Bielefeld-Bethel: Deutscher Heimat-Verlag, 1954; Schwedt, Georg: Chemie zwischen Magie und Wissenschaft: Ex Bibliotheca Chymica 1500 –1800. Weinheim: VCH Acta humaniora, 1991; Gmelin, Johann F.: Geschichte der Chemie. Bremen: Salzwasser-Verlag in Europäischer Hochschulverlag, 2009f.
Chemiin, in der Mythologie südamerikanischer Völker, z.B. bei den Karaiben, der Geist, der Himmel und Erde erschaffen hat. Er steht über allem Zeitlichen, die bösen Taten der Menschen und alles Untergeordnete mit eingeschlossen, und erfreut sich an den guten Taten der Menschen und seiner eigenen Glückseligkeit. So gedenken die Karaiben seiner nur im Herzen ohne irgendeinen Kult, da er keiner Opfer bedarf.
Den gleichen Namen führen die guten Geister, welche die Frauen nach ihrem Tod in den Himmel führen.
Lit.: Quandt, Christlieb: Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern sonderlich den Arawacken, Warauen und Karaiben, von den nüzlichsten Gewächsen und Thieren des Landes, den Geschäften der dortigen Missionarien der Brüderunität und der Sprache der Arawacken. Leipzig: Verf., u. in Komm. bey P. G. Kummer (Druck: Gorlitz: J. G. Burghart), 1807; Kern, Gottfried: Unter den Karaiben des Westindischen Meeres. Berlin: Verlagshaus f. Volkslit. u. Kunst, 1913.
Chemische Phänomene (engl. chemical phenomena), Phänomene chemischer Natur bei medialen Sitzungen, Spuk, Erscheinungen und paranormalen Begebenheiten.
Die Rede ist von Licht-, Farb-, Blut- und Wasserphänomenen, von Ozon- und Phosphorgeruch, Brandspuren und Feuer, > Ölabsonderungen, > Materialisationen und > Dematerialisationen, > Tränen usw.
Die Echtheit der Phänomene und deren Paranormalität sind jeweils gesondert sicherzustellen.
Lit.: Moser, Fanny: Das große Buch des Okkultismus: originalgetreue Wiedergabe des zweibändigen Werkes „Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen“. Olten / Freiburg i. Br.: Walter Verlag, 1974; Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15).
Chemismus (engl. chemistry), Gesamtheit der chemischen Vorgänge bei Stoffumwandlungen.
In der > Paranormologie versteht man darunter das Erfassen solcher sinnlich nicht wahrnehmbaren Stoffumwandlungen in organischen und anorganischen Gebilden durch Sensitive, meist in Form von paranormalen Leucht-, Geruchs-, Tast-, und Gehörswahrnehmungen, aber auch durch innere Gestimmtheiten und ganzheitliche Empfindungen.
Lit.: Reichenbach, Karl von: Odisch-Magnetische Briefe. Wien: Age d’Homme – Karolinger, 1980.
Chemosh (hebr.; griech. / lat. Chamos), Hauptgott der Moabiter (vgl. Num 21,29; Jer 48,7,13,46), der sein Volk mit militärischen Siegen belohnte, sofern es ihn verehrte; wenn nicht, ließ er es von den Feinden besiegen. Der König der Moabiter, Mesha, widmete ihm einen besonderen Platz. Eine Inschrift auf dem sog. Moabiter-Stein bezeugt das Mitwirken von C. beim Kampf Meshas gegen die Abkömmlinge der israelitischen Könige Omri und Ahab.
C. wurde zuweilen auch von den Israeliten verehrt. Salomon errichtete ihm außerhalb von Jerusalem zu Ehren seiner moabitischen Frau einen Altar, wenngleich die Propheten und die biblischen Schriftsteller dies als großes Vergehen bezeichneten.
C. wurden zuweilen Menschenopfer dargebracht, wie auch Molech und manchmal sogar Jahweh.
Lit.: Dearman, Andrew: Studies in the Mesha inscription and Moab. Atlanta, Ga.: Scholars Pr., 1989; Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD). Leiden: Brill, 1999, S. 186 –189.
Ch’en T’uan (ca. 906 – 989), taoistischer Gelehrter der äußeren und inneren > Alchemie. C. lebte als Einsiedler auf dem heiligen taoistischen Berg Hua-shan. Dort soll er das Diagramm des höchsten Unbedingten (wu-chi-t’u) in den Felsen geritzt haben, vor dem er zu meditieren pflegte. Es veranschaulicht in Kreissymbolen, wie das spirituelle Bewusstsein zum absoluten Nichts, dem Unbedingten, zurückgewandelt wird, das der Ursprung aller Dinge ist.
Auch das Diagramm des vorweltlichen Himmels (hsient’ein-tu), das für den Neokonfuzianismus von großer Bedeutung ist, soll von ihm stammen.
Die beiden Diagramme beeinflussten den neokonfuzianischen Philosophen Chou Tun-i bei der Entwicklung seines Diagramms des Höchsten Letzten (T’ai-chi-t’u).
Lit.: Chang Chung-yüan: Creativity and Taoism: A Study of Chinese Philosophy, Art, & Poetry. London: Wildwood House, 1975; Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986.
Ch’eng-huang, Bezeichnung für chinesische Erdgötter, später Lokalgötter, die in einzelnen Bezirken für Recht und Ordnung sorgten.
Nach taoistischer Auffassung wehren die C. als Schutzgötter der Städte Unheil und Katastrophen ab, senden bei Trockenheit Regen, bei Unwetter die Sonne, gewähren eine gute Ernte und sichern das Wohlbefinden der Bürger. Sie waren als Stadtgötter sehr beliebt und wurden durch Feste und Umzüge gefeiert. Ihnen unterstehen die Gottheiten für die einzelnen Straßen und öffentlichen Gebäude.
Zudem sind sie die Führer der verstorbenen Seelen. Will ein taoistischer Priester der Seele eines Verstorbenen aus der Hölle helfen, muss er den Stadtgott durch ein „Dokument“ informieren.
Ende des 10. Jh. kam der Brauch auf, den Stadtgöttern je nach Bedeutung der Stadt den Titel „König“, „Herzog“ usw. zu verleihen. Dabei wurden auch verdiente Persönlichkeiten als C. verehrt.
Lit.: Christie, Anthony: Chinesische Mythologie. Wiesbaden: Vollmer, [1969]; Münke, Wolfgang: Die klassische chinesische Mythologie. Stuttgart: Klett, 1976.
Cheng-i tao (chin., „Tao der Einheit“), taoistische Schulen, die Talismane (Fu-lu) oder > Amulette (> Beschwörungen) benutzen. Ihre Wurzeln liegen bei den > Wu-tou-mi tao und den > Ling-pao p’ai, die im 14. Jh. bis zu einem gewissen Grad zusammengeführt wurden. Magische Fähigkeiten werden vererbt und wer sie besitzt, hat eine machtvolle Stellung in der Volksreligion.
Lit.: Bowker, John [Hrsg.]: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chen-lung (chin.), chinesischer > Drache, der die Schätze im Innern der Erde vor den Sterblichen schützt.
Lit.: Mode, Heinz: Fabeltiere und Dämonen: die Welt der phantastischen Wesen. Leipzig: Koehler & Amelang, 2005.
Chenoweth, Mrs. (Minnie Meserve Soule, 1867–1936), Lehrerin, Unitarierin, Trancemedium der > American Society for Psychical Research. C. wurde von James H. > Hyslop, der ihr den Namen „Mrs. Chenoweth“ gab, eingehend untersucht.
Schon in früher Jugend hatte sie präkognitive Träume. Nach ihrer Heirat 1897 wurde sie hellhörig und empfing Beschreibungen unbekannter Personen, die sich später verwirklichten. Sie begann dann automatisch zu schreiben und erhielt dabei Botschaften von längst verstorbenen Personen. Über das > Tischrücken kam sie zum > Spiritismus, begann automatisch zu sprechen und wurde zu einem begabten > Medium, das von mehreren Kontrollgeistern wie „Imperator“ und „Sun-Beam“ geführt wurde.
Von 1907 bis zu Hyslops Tod 1920 arbeitete sie mit diesem. Sie gab ihren Lehrberuf auf, um der American Society for Psychical Research als Versuchsperson zu dienen, vor allem durch die > automatische Schrift. Hyslop wollte mit seinen Experimenten insbesondere die > Kontrollgeister identifizieren und wurde dabei von deren Echtheit überzeugt.
1920 verglich Walter Franklin > Prince ihre Fähigkeiten mit den größten Medien der Zeit, wie Gladys Osborne > Leonard und Leonore > Piper, da er durch C. offensichtliche Botschaften von seiner Frau erhielt.
Lit.: Allison, Lydia W.: Leonard and Soule Experiments in Psychical Research. Boston: Boston Society for Psychic Research, 1929; Thomas, John F.: Beyond Normal Cognition. Boston: Boston Society for Psychic Research, 1937; Proceedings oft the American Society for Psychical Research, vols. 3, 4, 5, 6, 7, 9, 14 (1909 –1920).
Chenresi (tibet., „mit klaren Augen schauend“), tibetische Form des > Avalokiteshvara, des > Bodhisattva des Erbarmens, Nationalgott Tibets und Herr der Gnade.
C. gilt als Gründungsvater des tibetischen Volkes und als Schutzpatron des „Schneelandes“. Auch der für die Einführung des > Buddhismus verantwortliche König Songtsen Gampo (620 – 649) wird als Verkörperung des C. angesehen. Zu den unzähligen Personen, die in den folgenden Jh. als > Inkarnation (Tulku) dieses Bodhisattva verehrt wurden, zählen der > Dalai Lama und der > Karmapa. Die ihm zugeordnete Mantra-Formel lautet: OM MANI PADME HUM (sanskr.), OM MANI PEME HUNG (tibet.)
C. wird häufig als Hirte mit vier Armen oder als Mischwesen mit elf Häuptern, tausend Armen und einem Auge in der Handfläche dargestellt. In seiner bekanntesten Form hat er vier Arme und ruht auf einem Lotus. Als Allerbarmer ist er die Hoffnung auf die Befreiung aus dem Lebensrad und kommt allen zu Hilfe, die in Bedrängnis sind.
Lit.: Brucker, Karin / Sohns, Christian: Tibetischer Buddhismus. [Frankfurt (Main)]: Barth, 2003.
Chensit, ägyptische Lokalgöttin des 20. unterägyptischen Gaus, die sich als > Uräusschlange manifestierte. Dabei trat sie in Verbindung zum Ortsgott > Sopdu. Sie wird entweder mit der Krone der > Hathor oder mit der Feder der > Maat dargestellt.
Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 1989.
Chen-Stil, einer der ältesten Stile des > Taijiquan (chinesisches Schattenboxen).
Der C. wurde im 17. Jh. von der Familie Chen im Dorf Chenjiagou entwickelt und über Generationen vornehmlich im Rahmen der Familie weitergegeben. Als Gründer wird allgemein Chen Wangting (1597–1664), aus der neunten Generation und General der Ming-Dynastie, genannt. Er befasste sich nach dem Fall der Dynastie mit Kampfkünsten und der taoistischen Tradition. Dabei bildete sich im Laufe der Zeit ein Stil des fließenden Wechsels zwischen Bewegungen mit und ohne Kraftanwendung, zwischen plötzlichen Sprüngen und langsamen weichen Bewegungen sowie von ausgeprägten Spiralbewegungen heraus.
Die regelmäßige Übung des C. soll zu einer umfassenden Entfaltung von Geist und Körper führen.
Lit.: Lie, Foen Tjoeng: Chinesisches Schattenboxen Tai-Ji-Quan für geistige und körperliche Harmonie. Niedernhausen / Ts.: Falken-Verlag, 1987; Silberstorff, Jan: Chen – Lebendiges Taijiquan im klassischen Stil. München: Lotos Verlag, 2003.
Chentechtai (griech.), ägyptischer Lokalgott von Athribis (10. unterägyptischer Gau) in seiner gräzisierten Form, dessen Bedeutung unbekannt ist; die ägyptische Form lautet Chenti-cheti. Ursprünglich wurde er krokodilartig, später dann falkenartig dargestellt. C. wird aber auch mit > Kemwer, dem schwarzen Stier von Athribis, in Zusammenhang gebracht und damit mit > Osiris, denn schon im M. R. fließen die beiden Götter unter dem Namen Osiris-C. zusammen.
Dieser Kultzusammenhang kommt auch in der äußeren Erscheinung des C. zum Ausdruck, wenn er auf dem Falkenhaupt des > Horus nicht nur eine Sonnenscheibe, sondern zuweilen auch die Atefkrone des Osiris und Stierhörner trägt.
Zu größerer Bedeutung gelangte der Kult des C. nur langsam, seine Höchstform erreichte er in der Spätzeit. In der Ptolemäerzeit zählte der Tempel des C. zu den Heiligtümern der ersten Ordnung.
Lit.: Ranke, Hermann; Grundsätzliches zum Verständnis der ägyptischen Personennamen in Satzform. Heidelberg: Carl Winter [Verl.], 1937; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000.
Chenti-irti, in voller Form Mechenti-irti, verehrter Falkengott im ägyptischen Letopolis, der bereits im Alten Reich als > Horus verstanden wurde. Sein besonderes Markenzeichen war, dass er augenlos gedacht wurde. Ein Bild in einem Papyrus des M. R. zeigt ihn dementsprechend ohne Gesicht (Sethe). Die Augenlosigkeit ist jedoch kein Dauerzustand, denn C. erhält seine Augen wieder. Im Kult werden sie ihm als bevorzugte Opfergabe gereicht, womit aus dem blinden ein sehender Gott wird. Daher wird er auch bevorzugt gegen Augenleiden angerufen.
Im ägyptischen Pantheon nimmt C. zumindest in der älteren Zeit eine geachtete Stellung ein, ist er doch der Gerichtsherr über Ordnung und Recht.
Lit.: Sethe, Kurt: Die altaegyptischen Pyramidentexte nach den Papierabdrücken und Photographien des Berliner Museums. Leipzig: J. C. Hinrichs, 4 Bde, 1908 –1922; Junker, Hermann: Der sehende und blinde Gott. SBAW, Heft 7, München 1942.
Chen-yen (chin., „Vollkommener“ oder „wahrer Mensch“; jap. Shinghon), der vollkommene Mensch. Der Begriff dient in China sowohl den Taoisten als auch den Buddhisten zur Bezeichnung einer Person, die das höchste religiöse Ideal erreicht hat.
Die Buddhisten übersetzten damit den Sanskritnamen > Arhat, „Vollkommener“, eines Anhängers Buddhas, der das Begehren vernichtet und das Nichtwissen beseitigt hatte.
In der Hierarchie des > Taoismus bezeichnet C. eine Klasse der „Unsterblichen“ (> Hsien), welche die Sterblichkeit abgeworfen und ihren Platz bei den himmlischen Beamten eingenommen haben.
Seit der T’ang Dynastie wurde C. auch als Ehrentitel verwendet. So verlieh Kaiser T’ang Hsüan-tsung dem > Chuang-tzu den Titel Nanhua chen-jen („wahrer Mensch vom südlichen Blütenland“).
Nicht zuletzt war C. der Name der chinesisch-buddhistischen Schule des „wahren Wortes“, auch „Michiao“ (Geheimlehre, jap. Mikkyo) oder „esoterischer Buddha“ genannt.
Lit.: Zhuang, Zhou: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Köln: Anaconda, 2007.
Cheopspyramide, Grabmal eines ägyptischen Pharao (Cheops, Schufu, Chufu soll der Name gelautet haben) aus der IV. Dynastie, das um 2680 v. Chr. erbaut wurde. Die C. ist die größte aller Pyramiden und steht in Gizeh, ungefähr 8 km südwestlich von Kairo, mit einer ursprünglichen Höhe von 146,59 m (heute 138,75 m) und einem Volumen von 2.583.283 m3. Sie ist aus 2,3 Millionen Kalksteinblöcken zu 21/2 Tonnen Gewicht aufgetürmt und gehört zum einzigen noch erhaltenen Weltwunder der Antike.
Als Erbauer wird der zweite König der IV. Dynastie, Chnum Chufu, griechisch Cheops (ca. 2650 –2580), genannt. Über seine Regierungszeit weiß man sehr wenig, außer dass er eben die größte der Pyramiden von Gisa errichten ließ. Er war der Sohn des Snofru und begann seine Regierung mit der Errichtung seiner Hauptstadt und seines Grabes auf dem Gizehplateau.
Im Gegensatz zu den anderen Pyramiden Ägyptens und den zwei weiteren Pyramiden von Gisa, > Chephren und Mykerinos, verfügt die C. im Innern über insgesamt drei Grabkammern und besitzt darüber hinaus die sog. „Große Galerie“. Die große Zahl von Kammern und Gängen, die überaus präzise Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen und die hervorragende Bearbeitung begründen ihre Einzigartigkeit.
Ursprünglich war die C. mit polierten Tura-Kalksteinen verkleidet, von denen viele herausgebrochen sind und später für Gebäude in Kairo wiederverwendet wurden, was eine exakte Bestimmung der ursprünglichen Pyramidenmaße verunmöglicht. Baumeister war wahrscheinlich Hemiunu, angeblich ein Neffe von Cheops.
Die Ausmaße und die Eigenart der Pyramide führten schon sehr früh zu einer Reihe von Legenden um Cheops und die Erbauer der großen Pyramiden, von denen im Papyrus Westcar ein Fragment erhalten ist, nämlich in der Erzählung der XVIII. Dynastie, die „König Cheops und die Zauberer“ genannt wird. Darin werden Chephren und Djedefre als Söhne des Königs dargestellt, die ihm von Wundertaten berichten, welche Zauberer vollbrachten. So unwahrscheinlich diese Legende ist, so findet sie in den Aussagen einiger Deuter ihre Fortsetzung, die bestimmte Aspekte entdeckt haben wollen, welche angeblich beweisen, dass die Pyramide in verschlüsselter Form die gesamte Weltgeschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthalte. Alles begann damit, dass der schottische Astronom Charles Piazzi Smyth die Behauptung aufstellte, in der Pyramide sei eine Botschaft aus dem Kosmos enthalten. Nach anderen ist die Pyramide angeblich mit besonderen Kräften ausgestattet, welche die Mumifizierung von Fleisch, die Härtung und Schärfung von Metallen, die Beschleunigung der Keimung von Pflanzen und des Ausschlüpfens von Schmetterlingspuppen bewirken sollen.
Die erstaunlich präzise Ausrichtung der Pyramide sei zudem ein Beweis für ihre extraterrestrische und göttliche Herkunft.
In diesen Zusammenhang passt auch die Legende, der zufolge Cheops ein in Alchemie bewanderter Gelehrter war. So versuchte der deutsche Mathematiker und Anthroposoph Ernst Bindel den Nachweis zu erbringen, dass die C. das Zusammenspiel der Himmelskräfte mit den Erdkräften ausdrücke, die symbolisch durch den Kreis und das Quadrat dargestellt werden.
Die Wissenschaft konnte diesen vielfältigen Pyramidenspekulationen bislang nichts abgewinnen. In jedem Fall stellt die C. eine Großtat ersten Ranges der Menschheitsgeschichte dar.
Lit.: Kleppisch, Karl: Die Cheopspyramide, ein Denkmal mathematischer Erkenntnis. München: R. Oldenbourg, 1921; Noetling, Fritz: Die kosmischen Zahlen der Cheopspyramide, der mathematische Schlüssel zu den Einheits-Gesetzen im Aufbau des Weltalls. Stuttgart: Schweizerbart, 1921; Bindel, Ernst: Die ägyptischen Pyramiden als Zeugen vergangener Mysterienweisheit. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1979; Jelitto, Hans: Pyramiden und Planeten. Berlin: Wiss.- und Technik-Verl., 1999; Eyth, Max: Der Kampf um die Cheops-Pyramide. Bergisch Gladbach: Bastei-Verl. Lübbe, 1999; Baustelle Giza: kritische Untersuchung zum Bau der Cheopspyramide. Karlsruhe: Inst. für Baugeschichte, 2010.
Chephren (ägypt. Chaefre), dritter oder vierter König der IV. Dynastie Ägyptens (ca. 2570 –2530 v. Chr.). Er war der Bruder des Djedefre und Sohn des Cheops (> Cheopspyramide). Über ihn weiß man nur, dass er die zweite Pyramide von Gizeh erbaute, dass unter seiner Regierung die Plastik des alten Reiches ihre Perfektion erreichte und dass man in seinem > Totentempel zwei sehr schöne Statuen des Herrschers aus Diorit fand. Wahrscheinlich ließ C. auch die > Sphinx von Gizeh bauen.
Als Herrscher soll er die abscheuliche Politik des Cheops fortgesetzt haben, was schließlich zum antimonarchischen Bürgerkrieg führte, der dem Alten Reich ein Ende setzte.
Lit.: Schneider, Thomas: Lexikon der Pharaonen. Düsseldorf: Albatros, 2002; Peter Jánosi: Giza in der 4. Dynastie. Die Baugeschichte und Belegung einer Nekropole des Alten Reiches. Bd. I: Die Mastabas der Kernfriedhöfe und die Felsgräber. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2005.
Chepre (ägypt., „der [von selbst] Entstandene“), > Skarabäus als Urgott. C. ist nach den Ägyptern von selbst, ohne gezeugt zu sein, aus der Erde hervorgegangen und wurde sehr bald dem > Atum untergeordnet, hatte daher auch nie einen selbständigen Kult. Die Verschmelzung des Atum mit > Re wirkte sich auch auf C. aus. C. wird zum Sonnengott, und zwar zum Gott der aufgehenden Sonne. Das Neuwerden der Sonne bereitet sich in der Unterwelt vor. Aus ihr steigt der Sonnengott neugeboren als C. empor, um das Sonnenschiff zu besteigen und am Schoß der Himmelsgöttin zu erscheinen.
Durch die Gleichsetzung mit der Sonne wird C. als Urgott und Schöpfer der Götter zum Sohn der > Nut. Doch selbst als solcher bleibt er der sich selbst Zeugende.
C. ist auch mit der Auferstehungssymbolik verbunden, wie es im Totenbuch (8. Kap.) heißt: „zu Chepre werde ich, in den Urstoff tauchend; ich keime durch die Weltallkraft des Keimens“.
Dargestellt wird er als Käfer oder mit einem Käferkopf.
Lit.: Roeder, Günther: Urkunden zur Religion des Alten Ägypten. Jena: Diederichs, 1915; Ägyptisches Totenbuch. Bern: Barth, 1998; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000.
Cherti, ägyptischer Lokalgott von Letopolis in Widdergestalt. Er erscheint in Gemeinschaft mit dem Falkengott > Horus, > Chenti.irti, dem als Herr von Letopolis ein später Papyrus geradezu die Widdergestalt des C. gibt (Pleyte). Auf alle Fälle erhält C. gelegentlich das Beiwort „an der Spitze von Letopolis“.
In den Pyramidentexten spielt C. als > Totengott eine Rolle.
Lit.: Pleyte, W.: Over drie handschriften op papyrus bekend onder de titels van papyrus du lac Moeris, du Fayoum et du Labyrinthe. Amsterdam, 1884; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000.
Cherub (hebr. keruv, Mehrzahl Cherubim), geflügeltes Wesen mit menschlichem Haupt und Tierkörper.
Was die Herkunft des Begriffes betrifft, herrscht Unklarheit. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass der hebräische Begriff mit dem akkadischen karabu (beten, segnen) zusammenhängt. Das entsprechende Substantiv karibu, karubu (Beter, Fürbitter) bezeichnet den Gläubigen oder häufiger eine Schutzgottheit, die das Gebet des Gläubigen vor den Hauptgott trägt. In diesem Zusammenhang wird C. auch als israelisches Gegenstück zur > Sphinx bezeichnet, die in Ägypten und Mesopotamien bekannt war.
In der hebräischen Bibel findet sich der Begriff 91-mal. In Gen 3,24 werden die C. zu Wächtern auf dem Weg zum Baum des Lebens bestellt. Als Goldstatuen bilden sie den Thron der > Bundeslade (Ex 25,18-20) und in Salomons Tempel dienen sie als Dekoration (1 Kön 6,29). Im zweiten Tempel gab es keine C. mehr, da zu jener Zeit nach Josephus niemand wusste, was sie eigentlich sind.
In der > Apokalypse sind die C. Lebewesen am Throne Gottes, die bei Tag und Nacht rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war, und er ist, und er kommt“ (Offb 4,8).
In der neunstufigen Engelshierarchie des > Dionysius Areopagita bilden die C. als Symbol des Wissens die zweite Klasse. Ihre Führer sind > Gabriel, Cherubiel, Ophaniel, > Raphael, > Uriel, Zophiel und > Satan vor dem Fall. Sie stehen in unmittelbarer Gottesnähe, kennen Gottes Wesen und geben dieses als Sprachrohr Gottes an die unter ihnen stehenden Engel weiter. Über ihnen stehen die > Seraphim.
Ikonografisch werden die C. in der Regel durch vier Flügel gekennzeichnet. Bei den Darstellungen mit sechs Flügeln können sie durch das ihnen beigefügte Rad von den Seraphim unterschieden werden.
Auch in der sog. himmlischen > Dämonenhierarchie der > Dämonologie, die vom Neuplatonismus entwickelt wurde, nehmen sie den zweiten Platz ein. Sie gelten als Geister der Harmonie, betreuen das planetarische System des > Tierkreises und werden mit den festen Zeichen des Tierkreises (Stier, Löwe, Skorpion und Wassermann) verbunden.
Lit.: Jacoby, A.: Zur Erklärung der Kerube. Afr. 22 (1923 –1924); Albright, W. F.: What were the Cherubim? Biblical Archeologist I / 1926; Dessenne, André: Le sphinx: étude iconographique. Paris: de Boccard, 1957; Mettinger, T. N. D.: Cherubim, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible. Leiden: Eerdmans; Brill, 1999.
Cherufe, riesiges menschenfressendes Fabelwesen der Araukaner in Chile und Argentinien. Es haust angeblich in Vulkanen und ernährt sich von jungen Mädchen.
Lit.: Kößler-Ilg, Bertha: Indianermärchen aus den Kordilleren: Märchen der Araukaner. Düsseldorf: Diederichs, 1973; Mode, Heinz: Fabeltiere und Dämonen: die Welt der phantastischen Wesen. Leipzig: Koehler & Amelang, 2005.
Chesed (hebr., „der Barmherzige“), die vierte Sephirah der zehn > Sephiroth, auch Gedulah (hebr., „Größe“) genannt. Im kabbalistischen Lebensbaum liegt C. auf der dritten Ebene, aber auf der rechten Seite (also der linken Köperhälfte) und bildet eine Polarität mit der Sephirah > Geburah oder Din auf der linken Seite. C. wird der persönlichen Liebe oder dem persönlichen Bewusstsein zugeordnet. Geburah steht hingegen für Stärke und Strenge. Beide bilden die Polarität von Liebe und Willen.
In der griechisch-römischen Mythologie entsprechen C. > Zeus bzw. > Jupiter.
Lit.: Parfitt, Will: Die persönliche Qabalah. St. Gallen; Chur: M & T Verlag Edition Astroterra, 1990.
Chesŏk, im koreanischen > Schamanismus der Gott des höchsten Lebensglücks. Der Name ist die sinokoreanische Wiedergabe von Shakra (sanskr.).
Lit.: Vos, Fr.: Die Mythologie der Koreaner. Wörterbuch der Mythologie 6,22. Lief., 1987.
Chetasika oder Cetasika (sanskr., Pali), „Geistesfaktoren“ oder „geistige Dinge“ (Chetasika-dhamma), die geistigen Begleiterscheinungen, die mit dem jeweiligen Bewusstsein verbunden sind und von ihm hervorgerufen werden. C. ist eine der Einteilungskategorien des > Abhidharma mit 52 Geistesfaktoren, von denen 25 edel, 14 unedel (karmisch unheilsam) und 13 an sich ganz neutral sind, also weder edel noch unedel sind.
Lit.: Ehrhard, Franz-Karl: Das Lexikon des Buddhismus. Bern: O. W. Barth, 1992; In den Worten des Buddha. Stammbach: Beyerlein & Steinschulte, 2008.
Cheval, im > Voodoo das Pferd, im weitesten Sinn die Person, die bei der Reise in den Trancezustand von Geistesgottheiten „besetzt“, also besessen wird.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988.
Chevalier (franz., „Ritter“). 1. Bezeichnung für französische Hochgrade der > Freimaurerei (z.B. Chevalier Kadosh), entspricht im Englischen den knights.
2. Hofkarte, die im > Tarot zwischen der Königin und dem Buben liegt.
Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Chevalier, Marie George
(1889 – 2.12.1973), französischer Ingenieur und Parapsychologe, promovierte 1908 in Naturwissenschaften und ein Jahr später in Literatur. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg diente er in der Armee. Nach seiner Pensionierung wurde C. Direktor der Assn. Française d’Etudes Métapsychiques und leitete Experimente zum Studium der > Psychokinese und der > Außersinnlichen Wahrnehmung. Über die Ergebnisse berichtete er in Sciences Métapsychiques und in den Cahiers Métapsychiques. Zudem schrieb er das Buch La Morte, cette illusion (1953) und, zusammen mit Bertrand de Cressac Bachelerie, La Métapsychique – problème crucial (1960) sowie Le Miracle (1961).
W. (Auswahl): Le Miracle: illusion ou réalité? Éditions de l’Omnium littéraire (Fontenay-le-Comte, impr. P. et O. Lussaud frères), 1961.
Chevreuil, Léon-Marie-Martial
(* 27.03.1852 Paris; † Dezember 1939), französischer Maler, Autor und Spiritist.
C. studierte an der Universität von Poitiers und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Sein Name ist vor allem mit seinem Werk On ne meurt pas (Man stirbt nicht, 1916) verbunden, das von der Académie des Sciences in Paris einen Preis erhielt. Von ihm stammen auch die Bücher Le spiritisme dan l’Église (1923), Le spiritisme incompris (1931) und eine Reihe von Beiträgen in der Revue Spirite. Zwei seiner Gemälde beinhalten ebenfalls spiritistische Themen.
W.: On ne meurt pas [Texte imprimé]: preuves scientifiques de la survie. Paris: Jouve, 1916; Le Spiritisme incompris. Théorie simple et rationnelle. Paris: Jean Meyer, 1931; Le Spiritisme dans l’Église. Paris: Jean Meyer, 1937.
Chevreul, Michel-Eugène (*31.08.1786 Angers, † 8.04.1889 Paris, im Alter von fast 103 Jahren), französischer Chemiker und Begründer der modernen Theorie der Pigmente, Erforscher der tierischen Fette und Erfinder der Margarine.
C. studierte in Paris und wurde nach einer Lehrtätigkeit an Schulen 1824 Direktor der berühmten Gobelin-Teppichmanufaktur, wo-
bei er sich auf die Probleme der Färberei und damit auf die Farben selbst konzentrierte. 1830 wurde er Professor für Organische Chemie am Nationalmuseum für Naturgeschichte. 1839 veröffentlichte er sein bedeutendes Buch De la loi du contrast simultané des couleurs, in dem er der Ästhetik der Farben durch Aufzeigen ihres Simultankontrasts eine systematische Grundlage zu geben versucht. Damit beeinflusste er jene Richtungen der Kunst, die als Impressionismus, Neoimpressionismus und Orphischer Kubismus bezeichnet werden. Nach C. gibt eine Farbe ihrer benachbarten einen komplementären Stich (im Farbton). Dazu erstellte er zur Organisation der Farben einen 72-teiligen Farbenkreis, der die Farben durch verschiedene Veränderungen definiert und neben den drei subtraktiven Primärfarben (Rot, Gelb und Blau) drei sekundäre Farben (Orange, Grün und Violett) sowie sechs sekundäre Mischungen enthält.
C. war zudem davon überzeugt, dass sich die verschiedenen Farbtöne und ihre Harmonie durch Beziehungen zwischen Zahlen festlegen lassen. Er sprach von einer „Harmonie der Analogie“ und von einer „Harmonie des Kontrastes“. Ein Gesetz der Farbharmonie konnte er allerdings nicht finden.
Bereits ab 1840 begann sich C. auch für das Wahrsagen mit dem > Pendel zu interessieren, das er über dem Alphabet zu verschiedenen Fragen schwingen ließ. Dabei gelangte er zur Feststellung, dass die Ausschläge durch unbewusste Muskelbewegungen des Pendlers zustande kommen, der, ohne es zu wissen, die Fragen beantwortet. Diese Auffassung vertritt er auch in seinem Bericht von 1853 über die Untersuchungen der von der Akademie der Wissenschaften ernannten Kommission zum Studium zweier Phänomene, die großes Aufsehen erregten: die „Suche nach unterirdischem Wasser mit dem Pendel“ und „die Bewegung beim Tischrücken“, wie seinem Buch De la Baguette divinitoire (1854) zu entnehmen ist.
W. (Auswahl): De la loi du contraste simultané des couleurs et de l’assortiment des objects colories. Straßburg und Paris, 1839; De la baguette divinatoire du pendule dit explorateur et des tables tournantes. Paris: Bachelier, 1854; Des couleurs et de leurs application aux arts industriels. Paris, 1864.
Lit.: Birren, Faber (Hrsg.): M. E. Chevreul: The Principles of Harmony and Contrast of Colors, 1967.
Chevreulscher Pendelversuch > Chevreul, Michel-Èugene.
Chézard de Matel, Jeanne (* 6.11.1596 Roanne, Frankreich; † 11.09.1670 Paris), ehrw. (5.12.1973), französische Mystikerin und Gründerin des Ordens vom Menschgewordenen Wort und dem Heiligsten Sakrament.
C. verbrachte ihre Jugend in der Familie und befasste sich als Zwanzigjährige sechs Jahre lang mit der Frage ihrer Berufung, bis ihr eine innere Stimme mitteilte: „Ich habe Dich dazu auserkoren, in meinem Namen einen Orden zu gründen.“ Im Gebet werde sie erfahren, dass der Name des neuen Ordens „Das Menschgewordene Wort“ sein werde und dass sie den Namen „Menschgewordenes Wort“ bis an die Grenzen der Erde zu tragen habe. Die Gründung fand am 2. Juli 1625 in Roanne statt. Die Regel und die Konstitutionen mit der Hauptaufgabe Erziehung der Jugend wurden 1633 approbiert. Bis zu ihrem Tod wurden Häuser in Lyon, Grenoble, Avignon und Paris errichtet. C. war eine strenge, aber korrekte Oberin und Verfasserin zahlreicher mystischer Texte, von denen in den Archiven über 5000 Seiten erhalten sind. Ihre Aufgabe sah sie darin, in Liebe und Anbetung das große Geheimnis der unendlichen Liebe Gottes bekannt zu machen
Der Seligsprechungsprozess ist eingeleitet. Am 7.03.1992 wurde das Dekret über die Tugenden erlassen.
Lit.: Cristiani, Léon: Une grande mystique lyonnaise: Jeanne de Matel, fondatrice de l’Ordre du Verbe Incarné: 1596 –1670, éd.: Congrégation du Verbe Incarné, 1979; ders.: Jeanne Chézard de Matel, Roanne 1596 – Paris 1970 [Texte imprimé]: troisième partie de l’étude historico-critique sur les sources contemporaines de la vénérable Jeanne Chézard de Matel, fondatrice de l’Ordre du verbe incarné et du très Saint Sacrement. Lyon: [s.n.], 1996.
Chhaya (sanskr., „Schatten“), Scheinbild oder Abbild.
1. C. ist eine Stadt in der Provinz Porbandar im Staate Gujarat in Indien.
2. In der esoterischen Philosophie bezeichnet C. das astrale Abbild einer Person.
Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Chi, auch Chineke, Ci, Chuku, das höchste Wesen und die Schöpfergottheit bei den nigerianischen Ibo und Igbo.
Die Überlieferungen im Hinblick auf C. unterscheiden sich z.T. stark, doch lässt sich allgemein Folgendes sagen: C. wohnt im > Himmel, nimmt allerdings Anteil am Menschen. Er wird zumeist männlich gedacht und ist der Gemahl der mächtigen > Ala (Ale, Ana, Ani), der Erde, einer Muttergöttin und Weltregentin. Die Kinder der beiden sind die Menschen, die Tiere und die Pflanzen.
C. ist allmächtig, herrscht über alle Untergötter, schickt Regen und kontrolliert die Fruchtbarkeit. Als Gatte und Vater ist er, außer mit Ala, auch noch mit Anyanga, der Sonne, Iwa, dem Firmament und Amadhi Oha, dem Blitz, verbunden.
Lit.: Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979.
Ch’i (chin., „Luft, Atem, Stärke“), Geist oder Lebenskraft, die nach der chinesischen Religion, Medizin und Philosophie alle Dinge durchdringt und ermöglicht. C. ist dem hinduistischen Jogabegriff > prana vergleichbar und wird in Japan > ki genannt.
Zugrunde liegt dem Begriff die elementare Beobachtung, dass das Geheimnis des langen Lebens im Anhalten des Atems besteht, weshalb man im > Taoismus das Leben durch eine Vielzahl von Atemübungen zu verlängern und > Unsterblichkeit zu erlangen versucht.
Nach taoistischer Auffassung ist der Kosmos ein Ausdruck des > Tao, in den C. zum Ausgleich von > Yin und > Yang gebracht wurde. Ihre Trennung führte zur Bildung von > Himmel und > Erde, ihre Wiedervereinigung in verschiedenen Stufen ließ die „zehntausend Dinge“ (wan-wu), die Gesamtheit aller Wesenheiten und Geschöpfe erstehen: „Am Anfang, bevor Himmel und Erde getrennt wurden, gab es nur das Eine. Als dieses Eine geteilt wurde, entstanden Yin und Yang. Das, was yang-ch’i empfing, wurde leicht und klar und wurde zum Himmel; das, was yin-ch’i empfing, wurde dunkel und schwer und wurde zur Erde; das, was beides ausgewogen erhielt, wurde menschlich“ (Miyuki, S. 185).
In der Medizin verstand man unter C. die Lebensenergie, die in den Meridianen des Körpers zirkuliert und Aufbau und Wachstum desselben reguliert. Störungen der Zirkulation führen zu Krankheiten. Daneben ist C. der Atem. Beide gehören zusammen. C. bezeichnet zudem die Emotionen des Menschen.
Lit.: Miyuki, Mokusen (Hrsg.): Die Erfahrung der goldenen Blüte: d. klass. Werk über d. Geheimnis d. goldenen Blüte; d. Basistext taoist. Meditation aus d. China d. 12. Jh. München: Barth, 1984.
Chi Kung (chin., „Energie-Kultivierung“), spezielle chinesische Meditationsübungen, deren Ziel der ausgeglichene ruhige Fluss der > Ch’i-Energie zur Förderung des persönlichen Wohlbefindens ist. In der Ruhe liegt nämlich die Kraft und in unserer Energie der Schlüssel für ein gesundes glückliches Leben. Dieses Wissen wurde in China über Jahrtausende von einer Generation zur anderen weitergegeben. In den 1980er Jahren wurde diese Tradition in Form des > Zhan Zhuang – Chi Kung in den Westen gebracht.
Lit.: Yue-sun, Sung: Chi Kung and Acupuncture. Hongkong, o. J.; Caliz, Ignacio: Tai Chi – Chi Kung. München: Sportimex J. F. Baer GmbH, 2008.
Ch’i lei Jong-Massage, chinesische „Organaktivierung“. Dieser Organaktivierung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Gesundheit auf der ungestörten Zirkulation der Lebensenergie (> Ch’i) beruht. Neben den Energiekanälen, den > Meridianen, in denen die Lebenskraft fließt, gibt es noch vier weitere Körpersysteme, nämlich Gefäße, Lymphe, Nerven und Muskeln, durch welche Lebensenergie fließt und die so für die Gesundheit von besonderer Wichtigkeit sind. Alle fünf Körpersysteme laufen im Nabel zusammen. Daher können Energieblockaden durch Massage der Nabelregion beseitigt werden.
Lit.: Meng, Alexander Chao-Lai: Meridiantafel für die chinesische Massage – Tuina-Therapie – Akupressur. Wien: Maudrich, 2007.
Ch’i Yu (chin.), Dämon des Krieges und Widersacher des Huang-ti (des > Gelben Kaisers). Er fertigt die Waffen an, mit denen er Aufruhr und Zwietracht auf der Erde stiftet.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chia, indianische Mondgöttin und Urmutter der Chibcha- und Muisca-Indianer im Nordwesten Südamerikas. Die Muisca sind ein Volk der Chibcha, deren Name „Menschen“ bedeutet. Ihre Kultur war höher als die anderer chibchasprechender Völker, ebenso ihre Gesellschaftsordnung. Zu Beginn des 16. Jh. besaßen sie sehr ausgedehnte Gebiete im Nordwesten Südamerikas bis hinein nach Mittelamerika in die heutigen Staaten Panama, Costarica und den Süden von Nikaragua, wobei Bogota und Tunja den größten Einfluss hatten. Der Herrscher des Tunja-Staates nannte sich Zake und wurde als Abkömmling der Sonne verehrt, während Zipa, der Herrscher von Bogota, als irdischer Repräsentant des Mondes galt.
Lit.: Helfritz, Hans: Südamerika, präkolumbische Hochkulturen. Köln: DuMont, 1979.
Chiaia, Ercole (1840 –1905), italienischer Arzt und bedeutender Vertreter des wissenschaftlichen > Spiritismus. Ab 1874 begann er mit seinen eingehenden Untersuchungen und berichtete 1886 über das von Enrico > Damiani entdeckte, aber der europäischen Wissenschaftswelt noch weitgehend unbekannte Medium Eusapia > Palladino. 1888 veröffentliche C. einen offenen Brief an Cesare > Lombroso, in dem er auf die außerordentlichen Fähigkeiten der Palladino verwies, die wissenschaftlich nicht zu erklären seien. Er machte Palladino so allgemein bekannt, was zu breitgefächerten Untersuchungen führte.
Lit.: Dettore, Ugo: L’altro regno: enciclopedia di metapsichica, di parapsicologia e di spiritismo. Milano: Bompiani, 1973.
Chiao (chin., „Opfer“), Weinopfer (oder „Trinkspruch“) bei der Volljährigkeit eines Sohnes oder bei einer Hochzeit, das später bei den Taoisten zu einem allgemeinen Ritualopfer wurde. Dieses diente verschiedenen Zwecken, wie der Abwehr von Krankheiten, dem Schutz vor Feuer, dem Stiften von Frieden oder dem Herbeiführen von Segen. Es wurde vor allem den drei Höchsten (den Reinen), > San Ch’ing wie auch den Lokalgottheiten dargebracht.
Das C. verwirklicht die Energien des Makrokosmos im Mikrokosmos des Körpers des Opfernden und steht somit zum > Nei-tan, der inneren > Alchemie, in Beziehung.
Lit.: Saso, Michael R.: Taoism and the Rite of Cosmic Renewal. Washington State University Press, [1972].
Chibchachum, Erdgott der kolumbianischen Muisca und Patron der Ackerbauern, Händler und Goldschmiede. Der Legende nach wurde er von > Bochica besiegt und muss seither die Erde auf seinen Schultern tragen. Jedes Mal, wenn er die Last von einer Schulter auf die andere hebt, erbebt die Erde.
Lit.: Perez de Barradas, José: Los Muiscas antes de la conquista. Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, 1950 / 51; Caballero Plaza, Efrén: Leyenda y realidad en la mitología Chibcha, in: La nueva democracia, New York, vol. 39 (1959) 4, S. 20 –24.
Chibiados, indianischer fleischfressender Luchs- und Wolfsgott bei den > Algonkin. C. ist auch Herr der Geisterwelt und gilt als jüngerer Bruder des Hasen (> Manabhozho).
Lit.: Spence, Lewis: Mythen der Indianer. Mit einer Einführung von Arthur Cotterell. Augsburg: Pattloch, 1995.
Chicha (span.), alle durch alkoholische (> Alkohol) Gärung gewonnenen Rauschgetränke, insbesondere aus Mais und Maniok. Solche Getränke wurden schon von den > Inka konsumiert.
Die Herkunft des Wortes ist unsicher. Jedenfalls bezeichneten die Spanier damit alle fermentierten Getränke, die sie in Amerika antrafen, auch wenn für die Zubereitung jeweils lokal unterschiedliche Zutaten verwendet wurden. Der Genuss von C. dient vor allem zur Hervorhebung bedeutsamer Lebensabschnitte und kommunaler Ereignisse. Maßloses Trinken wurde von den Inka allerdings als Hauptlaster gebrandmarkt. Wegen des erheblichen Anteils nicht vergorener Bestandteile ist der Nährwert von C. groß.
Lit.: Völger, Gisela: Rausch und Realität. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1982; Weston, Rosario Olivas: La Cocina de los Incas. Lima: Universidad de San Martín de Porres, 2006.
Chicomecoatl (indian., „Sieben Schlangen“), Mais- und Fruchtbarkeitsgöttin der > Azteken. Zu ihrer Ehre wurde zur Zeit der Maisreife das elfte der 18 Monatsfeste des Jahres als Erntefest gefeiert. Zur Sicherung einer reichen Ernte wurden jeweils am 24. Juni > Menschenopfer dargebracht. Im September wurde ein weiteres Mädchen, das die Maisgöttin darstellte, geopfert. Dabei wurde es geköpft, das Blut über die Skulptur der Göttin gegossen und der Leichnam gehäutet; die Haut zog sich ein Priester über. Im gleichen Monat wurden C. geweihte Schreine in den Häusern mit Maispflanzen geschmückt und Maiskörner im Tempel gesegnet.
Zu ihren Attributen gehören ein Maiskolbenpaar und ein Rasselstab.
Lit.: Vaillant, George C.: Die Azteken. Köln: Dumont Schauber, 1957.
Chidakash Vidya, auch Chidakash Dharana (sanskr. chid, gewahr sein; akash, Raum, Äther; vidya, Weisheit), das Erleben des inneren Raumes. Sieht man den inneren Raum in all seiner Klarheit, hat man ihn gemeinsam mit allen Weisen und Heiligen. Der Weg dazu verlangt Übung und Ruhe. Man schaut von innen nach dem inneren Raum. Die letzte Stufe ist erreicht, wenn man vom Innenraum von außen nach dem Zentrum vorstößt.
Lit.: Saraswati, Swami Jyotirmayananda: Praxis der Meditation. Wien: Verlag der Palme, 1970.
Chidananda, Swami, bürgerlich Sridhar Rao (*24.09.1916 Südindien; † 28.08.2008 Rishikesh), hinduistischer Mystiker. Die Namensänderung erfolgte, als er den Lebensstand der Entsagung (Sannyasa) annahm.
Nach der Grundschulausbildung erlangte C. den Grad eines Bachelor of Arts am überwiegend christlichen Loyola College. Die Ideale Jesu, der Apostel und christlicher Heiliger gingen in seinem Herzen eine Synthese mit den edelsten Elementen der Hindu-Kultur ein. Seine Familie war stark vom Ideal der Nächstenliebe geprägt und so widmete er sich besonders dem Dienst an Leprakranken, aber auch an Tieren. Dennoch wuchs die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit und Kontemplation und so zog er sich 1936 von der Welt, den Anhaftungen an Familie und Freunden zurück.
1943 erhielt er von Sri Swami Sivanandaji Maharaj die Erlaubnis, sich seinem > Aschram in Rishikesh anzuschließen. Dort hielt er Vorträge, verfasste Artikel, gab den Besuchern spirituelle Unterweisung, schrieb das Buch Light Fountain und gründete 1947 unter der Führung von Sri Gurudev das Yoga Museum.
1948 wurde er zum Vize-Kanzler der Yoga-Vedanta Forest Academy, zum Professor für Rajah-Yoga und zum Generalsekretär der Divine Life Society ernannt. Am Guru Purnima-Tag, dem 10. Juli 1949, wurde er von Swami Sivanandaji in den heiligen Orden des Sannyasa eingeweiht und von da an Swami Chidananda („jemand der sich im höchsten Bewusstsein und in höchster Wonne befindet“) genannt. 1959 machte er eine ausgedehnte Amerikareise, von der er 1962 zurückkehrte. 1963 wurde er zum Nachfolger seines inzwischen verstorbenen Meisters Swami Sivanandaji gewählt und trat 1968 eine Reise durch alle Länder der Welt an, um den Anhängern der Divine Life Society die Botschaft vom göttlichen Leben zu verkünden.
Durch sein persönliches Leben und seine zahlreichen Schriften gehört C. zu den großen indischen Weisheitslehrern mit ökumenischem Einschlag.
W. (Auswahl): Konzentration und Meditation. Köln: Divine Life Soc., 1995; Spirituelle Gedanken. Hannover: Divine Life Society, Zweigstelle Hannover, 2005.
Lit.: Die Wahrheit über Swami Shivananda’s Botschaft an die Menschheit. Hannover: Divine Life Soc., Zweigstelle Hannover, 1996.
Chidr, Chidhr, Chidher, al-Chadhir, (arab. „der Grüne“; persisch chisr; türkisch hizir), sagenhafte Gestalt des Islam.
C. soll als ewiger Wanderer im Reich der Finsternis bis zur Lebensquelle vorgedrungen sein und sich ein bis an den Jüngsten Tag reichendes, dem Alter nicht unterworfenes Leben erworben haben. Im Koran, Sure 18,60ff., tritt er als Begleiter des Mose auf. In der Tradition der > Sufis ist er einer der verstorbenen, immer lebenden Propheten. Nach einer anderen arabischen Sage war er Feldherr eines altpersischen Herrschers und ein Prophet, der aus der Lebensquelle getrunken hatte und nun bis zum Jüngsten Tag lebt. Alexander d. Große soll im Kaukasus vergeblich nach dieser Quelle der ewigen Jugend gesucht haben.
C. ist eine archetypische Gestalt der ewigen Jugend, die bereits in der altägyptischen Sage vom Wundervogel > Phönix zum Ausdruck kommt.
Lit.: Schmidt, K. O.: Wir leben nicht nur einmal. München: Drei-Eichen-Verlag, 1969; Glasse, Cyril / Smith, Huston: The Concise Encyclopedia of Islam. San Francisco: Harper & Row, 1989.
Ch’ieh-lan (Abkürzung von chin. ch’ieh-lan shen, Geister der ch’ieh-lan (Klostergebäude; sanskr. sangharama), > Schutzgottheiten der buddhistischen chinesischen Klöster, die zu bestimmten Tageszeiten Gebete empfingen. Manchmal waren ihnen innerhalb des Klosterareals auch Schreine oder Hallen geweiht. Der am besten bekannte Geist unter ihnen war der rotgesichtige Gott des Krieges, Kuan Kung.
Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chiemsee, Spuk. Im Juni 1946 kam es in Lauter am Chiemsee zu außergewöhnlichen Begebenheiten. Betroffen war ein Ehepaar, das aus dem Rheinland nach Oberbayern gekommen war, wo es mit zwei angenommenen Kindern in zwei kleinen Kammern wohnte. Bei den beiden Pflegekindern handelte es sich um die 13-jährige Irma, die nicht adoptiert worden war, weil sie nach Ansicht der Hauptperson, der Ehefrau Carola Schrey, charakterlich nicht geeignet war, und die viereinhalb Jahre alte Edith, genannt Ditti, das Lieblingskind.
Im Juni 1946 hatte Ditti einen unvorstellbaren Wutanfall, der sich öfters wiederholte. Das Kind veränderte sich, wurde aggressiv, sprach unflätig, und wenn etwas verboten war, machte es das Mädchen mit besonderem Nachdruck. Äußerlich wurde Ditti unansehnlich und schmutzig. Täglich mussten 3 – 4 Schmutzhaufen und bis zu 10 Urinlachen entsorgt werden. Im August verschwanden auf einmal Lebensmittel. Im September verstärkten sich die Zustände und die Exkremente nahmen ein Ausmaß an, dass man sie kaum allein dem Mädchen zuschreiben konnte, zumal sie überall auftauchten. Die Kleine schrieb alles der „Ditti“ zu, die sie angeblich beherrschte.
Als man ihr eine angeblich wunderbare Medaille umhängte, trat etwas Ruhe ein. Die Kothaufen ließen an Menge nach und befanden sich vor allem nicht mehr in Dittis Bett. Dafür kam es zu anderen Unannehmlichkeiten. Als Irma den Mantel anzog, lief eine gelbe zähe Schleimmasse darüber, Lebensmittel verschwanden. Anfang Oktober flogen Tomaten und Äpfel durch den Raum. Die Kinder sahen dunkle Gestalten. Am 8. Dezember wurde Irma wie von Geisterhand ein Zopf abgeschnitten und vier Wochen später wurde ihr eine starke Kopfwunde zugefügt.
Schließlich setzte man die Hoffnung auf geistliche Hilfe. Auf Anraten von P. Stephan Kainz OSB des Heilig-Kreuz-Klosters in Scheyern legte man Scheyrer Kreuzlein in die Wohnung und erbat seinen Segen, verbunden mit Exorzismus. Damit hatte der Spuk bei der Familie ein Ende, doch kam es bei einem 60 Jahre alten Flüchtlingspaar in einem 8 –10 km entfernten Dorf zu sonderbaren Ereignissen. Haushaltgegenstände flogen durch die Luft und Kot wurde dem Ehepaar ins Gesicht geschmiert. Auch hier kam der Spuk auf Anraten der Familie H. durch das Gebet des Paters zu einem Ende. Dafür traten im Juli 1947 in der Familie um Irma und Ditti erneut spukartige Erscheinungen auf. Wieder ersuchte man um das Gebet des Paters, das auf seine Wirkung nicht warten ließ und ab Februar 1948 zur vollkommenen Ruhe führte.
Der Fall wurde auch von Prof. Dr. Hans > Bender aus Freiburg und Dr. Fischer aus Marburg an der Lahn in fünftägiger Untersuchung geprüft, ohne einen Schwindel festzustellen.
Später wurden jedoch Berichte laut, dass die Polizei den Schwindel aufgedeckt habe. Darauf antwortete das „Passauer Bistumsblatt“ vom 7. Dez. 1952: „Gar nichts hat sich bis jetzt herausgestellt und der Spuk am Chiemsee ist nach wie vor ungeklärt.“
Lit.: Schrey, Carola: Die Wahrheit über den Spukfall am Chiemsee: ein Tatsachenbericht der Betroffenen. Wiesbaden: Credo Verlag, 1950.
Chiffre (franz.; von arab. sifr, leer, als Zahl Null; engl. cipher), Zahlzeichen, Geheimzeichen.
Im 13. Jh. ging das Wort C. in seiner arabischen Bedeutung, als Null, auf die romanische und germanische Sprache über. Als sich dann in dieser Bedeutung das italienische „nulla“ durchgesetzt hatte, wurde C. zu „Ziffer“ als Zahlzeichen.
Ab dem 18. Jh. gelangte C. als Begriff für Geheimzeichen innerhalb der > Kryptologie, der Lehre von den geheimen Kodeschriften, aus dem Französischen in den deutschen Wortschatz. So sind für Johann Georg Hamann (1730 –1788), der den Begriff in dieser Bedeutung in die deutsche Sprache einführte, das Buch der Natur und der Geschichte nichts als Chiffren, verborgene Zeichen, die zur Auslegung der Schrift des Schlüssels bedürfen, der die Absicht ihrer Eingebung ist. Dieser Gedanke, dass die Natur sich dem Menschen durch C. offenbare, findet sich bereits in der > Signaturenlehre des > Paracelsus. J. G. Herder, Fr. Schiller, I. Kant und Fr. W. J. Schelling verwenden den Begriff als Metapher für verschlüsselte Bedeutungen.
Nach Karl > Jaspers können außer der Natur auch der Mensch, seine Geschichte, Mythen, Kunstwerke, kann alles zur C., werden, die einen symbolhaften Blick in die unendlichen Tiefen des Seins gewährt.
In der Literaturwissenschaft wird C. auch zur Bezeichnung einer Stilfigur der Lyrik verwendet.
Lit.: Hamann, Johann Georg: Schriften. Leipzig: Insel-Verlag, 1921; Jaspers, Karl: Chiffren der Transzendenz. München: Piper, 1972.
Chignomanush, Bezeichnung daumengroßer > Zwerge männlichen und weiblichen Geschlechts bei den Zigeunern. Sie hausen in Erdlöchern und Höhlen, wo sie große Schätze hüten. Wer sich ihnen in Wohlwollen nähert und sie beachtet, dem können sie großes Glück bringen, andernfalls aber auch großes Unglück. Im Winter dringen sie angeblich in die Stallungen ein, wo sie aus den Eutern der Milchtiere saugen. Es sei daher ratsam, ihnen allabendlich eine Schale Milch hinzustellen.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chih-i, auch Chih-che (jap. Chisha, 538 – 597), chinesischer Buddhist und Begründer der T’ien-T’ai (jap. Tendai oder Lotus)-Schule des chinesischen > Buddhismus, als dessen vierter Patriarch er gilt.
C. erstellte erstmals in der Geschichte des chinesischen Buddhismus eine vollständige, kritische und systematische Klassifizierung der buddhistischen Lehre, um die vielfältigen und einander teilweise widersprechenden Lehren der indischen buddhistischen Schulen und Schriften in vier Gruppen und acht Lehren zu gliedern. Nach C. enthält das > Avatanshaka Sutra die Essenz von > Buddhas Erleuchtung.
In Bezug auf die buddhistische Praxis entwickelte er bei seinen umfangreichen Studien (15 vollständige Ausgaben der buddhistischen Schriften) die Übung des > Chih-kuan.
Seine wichtigsten Werke sind: Mo-ho chih-kuan, Liu-miao fa-men und T’ung-meng chih-kuan. In China zählen diese Schriften zu den meistgelesenen Werken über > Meditation.
Das > Lotus- und > Nirwana Sutra sind für C. nicht allein nur Schriften, sondern Führer zum Heil. Er verbindet die buddhistischen Schriften zu einer fortdauernden Offenbarung.
W. (Auswahl): Dhyana. München-Planegg: O. W. Barth, 1960; Die Kunst der Versenkung. Bern: Barth, 1975;
Lit.: Hurvitz, Leon: Chih-i (538 –597): an introduction to the life and ideas of a Chinese Buddhist monk. Bruxelles: Institut belge des hautes écoles chinoises, 1980.
Chih-jen (chin., „vollkommener Mensch“), idealer Mensch, der die Einheit mit dem > Tao verwirklicht hat und frei ist vom Ich. C. ist synonym mit Chen-jen, Shen-jen und Sheng-jen. Ein C. fährt auf Luft und Wolken, reitet auf > Sonne und > Mond und wandelt jenseits der Welt. Leben und Tod können sein Selbst nicht verändern.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chih-kuan (chin.; sanskr. Shamatha-Vipashyana; jap. Shikan), Gemütsruhe und Einsicht. Meditationsmethode im > T’ien-T’ai- Buddhismus (Schule).
Chih (> Shamatha) ist die Beruhigung des rastlosen Geistes und die Befreiung von Unterscheidungen; kuan (> Vipashyana) ist die Betrachtung und Einsicht in die buddhistischen Wahrheiten. Diese Meditationsübung wurde von > Chih-i begründet und besteht in der ersten Stufe in der Überwindung der Hindernisse (> Nivarana) durch die Beherrschung des Körpers und seiner Funktionen sowie der sechs Sinnesorgane. Die zweite Stufe ist die Hinwendung des Geistes nach innen, um die völlige Abwesenheit der Form zu erfahren, was zur Verwirklichung der > Sunyata führt.
Diese Meditationspraxis ist in China und Japan sehr verbreitet und in den Schriften von Chih-i ausführlich beschrieben.
Lit.: Chih-i: Die Kunst der Versenkung. Bern: Barth, 1975.
Chih-nü (chin.), Webergöttin, die am Ostufer der Himmelsstraße aus Wolkenbrokat Himmelsgewänder webte. Da sie später als Gattin des Kuhhirten K’ien-niu und als Hirtin die Weberei vernachlässigte, wurde sie von ihrem Vater, einem Sonnengott, verbannt und darf seitdem nur einmal im Jahr, in der Nacht des siebten Tages des siebten Monats, ihren Gatten besuchen. Wenn sie dabei den Fluss überqueren muss, bilden Elstern als Symbol der Treue eine lebende Brücke.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chih-tun, auch Chih Tao-lin (314 –366), einer der bedeutendsten Mönche des 4. Jh. und Begründer der Weisheits-(Prajña)Schule des chinesischen > Buddhismus. Seine besondere Bedeutung lag in der Einführung chinesischer Vorstellungen in das buddhistische Denken, was zu einer raschen Assimilierung des Buddhismus in China beitrug. So war er der Erste, der einen zentralen Begriff der chinesischen Philosophie, > Li, eine Grundvorstellung für die kosmische Ordnung und die Ordnung der Gesellschaft neu interpretierte: als die Höchste Wahrheit, das Letzte Prinzip, die Soheit (Tathata). Diese Bedeutung wurde dann von anderen buddhistischen Schulen (> Hua-yen-Schule) aufgegriffen. C. zollte auch dem Chuang-tzu seine Aufmerksamkeit und war in neotaoistischen Kreisen gern gesehen.
Lit.: Ehrhard, Franz-Karl: Das Lexikon des Buddhismus. Bern u.a.: O. W. Barth, 1992.
Chilam Balam (Maya-Sprache von Yucatan, „liegender Jaguar“), Bezeichnung für einen Wahrsagepriester des > Maya-Volkes und eine Reihe von Texten in Yukatekischer Sprache, die im 17./18. Jh. erstellt wurden. Sie enthalten mythologische Berichte über die Mayagruppen Itza und Tutul Xiu sowie viel alte Tradition (Prophezeiungen, Ritualvorschriften), Zeichnungen und Berichte über geschichtliche Ereignisse aus der vorspanischen Epoche der Maya. Die wichtigste Vorhersage betrifft die Wiederkehr des > Kukulcan (Quetzalcóatl), die mit dem Eindringen der spanischen Eroberer als erfüllt betrachtet wurde.
Der Ursprung der auf mindestens 16 C. geschätzten Exemplare ist unbekannt. Von ihnen sind nur acht vorhanden. Die anderen gingen verloren oder werden von ihren Besitzern verborgen gehalten. Benannt sind sie nach dem Ort, an dem sie entdeckt wurden.
Lit.: El libro de Chilam Balam de Tizimín, Museo Nacional de Antropología, México City (Cod. 35-66) [Texto impreso]; Alvarez Lomelí, María Cristina: Textos coloniales del Libro de Chilam Balam de Chumayel y textos glíficos del Códice de Dresde. México: Universidad Nacional Autónoma, 1974; Paxton, Merideth: Chilam Balam, Books of, in The Oxford Encyclopedia of Mesoamerican cultures, hrsg. von Davíd Carrasco. Oxford: Oxford University Press, 2001.
Chilan (Sprachrohr der Götter), Orakelpriester der > Maya, der als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits den Verstorbenen helfen und ihre > Reinkarnation fördern kann. Zudem verkündet er den Willen der Götter.
Lit.: Tohoven, Frank: Mythos und Magie der Maya. München: Bruckmann, 2002.
Child, Irvin L. (1915 – 2000), amerikanischer Psychologe, Professor an der Yale University, Parapsychologe.
In der Parapsychologie weckten die Untersuchungen von Gertrude > Schmeidler zu „Schafen und Ziegen“, die emotionalen Stimulationen von Thelma > Moss bei > ASW-Experimenten sowie eigene Erfahrungen sein Interesse an einer Identifizierung der Bedingungen, unter denen ASW stattfindet. 1981 wurde C. Präsident der > Parapsychological Association. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen befassen sich etwa 25 Artikel mit parapsychologischen Themen.
W. (Auswahl): The Question of ESP in dreams. American Psychologist 40 (1985) 11, 1219; Humanistic Psychology and the Research Tradition: Their Several Virtues. New York: Wiley, [1973].
Childs, Edward (um 1869), frühes englisches Privatmedium, das durch Mrs. Thomas Everitt in den > Spiritismus eingeführt wurde. C. produzierte die > Direkte Stimme, > Automatisches Schreiben und spielte Musikinstrumente, ohne sie zu berühren.
Lit.: Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.
Chiliasmus (griech. chilioi ete, tausend Jahre), die Lehre vom tausendjährigen Reich (Millennium; lat. mille, tausend). Durch Kombination der sieben Schöpfungstage (Gen 2,2) mit Ps 90,4 erwarteten die Chiliasten unter Berufung auf Offb 20,1-15 im Kontext von Offb 20-22 ein tausendjähriges Friedensreich am Ende der 6000-jährigen Weltzeit.
Solche Berechnungen gab es schon in der jüdischen > Apokalyptik und besonders seit dem > Buch Daniel. Es geht dabei um ein Zwischenreich zwischen diesem und dem neuen > Äon. Die Idee wird aus dem Parsismus abgeleitet, der bis ins 1. christliche Jahrhundert nur zwischen diesem und dem künftigen Äon unterschied.
Nach Offb 20-22 beginnt das 1000-jährige Reich mit der Bändigung des teuflischen Drachens und dem Einsetzen der Herrschaft Christi mit der Auferstehung der Märtyrer und Bekenner. Auf einen Krieg des für kurze Zeit freigelassenen Widersachers Gottes und seine endgültige Entmachtung folgt das universelle Weltgericht mit der allgemeinen Auferstehung der Toten, der Vernichtung der Gottlosen und der Rettung der Gerechten (1 Kor 15,23ff, Lk 14,14) zum ewigen glücklichen Leben in der neuen Schöpfung.
Durch den Einfluss des > Montanismus, einer schwärmerischen Sekte des 2. Jh., setzte sich der C. im Sinne einer realen Hoffnung durch, so bei Irenäus († 220), Tertullian († nach 222/23) und vor allem Hippolyt († um 234). Gefördert wurde er zudem durch die Chronologie des Julius Africanus (um 222). Nach seiner Berechnung beginne das 1000-jährige Friedensreich im Jahre 6000 nach damaliger Zeitrechung. In der griechischen Theologie konnte sich der C. hingegen wegen der Unvereinbarkeit von Montanismus und > Gnosis kaum durchsetzen und selbst > Augustinus († 430) revidierte seine chiliastischen Ansichten unter dem Einfluss des Hieronymus († 420).
Mit der Verurteilung des C. als Häresie durch > Thomas von Aquin (Summa contra gentiles III, 27; VI, 83) wird er in der katholischen Kirche nicht mehr vertreten. Hingegen wirkte die Vorstellung von Joachim von Fiore († 1202), der den C. mit dem Anbruch der Zeit des Heiligen Geistes verband, über die Armutsbewegung des ausgehenden Mittelalters auf religiös motivierte Laienbewegungen, die Hussiten, die Brüder des Freien Geistes in Böhmen, die Bauernunruhen um Thomas Münzer, die Wiedertäufer, den > Pietismus, die 1916 gegründeten > Zeugen Jehovas, die > Siebenten-Tags-Adventisten, die > Mormonen und die vielen esoterischen Strömungen der Neuzeit bis zur > New Age-Bewegung und dem > Wassermannzeitalter.
Lit.: Bienhard, Hans: Das Tausendjährige Reich. Zürich: Zwingli, 1954; Benz, Ernst: Ecclesia spiritualis. Stuttgart: Kohlhammer 1964; Töpfer, Bernhard: Das kommende Reich des Friedens. Zur Entwicklung chiliastischer Zukunftshoffnungen im Hochmittelalter. Berlin: Akademie-Verlag, 1964; Benz, Ernst: Endzeiterwartung in Ost und West. Freiburg: Rhombach, 1973; Giesen, Heinz: Johannes-Apokalypse. Stuttgart: Verl. Kath. Bibelwerk, 1996.
Ch’i-lin (chin.), chinesisches Einhorn, meist mit dem Körper eines Hirsches, dem Schwanz eines Ochsen, den Schuppen eines Fisches, dem Kopf eines Wolfes und den Hufen eines Pferdes, das Glück und Frieden bringt. Mit seinem kurzen, ungefährlichen Horn kann es niemanden verletzen. Es gehört neben > Drachen, > Phönix und > Schildkröte zu den vier Wundertieren.
C. ist von alters her ein Sinnbild des Kindersegens. Nach einer alten Fabel ist C. so leichtfüßig, dass es keine Pflanzen oder Lebewesen zertritt. Auch soll es die Fähigkeit haben, über das Wasser zu wandeln. Seine Stimme sei lieblich und rein wie eine Glocke.
Das erste Mal erschien C. 2698 v. Chr. als Bote für gute Nachrichten dem Herrscher Huang-ti als Hinweis auf die glückliche Regierungszeit, die unter ihm folgen sollte.
Lit.: Münke, Wolfgang: Die klassische chinesische Mythologie. Stuttgart: Klett, 1976.
Chilla (arab.), ein abgelegener Raum, in dem die > Sufis ihre geistigen Übungen abhalten.
Lit.: Schimmel, Annemarie: Sufismus. München: Beck, 2000.
Chilon von Sparta (auch bekannt als Cheilon von Lakedemonien, um 560 v. Chr.), griechischer Staatsmann. Nach Platon (Plat. Prot. 343a) galt er als einer der Sieben Weisen des antiken Griechenland. Man ordnete ihm den Wahlspruch „Erkenne dich selbst“ und „In nichts zu viel“ zu. Nach Diogenes Laertius (I, 70) stammt von ihm der Ausspruch: „Verwünsche nicht die Wahrsagerei“, da er durch seine Voraussagen selbst großes Ansehen erlangte, so z.B. betreffend die lakonische Insel Kytherai, von der er sagte: „Wäre sie doch nie entstanden, oder wäre sie nach ihrer Entstehung doch wieder von der Welle verschlungen worden“ (Feldmann, 157). Seine Prophezeiung ging in Erfüllung, denn Xerxes versammelte dort seine Flotte, weshalb Griechenland in schwere Bedrängnis geriet. Und später im Peloponnesischen Krieg verlegte Nikias nach Unterwerfung der Insel eine athenische Besatzung dorthin, wodurch er den Lakedaimoniern großen Schaden zufügte.
Lit.: Diogenes <Laertius>: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Hamburg: Meiner, Sonderausg. 17, o. J.; Feldmann, Josef: Okkulte Philosophie. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1927.
Chimäre (griech. chimaira, Ziege, lyk. Untier; lat. chimaera), dreigestaltiges bzw. dreiköpfiges lykisches Ungeheuer – vorne Löwe, hinten Schlange, in der Mitte Ziege (Hom. Il. 6, 181) –, das von dem jugendlichen Helden Bellerophon, der auf dem Flügelross > Pegasus ritt, getötet wurde. Die etruskische Großbronze aus dem 4. Jh. v. Chr. im Archäologischen Museum in Florenz ist eine der berühmtesten Bronzefiguren der Antike und ahmt wortwörtlich die literarische Vorlage nach.
Das Ungeheuer ist der Spross des > Typhon und der Echidna, Schwester des > Kerberos, der > Sphinx und der > Hydra. Nach anderer Überlieferung wurde C. vom Lykier Amisodaros aufgezogen (Hom Il. 16, 328).
Seit > Homer ist es fester Bestandteil, dass C. Feuer speit, Ovid zufolge (Met. 9, 647) aus dem namengebenden Ziegenkopf. In > Vergils „Unterwelt“ wohnt es mit anderen Ungeheuern zusammen (Aen. 6, 288).
In der heutigen Sprache bezeichnet das eingebürgerte Fremdwort „Chimäre“ („Schimäre“) ein „Hirngespinst“. Die entsprechenden Adjektive „(s)chimärisch“ oder „(s)chimärenhaft“ werden mit „trügerisch“ gleichgesetzt. In der Biologie steht „Chimäre“ für einen Organismus, dessen Körper aus zwei oder mehreren genetisch verschiedenen Geweben zusammengesetzt ist. Mit dem Oberbegriff „Chimärismus“ wird sowohl das Zustandekommen aus Anteilen verschiedener Embryonen als auch das Ergebnis der nachträglichen Einführung von Zellen eines anderen Organismus subsumiert.
Lit.: Karenberg, Axel: Amor, Äskulap. Stuttgart: Schattauer, 2005; Stephani, Caspar: Chimäre Kokulturen embryonaler und adulter Stammzellen. Leipzig, Univ., Diss., 2009.
Ch’i-Meridiane > Meridiane, > Akupunktur, > Ch’i.
Chimken, auch Chim, Jimmecken (abgeleitet vom Personennamen Joachim), Bezeichnung des > Kobolds und „Drak“ (> Drachen) in Mecklenburg, Pommern und der früheren Provinz Posen (Bartsch, 260). C. erscheint auch als Teufelsname in märkischen Hexenakten (Heckscher, 366).
Lit.: Bartsch, Karl: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg. Wien: Braumüller, 1879 –1880; Heckscher, Kurt: Die Volkskunde des germanischen Kulturkreises. Hamburg: Riegel, 1925.
Chimú, eine vor-inkaische Kultur, die sich in der Zeit um 1250 beim Niedergang des Reiches der Huari (Wari) im Norden Perus durchsetzte und im Jahre 1463 dann von Topa Inka Yupanqui († 1493) erobert wurde. Ihre Hauptstadt Chan-Chan soll bis zu 60.000 Einwohner beherbergt haben und war die größte Stadt Südamerikas.
Die Gesellschaft war streng hierarchisch gegliedert, mit einem Regenten an der Spitze, dessen Amt erblich war.
In der religiösen Tradition spielte der Kult der Meeresgottheit (Ni) eine wichtige Rolle. Für die agrarische Bevölkerung war hingegen die Mondgöttin (Si) von zentraler Bedeutung. Sie kontrollierte die Fruchtbarkeit der Nutzpflanzen wie jene der Menschen und Tiere und war außerdem für das Wetter verantwortlich. Zudem gab es Steingötter (Alecpong), die als Stammväter der Menschen verehrt wurden.
Lit.: Kutscher, Gerdt: Chimu. Berlin: Mann, 1950; Peru, versunkene Kulturen. Leoben: Stadtgemeinde Leoben, 2000.
China ist ein kultureller Raum in Ostasien, der vor über 3500 Jahren entstand und politisch-geografisch von 221 v. Chr. bis 1912 das Kaiserreich China, dann die Republik China umfasste und seit 1949 die Volksrepublik China (VR) und die Republik China (ROC) auf der Insel Taiwan. C. ist mit 1,3 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde, der flächengrößte Staat in Ostasien und – nach der Landfläche gerechnet – nach Russland und Kanada der drittgrößte der Erde, auf die Gesamtfläche bezogen jedoch der viertgrößte nach den USA.
Die dort verbreiteten Religionen sind > Taoismus, > Konfuzianismus, > Buddhismus, > Islam und > Christentum. Neben diesen Religionen ist auch der alte chinesische Volksglaube sehr einflussreich.
Die kulturellen Anfänge
Die ersten Schriftzeichen finden sich auf Orakelknochen mit ca. 3500 Zeichen aus der Zeit nach 1300 v. Chr. Darin ist von einem höchsten Himmelsgott (Shang Ti) die Rede, der über eine Vielzahl von göttlichen Wesen herrschte, über Götter des Windes, der Sonne und des Schnees. Ab 1028 v. Chr. begann die Chou Dynastie, die bis ca. 220 v. Chr. an der Herrschaft eines Kleinen Königreiches blieb. Aus dieser Zeit stammen die ersten größeren Werke der chinesischen Literatur, ein „Buch der Urkunden“ (Schu), ein „Buch der Lieder“ (Shi), ein „Buch der Verwandlungen“ (Yi). An diesen Texten lässt sich ein Teil der alten Mythologie erkennen.
Mythologie
Am Anfang gab es in C. ein höchstes göttliches Wesen und die Chaoswasser. Diese teilten sich auf Befehl des göttlichen Wesens in zwei Teile, in das > Yin, das Dunkel und Unbewegliche, und das > Yang, das Lichtvolle und Bewegliche. Als aktive und passive Urkraft des Universums bildeten sie zusammen den Kosmos, die Menschenwelt, die Lebewesen, die Dinge und den Menschen.
Aus Yang wurde der Himmel der Götter, aus Yin die Erde für die Menschen. Aus der Kraft des Yang wurde unter den Menschen das männliche Geschlecht und aus der Kraft des Yin das weibliche.
Nach dem Buch San-wu-li-Ki im 3. Jh. n. Chr. gab es am Anfang weder den Himmel noch die Erde. Es existierte nur Chaos in Form eines Hühnereis, aus dem das Urwesen Panku geboren wurde. Die groben Teile des Eis formten sich zur Urkraft Yin und bildeten die Erde. Die leichten Teile sammelten sich zur Urkraft Yang und bildeten den Himmel. Später habe sich Panku selbst geopfert. Sein Körper wurde zerstückelt. Aus dem Kopf seien die vielen weißen Berge, aus seinen Augen Sonne und Mond, aus seinem Fett die Flüsse und Meere und aus seinen Körperhaaren die vielen Pflanzen entstanden. Wenn Panku lachte, schien die Sonne, wenn Panku traurig oder zornig war, gab es auf der Erde Stürme und Regen.
In der Wüste des Nordens, wo es dunkel ist, lebte ein roter Drachen, mit dem Gesicht eines Menschen. Öffnete er die Augen, war bei den Menschen Tag, schloss er sie, war Nacht. Wenn er atmete, gab es bei den Menschen Wind und Sturm; hielt er den Atem an, dann war Sommer; blies er kalte Luft aus dem Mund, war Winter. Die Menschen wussten sich von diesem Wetterdrachen abhängig. Sie fürchteten und verehrten ihn.
Astrologie
Die chinesische Astrologie fußt nicht auf der Berechnung der Positionen von Sternen und Planeten zum Zeitpunkt der Geburt, sondern auf einem Kalender, dem nach chinesischer Philosophie die Lehre von der Harmonie von Himmel, Mensch und Erde als Wechselspiel der Kräfte zugrunde gelegt wurde, die einem harmonischen Gleichgewicht zustreben. Diese ist mit verschiedenen Einzellehren verbunden, die einander durchdringen wie die Fünf-Elemente-Lehre, Yin und Yang. Dazu gehört vor allem auch die Astronomie mit den 5 Planeten, den 10 Himmelsstämmen (Himmelszeichen), den 12 Erdzweigen, dem lunisolaren Kalender (Mondkalender und Sonnenkalender) sowie der Zeitrechung nach Jahr, Monat, Tag und Doppelstunde.
Als Erfinder dieser Astrologie (Kalenderdeutung) wurde der > Gelbe Kaiser Huáng Di (2698 –2599) ausgedacht, wenngleich ein historischer Beweis noch ausbleibt. Auch andere Belege wie babylonische Tontafeln wurden in China bis jetzt nicht gefunden. Der Grund, warum die chinesische Astrologie bis in die Gegenwart überliefert ist, dürfte ebenfalls der chinesische Kalender sein, der Jahrtausende hindurch, wie die Schriftzeichen, ein untrennbarer Bestandteil der chinesischen Kultur geblieben ist.
Die bisher gefundene Sammlung der „Drachenknochen“, die während der Shang-Dynastie (16. bis 11. Jh. v. Chr.) angelegt wurde, enthält Orakelknochen aus der Zeit um 1300 v. Chr. Auf einem derselben steht: „Am siebten Tag des Monats wurde ein Stern gesehen, in Begleitung des Feuersterns“ (Walters, S. 20).
Die fünf Elemente mit den entsprechenden Planeten, Holz = Jupiter, Feuer = Mars, Metall = Venus, Erde = Saturn und Wasser = Merkur, werden als Kraft verstanden, deren Entfaltung in fünf Phasen verläuft.
Zur genaueren Positionierung von Sonne, Mond und Planeten entwickelten die Hof-Astronomen eine Himmelkarte, wobei die Fixsterne in vier Gruppen nach der Dauer der vier Jahreszeiten gefasst und einer Himmelsrichtung zugeordnet wurden:
Ost: Holz, Jupiter, Frühling; Süd: Feuer, Mars, Sommer; West: Metall, Venus, Herbst; Nord: Wasser, Merkur, Winter; und für die Mitte: Erde, Saturn, Polarstern, Großer Bär, Kleiner Bär, letztes Fünftel einer Jahreszeit.
Aus den vier Himmelsrichtungen und der gedachten „Mitte“ (Erde) ergaben sich durch die Unterscheidung nach Yin und Yang die zehn Himmelsstämme (Himmelszeichen).
Da die Teilung nach Jahreszeiten zu grob war, führte die genaue Beobachtung der Mondbewegung dazu, die Fixsterne entsprechend der Verweildauer des Mondes von Neumond zu Neumond oder von Vollmond zu Vollmond in 12 gleich große Gruppen einzuteilen, die einem Monat entsprachen. Hatten die Monate anfangs noch keinen Namen, so wurden ihnen sehr bald, wegen ihres Bezuges zur Landwirtschaft, Namen von Tieren gegeben. Da die Schriftzeichen für manche Tiernamen gleich sind, ist die Namengebung regional nicht einheitlich. Auch in den Nachbarländern haben Tierzeichen eine andere Bedeutung (Tab.):
HIER TABELLE
In der chinesischen Astrologie sind die Zeichen jedoch nicht fest mit einem Monat verbunden, sondern wandern durch das ganze Jahr. So fällt das Neujahrsfest jedes Jahr in ein anderes Zeichen und verleiht ihm so mit dem betreffenden Namen des Tieres eine besondere Bedeutung.
Die Verbindung der 10 himmlischen Stämme mit den zwölf irdischen Zweigen ergibt die Zahl 60. Jedes himmlische Yang (5) mit jedem irdischen Yang (6) ergibt 30 und jedes himmlische Yin (5) mit dem irdischen Yin (6) ergibt 30, zusammen also 60. So wurde 60 zur Grundeinheit des chinesischen Kalenders.
Die vom Kaiser mit der Herstellung des Kalenders betrauten Hofastrologen hatten alle Vorgänge am Himmel, Bewegungen der Sonne und des Mondes, Eintritt des Mondes in die 28 Mondstationen, Finsternisse, Höfe um Sonne und Mond, Kometen, Nordlichter oder scheinbare Unregelmäßigkeiten in der Bewegung der Planeten als „Weisung für das Volk“ zu verzeichnen.
Medizin
Einen besonderen Stellenwert hatte in China vor allem auch die Heilkunde, die von zwei mythischen Kaisern begründet worden sein soll, von Shen-Hung („Der göttliche Landmann“), dem Urheber der Kräuterlehre, und von Huáng-Di, dem schon erwähnten Gelben Kaiser, der auch heute noch in vielen Veröffentlichungen Erwähnung findet.
Der umfangreichste Text der chinesischen Medizin ist das Huang Di neijing. Kein anderer Text hat in C. bis zur Gegenwart einen vergleichbaren Einfluss gehabt. Obwohl erstmals um Christi Geburt belegt, erhielt er erst im 11. Jh. in einem kaiserlichen Redaktionsbüro seine endgültige Fassung, während die konzeptionellen Vorstufen bis in das 1. Jh. v. Chr. zurückreichen. Die wörtliche Übersetzung lautet „Huang Di’s Innerer Leitfaden“, während die in der Literatur verwendete Bezeichnung „Der innere Klassiker des Gelben Kaisers“ geschichtlich nicht stimmig ist.
Der eigentliche Ursprung der chinesischen Medizin war jedoch, wie in anderen Ländern, rein philosophisch-mystisch. Man war der Meinung, dass Krankheiten von Dämonen hervorgerufen werden und diese daher zur Heilung ausgetrieben werden müssen, was durch sogenannte Priesterärzte (wu) erfolgte. Dabei ist bezeichnend, dass das Schriftzeichen für wu aus zwei waagrechten, parallelen Strichen besteht, die Himmel und Erde symbolisieren. Diese sind mit einer waagrechten Linie verbunden, an deren Ende jeweils das Schriftzeichen für den Menschen steht. Die Priesterärzte behandelten die Krankheiten mit magischen Gesängen, Sprüchen, Exorzismen und anderen rituellen Handlungen, um die vom Himmel gesandten Krankheitsdämonen zu vertreiben.
In der Zhou-Dynastie (ca. 1122 / 1045 –770 v. Chr.) erfolgte etwa um 1000 die erste Trennung von Priestern und Heilkundigen. In den folgenden Jahrhunderten begann allmählich die philosophische Untermauerung der chinesischen Medizin, mit der Yin-Yang-Theorie, der Fünf-Elementenlehre, der Lehre von den äußeren und inneren Einflüssen. Im 4. Jh. v. Chr. wurde die gesamte traditionelle Heilkunde mit festen philosophischen Grundlagen versehen. Es entstand das sog. Entsprechungssystem, das auf den Naturphilosophen Tsou Yen (zwischen 320 und 295) zurückgeht, in Übereinstimmung mit dem > Taoismus. Der Mensch ist ein Mikrokosmos, in dem sich prinzipiell dieselben Vorgänge abspielen wie in der Natur. Der Organismus ist durchpulst von der Lebensenergie > Chi. Die Therapie setzt an den Leitbahnen von Chi, den Meridianen an. Über sie führt der Arzt dem Patienten Heilkräuter zu.
Ahnenkult
Neben der Gesundheit hat in China auch das Heil der Seele in Form des Ahnenkultes einen besonderen Stellenwert. Der > Ahnenkult der Chinesen fußt auf der Annahme, dass der Mensch zwei Seelen besitzt. Die eine wird im Augenblick der Empfängnis geschaffen. Sie lebt nach dem Tod am Grab und nährt sich von den dargebrachten Gaben; werden keine dargebracht, kehrt sie als übler Geist zurück und stiftet Unheil.
Die zweite Seele ist höher und geistiger. Sie entsteht nach der Geburt und begibt sich beim Tod zum Himmel, wird dabei aber von bösen Mächten bedroht, weshalb sie ebenfalls auf Opfer und Gebete angewiesen ist. Werden diese eingestellt, wird sie zum bösen Geist; ansonsten bietet sie den Hinterbliebenen Schutz und Hilfe.
Inschriften auf Orakelknochen aus der Shang-Dynastie und Bronze-Inschriften aus der Zhou-Zeit belegen jedoch, dass der Ahnenkult dem Adel und ursprünglich dem König vorbehalten war. Beim Ahnenopfer wurden von König und Adel bis etwa vor 2000 Jahren noch Menschenopfer dargebracht. Es ist denkbar, dass die Tonarmee des ersten Kaisers ihm erlauben sollte, auch als Toter die Armee, die er zu seinen Lebzeiten geführt hatte, weiter zu kommandieren.
Einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung begannen aber auch die Bauern ihre eigenen Ahnen zu verehren. Zunächst glaubte man, dass die Seele des Ahnen einen menschlichen Stellvertreter suche, der während des Opferrituals als Behausung der Seele diene. Allgemein galt der Enkel des Ahnen als Stellvertreter. Dann wurden vor 2000 Jahren Ahnentafeln als Wohnstätte für die Seele während der Opferhandlung eingeführt. Diese Verehrung ist bis heute geblieben.
Die ursprüngliche Volksreligion bezog sich auf die Verehrung von Naturkräften. Später übernahm das Volk aus dem Taoismus den Jadekaiser, der ab dem 14. Jh. der höchste Gott der Volksreligion wurde. Aus dem Buddhismus stammt die Göttin der Barmherzigkeit, Guanyin.
Dämonen
In der Religion des alten China werden die bösen Geister mit dem Sammelbegriff guei benannt, der auch die Seelen der Toten bezeichnet. Sie gehören zu einer außerordentlich vielfältigen Dämonenwelt. Dazu zählen die acht Koboldbrüder / Irrlichter (Yiu guang); die Echogeister (Wang ling) mit langen Haaren und Kindergestalt, die durch Nachahmen der Stimmen die Reisenden erschrecken; die leichenfressenden Geister (Wang xiang); die kopflosen Dämonen (Yü kuang), die Berggeister (Shan-jing); die Sumpfdämonen (Wie tuo), die Göttin der Dürre (ba), Tochter des Gelben Kaisers; die Seuchendämonen (Wen shen) und die Seelen vorzeitig Verstorbener.
Geister
Laut dem britischen Autor Gerald Willoughby-Meade gibt es in China bei 20 verschiedene Arten von > Geistern sowie hunderte Untergruppen, die oft schwer voneinander zu unterscheiden sind. Chinesen haben jedoch keine Angst vor ihren Geistern. Die guten Shen sind ihnen willkommen, den bösen Kuei treten sie mit Eisen und Stahlwaffen entgegen, weil die Geister diese angeblich fürchten und zudem noch sehr dumm seien. Für die Kontaktaufnahme mit den guten Shen gibt es ein eigenes Hilfsinstrument. Dieses besteht aus einem v-förmigen Stock, ähnlich einer europäischen Wünschelrute, jedoch mit einem weiteren Stock, der rechtwinklig mit der Spitze des V verbunden ist. Der gegabelte Stock wird mit beiden Händen waagrecht über eine Schale mit Sand gehalten, sodass der rechtwinklig angebrachte Stock zur Schreibfeder im Sand wird. Die dabei entstehenden Schriftzeichen werden auf Papier übertragen und gedeutet.
China kannte bereits vor unserer Zeitrechnung das Phänomen der > Materialisation. Ebenso gibt es Medien, die man „Wu“ nennt und die meistens Frauen und nicht sehr beliebt sind. Im Allgemeinen bevorzugen die Chinesen jedoch den persönlichen Kontakt mit den Geistern.
Schamanen
Eine besondere Rolle im Zusammenhang mit dem Geisterglauben spielten die männlichen und weiblichen Schamanen, die unter dem Namen Wu dem Staatskult dienten und neben der adeligen und administrativen Priesterschaft offiziell angestellt waren. Besessenheit durch einen Geist (Ling bao) oder einen Gott, die Beherrschung außergewöhnlicher Kräfte und äußerst tiefgreifende persönliche Erfahrungen hätten die Schamanen eindeutig vom Feudalklerus unterschieden. Die männlichen Wu waren dazu bestimmt, während des Winters die bösen Geister aus den Palästen zu verjagen und während des Frühlings die Krankheiten zu vertreiben. Die weiblichen Wu hatten hingegen die Aufgabe, zu bestimmten Zeiten des Jahres mit Hilfe von Waschungen die Geister mit Duftwässern auszutreiben (de Groot, Bd. VI, 1189). In der Regel übten die männlichen und weiblichen Schamanen ihre Tätigkeit im Zustand der Trance und der Besessenheit aus, die durch einen in den Körper gefahrenen Geist oder Dämon, bisweilen auch durch den Geist eines Verstorbenen, hervorgerufen wurden (de Groot VI, 1209).
Paranormologie
Was das wissenschaftliche Bemühen zur Klärung von paranormalen Phänomenen betrifft, so sind seit 1979 verschiedene Untersuchungen im Gange, die anfangs weniger von privaten als öffentlichen Stellen durchgeführt wurden. 1979 wurde die Nachricht verbreitet, dass der Junge Tang Yu die chinesischen Zeichen mit dem Gehör lesen könne, was eine große Welle von ähnlichen Berichten und zahlreiche Untersuchungen zu besonderen Begabungen von Kindern auslöste, worüber die chinesischen Delegierten Chen Hsin und Kei Lei bereits 1982 auf der Tagung zur 100-Jahrfeier der Society for Psychical Research in Cambridge berichteten. Man sprach von außergewöhnlichen Funktionen des menschlichen Organismus aufgrund eines besonderen physiologischen Potentials. Dabei wurde festgestellt, dass die Experimente nicht beliebig wiederholt werden können, und dass es individuelle Unterschiede gibt. Zudem befasst man sich mit > dermooptischer Wahrnehmung, > Metallbiegen, > Gedankenübertragung, > Hellsehen, > Telekinese, mit Atemtechniken, alternativen medizinischen Möglichkeiten, > Radiästhesie, > UFOs, > Sensitivität und insbesondere auch mit der diesbezüglichen chinesischen Tradition, nachdem dies Jahre hindurch verboten war. In dieser Tradition finden sich auch Berichte über Nahtoderfahrungen, Außerkörperlichkeit und Lebenspanoramen.
Lit.: De Groot, Jan Jakob Maria: The religious system of China, its ancient forms, evolution, history and present aspect, manners, customs and social institutions connected therewith. 6. Bde. Leyden: E. J. Brill, 1892–1910; Eichhorn, Werner: Die alte chinesische Religion und das Staatskultwesen. Leiden: Brill, 1976; Giovetti, Paola: Medium, veggenti e guaritori. Mailand: Rizzoli, 1984; Walters, Derek: Chinesische Astrologie. Zürich: M&T Verlag: Edition Astroterra, 1990; Leitfaden Chinesische Medizin. München: Urban & Fischer in Elsevier, 2008.
Chinarindenversuch. 1790 entschloss sich Samuel > Hahnemann, etwas Chinarinde einzunehmen, um die vielfach gepriesene Wirkung dieser Arznei zu erkunden, mit der er selbst 12 Jahre zuvor von der Malaria geheilt worden war. Bei diesem Versuch der Einnahme als Gesunder erlebte er eine Vielfalt von Krankheitssymptomen, die in verblüffender Weise der Malaria glichen. Diese Erfahrung machte ihn erstmals auf das > Simileprinzip aufmerksam, das er dann in den folgenden sechs Jahren mit wissenschaftlicher Gründlichkeit untersuchte, wobei er feststellte, dass in der Volksheilkunde sowie in der medizinischen Literatur ebenfalls zahlreiche Hinweise für die Existenz des > Ähnlichkeitsprinzips zu finden sind.
Lit.: La Bruguiere, Friedrich Adrian: De curatione per similia. Leipzig: Dr. W. Schwabe, 1926; Samuel Hahnemanns Einführung in die Homöopathie. Norderstedt: Books on Demand GmbH, 2008.
Ching (chin., Samen), neben > Ch’i (Atem) und > Shen (bewusster Verstand) eine der drei Lebenskräfte im > Taoismus. Zu C. zählt nicht nur der Same des Mannes, sondern auch die Menstruation der Frau. Der Verlust von C. bedeutet Schwächung, daher fordern verschiedene taoistische Praktiken zur Beherrschung, besonders bei Männern, wie auch zu seinem Anwachsen auf.
Lit.: Kaltenmark, Max: Lao-tzu und der Taoismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1981.
Ch’ing-Ming (chin., „klar und leuchtend“), die fünfte der 24 Perioden des chinesischen Sonnenkalenders. Als C. wird auch das sog. „Fegen der Gräber“-Fest bezeichnet, bei dem die Familien die Gräber der Ahnen fegen und säubern, ihnen Speiseopfer darbringen und dann selbst in der Nähe der Gräber Nahrung zu sich nehmen.
Lit.: Eberhard, Wolfram: Chinese Festivals. New York: H. Schuman, 1952; Eberhard, Wolfram: Chinese Festivals. With illus. from the collection of Werner Banck Taipei. Orient Cultural Service, 1972.
Ching-te ch’uan-teng-lu (chin.; jap. Keitoku Dento-roku, „Aufzeichnung über die Weitergabe der Leuchte, verfasst in der Ching-te-Zeit“), das früheste historische Werk der Zen-Literatur, zusammengestellt von dem chinesischen Mönch Tao-yüan (jap. Dogen) im Jahre 1004. Das dreißigbändige Werk, bestehend aus Kurzbiografien und Anekdoten, in denen die Taten und Aussprüche von über 600 Meistern aufgezeichnet sind und mehr als 1000 weitere Zen-Meister erwähnt werden, gehört zu den wichtigsten Quellenwerken der Zen-Literatur. Viele der > Koan, die sich in der späteren Zen-Literatur finden, wurden hier zum ersten Mal schriftlich fixiert.
Lit.: Chang Chung-Yuan: Original Teachings of Ch’an Buddhism. New York: Grove Press, 1982.
Chinju (chin.; jap. chin, „befrieden“), japanischer Schutzschrein, Schutztempel oder Schutzgott. Ursprünglich war C. der Herr eines Siedlungsgebietes. Der Begriff wurde dann auf den vergöttlichten Geist des Führers (Chinju no Kami) übertragen, dessen Wächteramt einem Dorf oder Distrikt Frieden und Wohlstand sicherte.
Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chinmatroham, auch Cinmatroham
(sanskr., „Ich bin absolutes reines Sein“), Gott als absolutes Sein im > Hinduismus. Da nach dem Hinduismus Gott als „Nicht-Objekt“ nicht beschrieben werden kann, wird er als absolutes Sein, absolutes Bewusstsein und absolute Seligkeit bezeichnet.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Bern u.a.: Scherz, 1986.
Chinnamasta auch Cinnamastaka (sanskr., „deren Kopf abgeschnitten ist“), schreckenerregende Göttin des > Tantrismus, die den eigenen Kopf in der Hand hält, während der Mund sich öffnet, um das Blut aus dem offenen Hals aufzufangen. Dieses makabre Bild symbolisiert den Kreislauf von Leben und Tod. Die Enthauptung steht für den Tod, das Trinken des eigenen Blutes für das Erwecken zum Leben.
Lit.: Kinsley, David: Hindu Goddesses. University of California Press, 1986.
Chinnery, Mabel, besuchte an einem Tag des Jahres 1959 das Grab ihrer Mutter. Sie hatte den Fotoapparat bei sich, um die Grabstätte zu fotografieren. Nach einigen Aufnahmen vom Grab machte sie spontan auch ein Foto von ihrem Mann, der allein im Auto auf sie gewartet hatte. Jedenfalls dachte sie, er wäre allein.
Als der Film entwickelt wurde, war die Überraschung groß. Auf dem Rücksitz des Autos war eine Person mit Brille zu sehen, die Frau C. sofort als ihre Mutter identifizierte, deren Grab sie am Tag der Aufnahme besucht hatte. Ein Foto-Experte bestätigte die Echtheit des Bildes. > Geisterfotos.
Lit.: Puhle, Annekatrin: Das Lexikon der Geister. München: Atmosphären-Verlag, 2004.
Chintamani (sanskr.), mythischer > Glücksstein, der nach der Beschreibung antiker Schriften der Hindus an die späteren Legenden vom > Stein der Weisen erinnert.
C. ist auch eine Stadt im Bezirk Chikkaballapura im Staate Karnataka in Indien.
Lit.: Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.
Chin-tan (chines., „Goldener Zinnober“), Elixier der Unsterblichkeit in der taoistischen > Alchemie, das dem pharmakon athanasias, der „Medizin der Unsterblichkeit“, entspricht, wie der Märtyrerbischof Ignatius von Antiochien (*1. Jh., † ca. 107) die Eucharistie nannte.
Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chin-t’u (chin.; japan, jodo), die Schule des Reinen Landes, das unbefleckte transzendente Reich, das vom Buddha Amitabha (> Amida) geschaffen wurde, dessen Anhänger erwarten, dass sie in ihrem nächsten Leben in ihm wiedergeboren werden.
Lit.: Langer-Kaneko, Christiane: Das reine Land: zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum. Leiden: Brill, 1986.
Chinvat-peretu (awest., „Brücke der Scheidung“; iran., „Brücke der Toten“), die Brücke der Toten, die sich vom Berg Chakat-i-Daitik in der Mitte der Welt bis hinüber zum Gipfel des Elburz am Rand des Himmels spannt. Am Anfang der Brücke wird über die Seelen durch die Richter > Mithra, > Rashnu und > Sraosha das Totengericht abgehalten. Den Gerechten führt eine 9 Speere breite Brücke ins Paradies, der Sünder hingegen muss über eine scharfe und schmale Brücke wie eines Messers Schneide, sodass er in die darunterliegende Hölle stürzt.
Lit.: The Book of Arda Viraf. Amsterdam: Oriental Press, 1971.
Chipana, goldenes Medaillon, das die > Inkas in Peru mit einem Armband am Handgelenk befestigten. Die Größe variierte je nach Stand der Person. So trug das größte Medaillon der Oberpriester, der König trug ein kleineres, der Feldherr ein noch kleineres usw. Das C. war innen ausgehöhlt und hell poliert, sodass es Zunder entzünden konnte. Mit diesem Feuer wurden beim Sonnenfest die Opfer angezündet. Musste man sich hierzu oder zum Entzünden des Feuers im Tempel der heiligen Sonnenjungfrauen des zusammengeriebenen trockenen Holzes bedienen, weil der Himmel bedeckt oder der Brennspiegel für das Entzünden zu klein war, so galt dies als Unglückszeichen. Man versöhnte die Götter zwar mit Blumen und Früchten, beging das Fest aber ernst und traurig.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chi-Quadrat (engl. chi square), Prüfung der Unabhängigkeit von zwei Alternativmerkmalen: In einer Stichprobe n wird untersucht, ob zwei Merkmale unabhängig voneinander auftreten (Nullhypothese) oder ob diese beiden Merkmale miteinander (statistisch, nicht notwendigerweise kausal) in Beziehung stehen bzw. voneinander abhängig sind (Alternativhypothese).
Dieser C.-Unabhängigkeitstest ist vom C.-Anpassungstest zu unterscheiden, mit dem überprüft wird, ob die Verteilung einer Stichprobe mit einer vermuteten theoretischen Verteilung vereinbar ist.
Der Test wird auch in der paranormologischen Forschung eingesetzt, da er manchmal, wie J. B. > Rhine schreibt, wertvolle Informationen liefert, die durch andere statistische Verfahren nicht gewonnen werden können.
Lit.: Rhine, J. B.: Parapsychologie. Bern / München: Francke, 1962.
Chirognomie, Chirognomik (griech. cheir, Hand; gnomé, Erkenntnis), Handformkunde, ein Teilgebiet der Handlesekunst (> Chirologie). Die C. beschreibt die Formen der Hand einschließlich des Handgelenks, des Handrumpfes, der Finger und Fingernägel und fasst sie zu verschiedenen Handtypen zusammen, um daraus Schlussfolgerungen für die Charaktereigenschaften des Menschen zu ziehen. Die Methode wurde von dem französischen Mystiker Casimir Stanislaus d’ > Arpentigny (1798 –1864) entwickelt. Er unterschied sieben Typen: 1. elementare, 2. spatelförmige, 3. konische, 4. eckige, 5. philosophische, 6. psychische und 7. gemischte Hand.
W.: La chirognomie (etc.). Paris: Charles Le-Clere, 1843; La Science de la Main, ou Art de reconnaître les tendances de l’intelligence d’après les formes de la main [Texte imprimé] / 3e édition. Paris: E. Dentu, 1865.
Lit.: Hirlimann, Gertrud I.: Handlesen ist erlernbar. Schaffhausen: Novalis, 1981.
Chirographologie (griech. cheir, Hand; graphein, schreiben), Studium von Hand und Handschrift. > Chirognomie, > Chiromantie, > Graphologie.
Chirologie (griech. cheir, Hand), Handlesekunst. Durch Deutung der Handinnenformen und -linien sollen der Charakter und die Eigenschaften einer Person entschlüsselt werden, eine Praxis, die tief in der Vorstellung verwurzelt ist, dass der Mensch sein Schicksal buchstäblich in den Händen trage.
Die C. hat eine wechselvolle Geschichte. Man nimmt an, dass die alten Chinesen 3000 v. Chr. damit begannen, Form, Linien und Färbung der Hand zu untersuchen. Die ersten gesicherten Hinweise finden sich in der indischen Literatur der vedischen Zeit (um 2000 v. Chr.). Für Aristoteles (384 –322 v. Chr.) ist die Hand „das Organ der Organe“. In der Bibel steht in Ijob 37,7: „Er versiegelt die Hand aller Menschen, sodass alle Welt sein Tun erkennt.“ Auch die Römer kannten die C. Cicero erwähnt sie und auch Juvenal. Dann verschwindet sie, im Gegensatz zur > Chiromantie, um erst im 15. Jh. mit den Zigeunern in Europa wieder aufzutauchen. Aus dem Jahre 1522 stammt das älteste uns erhaltene Handbuch der C., das bereits alle Regeln enthält, nach denen die Kunst heute ausgeübt wird. Allerdings war die C. damals noch stark mit der > Astrologie verbunden, woran heute nur noch die Terminologie erinnert. 1644 veröffentlichte John Bulwer, der sich vornehmlich mit > Alchemie befasste, eine Chirologia. Bedeutende Vertreter der C. sind ferner Robert > Fludd (1574 –1637) und > Paracelsus (1491–1541). In Deutschland wurde die C. im 17. Jh. an den Universitäten von Leipzig und Halle gelehrt, während sie in England verboten war. Nach Carl Gustav Carus (1789 –1869) ist die Hand das merkwürdigste Kapitel der Symbolik menschlicher Gestalt.
Einen entscheidenden Beitrag nicht nur zur Charakterdeutung, sondern auch zu medizinisch diagnostischen Zwecken der C. lieferte Ernst Issberner-Haldane (1886 –1966). C. G. Jung schrieb ein Vorwort zu The hands of children von J. Spier. Anthropologen des 20. Jh. begründeten schließlich die Sonderstellung des Menschen in der Evolution mit der Ausbildung der Hand.
Wenngleich es in der zeitgenössischen C. keine einheitliche Systematik gibt, wird die Hand allgemein als Abbild des ganzen Menschen verstanden, da der Mikrokosmos „Hand“ den Makrokosmos „ganzheitlicher Mensch“ abbilde. Die fünf Finger der Hand und ihre „Berge“ werden meist verschiedenen Planeten zugeordnet. Die Linien der Hand teilt man hingegen in Hauptlinien: Kopflinie, Herzlinie, Lebenslinie; Nebenlinien: Schicksalslinie, Gesundheitslinie, Venusgürtel; Kleine Linien: Marslinie, Intuitionslinie, Ehelinie ein. Bei den Händen selbst wird die linke als Träger angeborener Persönlichkeiten, die rechte als Träger erworbener und individueller Möglichkeiten gedeutet; entsprechend gilt die chirologische Regel bei Linkshändern umgekehrt.
Wenngleich die C. ein Grenzgebiet von Biologie und Psychologie bildet, wurde sie wegen ihrer Nähe zur Chiromantie von diesen Wissenschaftszweigen völlig vernachlässigt.
Lit.: Bulwer, John: Chirologia: or, The naturall language of the hand, composed of the speaking motions, and discoursing gestures thereof, whereunto is added Chironomia: or, The art of manual rhetoricke, consisting of the naturall expressions, digested by art in the hand, as the chiefest instrument of eloquence, by historicall manifesto’s, exemplified out of the authentique registers of common life, and civill conversation, with types, or chyrograms, a long-wish’d for illustration of this argument (1644). New York: AMS Press, [1975]; Carus, Carl Gustav: Ueber Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen der Hand in verschiedenen Personen. Eine Vorlesung. Stuttgart, 1846; Mangoldt, Ursula von: Zeichen des Schicksals im Bild der Hand: Anlagen und Möglichkeiten. Olten; Freiburg i. Br.: Walter, 1961; Issberner-Haldane, Ernst: Die medizinische Hand- und Nagel-Diagnostik. Freiburg i. Br.: Bauer, 1984; Wenzel, Irmgard: Lehrbuch Handdiagnostik. München: Elsevier, Urban und Fischer, 2004.
Chiromantie (griech. cheir, Hand; manteia, Wahrsagung; cheiromanteia, Handlesekunst; engl. chiromancy, ital. chiromanzia), Weissagung aus den Formen und Linien der Hände über das Schicksal des Menschen im Unterschied zur > Chirologie, die aus den Innenhandformen und -linien den Charakter des Menschen zu deuten versucht.
Geschichte
Schon im frühesten Altertum war man der Auffassung, dass die Hände sowohl durch ihre Form als auch durch die darauf befindlichen Linien, Furchen, Erhöhungen und sonstigen Zeichen einen Schluss auf die körperlichen und geistigen Fähigkeiten eines Menschen und dessen zukünftige Schicksale zulassen. Man nimmt an, dass die alten Chinesen 3000 v. Chr. damit begannen, Form, Linien und Färbung der Hand zu untersuchen. Auch in Babylonien, Ägypten und Assyrien diente die Hand zur Schicksalsbestimmung. Die ersten gesicherten Hinweise finden sich in der indischen Literatur der vedischen Zeit (um 2000 v. Chr.) und im Westen in den Werken des Aristoteles (384 –322 v. Chr.), für den die Hand „das Organ der Organe“ und ein Vorzeichen für ein langes Leben ist (Hist. animal. I, 15). Schon in der Bibel steht: „Er versiegelt die Hand aller Menschen, sodass alle Welt sein Tun erkennt“ (Ijob 37,7).
Theoretisch wurde die C. jedoch durch > Artemidoros von Daldis (2. Jh. n. Chr.) und die Philosophin Hypatia (4. Jh. n. Chr.) popularisiert. Die Araber setzten die Entwicklung fort (Omar). Wichtige Beiträge lieferten auch > Albertus Magnus (um 1200 –1280), der spanische Arzt > Arnold von Villanova (um 1235 – 1311), Johann > Hartlieb (um 1400 –1468); > Paracelsus (um 1493 –1541) und Robert > Fludd (1574 –1637). Das älteste gedruckte Werk über C. ohne Ort und Jahr ist der dann ab 1481 in mehreren Ausgaben erschienene Traktat: „Ex divina philosophorum academia secundum naturae vires ad extra chyromanticio diligentissime collectum (1504), der bereits eine durchgeführte Disposition und eine umfassende Statistik aufweist und späteren Darstellungen als Muster diente. Die Blütezeit der C. (16.–18. Jh.) brachte eine reichhaltige Literatur hervor, meist in Form akademischer Leitfäden in lateinischer Sprache, darunter die umfassende Schrift Physiognomiæ et Chiromantiæ Compendium von Bartholomäus > Cocles (1504) und die Arbeiten von Johannes ab > Indagine = von Hagen (um 1522), Ingenbert (1689), > Goclenius (1692) und > Prätorius (1699). Abuhaly Ben > Omars „Astrologia terrestris“, 1703 aus dem Arabischen übersetzt (Hasan), ist besonders wertvoll für die Kenntnis des Zusammenhangs von astrologischem und chiromantisch-metoposkopischem System. Noch Anfang des 18. Jh. wurden an den meisten deutschen Universitäten eigene chiromantische Kollegien abgehalten, so in Jena, Halle und Leipzig, denn die C. fand auch Interesse unter Gebildeten. Im 19. und 20 Jh. versuchten C. S. d’ > Arpentigny (1843) und K. G. Carus (1927) der C. eine wissenschaftliche Seite abzugewinnen und einen haltbaren Kern darin nachzuweisen.
In neuester Zeit wurde die C. zu einem Betätigungsfeld der Esoterik in Form von Selbsterfahrung, Lebensdeutung und Zukunftsweisung.
Was den Inhalt der C. betrifft, so lassen sich, abgesehen von den zahlreichen Einzeldeutungen, folgende Grundlinien in Theorie und Praxis ausmachen: die ganze Hand nach Gestalt, Größe und Beschaffenheit sowie die Handlinien.
Hand
Die Hand wird nach d’Arpentigny in folgende 7 Typen unterteilt, die auf der ganzen Welt vorkommen: 1) die „elementare“ oder „breitflächige Hand“, Symbol der Kraft ohne besondere Verstandesfähigkeiten; 2) die „Spatelhand“ mit ihrer eigentümlichen Form der Fingerenden, die dem intelligenteren Arbeiterstand angehört; 3) die „artistische“ oder „Künstlerhand“, die durch geringere Breite sowie durch Länge und Schlankheit der spitz endenden Finger eine vornehmere Form aufweist und bei Künstlern zu finden ist; 4) die „eckige Hand“ mit breiter Handfläche, Vierschrötikgeit und Knotikeit der Finger, die sie der starken Entwicklung der Fingergelenksknöchelchen verdankt und Verhaltensformen in Richtung Pedanterie versinnbildlicht; 5) die „philosophische Hand“, die einen Handrumpf von mittlerer Größe mit keulenförmig endenden Fingern aufweist und bei Leuten gefunden wird, die streng logisch denken; 6) die „psychische Hand“, sie gilt als der edelste und schönste Typus, klein, zart, wohlgeformte Finger, und findet sich häufiger bei Frauen als bei Männern; 7) die „gemischte“ Hand vereint zumindest zwei der angegebenen Typen, ist daher schwer zu beurteilen, spricht jedoch für Vielseitigkeit („Allerweltgenie“).
Die fünf Finger der Hand und ihre „Berge“ werden meist verschiedenen Planeten zugeordnet: Daumen: Venus, Zeigefinger: Jupiter, Mittelfinger: Saturn, Ringfinger: Sonne, Kleiner Finger: Merkur, die Mitte der Handfläche: Mars; der dem Daumen gegenüberliegende Berg: Mond.
Handlinien
Neben den Handtypen sind die Handlinien (lineae incisurae) von besonderer Bedeutung. Sie werden in Hauptlinien und Nebenlinien eingeteilt. Die wichtigsten sind:
Lebenslinie (linea vitae), sie beginnt zwischen Daumen und Zeigefinger, verläuft in Richtung Handgelenk und offenbart die Lebensenergie und Lebenserwartung.
Herzlinie, sie verläuft durch die obere Mittelhand zwischen Zeige- und Mittelfinger bis zur äußeren Handkante unterhalb des kleinen Fingers und kennzeichnet das Gefühlsleben.
Kopflinie, sie beginnt über dem Ausgangspunkt der Lebenslinie (zwischen Daumen und Zeigefinger), verläuft parallel zur Herzlinie in der Mitte der Hand und drückt die geistigen Fähigkeiten und Begabungen aus.
Schicksalslinie (Saturnlinie), sie beginnt in der Mitte des Handgelenks, zieht bis unter dem Mittelfinger und steht für Ereignisse des Lebens.
Zudem gibt es noch Nebenlinien, die jedoch nicht bei allen Menschen vorhanden sind, wie die Intuitions- und die Sonnenlinie.
Der Handdeuter stellt fest, ob die Linien deutlich oder nur schwach ausgeprägt, gerade oder verzweigt sind; er beachtet noch weitere bedeutungsvolle Zeichen wie Gabeln, Punkte und Sterne und formuliert dann die entsprechende Deutung.
Persönliche Erfahrung und Einfühlungsvermögen können zu beeindruckenden Aussagen führen. Eine Sicherheit gibt es jedoch nicht, insbesondere nicht, wenn die Zukunft angesprochen wird.
Lit.: Indagine, Johannes ab: Introductiones Apotelesmaticae elegantes in Chyromantiam, Physiognomiam, Astrologiam naturalem, Complexiones hominum, Naturas Planetarum. Cum periaxiomatibus de faciebus Signorum, & canonib. de aegritudinibus, nusqu[am] fere similitractata compendio. Argentorati: Schott, 1522; Barptolomaei Coclitis Bononiensis, naturalis Philosophiæ ac Medicinæ Doctoris, Physiognomiæ et Chir omantiæ Compendium.Cocles, Bartolommeo della Rocca. Argentorati: Albertus, 1536; Hasan ibn al-Hasan Ibn al-Haitam, Abu Ali al: Astrologia terrestris Oder Irrdische Stern-Kunde … der curiosen teutschen Welt zu Diensten übers. Freystadt, 1703; Arpentigny, Stanislas d’: La chirognomonie ou l’art de reconnaitre les tendances de l’intelligence d’apres les formes de la main. Paris, 1843; Carus, Carl Gustav: Über Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen der Hand in Verschiedenen Personen. Berlin, 1927; Ehrlich, Miska Michael: Chiromantie: Lehrbuch der wissenschaftlichen Handlesekunst für Selbstunterricht. München: Chirome-Verl., 1951; Mangoldt, Ursula von: Zeichen des Schicksals im Bild der Hand: Anlagen und Möglichkeiten / Ursula von Mangoldt. Olten; Freiburg i. Br.: Walter, 1961; Cocles, Bartolomeo della Rocca: Phisionomi und Chiromanci: e. news Complexion-Buechlein d. Menschen Geburt, Sitten u. Geberden … / Hannover: Edition „Libri rari“, Schäfer, 1980; Sowinski, Josef: Das Buch der orientalischen Chiromantie. Stuttgart (Botnang): Weltkugel-Verlag Sowinski, 1986.
Chiromantik > Chiromantie.
Chiron. 1. Nach der griechischen Mythologie ein > Kentaur, ein Mischwesen, halb Mensch, halb Tier, das von Zeus als Stern in den Himmel versetzt wurde und vornehmlich > Cheiron genannt wird.
2. Der am 1. November 1977 erstentdeckte der Kentaurenfamilie unter den Kleinplaneten (MPN 2060). Die Kentauren nehmen eine Zwischenstellung zwischen Kometen und Asteroiden ein. C. bewegt sich zwischen der Saturn- und Uranusbahn und besitzt neueren Messungen zufolge einen Durchmesser von 233 Kilometer. Seine Verweildauer in den > Tierkreiszeichen ist unterschiedlich. So befindet er sich sieben bis acht Jahre in den > Fischen und im > Widder und nur etwa anderthalb bis zwei Jahre in der > Jungfrau und in der > Waage. 1991 wurde um ihn eine gasförmige Hülle (Koma) entdeckt, weshalb er nicht nur als Planetoid, sondern auch als (der größte bekannte) Komet und zudem als periodischer Komet (95P/Chiron) eingeordnet wird.
Lit.: Walter, Hans J.: Der Planet Chiron. Tübingen: Chiron, 2004; Clow, Barbara: Chiron. Amsterdam: IRIS-Bücher, 2005.
Chiropraktik (griech. cheir, Hand; engl. chiropractic), „manuelle Medizin“. Diese Therapieform entstand aus denselben Beobachtungen, aus denen sich die Osteopathie entwickelte. Die C. fußt auf der Erkenntnis, dass Verschiebungen im Skelett über das Nervensystem Auswirkungen auf verschiedene physiologische Bereiche im Körper haben, ähnlich den Durchblutungsstörungen, mit denen sich die Osteopathie befasst. Diese Beobachtungen führten 1895 den Heiler und Magnetiseur Daniel David > Palmer (1845 –1913) zur Gründung der C. Palmer war nämlich überzeugt, dass Verschiebungen der Wirbelsäule die Ursache für viele Krankheiten, angefangen von Migräne und Rückenmarkschmerzen, bis hin zu Asthma und Psoriasis (Schuppenflechte) seien.
Der Grundgedanke der C. geht jedoch bis auf den griechischen Arzt > Hippokrates (ca. 460 –370) zurück, der die gründliche Beobachtung der Wirbelsäule verlangte. Die falsch liegenden oder beschädigten Segmente der Wirbelsäule, die das Rückenmark schützt, beeinträchtigen durch Druck die durch die Wirbelsäule führenden und aus ihr austretenden Nerven, was zu Störungen der Funktionen der Zielorgane führt. Die Behandlung richtet sich daher nicht auf die Symptome an den Endorganen, sondern auf die Korrektur der Skelettverschiebung, welche die Krankheit verursacht. Die Untersuchung der Wirbelsäule erfolgt durch Beobachtungen, Betasten und Messen. Die Behandlung erfolgt durch ruckartiges Einrenken der entsprechenden Wirbel und kann vor allem bei Schmerzen im Rücken, in den Beinen, der Hüfte sowie bei Kopfschmerzen, Ischias und vielen anderen Leiden Linderung bis Heilung bringen. Fehlbehandlungen aufgrund von Diagnose und Praxis können aber auch zu großen Schäden führen.
Lit.: Schönberger, Martin M.: Schmerzbehandlung mit Chirotherapie, in: Andreas Resch: Gesundheit Schuldmedizin, andere Heilmethoden. Innsbruck: Resch, 1988 (Imago Mundi; 11); Blom, Robert J.: Chiropraktik. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1990; Lomba, Juan Antonio: Handbuch der Chiropraktik und strukturellen Osteopathie. Stuttgart: Haug, 2007.
Chirosophie (griech. cheir, Hand; sophia, Weisheit; engl. chirosophy), „Handwissen“. Altertümlicher Ausdruck für > Chirologie und > Chiromantie, der von Ernst Issberner-Haldane in seinen Schriften Die wissenschaftliche Handlesekunst (1925) und Der Chiromant (1932) wieder aufgegriffen wurde. Die C. befasst sich in Ergänzung zu Chirologie und Chiromantie vornehmlich auch mit den Prinzipien des menschlichen Körpers, die sich in der Hand individuell ausdrücken und die Grundlage von > Chirognomie, Chirologie und Chiromantie bilden. Die Formelemente der Hände sind bereits drei Monate vor der Geburt geprägt und bleiben dies das ganze Leben. Lediglich sekundäre Merkmale (Nebenfalten) sind durch Krankheiten usw. bedingt und unterliegen einem Änderungsprozess.
Lit.: Issberner-Haldane, Ernst: Die wissenschaftliche Handlesekunst (Chirosophie). Berlin: Siegismund, 1925; ders.: Lexikon der wissenschaftlichen Handlesekunst und der Berufseignungsprüfung nach der Chirosophie. Berlin: Siegismund, 1931; ders.: Der Chiromant. Neckargemünd: F. Rondelli-Michaelis, 1932.
Chirotesie, auch Chirothesie (griech. cheir, Hand; thésis, Auflegen), > Handauflegen bei > Weihe, > Heilung, > Segen und Energieübertragung.
> Bernhard von Clairvaux soll an einem Tag 11 Blinde und 18 Lahme mittels C. behandelt haben. Viele Chiroteten, darunter auch B. v. Clairvaux, wurden heiliggesprochen.
Lit.: Biewald, Roland: Kleines Lexikon des Okkultismus. Leipzig: Militzke, 2005.
Chirotherapie > Chiropraktik.
Chirurgie, psychische (engl. psychical surgery; ital. chirurgia psichica / medianica), mediale Heilmethode. Die Psychische Chirurgie ist eine Methode, bei welcher der > Heiler durch angeblich besondere Fähigkeiten, meist in einer Art > Trancezustand und ohne spezielle medizinische Ausbildung, Antisepsis und > Anästhesie chirurgische Operationen durchführt. Die so Begabten machen mit ihren Händen symbolische oder unter Verwendung von unsterilisierten Messern, Rasierklingen oder einem anderen unmittelbar zur Hand liegenden Gegenstand Einschnitte in den menschlichen Körper, meist ohne jede Blutung. Sie greifen mit der bloßen Hand in die Wunde und entfernen, oft auch unter Verwendung eines Skalpells, den Krankheitsherd. Der Patient bleibt während des ganzen Eingriffs schmerzfrei, bei Bewusstsein und kann nach Beendigung des Eingriffes sofort aufstehen. Während auf den Philippinen die Eingriffe symbolisch vorgenommen werden, kommen bei den Heilern in Brasilien meist Skalpelle oder Messer zum Einsatz, wobei die Wunden normal heilen. Zu den bekanntesten Heilern der Philippinen zählen Tony > Agpaoa und Josephine > Sison, zu jenen von Brasilien > Edson de Queiros und José > Umberto.
Bei Josephine Sison, Edson de Queiros und José Umberto konnte Verf. selbst Eingriffe aus nächster Nähe verfolgen und deren Echtheit begutachten.
Lit.: Naegeli-Osjord, Hans: Die Logurgie in den Philippinen. Remagen: Der Leuchter / Otto Reichl Verlag, 1977; Hebda, Hillard: Unorthodoxe Heilung, in: A. Resch: Paranormale Heilung. Innsbruck: Resch, 1984 (Imago Mundi; 6); Tourinho, Nazareno: Dr. med. Edson Queiroz: der Wunderchirurg aus Brasilien. Melsbach / Neuwied: Die Silberschnur, 1986; Resch, Andreas: Geistiges Heilen. Grenzgebiete der Wissenschaft 41 (1992) 4, 339 –352.
Chisei Koro inao (jap., „göttlicher Hausherr“), Haus- und Schutzgott bei den > Ainu (auch Aynu), den Ureinwohnern Nord-Japans. C. gilt als Gatte der Feuergöttin Abe Kamui. Den Platz seiner Verehrung hat er in der Nordostecke des viereckigen Hauses.
Lit.: Toshimitsu, Miyajima: Land of Elms. The History, Culture, and Present Day Situation of the Ainu People. Etobicoke: United Church Publishing House, 1998.
Chishti, Muin ad-Din Muhammad
(1142 –1236), indischer > Sufi, der einen bedeutenden Orden (Tariqa) einführte. Er war stark von Abd al-Qadir beeinflusst und betonte die Furcht vor dem Höllenfeuer als eine wichtiges Zwangsmittel im religiösen Leben. C. forderte aber auch zum Musizieren und Singen auf, weil der Gesang Stütze und Nahrung des Lebens sei.
Für die Sufi-Bewegung, die sich von ihm herleitet, bildet die Musik mit ihren Liedern der Liebe und Verehrung Allahs ein Merkmal der heiligen Tage und Feste.
C. starb in Ajmer, sein Grab ist eine bedeutende Pilgerstätte.
Lit.: Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chit (sanskr.), absolutes Bewusstsein, das über den menschlichen Geist und das manifeste Universum hinausgeht. Dieser wichtige Begriff des > Vedanta besagt, im Gegensatz zu Descartes’ „Ich denke, also bin ich“, dass ich auch bin, wenn ich nicht denke, etwa im Zustand der Ohnmacht, im Tiefschlaf und im > Samadhi. C. umfasst vier Bewusstseinszustände: Wachen, Träumen, Tiefschlaf und Samadhi. Denkbewusstsein gibt es nur im Wachen und im Träumen. C. ist identisch mit Gott oder > Brahman.
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986.
Chitta, auch Citta (sanskr.). 1. Denkender Geist (> Manas) und Bewusstsein (> Vijñana), der alles unterscheidet. 2. Eine Art geistiger Substanz im > Abhidharma, was eine substantielle Sicht der Phänomene mit sich bringt. 3. Im > Yogachara hat C. die Bedeutung des Speicherbewusstseins (Alaya-vijñana), der Quelle aller geistigen Aktivitäten. Nach dieser Auffassung ist das Universum nichts als C., „reines Bewusstsein“, die Letzte Wirklichkeit.
Lit.: Lauritsen, Poul: Reinkarnation und Freiheit. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1989; Ehrhard, Franz-Karl: Das Lexikon des Buddhismus. Bern u.a.: O. W. Barth, 1992.
Chiu-kung (chin., „Neun Paläste“). Die taoistische Innere-Gottheiten-Hygiene-Schule teilt das Gehirn des Menschen in neun Paläste ein, die von verschiedenen Gottheiten (Shen) bewohnt werden. Die Paläste liegen in zwei Reihen zu 4 und 5 Abteilen zwischen Stirn und Nacken. Dabei ist der Palast im Zentrum des Kopfes, Ni-huan (nach dem buddhistischen Begriff Nirwana benannt), der Sitz der höchsten Körpergottheit, des Höchsten Einen (T’ai-i).
Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern: Scherz, 1986.
Chiun (pers.), der älteste Gott der Bewohner des Iran, vermutlich ein Zeitgott, weil er mit > Saturn verglichen wurde. In seinen Tempeln stand ein Bild aus schwarzem Stein, das einen Mann mit Affenkopf und Eberschwanz darstellte. In der Rechten trug er ein Sieb, in der Linken eine Schlange – Attribute, die man für Symbole der Zeit hält. C. war ein Wohltäter der Menschen, der Erfinder von Maß, Waage und Gewicht, der Astronomie, der Mechanik und des Ackerbaus. Er beschützte jene, die diese Erfindungen vervollkommneten. Selbst die Könige näherten sich seinen Tempeln mit großer Ehrfurcht, schwarz gekleidet, die Hände auf der Brust und schweigend.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chizhevsky, Alexander Leonidovich
(1897–1964), Kosmobiologe, Musiker, Maler und Dichter.
C. war Professor an der Medizinischen Fakultät von Moskau, Mitglied des Archäologischen Instituts, Assistent am Astronomischen Observatorium und Mitarbeiter am Institut für Biophysik. Zudem war er ein begabter Musiker (spielte Violine und Klavier), ein erfolgreicher Maler und Dichter.
In seinen Forschungen befasste er sich mit den Luftionen, der Entwicklung der > Heliobiologie, dem Einfluss der Sonne auf die Biosphäre, und er stellte fest, dass für jede Entwicklung eine extraglobale Stimulation notwendig ist. Beim 11-jährigen Sonnenzyklus unterschied er zwischen der minimalen, der ansteigenden, der maximalen und der abnehmenden Sonnenaktivität. Nach ihm ereignen sich 80% der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte in den Jahren maximaler > Sonnenaktivität. Diese ist auch Ursache einer Reihe von Krankheiten und Epidemien.
Bereits als Student von 18 Jahren veröffentlichte er 1915 den Beitrag „Der periodische Einfluss der Sonne auf die Biosphäre der Erde“. Während Lenin sich von seiner Arbeit beeindruckt zeigte, fiel er später in Ungnade und kam 1939 in ein Arbeitslager. Etwa fünf Jahre vor seinem Tod wurde er rehabilitiert. Und so wurde ab 1959 eine Reihe seiner Arbeiten veröffentlicht.
W. (Auswahl): Sun, Electricita, Life. Moscow: Izdatel’stvo MGU, 1969; Effects de l’activité Périodique solaire sur les phénomènes sociaux, in: Traité de Climatologie Biologique et Médicale (ed. M. Piéry). Paris: Masson, 1934, vol. 1, 576 –586; Physical factors of the historical Process. Cycles (January 1971), 11–23; Playfair, Guy Lyon: The Cycles of Heaven. London: Souvenir Press, 1978.
Chizonim, Bezeichnung der Juden für böse Geister außerhalb des Paradieses.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chladni, Ernst > Cymatik.
Chladnische Klangfiguren > Cymatik.
Chlysten, aus der russisch-orthodoxen Kirche im 17. Jahrhundert hervorgegangene ekstatisch-enthusiastische religiöse Gruppe. Der Name C. stammt von den Gegnern der Bewegung. Die Anhänger selbst nannten sich „Gottesleute“ (Ljudi boschii). Ihre Lehre geht auf den fahnenflüchtigen Soldaten Danila Philippowitsch zurück, der sich selbst als Inkarnation von Gott Sabaoth verstand und als Gottbesessener gebärdete. Seine Offenbarungen galten deshalb als Worte Gottes selbst, welche die Heilige Schrift ersetzen sollten. Zwei seiner Anhänger aus dem Bauerntum, Iwan Timofejewitsch Suslow und Akulina Iwanowa, ernannte er zu Christus und zur Gottesmutter. Nach Auffassung der C. konnte Christus in jedem Menschen geboren werden. Jesus sei bis zur Taufe im Jordan, als der Geist Gottes herabkam, der ihn erst zum Christus machte, ein gewöhnlicher Mensch gewesen. Als solcher war er für die C. der über allem stehende himmlische Herr. Das Hauptinteresse der C. galt der Rettung des Menschen. Diese erfolgte einerseits durch den Empfang des Geistes Gottes, andererseits durch die Bereitschaft zum Leiden.
Gegenüber den Nicht-C. sollte absolute Geheimhaltung geübt werden. Den Höhepunkt der Gottesdienste, die in weißen Gewändern begangen wurden, bildete ein ekstatischer Kreistanz. Eine Sonderbewegung der C. übte statt eines solchen Kultes eine rigorose Kasteiung bis zur Kastration aus. Um 1840 machte sich eine straff organisierte Gruppe unter den Namen Izrail’ (Israel) selbständig, die sich als auserwähltes Volk Gottes verstand. Daran anknüpfend organisierten sich die C. nach 1905 unter der Führung von Wassilij Lubkow als „Neues Israel“. Unter dem Kommunismus wurden sie dezimiert. Über Reste des C.tums in der heutigen Zeit ist nichts bekannt.
Lit.: Grass, Karl Konrad: Die russischen Sekten. Bd. 1: Die Gottesleute oder Chlüsten nebst Skakunen, Maljowanzü, Panijaschkowzü u.a. Leipzig: Hinrichs, 1966; Lichtfreund: Rasputin und die Sekte der Chlysten, in: Er liebte die Gottesmutter. Die Wahrheit über Rasputin. Norderstedt: Books on Demand GmbH, 2005.
Chmielowski, Adam, Bruder Albert
(*20.08.1845 Igołomia, Polen; † 25.12.1916 Krakau), heilig (12.11.1989, Fest: 25. Dezember), Gründer der Brüder und der Schwestern vom Dritten Orden des hl. Franziskus zum Dienst für die Armen.
Als Sohn der Adeligen Adalbert Chmielowski und Josefa Borzysławska nahm er mit 18 Jahren als Student des Polytechnikums von Puławy am Aufstand seiner Heimat gegen die Russen teil, wurde verwundet, verlor ein Bein, flüchtete ins Ausland und widmete sich in Paris und München dem Studium der Malerei. 1874 in die Heimat zurückgekehrt, fasste er den Entschluss, sein ganzes Denken und Schaffen der Ehre Gottes zu verschreiben. 1880 trat er als Laienbruder bei den Jesuiten ein, wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Am 17. April 1881 begab er sich ins Spital von Kulparkow, wo er in eine „dunkle Nacht“ verfiel. Nach der Entlassung aus dem Spital widmete er sich der Malerei und vor allem der Nächstenliebe. Nach der Lektüre der 3. Ordensregel des hl. Franz von Assisi und der Laientertiaren nahm er am 25.08.1887 den Habit der Tertiaren mit dem Namen „Bruder Albert“ und gründete am 25.08.1888 die Kongregation der Brüder (Albertiner) sowie am 16.01.1891 der Schwestern (Albertinen) „Diener der Armen im Dritten Orden des hl. Franziskus“. Er eröffnete damit ein überaus fruchtbares Werk für die Armen, Notleidenden und Kranken, weshalb er als „polnischer Franziskus des 20. Jh.“ bezeichnet wird.
Lit.: Resch, Andreas: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982–2004. Innsbruck: Resch, 2012.
Chnum (ursprünglich Chnumu; griech. Chnumis), angesehener ägyptischer Widdergott. Bis in die Frühzeit des Alten Reiches wurde C. in der Gestalt eines Widders verehrt, dann jedoch als Mann mit Widderkopf dargestellt, dessen Hörner horizontal gedreht sind. In Elephantine galt er als Wächter der Nilquelle, der die Überschwemmungen hervorbrachte und so zum Fruchtbarkeitsgott wurde.
C. ist aber auch als Geburtsgott zu sehen. So gestaltet er den Leib eines Kindes auf einer Töpferscheibe und lässt ihn im Samen in den Leib der Mutter gelangen – von daher sein Beiname: „Bildner, der belebt“. Auf diese Weise hat er auch die Götter geschaffen. Als Ur- und Schöpfergott ist er „Vater der Väter, die Mutter der Mütter, die Amme der Ammen“. Zusammen mit der Geburtsgöttin > Heket hilft er bei der Entbindung.
Im südägyptischen Esna gilt C. als der Schöpfer aller Wesen. In ihm sind Sonne und Himmel (> Re), Luft (> Schu), Unterwelt (> Osiris) und Erde (> Geb) vereinigt, was in den vierköpfigen Darstellungen des C. zum Ausdruck kommt. Zudem verbergen sich hinter seinem Namen verschiedene Widdergötter, zu denen auch > Amun gehört.
In der hellenistischen Zeit spielt er eine bedeutsame Rolle in der Offenbarungsliteratur wie den astrologischen Gesprächen, die er mit Osiris führt, und den Offenbarungen, die er Priestern spendet (Poimandres). Im Totenbuch des N. R. (Kap. 36) wird er als Herr des Erdkreises angesprochen. Sein Hauptkultort lag auf der Nilinsel Elephantine, doch genoss er auch in Memphis einen Kult.
Lit.: Badawi, Ahmad Mohamad: Der Gott Chnum. Glückstadt: Augustin, 1937; Jaritz, Horst: Die Terrassen vor den Tempeln des Chnum und der Satet. Mainz: von Zabern, 1980; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000.
Choachyten (griech. xoachytes, „Wassergießer“), niedere ägyptische Priester des Totenkultes, die – wie der Name sagt – für den Toten die Wasserspende ausgossen. Zudem oblag ihnen die weitere Pflege des > Totenkultes. So kümmerten sie sich um die Instandhaltung der > Mumien und Grabstätten sowie um die > Totenopfer (Pap. Tur. 1. Col. 1, 20-21). Neben dem Begräbnis im weitesten Sinne betätigten sich die C. auch im offiziellen Götterkult, wie den Götterprozessionen.
In Theben bildeten sie eine Kultgenossenschaft, deren Regeln in einem demotischen Papyrus (Berlin 3115) enthalten sind. Gilden von Leichenbestattern, deren Amt sich häufig in den Familien vererbte, gab es aber mit Sicherheit auch in anderen Totenstädten (Gebelen Pap. Kairo 30657, 30661).
Lit.: Otto, Walter: Priester und Tempel im hellenistischen Ägypten: Ein Beitr. zur Kulturgeschichte d. Hellenismus; [2 Bde]. Rom: Bardi, 1908; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000; Assmann, Jan: Tod und Jenseits im Alten Ägypten. München: Beck, 2010.
Chochano („Zauberer, Zauberin“), im Zigeuner-Glauben ein > Vampir und > Totengeist, der in seinen Leib zurückgekehrt ist und nachts die Lebenden erschreckt. > Mulo.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chochurah (hebr.), Name, mit dem Kabbalisten die Weisheit bezeichnen.
Lit.: Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.
Chöd oder Gcod (tibet. gcod, abschneiden, durchtrennen), Meditationsmethode im Lamaismus, mit deren Hilfe man die falsche Vorstellung von einem Ich (> Atman) beseitigen will, indem man alle bösen Geister herbeiruft und ihnen seinen Körper opfert.
Die Methode geht auf die von dem indischen Asketen Phadampa Sangye († 1117) gegründete Schule des Tibetischen Buddhismus zurück und wurde von seiner Schülerin Machig Labdrön (1055 – 1145) in andere tibetische Schulen eingeführt. Die Meditation selbst fand vor allem auf Leichenplätzen oder an einem viel besuchten Ort statt. Mit Hilfe eines > Mantra, einer Handtrommel und einer Trompete aus menschlichen Schenkelknochen stellte sich der Yogin das Zerschneiden seines eigenen Körpers vor. Dabei visualisierte er eine Weisheitsgöttin, die dem Körper den Kopf abschlägt, in Stücke zerschneidet und diese in die Schädelschale wirft, die wie ein Kochtopf aufs Feuer gesetzt wird. Das unsichtbare Licht, das vom Opfer ausgeht, lockt die verschiedenen Wesen und Geister an, denen das Opfer dargebracht wird.
Dieser Ritus verfolgt drei Ziele: Ausbildung von Furchtlosigkeit, Entwicklung von Mitleid gegenüber allen Wesen, sogar Dämonen, sowie Herausbildung der Einsicht des Yogin in seine eigene wahre Nichtexistenz (> Sunyata).
Die den C. Praktizierenden begründeten einst eine Mönchstradition eigenen Rechts, ihre Lehren gingen dann aber in den > Kagyü- und > Nyingma-Traditionen auf. Heute finden sich nur noch einzelne und ungebundene C.-Yogins, die vom Volk auch zwecks > Exorzismus gerufen werden.
Lit.: Kollmar-Paulenz, Karenina: Der Schmuck der Befreiung. Wiesbaden: Harrassowitz, 1993; Der kostbare Schmuck der Befreiung. Djetsün Gam-po-pa. Obermoschel: Norbu-Verl., 2007.
Chohan oder Cochan (tibet., Herr, Meister). C. dient zur Bezeichnung der Oberen von Gemeinschaften, Institutionen und Gruppierungen. Neben den C. des Lichts gibt es auch C. der Finsternis. > Maha-Chohan; > Dhyan-Chohan.
Lit.: Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1976.
Choiromantie (griech. choiros, Ferkel, Schwein), Weissagung durch Ferkel oder > Schweine. Diese Form der Weissagung wird von François > Rabelais († 1553) unter den Künsten eines gewissen „Mr. Trippa“ genannt. Wie es zu diesem Brauch kam, ist unbekannt. Jedenfalls spielten Schweine schon früher im > Aberglauben eine Rolle. So sollen sie Glück bringen, wenn man von ihnen träumt. Begegnet man ihnen jedoch vor einer Reise, sollte man das Unternehmen lieber lassen. Ferkel und Schweine sind angeblich auch zukunftkündend. So entwickelte sich das Schweinestallhorchen zum > Eheorakel. Dabei musste in der Christnacht das wissbegierige Mädchen an die Stalltür klopfen. Grunzte zur Antwort ein ausgewachsenes Schwein, so war ein Witwer oder gesetzterer Herr als Bräutigam zu erwarten. Quiekte hingegen ein Ferkel, durfte man mit einem hübschen jungen Mann rechnen. Grunzte gar kein Schwein, hieß es, ein weiteres Jahr warten.
Für das Altertum könnte man an den Orakelspruch im Fall der Sau mit den 30 Ferkeln denken, der Äneas veranlasste, Lavinium zu gründen (Vergil, Aen. 3, 289).
Lit.: Rabelais, François: Gargantua und Pantagruel. Aus d. Franz. v. F. A. Gelbcke. Leipzig / Wien: Bibliogr. Inst., 1879; Gerhardt, Max: Der Aberglaube in der französischen Novelle des 16. Jahrhunderts. Schöneberg b. Berlin: Langenscheidt, 1906.
Choisnard, Paul, Pseud. Paul Flambart (* 23.02.1867 Tours, Frankr.; † 9.02.1930), französischer Pionier der modernen Astrologie.
Nach der Graduierung an der École Politechnique in Paris diente er in der Armee und interessierte sich dabei auch für > Astrologie. Mit seinen statistischen Häufigkeitsmessungen versuchte er den astralen Einfluss auf den Menschen unter Beweis zu stellen und wurde damit zum Wegbereiter der „wissenschaftlichen Astrologie“. Bis zu seiner Pensionierung veröffentlichte er seine astrologischen Arbeiten unter dem Pseudonym „Paul Flambart“. Seine Bücher wurden nie übersetzt und hatten geringen Einfluss auf die englischsprachige astrologische Gemeinschaft. Für den deutschen Astrologen Karl Ernst Krafft und das französische Ehepaar Michel und Françoise > Gauquelin wurden sie jedoch zur Anregung für ihre astrologischen Untersuchungen.
W.: Influence astrale. Paris, 1901; Etude nouvelle sur l’hérédité. Paris, 1903. Language astral. Paris, 1903.
Lit.: Synthèse de l’Oeuvre de Paul Choisnard par le Vicomte Charles de Herbais de Thun: Principes, Règles et Lois de l’Astrologie scientifique. Brüssel: Institut Central Belge de Recherches Astro-Dynamiques, 1933 –1934.
Chokmah (hebr., Weisheit), in der > Kabbala die zweite mystische Emanation im Baum des Lebens nach > Kether. Sie wird dem spirituellen Willen und der spirituellen Absicht zugeordnet und manchmal einfach „das Wort“ genannt, wobei Weisheit das Wort ist, das nicht durch Worte vermittelt werden kann.
C. wird dem Planeten Neptun, der das Meer von > Binah beherrscht, sowie der „Sphäre des Tierkreises“ zugeordnet. Im Körper entspricht C. der linken Gesichts- und der rechten Hirnhälfte, und, wie Binah, dem > Ajna-Chakra.
Für die Okkultisten ist C. der große Vater, der den zeugenden Lebensfunken liefert, der nichts als Potenz ist, bis er in den Schoß der Großen Mutter eindringt. Aus dieser Vereinigung sind alle Gestaltungen der Schöpfung hervorgegangen. C. ist mit Gottheiten wie > Kronos, > Saturn, > Thot, > Atum und > Ptah assoziiert, die das Sein als solches stützen.
Im > Tarot werden C. die vier Zweien und die Ritter zugeordnet.
Lit.: Parfitt, Will: Die persönliche Qabalah. St. Gallen; Chur: M & T Verlag Edition Astroterra, 1990; Maier, Johann: Die Kabbalah. München: Beck, 1995; Drury, Nevill: Magie. Aarau / München: AT Verlag, 2003.
Cholera, mit Durchfall und Erbrechen einhergehende Darmerkrankung, die in der schweren Form der C. asiatica ohne Durchfall und Erbrechen (C. sicca, fulminans) häufig in wenigen Stunden zum Tode führt.
Aufgrund dieser Gefährlichkeit stellte man sich auch die C., wie die Pest, als einen > Dämon vor. So erwürgt nach schlesischer Sage die Seiga in Gestalt des blauen C.-Todes die Menschen.
Von den vielerlei angepriesenen Gegenmitteln trug man beispielsweise bei der C.-Epidemie von 1854 in München eine Zwiebel in der Tasche oder man hängte sie im Zimmer auf, wo sie allmählich ganz schwarz wurde (Lammert, 164).
Lit.: Lammert, Gottfried: Volksmedizin und medizinischer Aberglaube in Bayern und den angrenzenden Bezirken. Regensburg: Sonntag, 1981; Roche-Lexikon Medizin. München: Elsevier, Urban & Fischer, 2009.
Chomer (hebr., Materie, Stoff), der Leib als materielle Substanz im Gegensatz zur Seele, die reine Form ist. Der Leib wird von der Materie angezogen, die Seele hingegen vom Geistigen.
Im > Chassidismus versteht man unter C. eine Art von Energiematerie, die man durch Frömmigkeit erwerben und ansammeln kann.
Lit.: Scholem, Gershom: Die jüdische Mystik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1980; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Chomiel, nach der > Pseudomonarchia dae-
monum ein dämonischer Gehilfe des Demoriel, der im Norden regiert.
Lit.: Ioannis Vvieri: De praestigiis daemonum, & incantationibus ac ueneficiis: libri sex, postrema editione sexta aucti & recogniti, accessit Liber apologeticus, et pseudomonarchia daemonum. Basileae, 1583.
Chons (ägypt., „Durchwandler“), ägyptischer Mondgott, der den Himmel durchwandert. C. ist der Sohn des Sonnengottes > Amun und der Himmelsgöttin > Mut, mit denen er in Theben eine heilige Trias bildet. Er ist „Herr der Zeit“, der Königen und Menschen die Jahre zählt, Ratschläge erteilt und auch als Heilgott und Nothelfer angerufen wird. Und er ist Patron des nach ihm benannten neunten Monats Pachon im ägyptischen Kalender.
Dargestellt wird C. als junger Mann in mumienförmiger Gestalt mit geschlossenen Beinen, auf dem Kopf die Mondscheibe und die Mondsichel. Als Sohn des Götterpaares Amun und Mut steht er in Verbindung mit zwei anderen Göttersöhnen: > Schu, dem Himmelsträger, und dem Königsgott > Horus, von dem er die Symbole der Herrschaft, Krummstab und Geißel, übernimmt. In Anlehnung an den Falkengott Horus erhält er oft selbst einen Falkenkopf, wobei die > Mondscheibe über der Mondsichel zur Sonnenscheibe wird.
Als Mondgottheit wurde C. schon früh in Karnak verehrt und erscheint als solche auch in den Pyramidentexten. Als jugendlicher Sonnengott unter der Bezeichnung „Chons, das Kind“ wurde er zum Schutz gegen böse Tiere angerufen und auf Krokodilen stehend dargestellt. Als Amun Theben verließ, wurde C. mit ihm als sein Sohn verbunden. Später wurde er als „Gottheit, die die Geister des Bösen entfernt“ dargestellt, als Heilgott.
Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypter. Frankfurt a. M.: S. Fischer Verlag, 2005; Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chontamenti (ägypt., „der an der Spitze der Westlichen“), alter ägyptischer > Totengott in der Nekropole von > Abydos. Die Bezeichnung „die Westlichen“ verweist auf die verstorbenen Herrscher und deren Gefolgsleute, die in den Nekropolen am westlichen Nilufer bestattet wurden. C. wachte über die Totenbezirke und Gräber. Seine Verehrung währte, bis ihn der Osiris-Kult verdrängte bzw. aufsog. Dargestellt wird C. für gewöhnlich als liegender schwarzer Hund (Schakal).
Lit.: Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000; Leitz, Christian: Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, 5. Bd. Leuven: Peeters Publishers, 2002.
Chorizanten (engl. dansers; franz. chorisantes; span. dansatores), ekstatische Tänzer; schwärmerische Gruppen, bei denen sich der religiöse Überschwang in wilden, ekstatischen Tänzen beider Geschlechter kundtat.
Diese Tänzer bildeten sich erstmals unter Mönchen und Nonnen in Syrien als „Eiceten“ und tauchten dann „epidemisch“ als „Kirche des Geistes“ 1374 –77 im Rheinland auf, besonders in Köln, Aachen, Utrecht und Lüttich. Man sah darin Nachwirkungen altgermanischer Sonnenwendtänze („Sancti Joannis chorea“). 1418 kam es auch in Straßburg und im 16. Jh. im Breisgau zu solchen Tanzausbrüchen. Da völlig Gesunde plötzlich von der Tanzwut befallen wurden, hielt man die Tänzer für Besessene und versuchte sie durch > Exorzismen und Wallfahrten zu St. Veit-Kirchen (daher der Name > Veitstanz) zu heilen.
Eine Ähnlichkeit zu dieser mittelalterlichen Tanzbegeisterung sieht man in den Springprozessionen von Echternach und Prüm mit tranceähnlichen Folgeerscheinungen, ebenso bei den > Chlysten und der Kastraten-Sekte der Skopzen in Russland sowie bei den protestantischen Skakunen (Hüpfer) in Finnland.
Lit.: Hecker, Justus Friedrich Carl: Die Tanzwuth, eine Volkskrankheit im Mittelalter: Nach den Quellen für Aerzte und gebildete Nichtärzte bearbeitet. Berlin: Euslin, 1832; ders.: Die grossen Volkskrankheiten des Mittelalters. Historisch-pathologische Untersuchungen. Ges. und in erweiterter Bearb. hrsg. von August Hirsch. Berlin: Euslin, 1865; Algermissen, Konrad: Konfessionskunde. Paderborn: Verl. Bonifacius-Druckerei, 1969.
Choronzon, Name des Dämons des Chaos. Er ist Wächter des > Abyssus und gilt als der gefährlichste Dämon, dem der Magier auf seinem Weg zur Erleuchtung begegnet.
Aleister > Crowley nannte ihn sogar „die erste und tödlichste aller Kräfte des Bösen“. Dennoch beschwor er ihn am 6. Dezember 1909 im Rahmen seiner Ritualarbeit mit den dreißig > Aethyren in Bou Saada in der algerischen Sahara, unterstützt von seinem Schüler Victor Neuburg.
Lit.: Drury, Nevill: Magie: vom Schamanismus und Hexenkult bis zu den Technoheiden. Aarau; München: AT-Verlag, 2003.
Chors, auch Chers, Chrs, Churs oder Chros (slaw., „der Abgekommene“), slawischer Sonnen- oder Mondgott, Jagd- und Krankheitsgott der Ostslawen, bekannt aus der sog. Nestor-Chronik (Powest’wremennych let) zu Beginn des 12. Jh. Er gehörte neben Perun, Dažbog, Simargl, Mokosch und Stribog zu den sechs Gottheiten, deren Standbilder Fürst Vladimir I. 980 in Kiew aufstellen ließ, und wird so zu den Hauptgöttern der Ostslawen gezählt. C. galt als eine Art Mischwesen mit Hundekopf und Hörnern.
Lit.: Mode, Heinz: Fabeltiere und Dämonen: die Welt der phantastischen Wesen. Leipzig: Koehler & Amelang, 2005.
Chorsi (slaw.), russischer Tiergott, den die heidnischen Moskowiter noch im 9. Jh. angebetet haben. Er hat die Gestalt eines > Satyr mit halbmenschlichem Körper, die Füße eines Bocks oder Pferdes, den Kopf eines Hundes mit Schlappohren und mehreren Hörnern sowie Klauen statt Nägel an den Händen. In der linken Hand hält er ein Zepter. Auf dem viereckigen Sockel, der seine Statue trägt und der sein Altar zu sein scheint, brennt ein Opferfeuer. Seine Bedeutung ist unbekannt.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Chorten, auch Tschörten oder Chörten (mchod-rten, „Opferbehälter“), die tibetische Ausformung des buddhistischen > Stupa, in der Mongolei „Suburghan“, in Burma und Sri Lanka „Dagoba“, in Thailand „Prachedi“ und in China „Pagode“ genannt.
Der C. als Behälter der sterblichen Überreste einer heiligen Person und als Schrein, der auch Texte, Bilder, Gebrauchsgegenstände und Ritualgeräte enthält, ähnelt in seiner Funktion dem Stupa, weist jedoch Unterschiede in der architektonischen Entwicklung auf. Dazu haben sowohl die begrenzten Materialvorkommen als auch der veränderte Symbolgehalt beigetragen. So konnten die unzähligen Stupas im Himalaya nicht alle mit Reliquien gefüllt werden. Man fasste daher den Begriff Reliquien zusehends weiter und sah auch Gebrauchsgegenstände und Ritualgeräte der Heiligen als Reliquien an. Zudem wurden heilige Texte, symbolisch für die gesamte Lehre, eingemauert.
Der C. besteht aus einer Basis von drei übereinanderliegenden Stufen als Symbol der wichtigsten Lehren Buddhas: Ethik, Meditation und Weisheit. Der darüberliegende viereckige Teil ist mit Stuckreliefs verziert, wie > Löwen, > Drachen, > Pfauen oder geometrischen Linien und Symbolen und häufig bunt bemalt. Das runde Mittelstück stellt die höchste Erkenntnis der Leere (> Sunyata) dar, eine Doktrin, die der gesamten > Mahayana-Philosophie zugrunde liegt. Die nachfolgenden – meist dreizehn – Stufen stehen für die verschiedenen Etappen auf dem Weg zur geistigen Befreiung. Ist diese erreicht, nehmen alle Gegensätze und Dualitäten ein Ende, was durch Sonne und Halbmond symbolisiert wird. Den Abschluss bildet die seit jeher als Urelement verehrte > Flamme.
Auf ähnliche Weise erfolgt die Interpretation dieses religiösen Bauwerks mit den fünf Elementen, in die sich der menschliche Körper nach dem Tod auflöst: Der unterste Teil stellt die > Erde dar, gefolgt von > Wasser, > Feuer, > Wind und > Äther. > Stupa
Lit.: Kottkamp, Heino: Der Stupa als Repräsentation des buddhistischen Heilsweges. Wiesbaden: Harrassowitz, 1992; Das Lexikon des Buddhismus. Freiburg i. Br. / Basel / Wien: Herder, 1998.
Chou Tun-I (Zhou Dunyi, 1017 – 1073), chinesischer Philosoph aus der Schule des Neokonfuzianismus.
Da C. sich weigerte, die Beamtenprüfung abzulegen, erlangte er keine besondere Stellung und blieb auch als Philosoph lange unbekannt, bis ihn posthum Zhu Xi (1130 –1200) zu einem der Gründerväter des Neokonfuzianismus erhob.
Zu seinen Hauptwerken gehört das Diagramm „Taiji Tu“ (Abbildung des Taiji) sowie dessen Interpretation „Taiji Tu Shuo“ (Erklärung der Abbildung des Taiji). Das Diagramm Taiji (übersetzt mit das Ur-Endliche, das Höchste Sein) ist für C. die Quelle aller Dinge im Universum, das sowohl in ihnen als auch jenseits derselben liegt. In seiner ruhigen Ausprägung bildet es das > Yin, das Symbol des Weiblichen, in seiner aktiven Ausprägung das > Yang, das Männliche. Es ist die Quelle der Grundstrukturen und Wandlungsphasen, wie sie in der > Fünf-Elemente-Lehre zum Ausdruck kommen, und zeugt die Grundprinzipien des > I Ging, des Buches der Wandlungen: das männliche Himmelsprinzip Qian und das weibliche Erdprinzip Kun.
W.: Das T‘ung-Šu [T‘ung-shu] des Čeu-Tsi (Chou Tun-i). Genf: Société d’Etudes Confucéennes, 1959; Lipp, Regina: Taiji-Diagramm [Elektronische Ressource]. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2008.
Chrematomorphismus (griech. chremato-morphe, Vermögensgestalt), religionswissenschaftlicher Fachausdruck für „Dinggestaltigkeit“ des Heiligen, wie sie z.B. im > Fetischismus zu finden ist, im Gegensatz zur Persongestaltigkeit oder zum Seelenglauben.
Lit.: Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen. Stuttgart: Kröner, 1985.
Chresmographion (griech. chresmos, Orakelspruch; graphein, schreiben), ein Gebäude in > Didyma, in dem, wie schon sein Name sagt, die Orakelsprüche für die Konsultanten aufgeschrieben wurden. Didyma, das heutige Didim in der Türkei, war eine antike Stadt mit einem bedeutenden Orakelheiligtum des Gottes > Apollon. Da das C. erst im Zuge der Neuanlage hinzukam, dürfte auch die Praxis der schriftlichen Aufzeichnung eine Neuerung der Zeit um 300 darstellen.
Lit.: Parke, H. W.: The oracles of Apollo in Asia Minor. London / Dover, N. H.: Croom Helm, 1985; Baumgarten, Roland: Heiliges Wort und Heilige Schrift bei den Griechen. Tübingen: Narr, 1998.
Chresmologe (griech. chresmos, Orakel; logos, Wort, Rede), Orakelsammler und -deuter. Im Gegensatz zu den eigentlichen Wahrsagern, die ihre Voraussagen aus bestimmten Zeichen tätigten, trugen die C.n alte Orakel vor, welche sie auf den gegenwärtigen Fall anwandten. Sie schienen dabei nicht bloß den alten Spruch selbst, sondern auch die Anwendung in Hexametern vorgetragen zu haben, um dieser den Schein der Untrüglichkeit zu verleihen. Als derlei Wahrsager suchten sich namentlich die Bauchredner geltend zu machen, die sich dafür später den Namen > Pythoner (Plut. Orac. Def. VII, 632) gaben. Authentische Namen von C.n überlieferten vermutlich Aristophanes und Thukydides.
Die weiblichen Chresmologen sind die > Sibyllen.
Lit.: Orakel: Alte Orakel- und Wahrsagetechniken. Leipzig: Bohmeier, 2009.
Chresmomantie (griech. chresmos, Orakel; mantike, Wahrsagung; engl. chresmomancy), Wahrsagen durch Deutung des Stammelns einer Person in > Ekstase oder Raserei. Die Methode geht auf das griechische Orakel von > Delphi zurück.
Lit.: Wahrsagungen und Prophezeiungen. Time Life Bücher, 1991.
Chresmos (griech. chresmos, Orakel), von den Griechen angewandte Bezeichnung des Orakelspruches. Die Orakelstätte wurde hingegen > Chresterion oder Manteion genannt. Von Letzterem leitet sich das Wort > Mantik ab. Es ist ein Zufall der Sprachentwicklung, dass unser Wort > Orakel vom Lateinischen oraculum herrührt, das ursprünglich „Sprechstätte“ bedeutet, also den Ort, an dem ein Götterspruch erteilt wurde.
Lit.: Rosenberger, Veit: Griechische Orakel. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2001.
Chresterion oder Manteion (griech. chresmos, Orakel; mantike, Wahrsagung), die Orakelstätte, das > Adyton. Es handelt sich dabei um einen Bereich, der Laien unzugänglich war. Hier befand sich die Priesterin auf dem ursprünglichen, heiligen Boden des Tempels. An einer Seite des Adytons, dem Oikos, konnten die Ratsuchenden hinter einem Vorhang auf einer Bank Platz nehmen und auf ihre Prophezeiung warten. Von Manteion leitet sich das Wort > Mantik ab.
Lit.: Hollinshead, M. B.: Adyton, Opisthodomos and the Inner Room of the Greek Temple. Hesperia 68 (1999), 189 –218; Gruber, Gottfried: Die Tempel der Griechen. München: Hirmer, 2001.
Chrétien de Troyes (vor 1150; † um 1190), altfranzösischer Dichter.
Konkrete Lebensdaten sind nicht bekannt, außer dass er in seinem wohl ersten Roman, Erec et Enide, sich als aus Troyes stammend bezeichnet. Er schrieb im Dialekt der Champagne und hatte eine gute Bildung nach Art eines Klerikers.
C. ist der Begründer des höfischen Versromans und dessen wichtigster Vertreter in der französischen Literatur. Seine Werke, die nicht alle erhalten sind, umfassen abenteuerliche Erzählungen aus dem bretonischen Sagenkreis um König > Artus und beeinflussten europaweit Literatur und Kunst. So dienten sie beispielsweise als Vorlage für die mittelhochdeutschen Epiker Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach. Hauptthemen sind die höfische Liebe und die Entwicklung des vollkommenen Ritters. Im Parcevalroman (> Parceval) behandelte er als erster die > Gralslegende.
W. (Auswahl): Christian von Troyes sämtliche Werke / Bd. 4. Der Karrenritter (Lancelot) und das Wilhelmsleben (Guillaume d’Angleterre), 1899; Les romans de Chrétien de Troyes édités d’après la copie de Guiot. Paris: Champion, 1978; Erec et Enide (ca. 1170). Stuttgart: Reclam, 1987; Le Chevalier de la charette (ca. 1177–1181, dt.: Lancelot oder der Karrenritter); Yvain ou Le Chevalier au lion (ca. 1177–1181, dt.: Iwain oder der Löwenritter); Le Roman de Perceval ou Le Conte du Graal (1182–1191), nicht vollendet, dt.: Perceval oder die Erzählung vom Gral; siehe „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach.
Lit.: Hofer, Stefan: Chrétien de Troyes. Leben und Werke des altfranzösischen Epikers. Graz: Böhlau, 1954.
Chridiglade, auch Kridigladi, Kridengladi, eine aus Stroh und Federn gefertigte Schreckgestalt (Popanz), die in Zürich am Hirsmontag (erster Montag in der Fastenzeit) mit einer sehr ähnlichen Gestalt, der seines Weibes Else, umgeführt wurde. Beide Figuren waren stehend auf einem liegenden Wagenrad befestigt, das des Öfteren gedreht wurde, sodass sich C. und Else im Kreis herumschwangen. Schließlich wurden die beiden Puppen getrennt zu verschiedenen Seiten der Stadt hinausgeführt und im See ertränkt. Es handelt sich dabei um einen Fruchtbarkeitsritus, wie er vielfach in der Fastenzeit in der Schweiz stattfand.
Lit.: Vernaleken, Theodor: Alpensagen. Salzburg: Pustet, 1938.
Chris, angeblicher Wunderhund. Der neunjährige Bastardrüde des George H. Wood aus Greenwich, Rhode Island, USA, beeindruckte in den 1950er Jahren wegen seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten. So konnte er durch Klopfen mit der Pfote Zahlen anzeigen und auf diese Weise das Ergebnis mathematischer Operationen mitteilen. Wörter lernte er über einen Zifferncode zu buchstabieren und gab so auch „verbale“ Antworten. Man erkannte sehr bald, dass diese nicht nur auf Training beruhten, da C. auf entsprechende Fragen schon vor Bekanntwerden auch öfters die Gewinner von Pferderennen und anderen Sportereignissen andeutete. Zu einer seiner berühmten Leistungen zählte die richtige Angabe des Ergebnisses eines Baseballspiels, das gerade zu Ende gegangen war und das noch keiner der Anwesenden kannte. C. wurde daher mehrmals im Fernsehen vorgeführt. Auch J. B. > Rhine von der Duke University wurde auf ihn aufmerksam und führte eine Reihe von Untersuchungen mit > ASW-Karten durch. Dabei zeigte C. eine hohe Trefferquote weit über dem Zufall, mit Versuchsleitern, die > Hunde liebten. Hingegen fielen seine Treffer bei einem Experimentator, der Hunde nicht mochte, unter den Zufall. Schließlich signalisierte er auch seinen Tod zwei Jahre im Voraus, mit nur einem Tag Unterschied.
J. G. > Pratt vermutete, dass Wood sensitiv war und, ohne sich dessen bewusst zu sein, seinem Hund entsprechende Zeichen gab.
Lit.: Wood, G. H. / Cadoret, R. J.: Test of Clairvoyance in Man-Dog Relationship. Journal of Parapsychology 22 (1958) 1, 29 –39; Pratt, J. P.: Parapsychology: An Insider’s View of ESP. Garden City, NY: Doubleday, 1964.
Chrisam (griech. chrisma, Salböl), in der katholischen Kirche eine Mischung aus Pflanzenöl und Duftstoffen (vor dem II. Vat. aus Olivenöl und Balsam), die vom Bischof in Konzelebration mit Priestern seiner Diözese in der Missa chrismatis am Gründonnerstag (oder an einem anderen Tag zwischen Palmsonntag und Karfreitag) geweiht wird. C. dient u.a. zur Salbung bei Taufe, Firmung, Bischofs- und Priesterweihe sowie Kirchen- und Altarweihe und bezeichnet die Gabe des Heiligen Geistes, der die Teilnahme am königlichen und prophetischen Priestertum Christi schenkt.
Lit: Maier, Peter: Die Feier der Missa chrismatis. Regensburg: Pustet, 1990.
Christ, altenglisches Gedicht, auch als Christ II oder The Ascension bezeichnet, das dem Dichter Cynewulf zugeschrieben wird und aus dem 9. Jahrhundert stammt.
In den Endepisoden nach der „Ankunft“ (Advent) und der „Himmelfahrt“ folgt eine Schilderung des „Jüngsten Gerichts“ („The Domes Daege“) in Anlehnung an heidnisch-germanische Vorstellungen von der > Ragnarök: entfesselte Naturgewalten, Erdbeben und Stürme, alles zerstörende Feuersbrunst. Aus der Asche und durch die Sonnenfinsternis erstrahlt letzten Endes jedoch das christliche Kreuz der Verheißung.
Zwei Zeilen aus dem Gedicht gaben für den englischen Philologen und Schriftsteller J. R. R. Tolkien (1892–1973) den Anstoß zu seiner „Mittelerde“-Mythologie.
Lit.: Cynewulf: Christ. In Parentheses Publications. Old English Series, Cambridge, Ontario, 2000.
Christaller, Helene, geb. Heyer
(*31.01.1872 Darmstadt; † 24.05.1953 Jugenheim an der Bergstraße), Schriftstellerin.
C. besuchte die höhere Töchterschule in Darmstadt und wurde besonders durch den Konfirmationsunterricht geprägt. 1890 heiratete sie den evangelischen Pfarrer und Schriftsteller Erdmann Gottreich Christaller. Sie lebte mehrere Jahre mit ihrem Mann in Berneck im Schwarzwald und dann ab 1894 in Ottenhausen bei Pforzheim; die Ehe wurde mit drei Töchtern und einem Sohn gesegnet. 1901 wurde ihr Mann wegen der Satire Prostitution des Geistes vom Pfarrerdienst suspendiert und ließ sich wegen seiner Schwerhörigkeit vorzeitig pensionieren. Damals begann C. mit dem erwerbsmäßigen Schreiben, um die Familie zu versorgen, die bald nach Jugenheim an der Bergstraße zog. Ihr 1907 erschienener Roman Gottfried Erdmann und seine Frau erlebte zahlreiche Auflagen. 1917 ließ sie sich von ihrem Mann scheiden. Außer ihren Romanen und biografischen Erzählungen verfasste sie auch Novellen, darunter die Novelle Spuk, erschienen in der Sammlung Geheimnisse des Lebens. In dieser Novelle schildert sie, literarisch verfremdet, einen Spukfall, den sie mit ihrem Mann im Pfarrhaus von Ottenhausen erlebte.
Fanny > Moser interviewte die Schriftstellerin und nahm deren Bericht in ihr Werk Spuk auf. Die Vorgänge begannen mit Geräuschphänomenen (u.a. Schritte), dann bewegte sich das Geschirr in der Küche, Wasser verspritzte, Jammertöne erschallten und schließlich erschien nachts ein rumpfloser bleicher Männerkopf.
Der Spuk wurde mit dem Selbstmord (1790) des Sohnes eines früheren Pfarrers in Verbindung gebracht, zumal Nachforschungen ergaben, dass schon vor den C.s Spukmanifestationen in dem Haus beobachtet worden waren. Nähere Angaben gibt es dazu aber nicht.
W.: Geheimnisse des Lebens. Erzählungen u. Legenden. Basel: Reinhardt, 1956.
Lit.: Moser, Fanny: Spuk: Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit. I. Bd. / Mit Vorrede von C. G. Jung. Baden b. Zürich: Gyr-Verlag, 1950; Schwerte, Hans: Christaller Helene. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Bd. 3. Berlin: Duncker & Humblot, 1957, S. 218.
Christbaum, Weihnachtsbaum (engl. Christ-
mas tree; ital. albero di Natale), in der christlichen Welt zur Weihnachtszeit geschmückter und mit Lichtern versehener Nadelbaum.
Den ersten Tannenbaum mit Sternen und Lichtern zeigt ein Kupferstich von Lukas Cranach dem Älteren aus dem Jahre 1509. Als familiärer „Weihnachtsmayen“ ist er seit 1605 in Schlettstadt (Elsass) überliefert und als Gabenbaum ohne Kerzen in Straßburg. Ein kerzengeschmückter Tannenbaum flankiert seit 1621 als Paradies- oder Lebensbaum die große Kirchenkrippe des Augustinerklosters Neustift in Südtirol. Er weist zurück auf den fast immergrünen Tannenschmuck mittelalterlicher Mysterien-, besonders alpenländischer Paradiesesspiele.
Für 1748 ist der erste Weihnachtsbaum in Amerika bei Siedlern in Pennsylvanien belegt, eingeführt von den nach Amerika vermieteten hessischen Soldaten. Der preußische König Friedrich der Große (1740 –1786) berichtet 1755 von Tannenbäumen, an denen die Eltern „vergoldete Erdäpfel“ aufhängten, um den Kindern mit Paradiesesäpfeln eine Freude zu bereiten. Seit ca. 1800 findet sich der C. in gehobenen Familien in Zürich, München, Wien und Siebenbürgen.
Wenngleich der Baum vor allem den Kindern Freude bereiten sollte, wurde er in evangelischen Familien sehr bald zum Gegensymbol „rechtgläubiger“ Protestanten gegen die Weihnachtskrippe, die vornehmlich in katholischen Familien und Einrichtungen aufgestellt wurde.
Als im 18. Jh. die Weihnachtsfeiern zu Familienfesten wurden, hielt der C. auch Einzug in die Wohnungen einfacherer evangelischer Familien. Seit dem 19. Jh. findet er sich in fast allen Familien und Kirchen der Welt – mit zahlreichen Verzierungen und Ausschmückungen, vor allem mit Lichtern aller Art, die das in Bethlehem geborene „Licht der Welt“ symbolisieren.
Als Varianten des C. sind die Berliner Weihnachtspyramide, der Festbaum der Zünfte oder der Schmuckbaum in der einstigen DDR sowie der Gabenbaum, den die Sowjetunion 1935 für Silvester einführte, zu nennen.
Heutzutage ist der weltweit bekannteste C. jener auf dem Petersplatz.
Lit.: Ratzenböck, Anneliese: Der Christbaum: Geschichte und Geschichten. Linz: Landesverlag, 1985; Lexikon der Bräuche und Feste: 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen / Manfred Becker-Huberti. Freiburg u.a.: Herder, 2000.
Christbaumschmuck > Christbaum.
Christblock (auch Julblock; ital. zocco), ein großer Holzstamm, meist in Form eines Wurzelstockes oder Baumstammes in Manneshöhe, der am > Heiligen Abend auf den Herd bzw. ins Feuer gelegt wurde und oft bis Dreikönig zu brennen hatte. Dieser Brauch, der viel älter ist als der > Christbaum, geht vermutlich auf die Zeit zurück, als Stube und Küche noch einen Raum bildeten. Seine Verbreitung ist lokal verschieden.
Man versprach sich von der Asche des großen Klotzes zum einen den Schutz des Hauses vor Feuer, Diebstahl und sonstigem Schaden, zum andern – wenn die Asche auf die Felder gestreut wurde – deren Fruchtbarkeit. Durch die neuen Heizformen ist der Brauch praktisch verloren gegangen.
Der C. soll dem lombardischen Kulturkreis entstammen und mit dem nordischen Julblock in Zusammenhang stehen: „Zu den Zeiten Shakespeares loderte dieser Kloben gewöhnlich in der Mitte der großen Halle, die Hausgenossen setzten sich dazu, sangen ein Jullied und tranken auf ein freundwilliges Neues Jahr. Dieser Julblock ist von Finnland über ganz Europa bis nach Griechenland und Portugal bezeugt…“ (Riemerschmidt).
Lit.: Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck, 1867; Riemerschmidt, Ulrich: Weihnachten. Hamburg: Schröder, 1962, S. 15.
Christdorn (botan. Ilex aquifolium). Der C. gehört zur Familie der Stechpalmengewächse, findet sich fast überall in Europa und kann eine Wuchshöhe von bis zu 15 Metern erreichen. Er trägt weiße Blüten und leuchtend rote Steinfrüchte. Der Verzehr derselben kann allerdings zu Vergiftungserscheinungen führen. 20 –30 Früchte gelten für Erwachsene als tödlich.
Hingegen werden die schleimig-bitter und herb schmeckenden Blätter in der > Homöopathie und > Volksmedizin als Mittel gegen Bindehautentzündung (Konjunktivitis), Gelenksentzündung, Gelenksschmerzen (Arthritis), Gelenksverschleiß, Gelenksabnutzung (Arthrose) und ganz allgemein gegen Gicht und Rheuma eingesetzt.
Der Legende nach handelt es sich beim C. um jene Palme, mit der Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem begrüßt wurde, und erhielt in Erinnerung an den Verrat, der an Jesus verübt wurde, Stacheln. Die roten Beeren wurden mit den Blutstropfen Jesu verglichen und bildeten wichtige Bestandteile von Räuchermitteln und > Hexensalben.
Lit.: Scheffer, Karola: Selbstbehandlung mit Homöopathie. Augsburg: Weltbild, 2009.
Christengemeinschaft, anthroposophisch-religiöse Gemeinschaft (CG). 1921/22 hielt Rudolf > Steiner auf Bitten evangelischer Theologen, unter ihnen Friedrich Rittelmeyer und Emil Bock, Kurse zur religiösen Erneuerung. Diese führten am 16.09.1922 im Goetheanum in Dornach (Schweiz) bei der ersten Feier der „Menschenweihehandlung“ durch Steiner und seinen Anhänger Rittelmeyer (1872–1938) zur Gründung der CG. Obgleich Steiner der Gemeinschaft nie beitrat, formulierte er das Glaubensbekenntnis und verfasste auch die liturgischen Texte der „Menschenweihehandlung“, die in ihrem Aufbau weitgehend der römisch-katholischen Messe entspricht. An die Spitze der CG trat vielmehr Rittelmeyer als „Erzoberlenker“. In allen größeren Städten entstanden Ortsgemeinden, bis die CG 1941 in Deutschland verboten wurde. 1945 nahm sie in West- und Ostdeutschland ihre Arbeit wieder auf. Sie ist hierarchisch aufgebaut und weltweit in der Foundation of the Christian Community zusammengeschlossen. Ein Ziel der CG ist, die Spaltung der Christenheit in Katholiken und Protestanten wieder aufzuheben.
Der angebotene Heilsweg ist primär vom Kult bestimmt. Im Mittelpunkt stehen die sieben Sakramente: Taufe, Abendmahl, Beichte, Konfirmation, Trauung, Priesterweihe (seit der Gründung auch Frauen) und das Sterbesakrament. Die Sakramente werden als religiöses Geschehen verstanden, das auf die zukünftige Einheit von Geist und Materie hinweist. Von der evangelischen und katholischen Kirche wird die Taufe nicht anerkannt, wohl aber erkennt die CG die Taufe der genannten Kirchen an.
Glaubensgrundlage ist die Bibel in der Auslegung nach der Lehre Rudolf Steiners. Christus kam als Sonnengott auf die Erde und wurde durch seine Inkorporation in die menschliche Hülle des Jesus sowie durch das „Mysterium von Golgotha“ zum Erdengott. Hinzu kommt die Lehre von > Reinkarnation und > Karma, die man mit den biblischen Aussagen zu verbinden sucht. Die CG steht außerhalb der ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen, weil sie das Gespräch über die liturgischen Texte verneint und an ihrer Bindung zur > Anthroposophie festhält.
Lit.: Rittelmeyer, Friedrich: Die Menschenweihehandlung. Stuttgart: Verlag der Christengemeinschaft, 1926; ders.: Sünde und Gnade. Stuttgart: Verl. Urachhaus, 1950; Bock, Emil: Wat wil de Christengemeenschap? Rotterdam: Uitgeverij Christofoor, 1980; Bock, Darrell L.: Die verschwiegenen Evangelien. Gießen, Lahn: Brunnen-Verl., 2007.
Christentum, die christliche Religion. Der Begriff „Christentum“ geht sprachlich und sachlich auf die für das neue Testament zentrale Bezeichnung Jesu als „der Christus“ (ho christos, der Gesalbte [Messias]) zurück. Die Anhänger Christi wurden in Antiochien schon sehr früh Christen (christianous, Apg 11,26) genannt. Diese Bezeichnung setzt voraus, dass man im Christusbekenntnis das Charakteristikum der Jesusanhänger erblickte. Der Name wurde sehr bald auch als eigene Bezeichnung angesehen und setzte sich intern und extern rasch durch (1 Petr 4,16; Apg 26,28). Der danach gebildete Begriff „Christentum“ (Christianismos) findet sich zuerst bei Ignatius von Antiochien (* 1. Jh., † ca. 107; Magn.10,1.3).
Der inhaltliche Ursprung des Chr. liegt in der Selbstbezeichnung Jesu als Sohn Gottes und der Untermauerung dieser Aussage durch seine Lehre, die > Wunder, die > Verklärung auf dem Berg Tabor, die Herabkunft des Heiligen Geistes bei der Taufe im Jordan, die Vorhersage und das Eintreffen seines Todes, seiner > Auferstehung, durch seine > Erscheinungen nach dem Tod und seine > Himmelfahrt sowie durch die verheißene und eingetretene Herabkunft des > Heiligen Geistes auf die Apostel.
Neben diesen außergewöhnlichen Ereignissen, von denen die Bibel berichtet, sind für die > Paranormologie auch die zahlreichen außergewöhnlichen Ereignisse im Verlauf der Geschichte des Christentums von Bedeutung. Dazu gehören > Totenerweckungen, > Wunderheilungen, > Bilokationen und > Levitationen, das > Grabtuch von Turin, der > Schleier von Manoppello, > Marienerscheinungen, > Stigmatisationen, mystische Erfahrungen (> Mystik) und > Prophetien, > Unverweslichkeit und die Schar der begnadeten Personen.
Lit.: Guardini, Romano: Das Wesen des Christentums. Würzburg: Werkbund-Verl., 1958; Benedikt <XVI., Papst>: Einführung in das Christentum. München: Kösel, 1968; Resch, Andreas: Wunder der Seligen 1983 –1990. Innsbruck: Resch, 1999; ders.: Die Seher von Medjugorje im Griff der Wissenschaft. Innsbruck: Resch, 2005; ders.: Das Antlitz Christi. Innsbruck: Resch, 2006; ders.: Wunder der Seligen 1991–1995. Innsbruck: Resch, 2007; Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Freiburg i. Br.: Herder, 2007; Resch, Andreas: Die wahren Weltwunder. Innsbruck: Resch, 2013; ders.: Die Wunder von Lourdes. Innsbruck: Resch, 22015.
Christi Himmelfahrt > Himmelfahrt.
Christi Länge, > Amulett in Form eines langen Papierstreifens, der die genaue Länge Christi darstellen soll. Dieses Amulett war über das gesamte katholische Europa verbreitet und wurde angeblich 1655 beim Hl. Grab in Jerusalem gefunden (Andree-Eysn, S. 122ff.). Auf dem Streifen ist eine Anzahl von Gebeten des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit aufgedruckt. Wer das Amulett bei sich trägt und die Gebete regelmäßig spricht, soll vor allerlei Schaden beschützt werden. Die älteste Erwähnung findet sich 1357 im Verzeichnis der Reliquien im Kloster Erstein im Elsass (Ungerer, S. 332). Um die Wende des 14. zum 15. Jh. wird auch über dessen Bekämpfung berichtet, zuerst in der Heidelberger Bilderhandschrift (Geffcken). Der Ursprung von Chr. L. geht auf die Kreuze mit den Maßen der Körperlänge Christi nach dem Körperbild auf dem Grabtuch, dem > Crux Mensuralis, zurück.
Lit.: Geffcken, Johannes: Der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts und die katechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther. 1855; Andree-Eysn, Marie: Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet. Hildesheim; New York: Olms, 1978, Nachdr. d. Ausg. Braunschweig 1910; Ungerer, Edmund: Elsässische Altertümer, Bd. 1. Straßburg: Trübner, 1911.
Christian Science (engl., Christliche Wissenschaft), christliche Bewegung, die 1870 von der Amerikanerin Mary > Baker-Eddy (1821–1910) in Boston gegründet wurde. Da sie nach zwei gescheiterten Ehen an nervösen Störungen litt, nahm sie Kontakt zu Phineas Parkhurst > Quimby (1802–1866) auf. Von ihm lernte sie, nur positive Gedanken als heilsam anzusehen, und so entwickelte sie nach ihrer Heilung ein eigenes Heilverfahren auf religiöser Grundlage. Störungen hätten nämlich ihre Ursachen nicht in der Materie oder in der Physis, sondern im Geist. Krankheiten, Schmerzen, Tod und Materie seien nicht real, sondern entstünden nur durch falsches Denken und Unwissenheit über Gott. Krankheit könne daher nur durch Gebet beseitigt werden. Am 1. Februar 1866 stürzte sie und zog sich erneut ein schweres Leiden zu. Dabei entdeckte sie die Wissenschaft des Christus oder die göttlichen Gesetze von Leben, Wahrheit und Liebe und nannte diese Entdeckung Christian Science. Sie heilte sich selbst und betätigte sich fortan mit Erfolg als Heilerin.
1875 fasste sie ihre Gedanken in dem Buch Science and Health (Wissenschaft und Gesundheit) zusammen, später Science and Health with the Key to the Scriptures (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift). Am 4. Juli 1876 gründete Baker-Eddy die Christian Scientists’ Association. Trotz Schwierigkeiten entwickelte sich die Bewegung erfolgreich. Dabei suchte sie den amerikanischen Calvinismus mit seiner Erfolgsorientierung, die Philosophie ihres Lehrers Quimby und die auf den > Mesmerismus zurückgehende New Thought (Neugeist)-Bewegung sowie die Rationalität der modernen Wissenschaft miteinander zu verbinden. 1879 erfolgte in Boston die Gründung der „Church of Christ, Scientist“ (Kirche Christi, Wissenschafter). Baker-Eddy stand als Präsident an ihrer Spitze. 1881 wurde sie Pastorin dieser Kirche, deren Zweck es ist, das ursprüngliche Christentum und seine verloren gegangenen Elemente des Heilens wieder einzuführen.
In den 1880er Jahren verbreitete sich die National Christian Scientists’ Association in allen Teilen der USA und mit ihr auch die Kirche, deren erste Zweigkirche in Deutschland 1898 in Hannover gegründet wurde. 1908 gründete Baker-Eddy die Tageszeitung „The Christian Science Monitor“, die es in den folgenden Jahrzehnten zu Weltgeltung brachte.
Die Kirche ist dabei jene Einrichtung, die das Menschengeschlecht hebt und, wie Baker in ihrem „Kirchenhandbuch“ testamentarisch festhielt, ihre Lehre unverändert weitervermittelt, wofür der fünfköpfige Vorstand der Mutterkirche in Boston zu sorgen hat. Er beruft den Verwaltungsrat der Christian Science Verlagsgesellschaft, die zur Verbreitung der Lehre mehrere Zeitschriften und die Lektionspredigten herausgibt, welche von zwei Lesern überall auf der Welt gleich verlesen werden. In Boston werden auch die Lehrer der Zweigkirchen ausgebildet. Als Lehrstoff dienen ausschließlich die > Bibel und „Wissenschaft und Gesundheit“. In den Kirchen gibt es keine Räume für Begegnungen, keine Sakramente und kultischen Handlungen, Taufe und Abendmahl werden spiritualisiert. Nur in der Mittwochzeugnisversammlung ist Raum für Berichte über Heilungen und persönliche Erfahrungen. Ein wichtiges Element ist das Gebet, in dem sich die Mitglieder täglich bzw. stündlich um den lebendigen Kontakt mit Gott bemühen, denn Gott ist göttliche Liebe, höchster Vater-Mutter; die wahre Natur jedes Individuums als Kind Gottes ist geistig und die im Gebet verwirklichte unendliche Güte Gottes heilt.
W. von Baker-Eddy, Mary: Was Weihnachten für mich bedeutet und andere Weihnachtsbotschaften. Boston, Mass., U.S.A.: Trustees under the Will of Mary Baker G. Eddy, 1969; Grundzüge der göttlichen Wissenschaft. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1974; Vermischte Schriften. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1976; Kanzel und Presse. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1982; Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter und Verschiedenes. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1982; Rückblick und Einblick. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1988; Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. Boston, Mass.: First Church of Christ, Scientist, 1997.
Lit.: De Witt, John: Die Lebenseinstellung des Christlichen Wissenschafters. Boston, Mass.: The Christian Science Publishing Society, 1974.
Christian, Paul (1811–1881 (1877?), Pseudonym für Jean Baptiste Pitois, französischer Journalist und Historiker.
Ab 1839 arbeitete C. als Archivar im französischen Erziehungsministerium, sichtete u.a. die beschlagnahmten Bücher aus französischen Klöstern und begann sich mit Magie zu befassen. Er entwarf ein System der kabbalistischen Astrologie, das er einer Handschrift von Jeanne Marie > Guyon (1648 –1717) entnommen haben will. Seine Schriften veröffentlichte er unter verschiedenen Namen, wie Hortensius Flamel: Le Livre Rouge (1841), Le Livre d’or (1842), auch unter A. Frédéric de la Grange. 1850/51 traf er Eliphas > Lévy und lernte den > Tarot kennen. Sein erstes astrologisches Werk, Carmen Sibyllum, erschien 1854. In seinem L’homme rouge des Tuileries (1863) vermengt er die Tarotsymbolik mit Elementen der Astrologie zu einem kabbalistischen Weissagungsverfahren, wobei Guyon, ein Schützling Napoleons, der rote Mann ist, der Napoleons Aufstieg und Sturz vorausgesagt haben soll. Das Werk hatte großen Einfluss auf die Okkultisten. C. prägte den Begriff Arcana (lat. > Arcanum, das Geheime, Eingeschlossene) und gab damit der okkult-esoterischen Welt eine gemeinsame Sprache in Bezug auf Tarot-Karten. 1870 erschien schließlich sein bekanntestes Werk, Histoire de la magie, worin er die Geschichte der Einweihung im alten Ägypten und eines Tempels mit 78 Stufen schildert, in dem sich Bilder gefunden hätten, die bei Initiationen in die ägyptischen Mysterien Verwendung fanden. Diese Aussagen hinterließen tiefe Spuren in der Welt des Tarot, weshalb C. als Wegbereiter der Tarotdeutung zur „entwicklungspsychologischen Interpretation“ als Lebenshilfe bezeichnet wird. Seine Arbeit förderte auch den „astrologischen Tarot“ zutage.
C. war zudem Chefredakteur des Moniteur du Soir und des Moniteur Catholique. Weiters verfasste er eine Geschichte der Französischen Revolution und ein achtbändiges Werk über Helden des Christentums.
Lit.: Giles, Cynthia: Tarot. Solothurn; Düsseldorf: Walter, 1994; Graf, Eckhard: Die Magier des Tarot. Kl. Königsförde / Krummwisch: Königsfurt, 2000; Körbel, Thomas: Hermeneutik der Esoterik. Münster: LIT, 2001.
Christianopolis, utopische Idee einer protestantischen Idealgesellschaft von Johann Valentin > Andreae. In seinem 1619 erschienenen Werk Christianopolis entwirft Andreae nach dem Vorbild von Thomas Mores Utopia einen christlich-lutherisch geprägten Staat. Die Einwohner drücken auf einer Tafel aus, dass sie an die Dreifaltigkeit, an die Abwehr der Sünde durch die Auferstehung Christi glauben und der Meinung sind, dass die Vergebung aller Sünden durch Gott zu Dankbarkeit und Gehorsam ihm gegenüber verpflichte. Ein „praktisches Christentum“ verwirklicht sich nämlich in christlicher Liebe und Mildtätigkeit. Wissenschaft und Technik unterliegen ethischen Zielen und dienen dem Wohl der Menschen.
W.: Christianopolis, 1619; Orig.-Text u. Übertr. nach D. S. Georgi 1741. Stuttgart: Calwer Verlag, 1972.
Lit.: Bernet, Claus: Johann Valentin Andreaes Utopie Christianopolis. Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 66 (2007), 147–182.
Christina Mirabilis (* um 1150 Brustem, Belgien; † um 1224 St. Trond), heilig (Fest: 24. Juli), Mystikerin. Sie dürfte die erste > Begine sein, von der wir eine Vita besitzen.
Mit 15 Jahren wurde sie Waise und verdiente sich ihren Unterhalt als Hirtin. Nach einer kataleptischen Krise begann C. um 1182 ein strenges Leben der Buße. Jahrelang lebte sie auf dem Schloss von Loon, dann in St. Trond. Dort starb sie bei den Benediktinerinnen von St. Katharina.
Wie Kardinal Jakob von Vitry noch zu ihren Lebzeiten 1215 in der Vita Marias von Oignies schreibt, soll sie Wunder gewirkt und mehrere > Levitationen gehabt haben. Nach der von Thomas von Cantimpré verfassten Vita Christinae soll sie 1172 gestorben und nach einer Reise durch drei jenseitige Orte wieder in das irdische Dasein zurückgekehrt sein. Dies war eine willkommene Gelegenheit, die wenige Jahre zuvor verkündete Lehre vom Fegefeuer zu deuten, da sich C. der Fürbitte für die > Armen Seelen widmete. Sie soll den Gestank der menschlichen Sünde gerochen haben, der unerträglich für sie war, weshalb sie zur Erlösung der Sünder in abgelegene Winkel floh, auf Bäume und Häuser kletterte und sich in Öfen und Schränken versteckte. Außer von ekstatischen Phänomenen wird bei ihr noch von > Television, himmlischem Gesang und > Prophetie berichtet. 1249 wurden ihre Gebeine erhoben. Ihr Fest wird am Festtag der hl. Christina von Bolsena, am 24. Juli, gefeiert. C. wird als Patronin der Sünder, gegen Infektionskrankheiten, Viehseuchen und in verzweifelten Situationen angerufen. Sie gilt auch als Patronin für einen guten Tod.
Lit: Vita Mariae Oigniacensis: BHL 5516 und Acta SS iun. 5, 549; Vita Christianae Mirabilis BHL 1746 und ActaSS iul 5, 650 – 660; King, M.: The Sacramental Witness of Christina mirabilis. Cistercian Studies Series 72 (1987), 145 –164; Görres, Joseph von: Die christliche Mystik. Bd. 2. Regensburg: Verlagsanst. vorm. G. J. Manz, o.J.
Christina von Hamm (* 15. Jh.; † 15. oder 16. Jh., Hamm, Deutschland), selig (Fest: 22. Juni), Mystikerin. Werner Rolevinck schreibt in seinem Fasciculus temporum von 1482, dass eine Jungfrau Stine in Hamm (Westfalen), soeben Konverse, 1464 durch 15 Wochen bis Fronleichnam die > Stigmen an Händen, Füßen und an der Seite getragen habe. Diese Stigmen zeigte sie 12 Zeugen und weissagte dann, dass sie innerhalb von zwei Stunden verschwinden würden, was auch eintrat.
C. wird dargestellt als Nonne mit den Wundmalen Christi.
Lit.: Rolevinck, Werner: Fasciculus temporum, 1480, folio 64; Schütte, Albert: Handbuch der deutschen Heiligen. Köln: Bachem, 1941.
Christina von Markyate (* um 1096 Huntingdon; † 1161 Markyate, England), heilig (Fest: 5. Dezember). C. entstammte einer vornehmen englischen Familie. Bereits als Kind wurde sie zur großen Benediktinerabtei St. Albans (Herfordshire) geführt, wo sie im Geheimen das Gelübde der ewigen Jungfräulichkeit ablegte. Ihre Eltern befahlen ihr jedoch, einen schon von ihnen ausgesuchten Bräutigam zu ehelichen. Als sie sich weigerte, die Ehe zu konsumieren, kam sie vor das Kirchengericht, das ihr zunächst recht gab, sie später aber verurteilte, woraufhin sie von den Eltern eingesperrt wurde. Dank ihrer starken Persönlichkeit gewann sie die Freundschaft einiger Priester und eines Einsiedlers, der ihren Fall dem Bischof von Canterbury vortrug. Seiner Protektion sicher, flüchtete sie als Mann verkleidet zu Pferd zunächst nach Flamstead, wo sie sich zwei Jahre lang bei einer Reklusin verbarg. Anschließend ging sie nach Markyate, wo sie sich unter der Leitung des Einsiedlers Ruggero in einer Klause niederließ und vier Jahre in einer verschlossenen Zelle verbrachte, die nur der Einsiedler öffnen konnte. Als dieser starb, suchte sie Schutz bei dem Zisterzienserbischof Thurstan von York, der ihre Ehe annulliert hatte, da sie die Ablehnung des Bischofs von Lincoln fürchtete. Nach dessen Tod kehrte sie nach Markyate zurück. 1130 wurde ihre Lebensform schließlich anerkannt und ihr Ruf verbreitete sich sehr rasch. In den darauffolgenden Jahren schlossen sich ihr viele Gefährtinnen an, die sie leitete. Wenngleich mehrere Klöster sie ersuchten, ihre Äbtissin zu werden, blieb sie in Markyate, wo sie auch beerdigt wurde.
Das einzige anonyme Manuskript über C. mit dem Titel Vita endet vor ihrem Tod. 1155 schenkte sie Papst Hadrian IV. eine Stickerei. Der Albani Psalter in der St. Godehard-Kirche dürfte ihr gehört haben.
C. ist die Vorgängerin der englischen > Mystik des späten 13. und des 14. Jh.
Lit.: Talbot, Charles H.: The Life of Christina of Markyate. A Twelfth Century Recluse. Oxford: Clarendon Press, 2002; Fanous, Samuel / Leyser, Henrietta: The Life of Christina of Markyate. Oxford: Oxford University Press, 2008.
Christina von Retters (* um 1269 im Raum Wiesbaden; † um 1291 Retters, heute Rettersdorf, Deutschland), selig (Fest: 29. November), Prämonstratenserin und Mystikerin. C. stammte aus einem Vasallengeschlecht aus der Gegend um Wiesbaden. Als junges Mädchen trat sie in das Prämonstratenserinnenkloster Retters im Taunus ein. Sie erlebte große Qualen, dann das Mitleiden der Passion Christi sowie Visionen und Ekstasen. Bis zu ihrem frühen Tod mit 22 Jahren pflegte sie Arme und Kranke im Spital ihres Klosters. Über ihre Eingebungen verfasste sie ein Buch, das jedoch verloren ging. Ihre Vita, offenbar aus der Feder ihres Beichtvaters, liegt nur in deutscher Übersetzung vor.
Lit.: Mittermaier, Franz P. (Hg.): Lebensbeschreibung der seligen Christina, gen. von Retters. Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 17 (1965), 209 – 251 (I); 18 (1966), 203 – 238 (II); Köster, K.: Leben und Gesichte der Christina von Retters, ebd. 8 (1956), 241–269; Torsy, Jakob: Der Große Namenstagskalender. Freiburg: Herder, 2008.
Christina von Stommeln, auch Christina Bruso (* 24.07.(?)1242 Stommeln; † 6.11.1312 ebd.), selig (Confirmatio cultus 12.08.1908, Fest: 6. November), Mystikerin („die Kölnische“). C. war eine Bauerntochter und verlobte sich bereits im Kindesalter mit Christus. In einer Vision erfuhr sie: „Du wirst bei den Beginen bleiben.“ Mit 13 Jahren zog sie ohne Wissen der Eltern in einem Beginenkonvent in Köln ein, wurde jedoch mit 17 Jahren wegen eines Vorfalls in der Kirche der Dominikaner nach Hause geschickt. Ihren Aussagen zufolge „sei sie in der Dominikanerkirche so von Sinnen gewesen, dass sie aus der Kirche in den Konvent zurückgetragen worden sei und ihre Ekstase drei Tage ununterbrochen angehalten habe“ (Vita Christinae, S. 111).
In Stommeln waren weder ihre Eltern noch die dortigen Beginen über sie erfreut. Schließlich fand sie bei Pfarrer Johannes Aufnahme. Ihre Andersartigkeit fand wenig Gegenliebe. Ab dem 15. Lebensjahr zeigten sich an ihr die > Stigmata, was sie weit über ihre Heimat hinaus bekannt machte. 1267 kam der schwedische Dominikanerpater Petrus von Dacien († 1288) nach Stommeln, der sie dann noch fünfzehnmal besuchte und ihr Beichtvater wurde. 1268 habe er die Stigmen das erste Mal gesehen. Bei seinem Besuch zu Ostern 1269 nahm er zwei skeptische Zeugen mit. Er schreibt:
„Ich sah aber an der jungfräulichen Hand fünfzehn Zeichen, nicht allzu groß, rund und rosa gefärbt, wunderbar angeordnet: Mitten in der Hand war ein rundes Mal zu sehen, nicht ganz so groß wie ein Sterling, aber größer als alle anderen Zeichen; rund herum befanden sich vier Male, angeordnet in Kreuzform, etwas kleiner als das erste, aber größer als die zehn übrigen. Alle hatten voneinander denselben Abstand. Die fünf erstgenannten Male waren in das Fleisch der Handfläche eingeprägt; die restlichen zehn aber waren auf die fünf Finger verteilt, dass sich auf jedem Finger zwei befanden, und zwar eines in der Mitte der Fingerglieder, die sich an die Handfläche anschließen … Mitten auf der Ober- und Unterseite des rechten Fußes befand sich eine Wunde, ein wenig größer als ein Sterling. Von hier aus flossen vier ziemlich breite Rinnsale von Blut nicht den Fuß hinab zu den Zehen, sondern den Fuß hinauf… Nach Ostern hörten wir von den Mädchen, die bei Christina waren, dass ihr Unterkleid in der Herzgegend von Blut durchtränkt war auf einer Fläche, die so groß war wie eine Menschenhand … Als sie aber die Stirn freigemacht hatte, sahen wir drei Blutbäche, wohl aus einer Quelle fließend, jeder zwei Finger breit. Die beiden äußeren flossen zu den Schläfen, der mittlere aber zur Nase hin“ (Vita Christinae, S. 61).
Die Stigmen traten auch in der Folgezeit zu Ostern immer wieder auf, wahrscheinlich bis 1286.
Die weiteren Besonderheiten, wie Christus-
und Dämonenvisionen, Poltergeister und Exkursionen, die bei C. ab dem elften Lebensjahr begannen und zuweilen tagelang dauerten, werden unterschiedlich beurteilt und sind differenzierter zu betrachten. Man hat sie auch als Spinnerin bezeichnet. Jedenfalls waren während ihrer Ekstasen Wachbewusstsein und Empfindungsvermögen ausgeschaltet. Als man ihr 1279 während einer Ekstase am Arm drei Wunden zufügte, reagierte sie nicht, doch bluteten die Wunden noch zwei Jahre lang bei jeder Kommunion C.s.
Nach ihrem Tod wurde C. als Heilige verehrt. 1342 wurden ihre sterblichen Überreste in das Stift Nideggen (Eifel) und 1586 nach Jülich überführt, wo sie bis heute in der Stiftskirche ruhen.
Lit.: ActaSS iun 4,1 (1707), 270 – 454; Wollersheim, Theodor: Das Leben der ekstatischen und stigmatischen Jungfrau Christina von Stommeln, wie solches von dem Augenzeugen Petrus von Dacien und Andern beschrieben ist. Köln, 1859; Petri de Dacia vita Christinae Sumbelensis. Hg. von J. Paulson. Göteborg, 1896; Peter Nieveler: Codex Iuliacensis. Christina von Stommeln und Petrus von Dacien. Ihr Leben und Nachleben in Geschichte, Kunst und Literatur. Kühlen, Mönchengladbach, 1975; Bers, Günter: Die Verehrung der seligen Christina von Stommeln in Jülich. Vom 16. zum 20. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte einer Volksheiligen. Jülich: Verlag des Jülicher Geschichtsvereins, 1986.
Christine Ebner (*26.03.1277 Nürnberg; † 27.12.1355 Engelthal), Dominikanerin und Mystikerin. Sie entstammte der Nürnberger Patrizierfamilie Ebner, der späteren Freiherren von Ebner von Eschenbach.
Als Zwölfjährige trat sie 1289 in das Dominikanerinnenkloster Engelthal bei Nürnberg ein. Nach dem Noviziat zeigten sich erstmals rätselhafte Krankheiten, die jährlich wiederkehrten. Ab dem 14. Lebensjahr setzten 1291 mystische Erlebnisse, vor allem Visionen, ein, die sie im Auftrag ihres Beichtvaters, des Dominikaners Konrad von Füssen, ab 1317 niederschrieb. Diese Niederschriften entstanden in mehreren Versionen und sind unter dem Titel Leben und Offenbarungen bekannt. 1345 wurde C. E. Priorin. Im Alter war sie eine Person von öffentlichem Rang. So erhielt sie 1350 Besuch von Kaiser Karl IV.; 1351 weilte der Mystiker > Heinrich von Nördlingen drei Wochen bei ihr und machte sie mit der Mystik > Mechthilds von Magdeburg, > Heinrich Seuses und > Johannes Taulers bekannt. Aus ihren Aufzeichnungen geht hervor, welch großen Einfluss er auf sie hatte. Auch mit der späteren Seligen Margarete Ebner, die nicht mit ihr verwandt war, hatte sie Kontakt.
In ihren Aufzeichnungen nimmt C. E. Anteil am Konflikt Ludwigs des Bayern mit dem Hl. Stuhl, am Wüten der Erdbeben, der Pest (Schwarzer Tod) in Nürnberg sowie den Irrungen der > Flagellanten-Prozessionen von 1349.
In ihren Schriften bekundet sie ihr großes Bemühen um eine persönliche Gottesbeziehung. Sie entfernt sich dabei immer mehr von den Formen blutiger Askese und entwickelt als Frau das Bild eines liebenden, den Menschen nahen Gottes.
W.: Von der genaden uberlast, verf. vor 1346; Von der Gnaden Überlast. Paderborn, 1924.
Lit.: Schröder, K. (Hrsg.): Der Nonne v. Engeltal Büchlein v. der Gnaden Überlast, 1871; Lochner, Georg Wolfgang: Leben u. Gesichte der Chr. E., 1872, übertr. u. eingel. v. Wilhelm Oehl; Wilms, Hieronymus: Das Beten der Mystikerinnen dargestellt nach d. Chroniken d. Dominikanerinnen-Klöster zu Adelhausen, Diessenhofen, Engeltal … Leipzig: Harrassowitz, 1916.
Christine von Spoleto (* um 1435 Osteno bei Porlezza am Luganer See; † 13.02.1458 Spoleto, Italien), selig (Decr. 19.09.1884, Gedenktag: 13. Februar).
Geboren mit dem Namen Augustina, wurde sie von ihrem Vater, dem Arzt Johannes Camozzi, einem ortsansässigen Holzschnitzer zur Frau gegeben. Nach dessen Tod wurde sie die Geliebte eines Ritters, der in einem Söldnerheer diente. So kam sie nach Como, gebar einen Sohn und schwelgte fortan in Luxus. Schließlich heiratete sie den Ritter, der jedoch von einem in sie verliebten Soldaten umgebracht wurde. Als ihr Sohn starb, änderte sie ihr Leben radikal, verzichtete auf alle Reichtümer und begann ein strenges Bußleben. Es schien ihr, als hörte sie fortwährend eine innere Stimme, die ihr sagte: Buße, Buße, Buße. 1455 trat sie in den Dritten Orden der Augustiner ein und nahm den Namen Christina an. Nach einem unsteten Wanderleben und Werken der Nächstenliebe kam sie schließlich nach Spoleto, wo sie sich dem Krankendienst widmete. In > Ekstasen schaute sie die Mysterien der Passion Christi, die sie andauernd meditierte. Sie fastete so sehr, dass sie schließlich entkräftet starb. Zunächst in der Augustinerkirche in Spoleto beigesetzt, übertrug man ihre sterblichen Überreste nach Aufhebung des Klosters in die Kirche San Gregorio Maggiore. Schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt, wurden ihr nach dem Tod zahlreiche Wunder zugeschrieben. Gregor XVI. bestätigte ihren Kult am 19. September 1834.
Lit.: Del Re, N.: Cristina da Spoleto BS 4, 341; Motta. E.: La beata Cristina da Spoleto era del Lago di Lugano: Bollettino storico della Svizzera italiana 15 (1893), 84 – 93.
Christkind, Gabenbringer an Weihnachten. Lange vor dem Weihnachtsmann, der in seiner heutigen Form mit rotem Mantel und weißem Rauschebart eine Erfindung des Getränkeherstellers Coca Cola ist, galt der hl. Nikolaus als der Gabenbringer an Weihnachten. Als dann der Kirchenreformator Martin > Luther die Heiligen abschaffte, gehörte auch der hl. Nikolaus als Gabenbringer der Vergangenheit an. Der Kinderbeschenktag wurde auf Weihnachten verlegt und zum Gabenbringer wurde das C. Eltern erzählten ihren Kindern von da an, dass in der Dämmerung des 24. Dezember das C. heimlich die Geschenke bringe und man bei genauem Hinhören sein silbernes Glöckchen läuten hören könne. Das sei ein Zeichen dafür, dass das C. da war und die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet habe.
In evangelischen Kreisen wurde das C. später durch den Weihnachtsmann als Geschenkeüberbringer ersetzt. In katholischen Kreisen hingegen ist das C. neben dem hl. Nikolaus als Bringer der Geschenke geblieben.
Als ein (echtes) „C.“ bezeichnet man vielerorts auch jene, die am 25. Dezember Geburtstag feiern.
Lit.: Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Weihnachtsfest. Eine Kultur- und Sozialgeschichte der Weihnachtszeit. München: Bucher, 1987; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen. Freiburg: Herder, 2000.
Christklotz (franz. bûche de Noel), auch Christblock, Christbrand, Mettenbrocken, Mettenstock, Weihnachtsscheit, ein Stück Holz, das an Heiligabend in den Kamin gelegt wird. Der C. war in vorchristlicher Zeit als > Julklotz bekannt. In Lettland wurde der Heilige Abend nach ihm benannt (bluku vakars). Die älteste Erwähnung geht auf den um 580 verstorbenen Bischof Martin von Bracara zurück, der verbot, auf dem Herd über einem Holzblock Feldfrüchte zu opfern und mit Wein zu übergießen. Im 8. Jh. wurde dieses Verbot durch den westfranzösischen Klosterbischof Pirmin erneuert. Später scheint der Brauch verchristlicht worden zu sein, da 1184 ein C. bereits zu den dem Pfarrer von Ahlen / Westfalen zustehenden Weihnachtsgaben gehörte. Durch das Übergießen mit Wein und einem darauffolgenden Segensspruch wurde dem C. eine besondere Weihe verliehen.
Im Mittelalter ließ man den C. in den zwölf Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig im Kamin brennen, um den man saß. Alle Feindschaften sollten begraben werden. Wer den Baum fällte, aus dem der C. geschnitten wurde, galt als gefeit gegen Unglück im kommenden Jahr, und wer ihm beim Transport begegnete, grüßte ihn und hatte so teil an seinem Segen. Die Reste des nie ganz verbrannten C. galten als Schutz gegen Unwetter.
Lit.: Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000.
Christliche Wissenschaft > Christian Science.
Christogramm, später auch Christusmonogramm, aus den beiden griechischen Buchstaben X (Chi) und P (Rho) gebildetes Symbol XP für Christus, zumal die griechischen Großbuchstaben mit den lateinischen Buchstaben X und P optisch identisch sind, daher auch Chi-Rho oder Konstantinisches Kreuz genannt.
Das C. ist nach dem > Kreuz und dem > Fisch das am häufigsten verwendete Symbol für Jesus Christus, das seit dem 2. Jh. verwendet wird.
Ein weiteres, wesentlich späteres, Christusmonogramm ist IHS, das sich von der Transkription der beiden ersten und des letzten Buchstabens des griechischen Namens Jesu, Iota-Eta-Sigma-Omikron-Ypsilon-Sigma oder ΙΗΣΟΥΣ, also JESOUS, ableitet. Andere Interpreten sehen in IHS die Abkürzung für das griechische „Iesus Hyos Soter“ (Jesus, Sohn Gottes, Erretter). Bei den Jesuiten wird das Symbol als Kurzform von Iesum Habemus Socium („Wir haben Jesus als Gefährten“) gebraucht.
Durch diese > nomina sacra („heilige Namen“) wurden Ikonen geweiht. Hier kommt eine für die Orthodoxie charakteristische Mystik der göttlichen Namen zum Ausdruck, die nach > Johannes Hesychastes (6. Jh.), dem Verfasser eines mystischen Jesusgebets, > Hesychasmus genannt wird.
Lit.: Wetzel, Christoph: Das große Lexikon der Symbole. Darmstadt: Primus Verlag, 2008.
Christologie, Betrachtung von Person und Werk Jesu Christi und der Bedeutung seiner Aussagen für das Leben des Menschen.
Die Begründungen liegen dabei sowohl in den Erfahrungen des Wirkens Jesu in seinem Erdenleben als auch in seiner Auferstehung von den Toten.
Paranormologisch sind vor allem die Berichte über die überragende Persönlichkeit Jesu und seine außergewöhnlichen Handlungen von Bedeutung, die hier durch Auflisten der entsprechenden Themen zumindest angedeutet werden sollen, ohne Vollständigkeit zu beanspruchen:
> Auferstehung (Auferweckung allgemein) – Mk 6,14.16; 9,10; 12,18-27; Lk 7,22; 9,7f.19; 14,14; 16,31; 20,27-38; Joh 5,21.25-29; 6,39f.44.54; 11,1-44; 12,9-17; Apg 4,2; 9,36-42; 17,18.32; 20,9-12; 23,6.8; 24,15.21; 26,8; Röm 6,5; 1 Kor 6,14; 15,12-58; 2 Kor 1,9; 4,14; Eph 2,6; Phil 3,11; Kol 2,12; 3,1; 1 Thess 4,16f; 2 Tim 2,18; Hebr 6,2; 11,19.35; Offb 20,5f; s. A 2 Kor 5,1-10; 2 Tim 2,18.
> Besessener – Mt 4,24; 8,16.28.33; 9,32; 12,22; 15,22; Mk 1,32; 5,15-18; Lk 8,36; Joh 10,21.
> Blut des Bundes – Mt 26,28; Mk 14,24; Lk 22,20; 1 Kor 11,25.
> Charisma – wörtlich: Gnadengabe (von charis, Gnade) – Röm 1,11; 6,23; 11,29; 12,6; 1 Kor 1,7; 7,7; 12,4.9. 28-31; 2 Kor 1,11; l Tim 4,14; 2 Tim 1,6; 1 Petr 4,10.
> Dämonen – böse Geister – Mt 7,22; 10,8; 11,18; 12,24-28; 17,18; Mk 1,34.39; 3,15.22; 6,13; 7,26-30; 9,38; 16,9.17; Lk 4,33.35.41; 7,33; 8,2.27-38; 9,1.42.49; 10,17; 11,14-20; 13,32; Joh 7,20; 8,48-52; 10,20f; 1 Kor 10,20f; 1 Tim 4,1; Jak 2,19; Offb 9,20; 16.14; 18,2.
> Engel – Mt 1,20.24; 2,13.19; 4,6.11; 11,10; 13,39.41.49; 16,27; 18,10; 22,30; 24,31.36; 25,31.41; 26,53; 28,2.5; Mk 1,2.13; 8,38; 12,25; 13,27.32; Lk 1,11-38; 2,9-21; 4,10; 7,24.27; 9,26.52; 12,8f; 15,10; 16,22; 22,43; 24,23; Joh 1,51; 5,4; 12,29; 20,12; Apg 5,19; 6,15; 7,30-38.53; 8,26; 10,3.7.22; 11,13; 12,7-23; 23,8f; 27,23; Röm 8,38; 1 Kor 4,9; 6,3; 11,10; 2 Kor 11,14; Gal 1,8; 1 Tim 3,16; Hebr 1,4; 2 Petr 2,4; Jud 6; Offb 1,1.20.
> Erwählung – Mt 22,14; Lk 9,35; 23,35; Joh 6,44.65; 13,18: 15,16; Apg 9,15; 13,17; 15,7; Röm 8,28-30; 9,6-29; 11,2-32; 1 Kor 1,27-31; Eph 1,3-14; 2,8-10; 1 Thess 1,4; Tit 1,1-3; 2 Petr 1,1-11.
> Ewiges Leben – Mt 19,16.29; 25,46; Mk 10,17.30; Lk 10,25; 18,18.30; Joh 3,15f.36; 4,14.36; 5,24.39; 6,27.40.47.54.68; 10,28; 12,25.50; 17,2f; Apg 13,46.48; Röm 2,7; 5,21; 6,22f; Gal 6,8; 1 Tim 1,16; 6,12; Tit 1,2; 3,7; 1 Joh 1,2; 2,25; 3,15; 5,11.13.20; Jud 21.
> Fluch – s. A Lev 5,1; Num 5,23; Ri 17,2; 1 Kön 2,8f; Ps 109,1-31; Mt 25,41; 26,74; Mk 11,21; 14,71; Lk 6,28; Joh 7,49; Röm 3,14; 9,3; 12,14; 1 Kor 12,3; 16,22; Gal 1,8f; 3,10.13; Hebr 6,8; Jak 3.9f: Offb 16.9.11.21.
> Gehenna – Mt 18,8f; Offb 19,20.
> Gnade, Huld – Lk 1,30; 2,40; Joh 1,14.16f; Apg 4,33; 6,8; 11,23; 13,43; 14,3.26; 15,11; 20,24.32; Röm 1,5.7; 3,24; 4,4.16; 5,2.15.17.20f; 6,1.14f; 11,5f; 16,20.24; 1 Kor 1,3f; 3,10; 15,10; 16,23; 2 Kor 1,2.12.15; 4,15; 6,1; 9,14; 12,9; 13,13; Gal 1,3.6.15; 2,9.21; 5,4; 6,18; Eph 1,2.6f; 2,5.7f; 3,2.7f; 4,7; 6,24; Phil 1,2.7; 4,23; Kol 1,2.6; 3,16; 4,18; 1 Thess 1,1; 5,28; 2 Thess 1,2.12; 2,16; 3,18; 1 Tim 1,2.14; 6,21; 2 Tim 1,2.9; 2,1; 4,23; Hebr 2,9; 4,16; 10,29; 12,15; 13,9.25; Jak 4,6; 1 Petr 1,2.10.13; 2,19f; 3,7; 4,10; 5,5.10.12; 2 Petr 1,2; 3,18; 2 Joh 3; Jud 4; Offb 1,4; 22,21.
> Handauflegung – 1 Tim 1,18; 4,14; 5,22; Hebr 6.2; auch Apg 13,3; 14,27.
> Heilung – Mt 4,23f; 8,16; 9,35; 10,1.8; 12,10.15.22; 14,14; 15,30; 17,16.18; 19,2; 21,14; Mk 1,54; 3,2.10; 6,5.13; Lk 4,23.40; 5,15; 6,7.18; 7,21; 8,2.43; 9,6; 10,9; 13,14; 14,3; Joh 5,10; Apg 4,14; 5,16; 8,7; 28,9; Offb 13,3.12.
> Himmel – Mt 3,16f; 5,12.16.18.34.45; 6,1.9f.20.26: 7,11; 10,32f; 11,25; 12,50; 14,19; 16,1-3.17.19; 18,10.18; 21,25; 22,30; 23,22; 24,29-36; 26,64; 28,2.18; Mk 7,34; 10,21; 11,25f.30; 16,19; Lk 2,15; 3,21f; 4,25; 6,23; 9,54; 10,15.18.20f; 11,13; 12,33.56; 15,7.18.21; 16,17; 17,24.29; 18,13.22; 19,38; 21,11.26.33; 22,43; 24,51; Joh 1,32.51; 8,13.27.31; 6,31-33.38.41f.50f.58; 12,28; 17,1; Apg 1,10f; 2,2.5.19.34; 3,21; 4,24; 9,3; 10,11.16; 11,9; 14,15.17; 17,24; 22,6; 26,13; Röm 1,18; 10,6; 1 Kor 8,5; 15,47-49; 2 Kor 5,1; 12,2; Gal 1,8; Eph 1,10; 3,15; 4,10; 6,9; Phil 2,10; 3,20; Kol 1,5.16.20.23; 1 Thess 1,10; 4,16; 2 Thess 1,7; Hebr 4,14; 7,26; 8,1; 9,24; 12,23.25f; 1 Petr 1,4.12; 3,22: 2 Petr 1,18; 3.5.7.10.12f: Offb 3,12; 4,lf; 5,13; 8,1; 10,1.4-8; 11,12-15.19; 12,3.7-12: 13,13; 14,13; 15,1.5; 19.1.11-14; 21,1f.10
> Hölle – Mt 5,22.29f; 10,28; 18,9; 23,15.23; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6; Mt 16.18; 18,8f; Offb 9,1f; 19,20.
> Jairus – Mk 5,22; Lk 8,41.
> Lazarus (aus Betanien) – Joh 11,1-44; 12,1f.9f.17.
> Lebensbuch – Offb 3,5„ 13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27.
> Legion – Mt 26,53; Mk 5,9.15; Lk 8,30.
> Manna – Joh 6,31.49; Hebr 9,4; Offb 2,17.
> Myrrhe – Mt 2,11; Mk 15,23; Joh 19,39.
> Offenbarung – Mt 10,26; 11,25.27; 16,17; Mk 3,12; Lk 2,26.32.35; 10,21f; 12,2; 17,30; Joh 1,31; 12,38; 21,1.14; Röm 1,17f; 2,5; 8,18; 16,25; 1 Kor 1,7; 2,10; 3,13; 14,6.26.30; 2 Kor 7,12; 12,1.7; Gal 1,12.16; 2,2; 3,23; Eph 1,17; 3,3.5; 2 Thess 1,7; 2,3.6.8; 1 Petr 1,5.7.12f; 4,13; 5,1.4; 1 Joh 1,2; 3,5.8; 4,9; Offb 1,1; 15,4; > Öl Mt 6,17; 25,3f; Mk 6,13; Lk 7,46; 10,34; Hebr 1,9; Jak 5,14.
> Paradies – Lk 23,43; 2 Kor 12,4; Offb 2,7.
> Paulus (Saulus) – Apg 9.
> Prophet – Mt 1,22; 2,5.15.17.23; 3,3; 4,14; 5,12.17; 7,12; 8,17; 10,41; 11,9.13; 12,17.39; 13,17.35.57; 14,5; 16,14; 21,4.26.46; 22,40; 23,29-31.34.37; 24,15; Mt 26,56; 27,9; Mk 1,2; 6,4.15; 8,28; 11,32; Lk 1,70.76; 2,36; 3,4; 4,17.24.27; 6,23; 7,16.26.28.39; 9,8.19; 10,24; 11,47.49f; 13,28.33f; 16,16.29.31; 18,31; 20,6; 24,19.25.27.44; Joh 1,21.23.25.45; 4,19.44; 6,14.45; 7,40.52; 8,52f; 9,17; 12,38; Apg 2,16.30; 3,18.21-25; 7.37.42.48.52; 8,28.30.34; 10,43; 11,27; 13,1.15.20.27.40; 15,15.32; 21,10; 24,14; 26,22.27; 28,23.25; Röm 1,2; 3,21; 11,3; 16,26; 1 Kor 12,28f; 14,29.32.37; Eph 2,20; 3,5; 4,11; 1 Thess 2,15; Tit 1,12; Hebr 1,1; 11,32; Jak 5,10; 1 Petr 1,10; 2 Petr 1,19; 2,16; 3,2; Offb 2,20; 10,7; 11,10.18; 16,6; 18,20.24; 22,6.9.
> Salbung – Mt 26,7; Lk 7,37.
> Satan – Mt 4,1-11; 12,26; 13,39; 16,23; 25,41; Mk 1,13; 3,23.26; 4,15; 8,33; Lk 4,1-13; 8,12; 10,18; 11,18; 13,16; 22,3.31; Joh 6,70; 8,44; 13,2.27; Apg 5,3; 10,38; 13,10; 26,18; Röm 16,20; 1 Kor 5,5; 7,5; 2 Kor 2,11; 11,14; 12,7; Eph 4,27; 6,11; 1 Thess 2,18; 2 Thess 2,9; 1 Tim 1,20; 3,6f; 5,15; 2 Tim 2,26; Tit 2,3; Hebr 2,14; Jak 4,7; 1 Petr 5,8; 1 Joh 3,8.10; Jud 9; Offb 2,9f.13.24; 3,9; 12,9.12; 20.2.7.10.
> Schlange – Mt 7,10; 10,16; 23,33; Mk 16,18; Lk 10,19; 11,11; Joh 3,14; 1 Kor 10,9; 2 Kor 11,3; Offb 9,19; 12,9.14f; 20,2.
> Segen – Mt 25,34; Mk 8,7; Lk 1,42; 2,34; 6,28; 9,16; 24,50f; Apg 3,25f; Röm 12,14; 15,29; 1 Kor 4,12; 10,16; Gal 3,9.14; Eph 1,3; Hebr 6,7.14; 7,1.6f; 11,20f; 12,17; 1 Petr 3,9.
> Tabita – Apg 9,36.40.
> Tempelvorhang – Mt 27.51.
> Totenerweckung – Mt 9,18-26; 10,8; 11,5; 14,2; 27,52; Mk 5,21-43; 6,14.16; Lk 7,11-17.22; 8,40-56; 9,7f.19; Joh 5,21; 11,1-44.
> Traum – Mt 1,20f; 2,12f.19.22; 27,19.
> Tummim (Lossteine) – Ex 28,30; Lev 8,8; Dtn 33,8; Esra 2,63; Neh 7.65.
> Unreine Geister – Mt 10,1; 12,43; Mk 1,23.26f 3,11.30; 5,2.8.13; 6,7; 7,25; 9,25; Lk 4,33.36; 6,18 8,29; 9,42; 11,24; Apg 5,16; 8,7; Offb 16,13; 18,2 .
> Unsterblichkeit – 1 Kor 15,53f; 1 Tim 6,16.
> Unterwelt (Totenwelt) – Mt 11,23; 12,40 16,18; Lk 8,31; 10,15; 16,22-26; Apg 2,24.27.31; Röm 8,36; 10,7; Eph 4,9; 1 Petr 3,19; 4,6; 2 Petr 2,4; Offb 1,18; 5,3.13; 6,8; 9,1f.11; 11,7 17,8; 20,1.3.13f.
> Unvergänglichkeit – Weish 2,23f; 6,19; 12,1 Röm 1,23; 2,7; 1 Kor 9,25; 15,42.50.52-54; Eph 6,24; 1 Tim 1,17; 2 Tim 1,10; 1 Petr 1,4.23 3,4.
> Wahrsagerei – Apg 16,16.
> Weisheit – Mt 11,19; 12,42; 13,54; 23,34; Lk 11,49; 1 Kor 19,31; 2,5-13; 12,8; Kol 2,3.
> Wunder – Mt 4,23f; 8,1 – 9,8.18-34; 12,9-15.22; 13,58; 14,13-36; 15,21-39; 17,14-20.27; 19,2; 20,29-34; 21,14.18-22; 24,24; Mk 1,23-34. 40-45; 2,1-12; 3,1-6; 4,35-41; 5,1-43; 6,5.35-56; 7,24-37; 8,1-10.22-26; 9,14-29; 10,46-52; 11,12-14; 13,22; Lk 4,33-41; 5,1-26; 6,6-11.18f; 7,1-21; 8,22-56; 9,12-17.37-43; 11,14; 13,10-17; 14,1-6; 17,11-19; 18,35-43; 22,49-51; Joh 2,23; 3,2; 4,46-54; 5,1-9; 6,1-21; 9,1-7; 11,1-44; 12,37; 20,30; 21,1-14.25; Apg 2,19.22.43; 4,30; 5,12; 6,8; 7,36; 8,12; 10,38; 14,3; 15,12; 19,11; Röm 15,19; 1 Kor 12,10.28f; 2 Kor 12,12; Gal 3,5; 2 Thess 2,9; Hebr 2,4; s. Zeichen.
> Zeichen – Mt 12,38f; 16,1.3f; 24,3.24.30; 26,48; Mk 8,llf; 13,4.22; 16,17.20; Lk 2,12.34; 11,16.29f; 21,7. 11.25; Joh 2,11.18.23; 3,2; 4,48.54; 6,2.14.26.30; 7,31; 9,16; 10,41; 11,47; 12,18.37; 20,30; Apg 2,19.22.43; 4,16.22.30; 5,12; 6,8; 7,36; 8,6.13; 14,3; 15,12; Röm 4,11; 15,19; 1 Kor 1,22; 14,22; 2 Kor 12,12; 2 Thess 2,9; 3,17; Hebr 2,4; Offb 12,1.3; 13,13f; 15,1; 16, 14; 19,20.
> Zungenreden – Apg 2.4; 1 Kor 12,10; 14,22.
Diese Vielfalt paranormologischer Themen im Leben Jesu wurde von der C. noch kaum aufgegriffen, verleiht aber der Person und der Tätigkeit Jesu erst jene göttliche Transparenz, die sein Leben begleitete.
Lit.: Schamoni, Wilhelm: Parallelen zum Neuen Testament: aus Heiligsprechungsakten übersetzt. Abensberg: Josef Kral, 1971; Betz, Otto: Wesen und Wirklichkeit der Wunder Jesu. Frankfurt a. M.: Lang, 1977; Fischer, Ulrich: Dein Wort macht Leib und Seel gesund: Heilungen und Wunder Jesu. Stuttgart: Kreuz-Verl., 2001; Ratzinger, Joseph / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Freiburg: Herder, 2008.
Christoph von Paris, Christophorus Parisiensis († um 1259), vermutlich aus Paris stammender Benediktiner der englischen Abtei St. Albans. Wenngleich als Person gänzlich unbekannt, wird seine Schrift Elucidarium artis transmutatoriae metallorum (Erläuterung der Metallverwandlungskunst) gerühmt und als klassisch angesehen. Eine gedruckte Ausgabe erschien in Paris 1649. Ein Abdruck findet sich im Theatrum chemicum, Tom. VI. N. 172; eine deutsche Übersetzung kam 1608 in Halle heraus. C. werden noch andere Abhandlungen zugeschrieben, die jedoch nicht veröffentlicht wurden.
Lit.: Christophorus Parisiensis: Elucidarius, das ist: ein edles Büchlein vom rechten Grund, Mittel und Ende der wahren Philosophiae oder grossen Stein der alten Weisen … Halle, 1608.
Christophanie (griech. Christos; phainein, erscheinen), Erscheinung Christi in außergewöhnlicher Form vor und nach der Auferstehung.
Aus der vorösterlichen Zeit sind die Darstellung Jesu als Sohn Gottes bei der Taufe am Jordan (Mk 1,11), das Wandeln auf dem See (Mk 6,45-52; Joh 6,16-21) und die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor (Mk 9,2-10) zu nennen.
Nach der Auferstehung erschien Jesus > Maria von Magdala (Joh 20,14-17), den Frauen (Mt 28,9-10; Mk 16,12), den 10 Jüngern (Joh 20,19-20), Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24,14-32), den Aposteln mit Thomas (Joh 20,26-29). Das dritte Mal erschien er den Jüngern auf dem See mit der Erwählung des Petrus (Joh 21,4-22); zur Verabschiedung erschien er den Jüngern in Jerusalem. „Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben“ (Lk 24,36-53). Als Letztem erschien er dem > Paulus (1 Kor 15,8). Paulus schreibt zudem, dass Jesus fünfhundert Brüdern zugleich erschien, „von denen die meisten noch am Leben sind, einige sind entschlafen“ (1 Kor 15,6).
Von Christuserscheinungen ist auch nach der Berufung des Paulus immer wieder die Rede, und zwar bis in die heutige Zeit. Diese Berichte sind zwar nicht so zahlreich wie jene über Marienerscheinungen und spielen sich vornehmlich im persönlichen Raum ab, meist in Form von Licht, Botschaft oder als leuchtende Gestalt. Bei der Beurteilung solcher Erscheinungen ist daher größte Vorsicht geboten. Die Botschaften sind zudem inhaltlich streng zu überprüfen. Gerade bei Christuserscheinungen sind sehr oft die verschiedensten Wunschvorstellungen am Werk.
Lit.: Hoffmann, Paul (Hg.): Zur neutestamentlichen Überlieferung von der Auferstehung Jesu. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1988.
Christophelbüchlein, Zauberbuch zur Schatzsuche.
Im Zusammenhang mit dem Schatzsuchen werden im 18. Jh. das Christophelbuch oder Christophelgebet, das Coronagebet und das Gertrudenbuch erwähnt, da nach dem Volksglauben St. Christoph, St. Corona und St. Gertrud als die himmlischen Schatzverwalter gelten.
Das C. wird mit der lateinischen Christophorus-Legende des Mittelalters in Verbindung gebracht, die zu der aus dem Orient überlieferten Geschichte von der Bekehrung eines Stammesangehörigen der „Hundsköpfigen“ die Erzählung vom Jesuskind hinzufügt, das vom Riesen Offerus über den Jordan getragen wird. Im Spätmittelalter wird > Christophorus zu einem der vierzehn Nothelfer und als solcher auch beschworen, Geld zu bringen. Die > Beschwörungen im C. beziehen sich auf diese mittelalterliche Fassung der Legende von Christophorus, dem man auch die Gewalt über alle in der Erde verborgenen Schätze und bösen > Geister gab. Nach den üblichen Regeln der magischen Schatzsuche wird vom Beschwörer Enthaltsamkeit und Reinheit, Beichte, Kommunion und Fasten bei Wasser und Brot gefordert. Anweisungen für die Herstellung des Zauberkreises, die Texte der Evangelienanfänge, Psalmen, Gebete und Beschwörungsformeln folgen.
Lit.: Pfaff, Christoph Matthaeus: Theologische Untersuchung des so genannten Christophel-Gebets in lateinischer Sprache als eine Disputation mit vielem Beyfall kürtzlich heraus gegeben, nun aber auf vielfältiges Begehren in das Teutsche übersetzt. Frankfurt, 1748; Ruff, Margarethe: Zauberpraktiken als Lebenshilfe: Magie im Alltag vom Mittelalter bis heute. Frankfurt a. M.: Campus, 2003.
Christopher, Milbourne (* 1914 Baltimore; † 1984), einer der führenden US-amerikanischen Zauberkünstler des 20. Jahrhunderts.
Bereits 1935 durfte er während der Osterfestlichkeiten im Weißen Haus der First Lady Eleanor Roosevelt und deren Enkelkindern ein Kaninchen herbeizaubern und erlangte damit erstmals nationale Aufmerksamkeit. 1936 trat C. während der Olympischen Spiele in Berlin auf. Insgesamt hatte er Auftritte in mindestens 72 Ländern. Er schrieb unzählige Artikel und ist Autor zahlreicher Bücher über > Zauberkunst. Paranormalen Phänomenen begegnete er in sachlicher Haltung mit Skepsis.
C. war Präsident der Society of American Macigians sowie Vizepräsident der englischen Vereinigung Magic Circle. Außerdem war er Vorsitzender des SAMs Occult Investigating Committee, Gründungsmitglied der Skeptikervereinigung > CSICOP und Mitglied der > Skeptics Society. 1972 bekam er einen Platz in der Magic Hall of Fame.
W. (Auswahl): Search for the Soul. New York: Crowell, 1979; Geister, Götter, Gabelbieger: das Wunder der PSI-Begabten. München: Heyne, 1979; Panorama of magic. New York: Dover Publ., 1990; Illustrated History of Magic. New York, NY: Carroll & Graf, 2006.
Christophorus, auch Christophoros, hl. (Fest: 25. Juli), die Lebensdaten sind unbekannt, doch wird er im Morgen- und Abendland als Märtyrer hoch verehrt und gehört zu den vierzehn Nothelfern. Einer Inschrift zufolge wurde ihm am 22.09.454 in Chalkedon (heute Kadiköy, Stadtteil von Istanbul) eine Kirche geweiht (Grégoire), was für sein Martyrium spricht. Die vielen Legenden, die sich um ihn bildeten, gehen auf das 5. Jh. zurück und spalteten sich dann in einen östlichen und einen westlichen Zweig.
Der östliche Zweig berichtet von einem hundsköpfigen Menschenfresser namens Re-
probus, der bei der Taufe den Namen C. und die Sprache erhielt. Er zog als Missionar nach Lykien, wo ihn Gott durch das Wunder des „grünenden Stabes“ bestätigte. Nach zahlreichen Martern wurde er enthauptet. Gott verlieh seinen Reliquien Wunderkraft und seinen Verehrern Schutz vor Unwetter und Dämonen.
Der westliche Zweig, der sich mit der Ausbreitung der Verehrung des C. entlang der byzantinischen Pilgerstraße (Ravenna, Süditalien, Sizilien, 7. Jh. Spanien) entfaltete, machte aus dem hundsköpfigen Menschenfresser den Riesen „Offerus“; das „genus canineorum“ (Hundegeschlecht) wurde im 10. Jh. durch Walther von Speyer umgedeutet zu Cananeus (der Kananäer). Im 13. Jh. erweiterte die Legenda aurea die Passio (Handschrift des 8. Jh.) um das Christusträgermotiv. Danach wollte der Riese nur mehr dem Mächtigsten dienen. Er trat zuerst beim König in den Dienst, anschließend beim Teufel, dann bei Christus. Auf den Rat eines Einsiedlers hin brachte er Pilger über einen reißenden Fluss, darunter eines Tages auch Christus in der Gestalt eines Kindes. Beim Hinübertragen offenbarte sich dieser dem unter der Last fast zusammenbrechenden C. als Herr der Welt und taufte ihn im Fluss. Die Offenbarung wurde durch den „grünenden Stab“ bestätigt.
Die Verehrung des C. breitete sich in ganz Europa aus, seit dem 16. Jh. auch in Amerika. Wegen der Verheißungen bei seinem Tod wurde er als Helfer bei Dürre, Unwetter und jeglicher Gefahr, im Osten bei Krankheiten (Patron der Ärzte) angerufen. Vom 13. bis zum 16. Jh. galt der Anblick seines Bildes als Schutz des Lebens bzw. Schutz vor einem unvorhergesehenen Tod; das erklärt auch sein Bild an Kircheneingängen, Toren und Türmen.
Als einer der vierzehn Nothelfer sollte C. zu Wohlstand verhelfen – daher der Ausdruck „christoffeln“, einen Schatz beschwören, zaubern. > Christophelbüchlein.
C. ist u.a. Patron der Pilger, Reisenden, Schiffer, Fuhr- und Bergleute, in neuerer Zeit auch des Straßenverkehrs, in Frankreich zudem der Festungsbauten. Das Stabwunder machte ihn darüber hinaus zum Schutzheiligen der Gärtner. In der Kunst wird er oft mit der Weltkugel auf der Schulter, einem Reichsapfel in der Hand als Zeichen seiner Macht sowie mit einem dürren Baum oder Ast als Stütze (Dürer) dargestellt.
Lit.: Rosenfeld, Hans-Friedrich: Der hl. Christophorus. Seine Verehrung und seine Legende; eine Untersuchung zur Kultgeographie und Legendenbildung des Mittelalters. Leipzig: Harrassowitz, 1937; Grégoire, Henri / Orgels, Paul: Byzantion. Bruxelles: Palais des Academies, 1958; Benker, Gertrud: Christophorus. Patron der Schiffer, Fuhrleute und Kraftfahrer; Legende, Verehrung, Symbol. München: Callwey, 1975.
Christophskraut (lat. Actaea spicata), gehört zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae). Die krautige Pflanze erreicht eine Höhe von 30 bis 60 cm, ihre Blüten sind klein und weiß, ihre Früchte schwarze Beeren. Das C. wächst auf feuchtem und kalkhaltigem Untergrund und ist bis in 1900 m Seehöhe in fast ganz Europa bis nach Westsibirien zu finden.
Seinen Namen erhielt das Kraut von dem griechischen Jäger > Aktäon, den > Artemis, als er sie beim Baden beobachtete, zur Strafe in einen Hirsch verwandelte. Seine Jagdhunde fütterte sie mit einem Kraut, das diese in Raserei versetzte. Sie zerfleischten den Hirsch und das Kraut erhielt den Namen des Opfers: Actaeon.
Die Pflanze wurde später wegen der angeblichen Wirksamkeit gegen Pest nach ihrem Schutzpatron, dem hl. Christophorus, Christophskraut genannt. Dieses ist auch ein berühmtes Zauber- und Giftkraut, daher Berufs-, Beschrei-, Hexenkraut, „heidnisch Wundkraut“ genannt. Die Beeren sind giftig und wurden bei Frauenleiden als „Mutterbeeren“ sowie zum Beschwören der Gold verschließenden Geister verwendet. Damit scheint der Name C. zusammenzuhängen. So versteht man unter „Christoffeln“ das > Bleigießen am > Andreastag und die Schatzgräber sprechen das „Christophelesgebet“.
In der frühen Neuzeit wurde das C. Aconitum bacciferum genannt und wegen seiner giftigen Beeren zu den > Akoniten gezählt. Es wurde auch mit dem Krebskraut (Heliotropium europaeum L, Europäische Sonnenwende) identifiziert. > Christophorus; > Christophelbüchlein.
Lit.: [Fabulae]. C. Julii Hygini Fabularum liber: ad omnium poetarum lectionem mire necessarius. Lugd. Bat. & Amstel: Gaasbek, 1570; Beckmann, Dieter und Barbara: Alraune, Beifuß und andere Hexenkräuter. Frankfurt / M.: Campus, 1990; Müller-Ebeling, Claudia: Hexenmedizin: Aarau, CH: AT Verlag, 1999.
Christosophie (griech. Christos; sophia, Weisheit), Christusweisheit. Die C. stellt im Gegensatz zur > Christologie eine > Lichtmystik der Christusgestalt im Sinne des > Illuminismus in den Mittelpunkt. Sie bildet heute vor allem außerhalb der christlichen Kirchen einen Bestandteil einzelner Gruppen. Diese befassen sich mit der Weisheit, die von Christus, dem göttlichen Logos kommt, mit der > sophia im Alten und Neuen Testament und deren Zeugnissen in der Kirche, ferner mit > Mystik (namentlich Meister > Eckhart), christlicher > Theosophie (Jakob > Böhme) und mit den Neuoffenbarungen des Logos durch Emanuel > Swedenborg und Jakob > Lorber, ebenso wie mit anderen Traditionen, in denen sich die sophia kundtut.
Zur C. wird auch das Lehrgebäude des freimaurerischen „schwedischen Ritus“ gezählt.
Lit: Peip, Albert: Christosophie. Berlin: Dümmler, 1858; Benz, Ernst: Emanuel Swedenborg: Naturforscher und Seher. Zürich: Swedenborg Verlag, 1969; Frick, Karl R. H.: Weltanschauungen des „modernen“ Illuminismus. Berlin: Ullstein, 1981.
Christotherapie, Heilung durch Jesus Christus. Der Begriff C. wurde von dem amerikanischen Jesuiten Bernard J. Tyrell geprägt, um zu betonen, dass Therapie und Heilung durch > Christus geschehen. Die C. besteht darin, „dass Heilung durch Selbsterfahrung und Erleuchtung geschieht und dass Christus uns seine Wahrheit und seine Lebenswerte offenbart, die uns als Menschen freimachen“ (Tyrell, 15 ). Ziel ist die Ganzheit, Heiligkeit und Fülle des Lebens, die durch gelebten Glauben an das Christusereignis und durch gelebte Liebe als Antwort darauf gewonnen werden kann.
Lit.: Tyrell, Bernard, J.: Christo-Therapie. Graz, 1978; Hark, Helmut: Jesus der Heiler. Olten; Freiburg i. Br.: Walter-Verlag, 1988.
Christrose (Helleborus niger), auch Christwurz, Schneekatze oder Schneerose genannt. Die Pflanze wird 15 bis 30 Zentimeter hoch und ihre Blütenblätter mit sieben Zentimetern Durchmesser gehören zu den größten unter den Wildblumen. Die C. steht unter Naturschutz und zählt zu den aussterbenden Arten.
Aus ihren schwarzen Wurzeln wurde früher der Schneeberger Schnupftabak hergestellt, daher stammt der deutsche Name Nieswurz. Die Wurzeln werden auch zu Niespulver verarbeitet. Wegen der giftigen Inhaltsstoffe wurden verschiedene Arten schon im Altertum als Arzneipflanzen wie auch als chemische Waffe eingesetzt. Belagernden Feinden reichte man Trinkwasser, in dem vorher die Wurzeln extrahiert wurden, was zu durchfallartigen Erkrankungen führte.
Wegen ihres Blühens mitten im Winter wird der C. auch besondere magische Kraft nachgesagt und wird sie als Orakelblume verwendet: Zwölf zu > Weihnachten in Wasser gestellte Knospen versinnbildlichen die Monate des Jahres. Offene Knospen zu Weihnachten verkünden gutes Wetter im entsprechenden Monat, geschlossene Knospen schlechtes Wetter.
Lit: Lagerlöf, Selma: Die Legende von der Christrose. Freiburg: Kehrer, 1951; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000; Schmötzer, Werner: Pilze in der Onkologie neben Mistel, Flechten und Christrose; eine Betrachtung aus naturheilkundlich-anthroposophischer Sicht. Bonn: Verl. Volksheilkunde, 2007.
Christus > Jesus Christus.
Christusbilder, Darstellungen von Christus durch die bildende Kunst und durch nicht von Menschenhand erfolgte Gestaltung. Zu den nicht von Menschenhand gestalteten Darstellungen Christi gehören das > Grabtuch von Turin und der > Schleier von Manoppello.
Sowohl das Körperbild auf dem Grabtuch von Turin als auch das Antlitz auf dem Schleier von Manoppello sind in ihrer Form durch keine menschliche Technik zu erklären und werden daher als nicht von Menschenhand gemacht, als > Acheropita bezeichnet. Es handelt sich dabei um paraphysikalische Phänomene und um wahre Weltwunder der Geschichte.
Lit.: Bulst, Werner: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild. Frankfurt a. M.: Josef Knecht, 1991; Resch, Andreas: Das Antlitz Christi. Innsbruck: Resch, 22006; ders.: Die wahren Weltwunder. Das Grabtuch von Turin – Der Schleier von Manoppello – Die Tilma von Guadalupe – Das Schweißtuch von Oviedo. Innsbruck: Resch, 2013.
Christusminne (mhd. Minne, Liebe), Christusliebe als volle persönliche Hingabe an Christus.
Minne ist eine spezifische mittelalterliche Vorstellung von gegenseitiger Verpflichtung und Liebe. Seit dem 19. Jahrhundert wird das Wort minne als literaturgeschichtlicher und rechtshistorischer Fachbegriff gebraucht.
Die C. ist daher als liebende Hingabe an Christus zu verstehen, die ihren Höhepunkt in der > Unio mystica erfährt, der geistigen Vermählung, auch connubium spirituale genannt. Diese Hingabe wird oft von einer Reihe körperlicher Begleiterscheinungen wie > Stigmen, > Biokömese, > Biostase, aber auch von veränderten > Bewusstseinszuständen wie > Luzidität, > Ekstase, > Psychostase und > Pneumostase begleitet.
Lit.: Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15).
Christusmonogramm > Christogramm.
Christusmystik lebt aus der Erfahrung der personalen Einheit mit Christus in der Liebe des Dreifaltigen Gottes. Diese Einheit wird in der Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes grundgelegt und durch die Aussage Jesu verdeutlicht: „Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Die Erfahrung dieses Einwohnens des Dreifaltigen Gottes bringt Paulus im Hinblick auf Christus mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2, 20), denn, so sagt Jesus: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in Euch“ (Joh 15,4).
Dieses Einheitserlebnis mit Christus, das in der > Unio mystica seinen Höhenpunkt erreicht, ist C. Dabei geht es um die volle personale Hingabe an Christus bei gleichzeitigem Erleben der Einwohnung Christi im personalen Selbst, das dadurch eine innere Glückseligkeit erfährt, die auch von veränderten Bewusstseinszuständen bis zur > Pneumostase begleitet sein kann. Wird in diesem Einheitserlebnis auch das Leben Christi nachempfunden, so spricht man beim Miterleben des Leidens Christi von > Passionsmystik.
Die C. hat im Laufe der Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag die verschiedensten Ausdrucksformen gefunden und das Leben einzelner Personen grundsätzlich gestaltet. Davon zu trennen sind die bewussten oder unbewussten pseudomystischen Erscheinungsformen.
Lit.: Görres, Joseph von: Die christliche Mystik. Graz: Akad. Druck- u. Verlagsanstalt, 1960; Resch Andreas: Mystik. Innsbruck: Resch Verlag, 21984 (Imago Mundi; 5); ders.: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15).
Christussymbolik. Christus selbst hat in seinen Reden vielfach in Bildern gesprochen, die dem natürlichen Bereich entnommen sind. Dabei hat er sich gleichsam mit bestimmten Bildzeichen identifiziert, an denen die Seinen ihn erkannten. So bezeichnet er sich als das Brot des Lebens (Joh 6,35), als den wahren Weinstock (Joh 15,1), als das Durst löschende Wasser (Joh, 4,14) als das Licht der Welt (Joh 8,12), als Eckstein (Mk 12,10-12). Johannes der Täufer nennt ihn Lamm Gottes (Joh 1,37).
Im Laufe der Zeit erfanden die Kirchenväter, Theologen und Künstler weitere christologische Sinnbilder, die dem anorganischen wie dem organischen Bereich angehören. Aufbauend auf dem um 200 n. Chr. entstandenen > Physiologus, der eine Mischung aus antiken Quellen, aus Altem und Neuem Testament in allegorisierender Form ist, entstand eine reiche Tiersymbolik. Weitere Sammlungen für das Verständnis der christlichen Allegorie und Typologie sind der > Hortus deliciarum der Äbtissin Herrad von Landsberg aus dem 12. Jh., die > Legenda aurea des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jh. und das > Speculum des Vinzenz von Beauvais aus dem 14. Jh. Das 16.–18. Jh. bietet in seinen Emblembüchern eine weitere Fundgrube christlicher Sinnbilder.
Die ersten bildlichen Darstellungen Christi finden sich in den Katakomben, wie in der des Guten Hirten (zwischen 200 und 250).Vorlage der Christusdarstellungen ist das > Acheropita, das nicht von Menschenhand gemachte Bild, welches heute mit dem Antlitz auf dem > Schleier von Manoppello identifiziert wird (Resch), und nicht das Antlitz auf dem Grabtuch, da dieses Negativ keine Anhaltspunkte für ein Positiv gab, das erst 1898 durch die Fotos von Secondo Pia bekannt wurde.
Von den rein grafischen Symbolen ist die eigentliche C., wenn auch nicht die älteste, das Kreuz, das allerdings in den Katakomben noch fehlt. Die bei weitem ältere und in den ersten Jahrhunderten verbreitetste C. ist der > Fisch (ICHTHYS). Nach Eusebius haben wir es hier mit einem Akrostikon zu tun, also einem Wort, dessen einzelne Laute die Anfangsbuchstaben anderer Worte sind: I (Jesous), CH (Christos), TH (Theou), Y (Yios), S (Soter), deutsch: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. Ursprünglich dürfte sich das Fischsymbol jedoch auf die Evangelien bezogen haben, wie die Berufung (Mt 4, 19), den Fischfang (Lk 4,1-10) und die Speisung der Zehntausend.
Die zweite frühe C. sind das > Christogramm, das Christusmonogramm, das > Lamm (Joh 1,29.36; Offb 5,6.12ff) und die vier apokalyptischen Wesen (Offb 4 u. 5), die als Evangelistensymbole und in ihrer Gesamtheit als C. zu verstehen sind und von Hieronymus auf Christus bezogen wurden. Sie werden mit besonderen Qualitäten verbunden, z.B. Mensch: Inkarnation; Löwe: Auferstehung, Stärke; Stier: Opfertod, Priestertum; Adler: Himmelfahrt.
Lit.: Lexikon der christlichen Ikonographie. Wien: Holinek, 1959; Das Buch der Zeichen und Symbole. Graz: Verlag für Sammler, 1990; Heinz-Mohr, Gerd: Lexikon der Symbole. München: Diederichs, 1998; Resch, Andreas: Das Antlitz Christi. Innsbruck: Resch, 22006; ders.: Die wahren Weltwunder. Das Grabtuch von Turin – Der Schleier von Manoppello – Die Tilma von Guadalupe – Das Schweißtuch von Oviedo. Innsbruck: Resch, 2013 (Reihe R; 8).
Christusvisionen (lat. videre, sehen; visio, Schauung), Schauung Christi in bildhafter Erscheinung. Derartige Erscheinungen können sich in verschiedenen Formen veränderter Bewusstseinszustände wie > Traum, > Luzidität, > Ekstase, > Psychostase und > Pneumostase, in der > Unio Mystica, aber auch als reine Vorstellung zeigen. Dabei kann es sich sowohl um selbst gestaltete als auch um durch Eingebungen verursachte Erscheinungen handeln.
Eine erste C. ereignete sich bereits zu Lebzeiten Jesu, nämlich bei der Verklärung (Mt 17,1-9), eine weitere C. führte zur Bekehrung des Paulus (Apg 9,3-6). Petrus hatte eine C. in Joppe (Apg 10,9-16) und der Apostel Johannes berichtet von einer C. in Offb 1,9-20, um nur einige der zahlreichen Erscheinungen Jesu zu nennen, die den Charakter einer > Vision aufweisen, sich also in einem veränderten Bewusstseinszustand ereigneten und somit abzugrenzen sind von Erscheinungen bei vollem Bewusstsein, was nicht immer leicht ist. Weitere Berichte bis in unsere Tage finden sich vor allem im Leben der Heiligen, Mystiker und Seher.
Besondere Merkmale von C. sind > Licht, weiß und rot leuchtende Kleider und Gestalten, verbunden mit sprachlichen Mitteilungen oder beeindruckendem Schweigen. Seltener ist von der vollen Gestalt oder dem direkten Schauen des Antlitzes Christi die Rede. C. lösen meist innere Ergriffenheit und das Empfinden von Göttlichkeit aus.
Am 2. Dezember 1954 berichtete > Pius XII. einem seiner engsten Mitarbeiter: „Diesen Morgen sah ich den Herrn.“ In jüngerer Zeit spricht die syrische Seherin > Myrna von C. (Resch). Derartige Visionen, sofern sie echt sind, gehören in den Bereich der > Privatoffenbarungen und beanspruchen daher, kirchlich gesehen, keine allgemeine Verpflichtung.
Lit.: Benz, Ernst: Die Vision. Stuttgart: Ernst Klett, 1969; Martensen-Larsen, H.: An der Pforte des Todes. Berlin: Furche Verlag GmbH, o.J.; Hyun-Sung, Gong: Wie ein Menschensohn und ein Lamm. Innsbruck: Univ., Dipl.-Arb., 2000; Huber, Konrad: Einer gleich einem Menschensohn. Die Christusvisionen in Offb 1,9-20 und Offb 14,14-20 und die Christologie der Johannesoffenbarung. Münster: Aschendorff, 2007; Resch, Andreas: Myrna. Die Ereignisse von Soufanieh. Ölwunder, Marienerscheinungen, Ekstasen, Christusvisionen, Stigmen, Botschaften. Innsbruck: Resch, 22009.
Chromatoskopie, Unterscheiden von Farben durch Tasten bei verbundenen Augen. > Dermooptik.
Lit.: Tanagra, A.: Chromatoskopie. ZfPps, 1926.
Chromniomantie (griech. krom(m)yon, Zwiebel; mantike: Wahrsagung), Wahrsagen durch das Beobachten des Wachstums besonders zubereiteter Zwiebeln.
Diese Praxis der > Mantik wurde allgemein am Heiligen Abend ausgeübt, um Auskunft über eine verschollene Person zu erhalten. Eine Methode bestand dabei darin, dass man den Namen der verschollenen Person auf einzelne Zwiebeln schrieb und sie dann liegen ließ, bis sie zu keimen begannen. Die Zwiebel die zuerst keimte, bekundete, dass es der Person, deren Name auf ihr stand, gut gehe. Mit einer anderen Methode versuchte man Antworten auf Fragen zu erhalten, indem man Alternativantworten auf einzelne Zwiebeln schrieb. Als richtige Antwort galt jene, die auf der zuerst keimenden Zwiebel stand.
Schließlich glaubte man, dass Wünsche erfüllt würden, wenn man Zwiebelschalen am Feuer anbrannte.
Lit.: Shepard, Leslie (Hrsg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company, Occultism Update, 1988.
Chromotherapie (griech. chromos, Farbe; therapein, heilen; engl. chromotherapy, ital. cromoterapia), Farbtherapie.
Die C. ist eine Form der > Alternativmedizin, welche > Farben als Stimolans zur Harmonisierung und Steigerung verschiedener Körperfunktionen und Stimmungen verwendet. Dabei soll die biologische „Information“ bestimmter Schwingungsfrequenzen des Farbspektrums genutzt werden, um z.B. tonisierende (Gelb, Orange, Rot) oder sedierende (Blau, Grün, Violett) Wirkungen zu erzielen. Farben spielen auch bei der MORA-Color-Therapie bzw. bei der > Akupunktur eine Rolle, wobei ihnen eine energetische Wirkung zugesprochen wird.
Zudem wird eine Verbindung der Farben zu den > Chakren hergestellt. So sollen gewisse Yoga-Positionen die Farben der Chakren beeinflussen.
Geschichtlich gesehen soll die C. bereits von den Bewohnern von > Atlantis und den Ägyptern verwendet worden sein. Im 19. Jh. waren aufgrund der Farbtheorie > Goethes in Deutschland und Russland viele der Ansicht, dass Farben eine mystische Kraft besitzen.
Es überrascht daher nicht, dass die C. in den USA nach dem sog. Flexner-Report von 1910 von der AMA (American Medical Association) angegriffen und der indisch-amerikanische Farbtherapeut und Autor des Handbook of Chromotherapy, Dinshah P. Ghadiali (1873 –1966), 1925 verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, wenngleich Niels Finsen für seine lichttherapeutischen Pionierleistungen 1903 den Nobelpreis erhalten hatte. Ghadiali und Vorläufer, wie General Augustus J. Pleasanton, Seth Pancost und Edwin S. Babbitt, lösten in den USA nämlich einen Boom der C. aus.
Anwendung findet die C. in der Schmerztherapie, bei Depressionen, Allergien, Schlafstörungen und chronischen Entzündungen. Wissenschaftlich ist sie nach wie vor umstritten und klinisch nicht anerkannt, wenngleich den Farben z.B. in der Psychologie ein vielfältiger Einfluss zugeschrieben wird.
Lit.: Bischof, Marco: Biophotonen: das Licht in unseren Zellen. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins, 1995; Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde. Berlin: de Gruyter, 1996; Farben-Chromotherapie nach Dinshah: Farbentherapie als Naturheilverfahren. Stuttgart: Sonntag, 1998; Découverte et initiation de la chromothérapie. Köln: Taschen, 2006.
Chronobiologie (griech. chronos, Zeit; bios, Leben), Lehre von den biologischen Zeitabläufen, den sogenannten biologischen Rhythmen. Der wesentlichste Rhythmus ist der durch die Rotation der Erde um ihre zentrale Achse hervorgerufene Wechsel von Tag und Nacht, von Licht und Dunkel. Dieser endogene Rhythmus bleibt auch bei Wegfall solcher Zeitgeber bestehen und betrifft alle biologischen Funktionen wie Körpertemperatur, Kreislaufstabilität, Schmerzempfindung oder Leistungsfähigkeit. Diese Funktionen verändern sich systematisch im Laufe von Tag und Nacht, wobei eine > Biologische Uhr den periodischen Wechsel des Organismus steuert.
Das absolute Tief des Organismus wird um 3 Uhr nachts erreicht, dem Zeitpunkt, wo Nachtarbeiter die meisten Fehler machen, die Stimmung auf einem Tief angelangt ist, die meisten Menschen sterben, aber auch geboren werden.
Eine Nichtbeachtung des von der biologischen Uhr vorgegebenen Zeitraumes für Aktivität und Ruhe wirkt sich auf den jeweiligen Gesundheitsstatus und die erforderte Konzentrationsfähigkeit signifikant aus. Schichtarbeit und Zeitzonenflüge z.B. beeinträchtigen Befindlichkeit und körperliche Gesundheit ebenso wie die Leistungsfähigkeit. Langzeitwirkung spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Nonstop-Arbeit führt auch verstärkt zu Unfällen im Straßenverkehr, und zwar jeweils zu Zeiten des biologischen Tiefs (zwischen 3 und 5 Uhr morgens, gegen 14 Uhr mittags). So waren auch die größeren Katastrophen (Tschernobyl, Exxon-Valdez) durch Einschlafen aufgrund des Versuchs, über den kritischen Zeitpunkt hinwegzuarbeiten, bedingt. Ähnliche Fälle wurden bei Kontrollen des technischen Personals in anderen Kernkraftwerken und im Cockpit von Flugzeugen festgestellt, was zu einer Zusammenarbeit mit Chronobiologen führte.
Lit.: Geyer, G. / Stacher, A: Chronobiologie und ihre Bedeutung für die Therapie. Wien: Facultas, 1992; Meier-Koll, Alfred: Chronobiologie: Zeitstrukturen des Lebens. München: Beck, 1995; Fauteck, Jan-Dirk / Kusztrich, Imre: Leben mit der inneren Uhr. Berlin: Econ, 2006.
Chronokratoren (griech. chronos, Zeit; kratos, Macht, Herrscher), Zeitregenten. Es sind dies bestimmte Gestirne oder Sternbilder, denen Stunden, Tage, Monate, Jahre zugeordnet werden. Dabei werden diese Zeitabschnitte als von den entsprechenden C. regiert verstanden. Literarisch bekannt ist Senis Ausspruch in Schillers „Wallenstein“: „Mars regiert die Stunde“.
Die C. sind erstmals im 2. Jh. bei den Griechen belegt. Die Namen der Wochentage (Sonntag, dies solis, Tag der Sonne; Montag, dies lunae, Tag des Mondes) werden auf die planetarisch-zeitlichen Entsprechungen oder Sympathien zurückgeführt
Lit.: Astrology and religion among the Greeks and Romans. New York [u.a.]: Putnam, 1912.
Chronomantie (griech. chronos, Zeit; mantike, Wahrsagung), weltweit verbreitete Wahrsagetechnik zur Deutung jeden Zeitraums (Tag, Monat, Jahr, Mondumlauf usw.). Dabei werden auch Unterteilungen der Zeiträume (z.B. des Tages) vorgenommen und mit detaillierten Prognosen versehen, wie etwa: „Wer an diesem Tag geboren wird, stirbt durch Ansteckung.“
Mit dieser Deutungsform wurde der > Kalender zum Schicksalsbuch der Menschen und die Ausdeutung der Zeiträume zur Vorstufe der > Astrologie. Diese Form der Kalenderdeutung findet sich schon in > Ägypten und > China, bei den > Azteken und den > Maya.
Lit.: Knappich, Wilhelm: Geschichte der Astrologie. Frankfurt / M.: Klostermann, 1967.
Chronos (griech., Zeit), Personifikation der Zeit, die in der griechischen Mythologie als eine der Urpotenzen erscheint, oft auch als Ausdeutung eines Urgottes mit > Kronos (Saturnus) gleichgesetzt, wie bei Pherekydes von Syros (zwischen 584 und 581 v. Chr), wo C. neben dem Urpaar Zas und Chtonia als Urgott steht (Diels, Vorsokr. 7 B I). Zu dieser Gleichstellung trugen neben der Namensähnlichkeit auch ihre Attribute bei, die zugleich Symbole der Vergänglichkeit sind: C. (> Sense), > Kronos (> Sichel).
Einen besonderen Stellenwert hat C. in der orphischen Theo- und Kosmogonie als „erste Ursache“, als Form des > Welt-Eis. Für die hellenistische Zeit ist C. der Vater des > Aion, Weltaltergott in immerwährender Erneuerung. Er schafft aus dem > Äther das silberne Welt-Ei, aus dem > Phanes, der erste > Dionysos, hervorging, ein zweigeschlechtlicher Urgott des Lichtes und der Liebe.
In der Dichtung setzt man ihn als die Macht, die alles sieht und offenbart, mit > Helios gleich.
Dargestellt wird C. als bärtiger Greis mit Sichel und Stundenglas.
Lit.: Barletta, Giuseppe: Chronos: figure filosofiche del tempo. Bari: Dedalo, 1992; Diels, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker. Hildesheim: Weidmann, 1996.
Chronotherapie (griech. chronos, Zeit; therapein, heilen), Heilung unter Beachtung der zeitlichen Funktionsschwankungen des Organismus zur Optimierung der Wirkung des therapeutischen Handelns unter Beachtung der Kenntnisse der > Chronobiologie.
Lit.: Heckmann, C.: Chronobiologische Bausteine zur pathologischen und therapeutischen Physiologie. Habil.-Schrift Univ. Witten-Herdecke, 1994; Hildebrandt, G. / Moser, M. & Lehofer, M.: Chronobiologie und Chronomedizin. Stuttgart: Hippokrates Verlag, 1998.
Chronovision (griech. chronos, Zeit; lat. visio, Vision), Darstellung vergangener Ereignisse in Bild und Ton durch technische Aufzeichnung. Der Begriff stammt von dem Priester und Physiker Luigi Leonardo Borello (1924 –2001). Nach dem Benediktiner Pellegrino > Ernetti (13.10.1925 – 8.04.1994) bleibt jede Handlung, jeder Gedanke, jedes ausgesprochene Wort, jedes Gefühl, jedes Leben in seiner Schwingung ewig und wird dadurch in unserer materiellen Welt eines Tages technisch darstellbar sein. Zusammen mit 12 Wissenschaftlern will er die erforderliche „Zeitmaschine“, den > Chronovisor, entwickelt und damit entsprechende Erfolge erzielt haben. So sei es 1953 gelungen, das Antlitz Christi einzufangen. Ernetti sah sich wegen dieser und ähnlicher Aussagen mit vielerlei Angriffen konfrontiert und musste Vorladungen höchster kirchlicher Würdenträger Folge leisten. Er blieb aber bei seiner Aussage, eine Zeitmaschine konstruiert zu haben. Eine Bestätigung von dritter Seite steht allerdings noch aus. > Transkommunikation, > Akasha-Chronik.
Lit.: Borello, Luigi <1924 –2001>: Come le pietre raccontano: saggio scientifico sulla teoria unitaria dell’universo fisico e sull’unificazione delle forze fondamentali della natura. Cavallermaggiore: Gribaudo, 1989; Senkowski, Ernst: Instrumentelle Transkommunikation: Frankfurt / M.: R. G. Fischer, 1995; Brune, François: Das Geheimnis des P. Ernetti. Saarbrücken: Hesper-Verlag, 2010.
Chronovisor (griech. chronos, Zeit; lat. videre, sehen), Zeitmaschine. Von dem Benediktiner Pellegrino > Ernetti und 12 Mitarbeitern entwickeltes elektronisches Gerät zur optischen und akustischen Darstellung vergangener Ereignisse. > Chronovision, > Akasha-Chronik.
Lit.: Brune, François: Das Geheimnis des P. Ernetti. Saarbrücken: Hesper-Verlag, 2010.
Chrysantheme (Chrysanthemum spp.; griech. chrysos, Gold; themion, Blume), pflegeleichte Pflanze (Balkonpflanze), deren Blütenkugeln von Gelb und Rot über Orange bis hin zu Lila reichen. Sie wird maximal 80 cm hoch, blüht von August bis Oktober, stammt ursprünglich aus China und Japan und gehört heute weltweit zu den beliebtesten Zierpflanzen. Als solche ist sie seit rund 1700 Jahren bekannt und in etwa 30 Sorten erhältlich.
In China und Japan ist die C. ein Symbol für Glück und langes Leben und wird häufig in der Lyrik sowie in der Textilkunst als Schmuck von Prunkgewändern verwendet. Wegen der strahlenförmigen Anordnung ihrer Blütenblätter ist sie auch ein Sonnensymbol. Das japanische Kaiserhaus verwendet die C. seit 797 als Emblem, und seit 1877 gilt der Chrysanthemumorden als die höchste japanische Auszeichnung.
Im alten > Ägypten wurden > Mumien mit der gelben Marguerite (Chrysanthemum coronarium) geschmückt.
In Asien ist die C. seit langer Zeit auch als > Heilpflanze bekannt. Ihre Blüten, zu Tee verkocht, werden gegen Erkältungen, angewendet.
Die weiße C. findet sich zu Allerheiligen als „Totenblume“ auf den Gräbern.
Lit.: Eberhard, Wolfram: Lexikon chinesischer Symbole. München: Diederichs, 1990; Abdel-Rahman Sayed Shehata Abdin: Untersuchungen zum Einkapseln von Sprosssegmenten für die Verwendung als künstliche Samen am Beispiel von Chrysanthemen und Rosen. Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2003.
Chrysaor, Chrysaor(i)os, Sohn des griechischen Gottes > Poseidon und der > Medusa, aus deren Schoß er zusammen mit dem geflügelten > Pegasos entsprang, als > Perseus Medusa tötete. C. heiratete die Oekanide Kallirhoe, die ihm den Geryoneus gebar, ein dreiköpfiges, nach anderer Version dreileibiges, Ungeheuer, welches in den Abenteuern des > Herakles eine Rolle spielte (Hes. Theog. 278 –288; 979 – 983).
C. ist auch der Beiname des > Zeus in Stratonikeia und Beiwort verschiedener Götter.
Lit.: Der Neue Pauly 2. Stuttgart: J. B. Metzler, 1997.
Chrysipp(os) (*281/278 Soloi; †205 v. Chr.), griechischer Philosoph, drittes Schulhaupt der Stoa, wird auch als zweiter Begründer der materialistischen Stoa bezeichnet. Von seiner reichen literarischen Tätigkeit sind nur Fragmente erhalten. Seine berühmtesten Schüler waren Diogenes von Babylon und Zenon von Tarsos, die später die Stoa leiteten.
Seine Lehre, die er in 705 Buchrollen niederlegte, war für Generationen maßgebend. Er gliederte die stoische Lehre in Ethik, Logik und Physik.
Als Beweis für die Unverbrüchlichkeit des Naturgesetzes führt er die > Mantik an und versucht sie in den Schriften Über Orakel und Über Träume mit der in allen Teilen der Welt herrschenden „natürlichen Sympathie“ zu erklären – ein Begriff, der im Mittelalter wieder auftauchte. In der Schrift Über das Naturgesetz bezeichnet er dieses als „die Vernunft, der gemäß das Gewordene geworden ist, das Werdende wird, und was werden soll, werden wird“ (Stob. Ecl. 1,79). „Die Welt selbst ist ein vernunftbegabtes , beseeltes und denkendes lebendes Wesen, auch die Gestirne sind lebende Wesen (Nestle, Fr. 27, 28).
Die Wahrheit dieser Definitionen der Welt zeige die Mantik: „Niemand könnte die Weissagungen der Seher für wahr halten, wenn nicht alles vom Naturgesetz beherrscht würde“ (Eus., Pr. ev. 4, 3).
Neben dieser rein natürlichen Erklärung der Weissagung lässt C. auch die Meinung gelten, dass die Gottheit aus Fürsorge für die Menschen diesen die Zukunft offenbare. So nennt er „die Weissagung eine Kraft, welche die den Menschen von den Göttern geoffenbarten Zeichen erkennt, betrachtet und erklärt“ (Nestle, Fr. 134). Dies ist allerdings nicht seine feste Überzeugung, denn es „ist entweder eine göttliche Kraft, die aus Fürsorge für uns in Träumen Zeichen gibt, oder die Zeichendeuter erkennen aus einer gewissen Harmonie und inneren Geschlossenheit der Natur, die man Sympathie nennt, was die Träume für jede Sache für eine Bedeutung haben und auf jede Sache folge oder es trifft keine dieser beiden Annahmen zu, sondern man hat durch fortgesetzte und langwierige Beobachtung herausgebracht, was auf ein bestimmtes Traumgesicht hin zu ereignen und folgen pflege“ (Nestle, Fr. 136).
Lit.: Eusebius <Caesariensis>: Evangelica praeparatio <lat.> |De evangelica praeparatione. Venetiis, 1500; Wachsmuth (Hrsg.): Ioannis Stobaei anthologii libri duo priores, qui inscribi solent eclogae physicae et ethicae. 2 Bände. Berlin: Weidmann, 1884; Nachdr. ebd. 1958; Nestle, Wilhelm: Die Nachsokratiker. 2 Teile in einem Bd.; Neudr. der Ausg. Jena 1923. Aalen: Scientia Verl., 1968; Hülser, Karlheinz (Hrsg): Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker, Bde. 3 und 4. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, 1987/88.
Chrysolith (griech. chrisolithos, Goldstein; mhd. krisoli), gelb-grüner Edelstein, der bei den alten Römern den Träger vor Schwermut und Verzauberung schützte. C. wurde in Gold (dem Metall der Sonne) gefasst, um > Alpträume zu verscheuchen. Wird der Stein durchbohrt und ein Eselshaar durch die Bohrung gezogen, so vertreibe er angeblich die bösen > Geister.
Am Herzen getragen, sichere er das Wissen bei Menschen, die gute Kenntnisse und eine wissenschaftliche Ausbildung besitzen. Ferner glaubte man, dass er den Atem stärke und verordnete ihn daher im geriebenen Zustand und aufgelöst bei Atemnot, Fieber und Herzbeschwerden. Als > Monatsstein soll er seine Kräfte vor allem jenen schenken, die im > September geboren sind.
Lit.: Edelsteine der Tierkreiszeichen im Altertum. Monatssteine. Schwäb. Gmünd: Dr. W. Koch, 1938; Hildegard von Bingen: Das Buch von den Steinen. Salzburg: Otto Müller, 1997.
Chrysopras (griech.), grüner, mit Goldpunkten besetzter Edelstein der Quarzgruppe. Er ist durchscheinend bis undurchsichtig und wurde in Australien, Indien, Madagaskar, Südafrika, USA, im Ural sowie in Polen gefunden.
Nach den orphischen > Lithika (5.– 6. Jh. n. Chr.), Edelstein-Büchern, soll er gegen Zauberei helfen. In byzantinischer Zeit trug man ihn an der Handwurzel, um die Sehkraft zu stärken oder Magenbeschwerden und Schwellungen zu beseitigen. C. wirke gegen Blutzucker, bei Haut-, Kopf- und Stoffwechselstörungen, bei Leiden der Vorsteherdrüse, der Hoden, Eileiter und Eierstöcke. Außerdem soll er Frohsinn und Fruchtbarkeit vermitteln.
Der hl. > Hildegard zufolge hilft C. bei Gichtleiden, beruhigt die Zornigen, unterbindet die Wirkung von Gift, lindert epileptische Anfälle und hilft bei > Besessenheit.
Lit.: Hildegard von Bingen: Das Buch von den Steinen. Salzburg: Otto Müller, 1997; Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine. Saarbrücken: Neue Erde, 2000.
Chrysostomus von St-Lô, Jean (*1594 St-Frémond bei Bayeux; † 26.03.1646 Paris), bedeutender Oberer und Seelenführer. Er wurde 1612 Mitglied des Dritten Ordens der Franziskaner und 1634 Provinzial der französischen Franziskanerprovinz. Er lehrte 14 Grade des Aufstiegs zur Gottesschau. Seine Meditationstraktate erlangten vor allem über seine Schüler in Caen, namentlich Johannes Eudes, Mechthild vom Heiligsten Sakrament (Katharina de Bar, 1614 –1698), Gründerin der Benediktinerinnen von der Ewigen Anbetung, Marie des Vallées und H.-M. Boudon große Resonanz. Von seinen Schriften ist nur ein Teil auffindbar.
W. (Auswahl): Divers traités spirituels et méditatifs. Paris, 1651; Exercices de piété et de perfection. Caen, 1654; La sainte désoccupation. Paris, 21890.
Chrysostomus, Johannes > Johannes Chrysostomus.
Chshathra vairya (awest. „erwünschte Herrschaft“; „erwünschtes Reich“). C. ist als iranisches Geistwesen einer der sieben > Amesha Spentas des guten Gottes > Ahura Mazda. Es verkörpert die Reichsherrschaft und ist der Schutzgeist der Metalle und wird deshalb auch mit Schild, Speer und Helm dargestellt. Am Ende der Zeit kämpft es mit seinem bösen Gegenspieler, dem Erzdämon > Saurva und besiegt ihn. C. ist der sechste Monat geweiht.
Lit.: Gnoli, Gherardo: Iran als religiöser Begriff im Mazdaismus. Opladen: Westdt. Verl., 1993; Sarif, Gul Janan: Grundzüge des Mazdaismus mit historischen Anhängen. Frankfurt a. M.: Most, 2003.
Chthonisch (griech. chton, Erde), irdisch, unterirdisch, bildhaft gesprochen auch das, was aus den dunklen Tiefen kommt. Dazu zählen vor allem die unterirdischen Gottheiten und Kulte.
Die unterirdischen Gottheiten werden ambivalent als Lebensspender, Herren der Verstorbenen und Unheilbringer betrachtet. In Mesopotamien, Altsyrien, im hethitschen Kleinasien und im antiken Griechenland wurden solche Gottheiten als Schwurgötter oder in Flüchen angerufen. Als Herren der Verstorbenen wachsen sie gerne mit > Ahnengeistern zusammen, weshalb bei den Griechen und Römern Kinder unter ihren Schutz gestellt wurden. Bei den Griechen unterteilte man die unterirdischen Götter noch in epichthónioi und hypochthónioi – in die, welche auf, und jene, die unter der Erde herrschen. > Hades, > Persephone, > Demeter und > Kore sind solche Götter.
Die unterirdischen Kulte dienten einerseits der Totenbeschwörung, wobei vorzugsweise schwarze Tiere geopfert wurden, andererseits dem Gebet um Segen und Fruchtbarkeit durch die Toten- und Ahnengeister, die in der Unterwelt wohnen und von dort aus wirken.
Lit.: Schlesier, Renate: Kulte, Mythen und Gelehrte. Anthropologie der Antike seit 1800. Frankfurt a. M.: Fischer-Taschenbuch-Verl., 1994; Burkert, Walter: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Stuttgart: Kohlhammer, 22010.
Chu Jung (chin.), Feuergott und Regent des Südens. Er gilt als Vater des > Kung Kung. C. half mit, den Himmel und die Erde voneinander zu trennen. Er bestraft jene, die die himmlischen Gesetze brechen, und wird auf einem Tiger reitend dargestellt.
Lit.: Bellinger, Gerhard: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Ch’üan-chen tao (chin., „Weg zur Verwirklichung der Wahrheit“) ist eine Hauptform des religiösen > Taoismus. Sie wurde von Wang Ch’un-yang (1112 – 1170) ins Leben gerufen, nachdem dieser 1159 einen Einsiedler getroffen hatte, der behauptete, die Inkarnation von zwei der Unsterblichen (> Pa-hsien) zu sein, von denen er Geheimnisse empfangen habe.
Das Ziel seiner Lehre, die er aus klassischen Quellen des Taoismus, aber auch des > Zen-Buddhismus und zu einem gewissen Grad aus dem > Konfuzianismus gestaltet hat, ist es, das > Tao zu verwirklichen, indem man seine eigene Natur und den eigenen Geist im Verhältnis zum Tao versteht. Von den Bewegungen, die sich aus C.s Tao-System herleiten, war die sog. „Drachentorschule“ die dauerhafteste.
Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Chuang Tzu auch Chuang-chou (chin.; dt.: Dschuang-tse, ca. 370 –295 v. Chr.) ist einer der bedeutendsten chinesischen Philosophen. Von Taoisten wird er zusammen mit > Lao-tzu, dem er an Bedeutung gleichkommt, als einer der Gründer des philosophischen Taoismus angesehen. Über sein Leben ist wenig bekannt. Möglicherweise war er ein kleiner Beamter.
In seiner Philosophie kritisierte er mit Hilfe des > Taoismus als Skeptiker und Pessimist den > Konfuzianismus und war nicht gewillt, unter einem Herrscher zu dienen, der seinem Denken und Handeln Grenzen setzen würde. Als man ihm einen hohen Betrag anbot, um Regierungsbeamter zu werden, verglich er das Angebot mit der Mast eines Ochsen, den man zum Opfern in den Tempel führte. Dann sei es nämlich zu spät, darüber nachzusinnen, dass es besser gewesen wäre, ein armes Schwein zu bleiben, das niemand bemerkte.
Der Tradition nach ist Ch. der Verfasser des gleichnamigen Werkes Chuang-tzu oder Das Wahre Buch vom südlichen Blütenland. Das Buch ist ein Klassiker der chinesischen Literatur. Es besteht aus 33 Kapiteln, von denen der größere Teil vermutlich von seinen Schülern verfasst wurde.
Seine Lehre fußt auf dem Gedanken, dass der Verstand die letzten und tiefen Dinge nicht erfassen könne. Wenn man nämlich den Urgrund oder das Absolute (> Tao) verstehen wolle, müsse man sein eigenes Wissen unterdrücken. Dem Tao, das in allen Dingen gleichermaßen vorhanden ist, könne man sich daher nur durch > Meditation näheren. Während sich die Natur verändert, bleibt das Tao bestehen.
Weisheit besteht nach Ch. darin, die Unterscheidung zu erkennen und die Beziehung wahrzunehmen:
„Chuang-chou, träumte, dass er ein Schmetterling sei, der umherflatterte, nicht wissend, dass er Chouang-chou war. Er wachte mit einem Schreck auf und war wieder Chuang-chou. Aber er wusste nicht, ob er Chuang-chou war, der geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, oder ein Schmetterling, der geträumt hatte, er sei Chuang-chou. Zwischen Chuang-chou und dem Schmetterling muss es einen gewissen Unterschied geben: Das ist es, was als ,die Verwandlung der Dinge‘ bezeichnet wird.“ (Dt. Übers.: R. Wilhelm [1923])
W.: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Augsburg: Weltbild-Verl., [2004?]; Das höchste Glück. Frankfurt a.M.: Insel-Verl., 2005; Der Mann des Tao und andere Geschichten. München: Goldmann, 2005; Das Buch der Spontaneität. Aitrang: Windpferd, 2008; Mit den passenden Schuhen vergisst man die Füße. Zürich: Ammann, 2009.
Chu-hung (* 23.02.1535, † 29.07.1615), chi-
nesischer Mönch der Ming-Dynastie, der > Zen und > Reines Land-Schule miteinander verband und eine starke buddhistische Laienbewegung ins Leben rief.
Bei anfänglicher strikter Einhaltung der Rezitationsregeln stellte er fest, dass alle Wege notwendigerweise Wege zum gleichen Ziel sein müssen. So solle man sich beim Rezitieren von > Buddhas Namen nicht nur auf den Namen, sondern vielmehr auf die dahinterliegende „Höchste Wirklichkeit“ konzentrieren. Diese synthetisierende Schau blieb charakteristisch für den chinesischen > Buddhismus bis auf den heutigen Tag und erstreckte sich teilweise auch auf den > Taoismus. Für C. besteht zwischen dieser Art von Meditation und jener des Zen kein wesentlicher Unterschied.
Lit.: Yü Chün-fang: The Renewal of Buddhism. New York: Columbia Univ. Pr., 1981.
Chuldah (hebr., „Wiesel“; griech. Holdan; dt. Hulda), jüdische Prophetin (> Nabi’) des Jahwe-Elohim im Südreich Juda (ca. 639 – 609 v. Chr.). Nach Auffinden des Gesetzbuches im Tempel von Jerusalem erbat König Joshija von ihr ein Urteil darüber. C. prophezeite dem Volk von Juda wegen des Götzendienstes die Einnahme Jerusalems, die Zerstörung des Tempels und das Exil für die Juden. Dem König weissagte sie einen friedvollen Tod.
Lit.: Schäfer-Lichtenberger, Christa: Josua und Salomo. Leiden: Brill, 1995; Zerstörungen des Jerusalemer Tempels. Geschehen – Wahrnehmung – Bewältigung. Tübingen: Mohr Siebeck, 2002.
Chumbaba (sumer., auch Humbaba, Huwawa), gewaltiger Naturdämon oder Riese aus dem altmesopotamischen Epos um > Gilgamesch. Für Gilgamesch versinnbildlicht er das absolut Böse, das jedoch auf göttlichen Befehl das „Land der Lebenden“, den Zedernhain, bewacht, der offensichtlich ein Göttersitz ist. Um seinen Leib trägt C. sieben Zauberhüllen, die ihn unter normalen Umständen unverwundbar machen. Gilgamesch beschließt, ihn mit seinem starken Freund Eniku zu töten. C. unterliegt im Kampf und bietet sich Gilgamesch als Sklave an, doch Eniku besteht auf seiner Tötung.
In der sumerischen Mythologie ist C. der heilige Wächter des Zedernwaldes. Seine Übermenschlichkeit wird für den machthungrigen König von Uruk zur Herausforderung, der sich auch die Götter anschließen.
Das sagenhafte Gebrüll und der Feuerhauch des C. veranlassten Religionsforscher der Neuzeit, im Riesen die Personalisation eines gefürchteten Vulkans zu sehen, wenngleich es im näheren Umkreis des sumerischen Siedlungsraumes keine Vulkane gibt.
Lit.: Kramer, Samuel Noah: Geschichte beginnt mit Sumer. München: List, 1959; Schneider, Vera: Gilgamesch. Zürich: Origo, 1967.
Chung Kuei (chin.), chinesischer Schutzgott gegen Dämonen und Gott der Literatur. Als C. beim Examen den verdienten ersten Platz nicht erhält (> Kuei), begeht er Selbstmord. Sein Attribut ist ein Schwert, mit dem er fünf giftige Tiere abwehrt.
Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.
Chung Yüan (chin.), chinesisches Fest (hauptsächlich buddhistisch) als Hilfe für die > Hungergeister. Es wird am 15. Tag des siebten Monats gefeiert. Von diesem Tag an bis Monatsende werden Opfer oder Geschenke dargebracht für die, die gestorben sind, ohne bei jemandem in Erinnerung zu bleiben, und für jene, die keine Gräber und keine Nachkommen haben. Papiergeld und Gegenstände werden verbrannt oder für die Ertrunkenen in Flüsse gestreut.
In den buddhistischen Tempeln wird ein großes Papierboot des > Dharma angefertigt und abends zeremoniell verbrannt, um den wandernden Gespenstern zu helfen, das Meer des Anhaftens (> Tanha) zu überqueren und in das > Nirwana zu gelangen.
Lit.: Münke, Wolfgang: Die klassische chinesische Mythologie. Stuttgart: Klett, 1976.
Chupacabra (span. chupar, saugen; cabra, Ziege; Ziegensauger), lateinamerikanisches > Fabelwesen, das Kleinvieh wie Ziegen oder Schafen vampirartig die Kehle aufschlitzen und das Blut aussaugen soll. Erste Berichte darüber entstanden 1995 in Puerto Rico, inzwischen wird von diesem Phänomen in ganz Süd- und Mittelamerika gesprochen.
Das Fabelwesen soll 1 bis 1,5 m groß sein und auf dem Rücken gelblich-grüne Stacheln tragen, die es nach Belieben einziehen kann. Gleich einem > Chamäleon kann es angeblich die Farbe wechseln.
Die diversen Beschreibungen widersprechen sich, wie es zu einem neuen Fabeltier passt, das zum Synonym für mysteriöse Tiere mutiert und bereits Eingang in Musik und Film gefunden hat.
Lit.: Horn, Roland M.: Rätselhafte und phantastische Formen des Lebens. Von Vampiren, Mottenmännern, Seeschlangen, Geisterhunden, Yetis, Drachen und Chupacabras. Lübeck: Bohmeier, 2002.
Chuperos (span. chupar, saugen), Heiler, die eine Saugbehandlung (magisch-suggestive Mischtherapie, oft in Verbindung mit Heilkräutern) anwenden. Sie saugen aus dem erkrankten Teil Frösche, Unrat, Nägel, Haare usw. als angebliche Krankheitserreger. Dieses Aussaugen kann auf dem Weg der Suggestion, aber auch der praktischen Vorführung erfolgen, wobei der C. durch Saugen an der kranken Stelle Gegenstände entfernt, die er allerdings vorher in den Mund genommen hat. Den Patienten selbst lässt er im Glauben der Echtheit, was zuweilen zu überraschenden Erfolgen des Rituals führt.
Lit.: Lechner-Knecht, Sigrid: Reise ins Zwischenreich. Freiburg: Herder, 1978.
Church of Satan (engl. First Church of Satan; dt. „Erste Kirche des Satans“). Die amerikanische Sekte mit Niederlassungen in Eu-
ropa und Australien wurde in der Walpurgisnacht 1966 von dem Musiker, Tierbändiger, Fotografen und Schauspieler, Okkultexperten und Schriftsteller Howard LaVey (1930 –1997) gegründet, der sich den Künstlernamen Anton Szandor LaVey zugelegt hatte. Seine Erfahrungen als Kriminalfotograf bei der Polizei in San Francisco hätten ihn mit so vielen Grausamkeiten konfrontiert, dass er nicht mehr an die Existenz eines guten Gottes glauben konnte.
In der C. werden okkulte, satanistische und sexuelle Praktiken geübt, die meistens aus älterer Tradition, insbesondere aus dem O.T.O und von Aleister > Crowley stammen. LaVey stellte seine Lehre in drei Schriften vor: Satanic Bible (1969), dem Liber Al vel Legis von Crowley nachempfunden, Complete Witch (1970) und The Satanic Rituals (1972).
Die Grundlage von LaVeys Lehre bilden die 9 Erklärungen (9 Statements) nach dem Gesetz von Thelema (Crowley). Demnach steht > Satan für:
• Zügellosigkeit anstatt Enthaltsamkeit.
• Tatkräftige Existenz anstatt spiritueller Wunschträume.
• Unbefleckte Weisheit anstatt heuchlerischer Selbsttäuschung.
• Freundlichkeit zu jenen, die sie verdienen, anstatt Liebe, die an Undankbare verschwendet wird.
• Rache, anstatt die andere Wange hinhalten.
• Den Menschen als das lasterhafteste Tier betrachten.
• Sünden zu begehen, die zu physischer, geistiger und gefühlsmäßiger Befriedigung führen. Daher werden alle Todsünden der christlichen Kirche wie Gier, Eitelkeit, Zorn, Neid, Gefräßigkeit, Wollust und Faulheit als erstrebenswert angesehen.
Satan ist für La Vey der Geist des Protests und verkörpert alle Irrlehren der Menschheit.
Die Rituale der C. folgen den überlieferten Formen der > Schwarzen Messe, bei der eine nackte Frau auf dem Altar liegen muss, welche die Erdmutter darstellt, denn durch den Sexualakt werde Energie für magische Kulthandlungen freigesetzt.
Die Organisation der C. ist in Graden geordnet. Kritiker werfen ihr vor, Menschen bei satanistischen Ritualen zu missbrauchen.
W.: Die satanischen Rituale. Berlin: Second Sight Books, 1999; Die satanische Bibel. Berlin: Second Sight Books, 1999; Die satanische Hexe. Zeltingen-Rachtig: Index-Verl., 2009.
Lit.: Frick, Karl R. H.: Satanismus und Freimaurerei. Graz: ADEVA., 1986; Drury, Nevill: Magie. Aarau: AT Verlag, 2003.
Churches’ Fellowship for Psychical and Spiritual Studies, The, Studienkreis christlicher Kirchen für Parapsychologie und Spi-
ritualität. Die Gemeinschaft wurde 1953 von Lt. Col. R. M. Lester und einer Gruppe von Klerikern und Laien gegründet, die sich für den Beitrag der Parapsychologie zum Christentum und zur Mystik interessierten. Die Gemeinschaft organisiert Vorträge, Konferenzen, Studiengruppen und Zusammenkünfte, die sich mit paranormaler Heilung, parapsychologischen Phänomenen und Mystik befassen, und veröffentlicht die Quartalschrift Christian Parapsychologist. Die Vollmitgliedschaft ist Mitgliedern von Kirchen vorbehalten, die entweder dem World Council of Churches, dem British Council of Churches oder der orthodoxen theologischen Tradition angehören und Jesus Christus für den Herrn und Erlöser halten.
Lit.: Pearce-Higgins, John D.: Life, Death and Psychical Research. Studies on Behalf of the Churches’ Fellowship for Psychical and Spiritual Studies. London: Rider, 1973.
Churchward, James (* 27.02.1851 Bride-
stow, Okehampton, England; † 4.01.1936 Los Angeles, Kalifornien, USA), vorwiegend als Schriftsteller des Okkulten bekannt, war aber auch Erfinder, Ingenieur und ein hervorragender Angler. Bemerkenswert ist seine Behauptung von der Existenz eines Kontinents namens > Mu, der im Pazifischen Ozean untergegangen sei. Mu sei nördlich von Hawaii gelegen und habe sich bis zu den Fidschi-Inseln und den Osterinseln erstreckt. Seine Bewohner, 64.000.000 an der Zahl, waren die sog. Naacals. Diese hätten den ägyptischen Gott > Ra als Sonne wie auch als Herrscher und Gott verehrt.
Wissenschaftliche Beweise der Aussagen, die er angeblich einem indischen Priester verdankte, konnten nicht erbracht werden. Sie übten jedoch großen Einfluss auf zahlreiche Bücher über verschollene Kulturen aus.
W.: The lost Continent of Mu. New York: Washburn, 1935; Mu, der versunkene Kontinent: auf den Spuren von Wissen und Weisheit einer geheimnisvollen Kultur. Aitrang: Windpferd-Verl.-Ges., 1990.
Churel, auch churail oder chudail (hind.), Frauengeist der Hindu-Mythologie, der sich an kleinen Bächen oder Quellen aufhält. Er erscheint als abscheuliche Gestalt mit langen herabhängenden Brüsten und ungepflegten Haaren oder aber als schöne Frau, welche die Männer in ihren Bann zieht.
Die Füße sind oft nach rückwärts gekehrt und besonders auffällig ist eine außernatürlich lange und dicke schwarze Zunge. Es soll sich um den Geist einer unglücklichen Frau handeln, die während der Schwangerschaft, bei der Geburt des Kindes oder während der Menstruation starb. Da für ihren Tod Männer verantwortlich sind, trinkt sie gleich einem Vampir das Blut junger Männer, angefangen vom ersten Geliebten in ihrem Leben. Sie hält sie in Bann und vernichtet ihre Vitalität, sodass sie frühzeitig grauhaarige alte Männer werden.
Nach einer anderen Version ist C. ein mächtiger Geist mit schwarzmagischen Kräften.
Lit.: Von den blutsaugenden Toten oder philosophische Schriften der Aufklärung zum Vampirismus. Neubearbeitung und Übertragung der Ausgaben von 1732, Silberschmidt, Abraham. Nürnberg: Hexenmond-Verl., 2006.
Churingas (Tjuringas, Tschuringas), heiliger Gegenstand bei den australischen > Aborigines. C. sind flache, verzierte Objekte aus Holz oder Stein, die an einem geheimen Platz aufbewahrt und bei religiösen Riten verwendet werden. Sie gelten als totemistische Inkarnationen. Frauen und uneingeweihte Männer durften sie nicht anschauen.
Verzierte Steine ähnlich den C. fanden sich auch in Wohnstätten der mesolithischen Azilien-Kultur in Nordspanien und Südfrankreich. Die Bezeichnung „Azilien“ wurde von Archäologen nach dem französischen Fundort Le Mas-d’Azil geprägt und gilt seit 1895 als Synonym für die späteiszeitlichen Jäger- und Sammlerkulturen Europas.
Lit.: Narogin, Mudrooroo: Die Welt der Aborigines: das Lexikon zur Mythologie der australischen Ureinwohner Aus dem Engl. von Wolf Koehler. München: Goldmann, 1996.
Chuwawa (sumer.), Bergdämon. C. wurde von > Enlil als Wächter des „Zedernberglandes“ im Libanon eingesetzt und von > Gilgamesch und Enkidu erschlagen. Er ist dem akkadischen > Chumbaba gleich.
Lit.: Kramer, Samuel Noah: Geschichte beginnt mit Sumer. München: List, 1959; Schneider, Vera: Gilgamesch. Zürich: Origo, 1967.
Chyliński, Raphael Melchior (*6.01.1694 Wisoczka; † 2.12.1741 Lagiewniki / Polen), Franziskaner-Konventuale, selig (9. Juni 1991, Fest: 2. Dezember), Beichtvater und geistlicher Begleiter. C. hatte die > Gabe der Tränen, war ein gefragter Exorzist und Fürsprecher in Krankheit und Lebensgefahr.
Lit.: Resch, Andreas: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991–1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II.; 3).
Chymische Hochzeit, Vereinigung der polaren Gegensätze als > coincidentia oppositorum. In der hermetisch-alchemistischen Symbolik ist C. die Bezeichnung des chemischen oder geistigen Schöpfungsaktes, der für die Geburt des Neuen nötig ist (> Androgyn). Da man sich Materie auch als belebt vorstellte, erschien die grundlegende Vereinigung der Gegensätze als C. von männlichem > Sulphur / Schwefel (Vater) und weiblichem > Mercurius / Quecksilber (Mutter), die eine neue Substanz (Kind, Sohn) (er-)zeugen, welche bisweilen wieder als Mercurius bezeichnet wurde. Bekannt wurde dieses Symbol besonders durch die 1616 in Straßburg erschienene allegorische Erzählung „Die chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz. Anno 1459“, die auf Johann Valentin > Andreae zurückgehen soll.
In ihr wird in allegorischer und manchmal satirischer Form der Einweihungsweg des vermeintlichen Verfassers beschrieben. Nach Jahren der Meditation wird der gealterte Held von einem Engel besucht, der ihm eine Einladung zur „Hochzeit des Königs überreicht“. Nachdem er im Traum die Bestätigung erhalten hatte, dass er durch Gottes Gnade auf Erlösung hoffen darf, macht sich Rosenkreutz auf den Weg. Geheimnisvolle Zeichen, die den Weg zum Schloss als hermetischen Einweihungsweg verschlüsseln, leiten ihn. Im Schloss trifft Rosenkreutz viele andere Gäste, die alle auf ihre Würdigkeit hin geprüft und in einen Orden unter dem Zeichen des > Goldenen Vlieses aufgenommen werden. Die Auserwählten werden auf sieben Schiffen zu einer Insel gebracht, wo sie Zeugen komplizierter alchemistischer Operationen werden. Am Ende lernt Rosenkreutz den jungen König kennen, darf den Eingang des Schlosses bewachen, das Schloss selbst aber nicht betreten. Die letzten fünf Seiten gibt der Autor als verschollen aus.
Zu den zahlreichen alchemistischen Darlegungen gehört auch die Aussage: „Des Mondes Schein wird sein wie der Sonnen Schein, und der Sonnen Schein wird siebenmal heller sein als jetzt“, womit die > coniunctio der männlichen Sonne (sol) mit dem weiblichen Mond (luna) gemeint ist. Die Vereinigung der polaren Gegensätze ist aber nicht nur ein äußerer Vorgang, sondern auch eine Allegorie des inneren, seelischen Wandlungsprozesses eines Menschen.
Das Werk hat aufgrund der zahlreichen alchemistischen Themen, seiner Symbolik der spirituellen Wiedergeburt, der Beschreibungen des Wunderbaren und seines Einflusses auf den > Hermetic Order of the Golden Dawn im 19. Jh. auch im okkulten und esoterischen Denken von heute einen besonderen Stellenwert. Die C. erfüllt nämlich die Sehnsucht des Menschen nach dem Wunderbaren, nach der Fortsetzung der Träume ihrer Kindheit und nach einem Zufluchtsort vor der Nüchternheit des Alltags.
Lit.: Kosmologische Betrachtungen zur chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz anno 1459 / Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459. Moos-Weiler / Bodensee: Akad. für Phänomenologie und Ganzheitswiss., 1991; Andreae, Johann Valentin: Die chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz. Stuttgart: Verl. Urachhaus, 2001.