Begriffe Ay
Aya. 1. Synkretistische Gottheit in Ugarit, gleich den Gottheiten Mesopotamiens, Aya und > Ea. Sie steht in der ugaritischen Götterliste nach der Sonnengottheit > Shapshu.
2. A. wird auch die Braut des Sonnengottes Shamash (> Shemash) genannt, die gemeinsam mit ihm in Sippar, Larsa und vielleicht auch in Babylon verehrt wurde.
3. Als persönlicher Name findet sich A. mehrmals im Alten Testament. „Die Söhne Zibons sind Aja und Ana“ (Gen 36, 24; 1 Chr 1, 40); zweimal wird A. als Name eines Platzes in Zusammenhang mit Bethel genannt (1 Chr 7, 28, und Neh 11, 31).
4. Im Koran bedeutet A. Offenbarung im Sinne eines Zeichens, das die Gewohnheit zur Bestätigung der Wahrhaftigkeit von Gottes Wort oder eines Propheten durchbricht. Wie > sura wurde A. bald textlich verstanden und als Gliederungsbegriff des Korans („Vers“) gedeutet.
Lit.: Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD) / Karel van der Toorn; Becking, Bob; Horst, Pieter W. van der [Hg.]. Second extensively revised edition. Leiden [u. a.]: Eerdmans; Brill, 1999.
Ayahuasca, Bezeichnung eines berauschenden Getränks im Amazonasgebiet, das den Indianern heilig ist, weil es für sie ein „Trunk der wahren Wirklichkeit“ ist. A. wird aus verschiedenen Banisteriopsis-Arten hergestellt, u. a. aus Lianenarten, vor allem der Liane Banisteriopsiscaapi, aber auch aus anderen Pflanzen, der Psychotriaviridis, der Engelstrompete oder der Manakawurzel.
Um das von Schamanen, Zauberern und Heilern benutzte A. kreist eine reichhaltige, oft dunkle Mythologie. Die Stellen, an denen die Pflanzen für das > Zaubergetränk wuchsen, sind streng geheim, denn Vorübergehenden könne dort Schlimmes widerfahren: Die Pflanze wickle sich dann hartnäckig um den ahnungslosen Passanten und könne ihn zu Tode würgen.
Zu den Wirkungen des Trunkes, der, bei Nacht genossen, noch effektvoller sein und die Träume anregen soll, gehört vor allem – wie bei so vielen > Zauberpflanzen – das Provozieren oder Intensivieren von > Außersinnlicher Wahrnehmung. So wollten die Indios mit Hilfe des A.-Getränks beispielsweise herausfinden, wie es jemandem aus ihrem Kreis, der gerade auf Reisen ist, geht. Ebenso war es unter allen Indianern des Amazonasgebietes verbreitet, die Krankheit eines Menschen hellseherisch zu bestimmen, wofür ein Schluck A. gut tat. Rätsch beschreibt eine bei den Muinane, nach deren Ansicht Krankheiten meistens das Ergebnis eines bösen > Zaubers sind, verbreitete Diagnosetechnik, die der Heiler im A.-Rausch vornimmt: „Zuerst muss der Heiler die Welt verlassen und an einen Ort weit über der Erde reisen. Vom Himmel aus sieht er die Erde als einen großen Ball. Außerdem kann er jeden Menschen auf der Erde sehen und erkennen. Alle Personen stehen aufrecht außer dem bösen Zauberer. Den sieht der Heiler geduckt sitzen und sich in die hohlen Hände blasen“ (Rätsch, 43).
Als Ursache für die psychedelischen Wirkungen des A. wird von pharmakologischer Seite die Kombination der Inhaltstoffe Harmin, Harmalin und DMT angesehen.
Lit.: Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988; Schupp, Johanna M.: Alternative Medizin in Lima / Peru. Münster; Hamburg: Lit, 1991; Müller-Ebeling, Claudia: Hexenmedizin: die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst – schamanische Traditionen in Europa. Aarau, CH: AT Verlag, 21999.
Ayenar (sanskr.), Sohn von > Schiwa und > Wischnu, wobei Letzterer die Mutter war, weil er die Gestalt der Nymphe Moyeni angenommen hatte. Von den Indern wird A. als Schutzherr der Welt verehrt, allerdings nur in kleinen Tempeln. Man opfert ihm Ziegenböcke und Hähne sowie Pferde aus Ton.
Lit.: Ions, Veronica: Indische Mythologie. [Ins Dt. übertr. von Erika Schindel]. Wiesbaden: Vollmer, 1981.
Ayers Rock > Uluru.
Aygnan, nach der Mythologie der südamerikanischen Völker Urheber aller Krankheiten und sonstigen Übel.
Lit.: Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt: die Enzyklopädie über Götter, Geister und mythische Stätten in Nord-, Meso- und Südamerika. Genehmigte Lizenzausg. Reichelsheim: Ed. XXL, 2002; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Ayiyanayaka, auch Ayiyan, bei den Dravidas und Singhalesen verehrter Flurwächtergott, Schutzgott des nördlichen Teils der Insel Ceylon (Sri Lanka). Er soll nach einer Mythenversion als goldene Statue aus der rechten Hand > Wischnus hervorgegangen sein. Nach einer anderer Version ist er ein Sohn der > Mohini mit dem Namen Ayanar. A. wird zum Schutz der Ernte und bei Seuchengefahr angerufen.
Lit.: Dumont, L.: Definition structurale d’un dieu populaire Taimoul: Aiya Nart, le Maitre. In: Journal asiatique 241 (1953).
Aym > Aini.
Aymar, Jacques, berühmter französischer Rutengänger, der 1692 mittels Rute Diebe und Mörder ausfindig gemacht haben soll.
Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Ayn (arab., Wesensgrund, Urbestimmung, Wesen), Grundbegriff des > Sufismus; Al-’Ayn ath-thabitah: der unwandelbare Wesensgrund, die ewige Möglichkeit eines Dinges.
Lit.: Habib, André A. al: Sufismus: Das mystische Herz des Islam – eine Einführung. Freiburg i. Br.: Maurer, Hans J., 2005.
Aynät, dämonische Frauengestalt in den traditionellen Legenden des koptisch-christlichen Äthiopien. Der Name wird mit „Böses Auge“ übersetzt und ist wohl als die Personifikation der Furcht vor dem > bösen Blick zu deuten. Die Dämonin wird auch Aynä-Tjela (Schattenauge), „Dämonenauge“ oder „Auge des Zauberers“ genannt. Nach koptischer Legende traf Jesus A. am See Tiberias, wo sie als Greisin mit flammensprühenden Augen erschien, die überall Verderben verursachten. Jesus nannte einige heilige Gottesnamen (Asmat), durch deren Kraft sich A. in Asche auflöste.
Lit.: Biedermann, Hans: Dämonen, Geister, dunkle Götter: Lexikon der furchterregenden mythischen Gestalten. Graz; Stuttgart: Leopold Stocker, 1989.
Aynurakkur, auch Oyna-kamuy, Kulturbringer der > Ainu, die auf Hokkaido und Sachalin leben. Seine Mutter ist die Feuergöttin > Ape-huci-kamuy, als Vater wird der Sonnengott > Tokapcup-kamuy oder der Donnergott genannt. A. unterrichtete die Menschen im Auftrag des Gottes > Kotan-kar-kamuy, nach einer anderen Version hat er sie erschaffen. Ferner wird berichtet, wie er die Sonne aus der Gewalt eines finsteren Dämons befreit hat.
Lit.: Detter, H. A.: Die Mythologie der Ainu. In: Wörterbuch der Mystik, 6, 1986; Adami, Norbert R.: Religion und Schamanismus der Ainu auf Sachalin. München: Iudicium, 1991; Together with the Ainu: History and Culture / The Foundation for Research and Promotion of Ainu Culture. Sapporo, 2005.
Ayohshust (pers.), Glutstrom. Wenn gegen Ende der 12000 Jahre währenden Weltperiode die Endzeit (> Frasho-kereti) anbricht, wird sich A., ein Strom glühenden Metalls, über die Welt ergießen und dabei die bösen Menschen verbrennen, die guten hingegen verschonen.
In diesen Glutstrom wird > Ahura Mazda den > Ahriman und > Sraosha den > Azi Dahaka stürzen und mit ihnen das Böse ausrotten.
Lit.: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens: Mythen und Sagen der Helden, Götter und Krieger aus dem alten Ägypten, Arabien, Persien, Indien, Tibet, China und Japan / Rachel Storm. Genehm. Lizenzausg. Reichelsheim: Ed. XXL, 2000.
Ays, bei den Armeniern Bezeichnung für den Wind und einen im Wind dahereilenden bösen Geist, der in die Menschen eindringt und sie geisteskrank macht.
Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen: Namen, Funktionen, Symbole / Attribute. 2., erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1989.
Ayton, William Alexander (1816 – 1909), anglikanischer Pfarrer; war Freimaurer, Theosoph und Rosenkreuzer, bis er 1888 im Alter von 72 Jahren mit seiner Frau dem > Golden-Dawn-Orden beitrat, wo er den Bereich der > Alchemie vertrat. A. arbeitete gemeinsam mit seiner Frau Ann und soll im Keller des Pfarrhauses das Elixier der Unsterblichkeit hergestellt haben. Später schloss er sich der Gruppe um Arthur E. > Waite an. Seine Ansichten und Theorien finden sich im Briefwechsel mit den führenden Ordensmitgliedern, der von E. Howe unter dem Titel The Alchemist of the Golden Dawn herausgegeben wurde.
Lit.: Howe, E. (ed.): The Alchemist of the Golden Dawn: The Letters of rev. W. A. Ayton to F. L. Gardner and Others 1886 – 1905. Wellingborough, Northamptonshire: Aquarian Press, 1985.
Ayurveda (sanskr. ayur, Leben; veda, Wissen), das „Wissen vom Leben“, ist das größte, noch vollständig existierende, traditionelle Heilsystem der Welt, das seine Wurzeln in den „heiligen“ hinduistischen Sanskrit-Schriften hat. Veda enthält als Wissen die Kenntnisse der übernatürlichen Mächte und der Methode, diese zu beeinflussen. Dieses Wissen ist nach indischer Überlieferung ewig. Vor der Gottheit nur formuliert, von den Sehern „geschaut“, entstand es vor allem in brahmanischen Sängerfamilien und wurde in den Schulen der Brahmanen lange Zeit nur mündlich überliefert. In allen vier Veden (Rigveda, Samaveda, Yajurveda, Atharvaveda) sind Hinweise auf heilkundliche Konzepte enthalten.
Ursprünglich ist A. der Name für einen Anhang des > Atharvaveda, einer Sammlung von Texten, die mit der Funktion des Hauspriesters zusammenhängt, gefährliche Mächte abzuhalten und Gutes zu bewirken, z. B. Heilung von Krankheiten, Segenssprüche, Entsühnungsformeln, Harmonisierung von zwischenmenschlichen Beziehungen, aber auch durch Flüche und Beschwörungen Gegnern zu schaden.
Das aus dem Nordwesten Indiens stammende medizinische System des A. fußt in seinen Darstellungen auf den Werken der drei Ärzte Caraka, Susruta und Vagbhata, deren Leben wenig bekannt ist.
Caraka (sanskr., „der Wanderer“) schrieb das Werk Caraka-Samhita (sanskr., Sammlung des Caraka) spätestens in den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten, das in der vorliegenden Fassung jedoch im 4. / 5. Jh. noch einmal überarbeitet wurde. In den insgesamt 8 Büchern werden grundsätzliche Prinzipien und Diätetik, Ursache von Krankheiten, Diagnosen, Embryologie und Anatomie, Prognose, Arzneimittelbereitung und physikalische Therapieverfahren behandelt.
Susruta stellt in den 6 Büchern seines Werkes Susruta-Samhita, das ebenfalls spätestens in den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten verfasst und etwa im 4. Jh. noch einmal überarbeitet wurde, die kleine und die große Chirurgie an den Anfang. Es darf hier nicht vergessen werden, dass diese Textsammlungen nur Anhaltspunkte für die mündliche Unterweisung waren. Zudem stellen beide Endpunkte einer langen Tradition dar.
Von Vagbhata, der vor 850 n. Chr. gelebt hat, stammt das Werk Astangahrdaya (sanskr., Das achtgliedrige Herz), das zum Standardwerk der indischen Medizin wurde. Man kann es als eine Zusammenfassung der Werke seiner beiden Vorgänger betrachten. Da es einen buddhistischen Einschlag enthält, wurde es sehr früh in das Tibetische übersetzt.
Nach den Vorstellungen dieser Ärzte soll das Leben in seiner Gesamtheit als das Zusammenspiel des Körpers, der Sinnes- und Handlungsorgane, des Geistes und der Seele, verstanden werden.
Bereits in diesen ältesten ayurvedischen Lehrtexten sind die meisten Grundsätze formuliert, nach denen ayurvedische Ärzte auch heute noch diagnostizieren und behandeln.
A. gliederte sich in klassischer Zeit in acht Untergebiete:
1. Innere Medizin
2. Behandlung der Krankheiten oberhalb des Schlüsselbeins, wozu auch die Staroperationen gehören
3. Entfernen von Fremdkörpern: Chirurgie
4. Behandlung von Vergiftungen
5. Wissen von Dämonen und Besessenheit
6. Kinderheilkunde
7. Verjüngende Elixiere
8. Aphrodisiaka
Dabei wird der Mensch grundsätzlich in Analogie zum Kosmos gesehen. Unter einer grobstofflichen Oberfläche (annamaya kosha) finden sich im Mikro- wie im Makrokosmos die gleichen Schichten (koshas), insgesamt fünf bis hin zum existentiellen Kern, der beim Menschen > Jivan-Atman und im Kosmos > Param-Atman genannt wird. Im mittleren Kosha, der Schicht des Geistes (manomaya kosha), werden der feinstoffliche Körper und das Ich ausgebildet. Zwischen dem Geist (manah) und dem grobstofflichen Körper (sthula sharira) vermitteln die fünf Jinanendrivas (Wahrnehmungsorgane) und die fünf Karmendriyas (Handlungsorgane). Zu den Wahrnehmungsorganen gehören der Geruchs- und Geschmacksinn sowie das Tast-, Seh- und Hörvermögen. Zu den Handlungsorganen zählen das Ausscheidungs-, Fortpflanzungs-, Handlungs- und Sprechvermögen.
Der grobstoffliche Körper besteht aus fünf elementaren Zuständen – fest, flüssig, feurig, gasförmig und ätherisch –, die als die fünf großen Elemente bezeichnet werden.
Diagnose und Therapie basieren im A. auf dem System der drei dynamischen Prinzipien (> dosha), die mit drei Grundeigenschaften (> guna) des Materie-Prinzips (> prakriti) in Verbindung gebracht werden: Krankheit entsteht, wenn mehrere doshas zu stark oder zu schwach wirken. Die Heilmittel, deren Wirkung vor allem mit Hilfe ihres Geschmacks (rasa) bestimmt wird, wirken verstärkend oder abschwächend auf die doshas und können zur Harmonisierung des Organismus beitragen.
Was den psychischen Bereich betrifft, so übernahm A. teilweise die im > Yoga entwickelten Kenntnisse. Danach wird der Geist durch drei Eigenschaften beeinflusst: sattwa bewirkt Leichtigkeit, Klarheit und Freude; rajas erregt die Begehrlichkeiten und Sehnsüchte; tamas führt zu geistiger Inaktivität, Dunkelheit und Schwere.
Lit.: Caraka: An English translation of the Sushruta samhita: based on original Sanskrit text, with a full and comprehensive introd., additional texts, different readings, notes, comparative views, index, glossary and plates / transl. and ed. by Kaviraj Kunjalal Bhishagratna. Varanasi: Chowkhamba Sanskrit Series Office, 21963; The Carakasamhita of Agnive & Sacute, revised by Caraka and Drdhabala. With the Ayurveda-dipika commentary of Cakrapanidatta and with Vidyotini Hindi comm. of Ka & Sacute; Inatha & Sacute; astri / ed. by Gangasahaya Pandeya. Introd. by Priyavrata & Sacute; arma. Varanasi: Caukhambha Samskrta Samsthana, 1997; Vagbhata, II: Nidana, Cikitsita and Kalpasiddhi sthana. Delhi: Sri Satguru Publications, 1999; Vagbhata, I: Astangahrdaya of Acharya Vagbhatta; Succinct & Clear Meaning: A Tibetan Commentary on Ayurvedic Medical Text. Sarnath: Central Institute for Higher Tibetan Studies, 2002; Meulenbeld, Gerrit Jan: History of Indian Medical Literature. Groningen: E. Forsten, 1999 – 2002; Rhyner, Hans Heinrich: Das Neue Ayurveda Praxis Handbuch – Gesund leben, sanft heilen. 5., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Neuhausen: Urania, 2004; Rhyner, Hans H. / Rosenberg, Kerstin: Das große Ayurveda-Ernährungsbuch – Gesund leben und genussvoll essen. Neuhausen: Urania, 22004.