Begriffe Au
Aub, Ludwig (1862 – 1926), Hellseher und Hellfühler aus München.
W.: Ueber einen Fall von Einfühlungsvermögen in die Seele des Menschen: Aufsätze, Meinungen, Erklärungen. München: Charakterologisches Sekretariat, 1920.
Lit.: Dingfelder, Johannes: Ludwig Aub als Hellseher und Hellfühler: eine wissenschaftliche Studie über das Wesen der Graphologie und Psychometrie. Gemeinverständlich dargest. München: Seybold, 1914; Muz, Peter: Der Charakterologe Ludwig Aub: psychiatr.-psychol. Studie; Beitrag zur intuitiven Seelenkunde. München: Hueber, 1925.
Aubert, George, nichtprofessionelles französisches Musikmedium, das angab, unter der Führung klassischer Komponisten Klavier zu spielen. Seine musikalische Darbietung wurde 1906 vom Institut Général Psychologique in Paris untersucht. Es wurden verschiedene Tests durchgeführt, um bewusste Aktionen zu verhindern. So ersuchte man A., mit verbundenen Augen eine Mozartsonate zu spielen, wobei gleichzeitig zwei Grammophone gestartet und deren Tuben in seine Ohren gelegt wurden. A. spielte einwandfrei. Bei einem anderen Test fuhr er fort zu spielen, während er langsam und aufmerksam ein philosophischen Werk las, das man ihm vorlegte. Die Namen der „Geister-Musiker“ wurden u. a. mit Beethoven, Berlioz, Mendelssohn, Mozart, Chopin, Schumann, Liszt und Wagner angegeben. A. hatte nie Harmonie, Musiktechnik oder Improvisation studiert. Leider wurden seine wundervollen Improvisationen nie reproduziert und gingen, ausgenommen die Aufnahmen des Psychologischen Instituts, verloren. Über seine Medialität hat A. selbst geschrieben (vgl. Rosemary > Brown).
W.: La Médiumnité Spirite de Georges Aubert exposée par lui-même avec les expériences faites sur lui par les savants de l’Institut général psychochologique de février à mai 1905, Paris, 1920.
Aubin, Nicolas, französischer Schriftsteller, von dem nur bekannt ist, dass er in Loudun geboren wurde. Nach Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahre 1680 musste er Frankreich verlassen und lebte fortan in Amsterdam. Er verfasste ein wichtiges Werk über die Besessenheitsfälle im Kloster von Loudun: L’Histoire des diables de Loudun (1693).
W.: L’ Histoire des diables de Loudun, Ou de la Possession des Religieuses Ursulines, Et de la condamnation [et] du suplice d’Urbain Grandier, Curé de la même ville. Amsterdam: Wolfgang, 1693; Geschichte der Teufel von Loudun oder der Besessenheit der Ursulinerinnen und von der Verdammung und Bestrafung von Urbain Grandier, Pfarrer derselben Stadt. Birkenau: Emig, 1974.
Aubrey, John (1626 – 1697), berühmter englischer Altertumsforscher und Volkskundler, der sich als einer der ersten Sammler von Geistergeschichten Englands verdient gemacht hat. Dank A. sind viele alte Anekdoten über Feen erhalten geblieben, so etwa in seinen Werken Hypomnemata Antiquaria, Natural History of Surrey, Remaines of Gentilisme und seinen beiden County Histories, vor allem aber in den Miscellanies (1696). Sein Interesse für das Paranormale war stark durch persönliche Erfahrungen geprägt. So hörte er kurz vor dem Tod seines Vaters unerklärliche Geräusche. Er lag völlig wach in seinem Bett, als er dreimaliges deutliches Klopfen am Kopfende des Bettes, wie von einer Rute, vernahm. Dieses Ereignis sowie andere Zeugenaussagen überzeugten ihn völlig von der Existenz der Geisterwelt.
W.: Remaines of Gentilisme and Judaisme. London, 1881; Miscellanies upon Various Subjects. To which
is Added Hydriotaphia; or, Urn Burial by Sir Thomas Browne. London, 1890.
Lit.: Briggs, Katharine Mary: A Dictionary of Fairies, Hobgoblins, Brownies, Bogies and Other Supernatural Creatures. London: Allen Lane, Penguin Books Ltd., 1976.
Aud, „die Tiefsinnige“, historische Frauengestalt, die sich nach dem Tod ihres Mannes, eines irischen Wikingerkönigs, um 890 im westlichen Island niederließ und zur typischen „Landnahmefrau“ und Stammmutter in der isländischen Saga wurde. Sie war Christin und gilt als frühes Zeugnis irischen Kultureinflusses auf Island.
Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.
Audhumla (Audum(b)la, Audhumbla, „die Milchreiche“), in der nordgermanischen Mythologie die Urkuh der Urzeit, aus deren Euter stets Milch floss. Sie erschien zu Beginn der Schöpfung als erstes Tier und beleckte mit ihrer Zunge das salzige Eis, bis der erste Mensch hervorkam. Sein Name war > Buri (der Erzeuger): Am ersten Tag entstand ein Haar, am zweiten der Kopf und am dritten der ganze Mensch. Aus den Zitzen der A. flossen vier Milchströme, die u. a. dem Urriesen > Ymir als Nahrung dienten, der wie A. aus einem Wassertropfen des am Rande von > Muspelheim durch Feuerfunken zum Schmelzen gebrachten Eises entstand. Manche altnordischen Tierornamente werden als Darstellung der A. interpretiert. Eine Urkuh als Mutter der Welt findet sich auch in der indischen Mythologie.
Lit.: Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie. Unveränd. Nachdr. der 4. Aufl. mit Bearb. von Elard H. Meyer 1875 – 78. Wiesbaden: Fourier Verl, 2003, Bd. III, S. 160.
Audi, vide, tace (lat., „höre, schaue, schweige“), Motto der englischen Großloge seit 1813, das eine in allen Weltliteraturen sprichwörtliche Lebensregel aufgreift, die der Aussage Cäsars – veni, vidi, vici – nachempfunden ist und im > Drei-Affen-Motiv zum Ausdruck kommt. Nach Henry W. Coils Masonic Encyclopedia stammt das Motto aus alten französischen Freimaurergraden.
Lit.: Coil, Henry Wilson: Coil‘s Masonic Encyclopedia. Ed. by William Moseley Brown. Rev. ed. by Allen E. Roberts. Richmond, Va.: Macoy Pub. & Masonic Supply Co, 1996.
Audianer, nach dem Mesopotamier ’Awd (griech. Audios, 4. Jh.) benannte Sekte im Vorderen Orient. Audios war ein sehr angesehener Asket, kämpfte gegen die lockeren Sitten des offiziellen Klerus und veranlasste kurz nach dem Nicaenum, dessen Osteredikt er verwarf, den Bruch mit der Reichskirche. Illegal zum Bischof geweiht, wurde er in das Gebiet der Skythen verbannt, wo er die Goten am Schwarzen Meer missionierte. Nach seinem Tod kehrten die Anhänger in den Orient zurück, wo bald der Verfall der Bewegung einsetzte. Um 376 war die Mehrzahl der audianischen Klöster bereits aufgegeben, doch sind Anhänger bis zum 5. Jh. bezeugt. Die A. lehrten einen Anthropomorphismus und entwickelten eine Gnosis astrologischer Richtung mit leibfeindlichem Dualismus. Ihre reiche Literatur (Apokalypsen und Visionen) ist nur in Titeln und Fragmenten erhalten.
Lit.: Schmidt, Kurt Dietrich: Die Bekehrung der Germanen zum Christentum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1939; Reallexikon für Antike und Christentum I. Stuttgart, 1941, S. 910 – 915.
Audition (lat. audire, hören; auditio, das Anhören) bezeichnet ein Hören mit dem „inneren Ohr“ ohne feststellbare Gehörwahrnehmungen. Das Gehörte bricht unversehens als Sprache, Musik, Rauschen usw. über die betreffende Person herein. A.en weisen verschiedene Intensitätsgrade auf und ereignen sich in unterschiedlichen Bewusstseinszuständen. So kann man zwischen halluzinativen, hypnopompen, luziden und ekstatischen A.en unterscheiden. Eine weitere Unterscheidung kann zwischen pathologischen, selbstbewussten und inspiratorischen A.en getroffen werden. Die betreffende Person ist dabei nur selten in der Lage, zwischen Eigenproduktion und Eingebung zu unterscheiden. Harmonische Sinnhaftigkeit des Gehörten und persönliche Selbstkontrolle sprechen gegen eine pathologische A.
Religionsgeschichtlich wird die A. als Privileg weniger von einer Gottheit Erwählter verstanden, wie etwa der Propheten des Alten Testaments (Jes 6, 1 – 13; 40, 3 – 8; Jer 1, 4 – 10; Ez 1, 28; Dtn 4, 12; 1 Kön 19, 13), beim Auftreten Jesu (Mt 3, 17; 17, 5), bei Bekehrungen (Apg 9, 1 ff.) u. in der Mystik. Dabei kann die A. als geistiger Vorgang auch den Körper erschüttern. Eingehende Untersuchungen der A. stehen zur Zeit noch aus.
Lit.: Lhermitte, Jean: Echte und falsche Mystiker. Luzern: Räber & Cie., 1953; E. Benz: Die Vision. Stuttgart, 1969; Heiler, Friedrich: Erscheinungsformen und Wesen der Religion. Stuttgart u. a.: Kohlhammer, 1979.
Audition colorée (fr., Farbenhören), bei manchen Menschen vorkommende Form der > Synästhesie, wobei einzelne Töne oder Klänge bestimmte Farberlebnisse hervorrufen, wie z. B. der Ton C die Vorstellung von Blau, der Klang der Trompete die Vorstellung von Rot.
Lit.: Flournoy, Théodore: De Phénomène de synopse: audition colorée; photismes, schèmes visuels, personifications. Paris: Alcan, 1893; Suarez de mendoza: L’audition colorée. 2., überarb. u. erg. Ausg. Paris: Soc. D’ed. scient., 1899; Mahling, Friedrich: Das Problem der „Audition colorée“. Leipzig: Akad. Verl. Ges., 1926; Bos, Maria C.: Über echte und unechte audition colorée. Leipzig: Barth, 1929.
Auditive Agnosie (lat. / griech., Gehörunkenntnis). Geräusche, Klänge oder Töne lassen sich nicht mehr erkennen oder können nicht zugeordnet werden.
Lit.: Lexikon der Psychologie: Erster Band: A bis E. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2000.
Audros, von den alten Polen und Schlesiern verehrter Gott des Wassers, der Flüsse und des Meeres.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Audumla > Audhumla.
Auerhahn (lat. tetrao urogallus), gehört zur Familie der Raufußhühner (Tetraonidae) und zur Ordnung der Hühnervögel (galliformes). Er ist von Skandinavien über Mitteleuropa und vom Balkan durch die Nadel-, Laub- und Mischwaldzonen sowie die russischen Waldsteppen und die Kiefernwälder Südwestsibiriens ostwärts bis zum Baikalsee verbreitet. Kleine Verbreitungsinseln gibt es auch noch in den Pyrenäen und in Schottland. Der A. ist der größte europäische Waldhahn, der bis zu 6 kg schwer werden kann. Seine Grundfärbung ist dunkelgrau bis schwarz. Die Schwingen und die Befiederung seiner Ständer sind braun. Er hat einen weißen Achselfleck und seine Brust weist ein metallisch blaugrün schillerndes Brustschild auf. Oberhalb seiner Augen besitzt er nackte, rote Rosen, die zur Balzzeit stark anschwellen.
Von Hildegard von Bingen wird der A. im Abschnitt „De Urhun“ in ihrer Naturkunde als heilkräftig erwähnt: „Der Auerhahn ist warm und etwas feucht und deshalb für Gesunde und Kranke bekömmlich. Wenn ,Maden‘ oder andere Würmer den Menschen fressen, soll man die Blase des Auerhahns pulverisieren und das Pulver auf die Geschwürstellen streuen. Wenn die Maden davon fressen, sterben sie“ (Hildegard von Bingen, 109). Eine im Schatten getrocknete und als Amulett getragene Auerhahn-Zunge solle gegen Epilepsie helfen (Hovorka, I, 43). In Norwegen wurde das Herz des Auerhahns zum Schutz vor Schlangen und Bezauberung als Amulett am Arm getragen (Höfler, 251).
Lit.: Vergleichende Volksmedizin: eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin / unter Mitw. v. Fachgelehrten hrsg. von O. v. Hovorka und A. Kronfeld. Stuttgart: Strecker & Schröder, 1908; Hildegard von Bingen: Naturkunde. Das Buch von dem innern Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe. Salzburg: Otto Müller Verlag, 41989; Höfler, Max: Die volksmedizinische Organotherapie und ihr Verhältnis zum Kultopfer. Stuttgart; Berlin; Leipzig, 1908; 1994.
Aufaniae (Deae Aufanie), eine Triade von Muttergöttinnen, die von den kelto-germanischen Stämmen des Rheinlands angebetet wurden. Im zweiten und dritten Jh. stellten römische Legionäre und Einheimische im Rheinland, in der Eifel und im Dürener Land zahlreiche Weihesteine für diese Triade auf. Die Soldaten erkannten mit der Verehrung der Matronen die wirkungsvolle Schutz- und Segenskraft dieser wohl ursprünglich keltischen Göttinnen im fremden Land an. Auf allen Steinen hat diese Dreiheit immer die gleiche Form: Zwei göttliche Frauen beschützen die jungfräuliche Göttin in ihrer Mitte. Auf ihrem Bildnis tragen die Matronen häufig einen Halsschmuck mit einem Mondanhänger. Die überdimensionalen Hauben erinnern an Mondsicheln.
Der Beiname „Aufaniae“, der hauptsächlich in Bonn, Köln, Nettersheim und Zülpich vorkommt, wird von au fanja (am Moor) abgeleitet, doch werden die berühmten Aufaniae auch als „die Hohen“ oder „die Erhabenen“ gedeutet.
Die Dreiheit der Göttinnen lässt zusätzlich an die germanischen > Nornen denken, die als zauber- und heilkundige Schicksalsgöttinnen den Lebensfaden in der Hand hielten.
Der Matronenkult floss dann in die christliche Tradition ein. So wurde Ursula, die nach der mittelalterlichen Legende von den elftausend getöteten Jungfrauen in der christlichen Verehrung übrig blieb, als Stadtpatronin Kölns zur Matrone der Kölner Frauen.
Lit.: Lange, Sophie: Wo Göttinnen das Land beschützen: Matronen und ihre Kultplätze zwischen Eifel und Rhein. Bad Münstereifel: Ed. Nebenan, 1995.
Auferstehung, das Hervorgehen zum Leben nach dem Tod durch natürliche Wandlung, durch Auferweckung oder durch Wiedergeburt.
Eine natürliche Wandlung vom Tod zum Leben finden wir im Orient bei den sterbenden und auferstandenen Gottheiten > Osiris, > Tamuz, > Adonis und > Attis, die als Vegetationsgottheiten das Sterben und Erwachen der Natur darstellen.
Die Auferweckung vom Tod kommt insbesondere im Judentum, Christentum und Islam zum Ausdruck.
Im Alten Testament bezieht sich die Auferstehung als Auferweckung zunächst mehr auf das ganze Volk. „Hauch diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden. Da sprach ich als Prophet, wie er mir befohlen hatte, und es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und standen auf – ein großes, gewaltiges Heer. … Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf“ (Ez 37, 9 – 10.12). Weiter ausgebildet wird die Lehre von der Auferstehung der Toten erst in der jüdischen Apokalyptik unter persischem Einfluss. Dabei zeichnen sich drei Richtungen ab. Die eine nimmt an, dass die Seele nach dem Tod unabhängig vom Körper weiterlebt (Spr 12, 28). Die andere ist der Ansicht, dass der Mensch an Leib und Seele stirbt, in der messianischen Zeit aber wiederbelebt wird und leiblich aufersteht zum ewigen Leben oder zur ewigen Abscheu ( Dan 12, 2). Nach einer dritten Lehrmeinung überlebt die Seele des Menschen den Tod, verbindet sich in messianischer Zeit mit dem Körper und steht leibhaftig auf. Im modernen Judentum spielt der Auferstehungsglaube nur mehr eine geringe Rolle.
Im Christentum ist die leibliche Auferstehung Christi das Grundfundament des Glaubens an die Auferstehung des Leibes am Jüngsten Tag und dessen Wiedervereinigung mit der Seele. Bis zum Jüngsten Tag lebt der Verstorbene als Seele fort. Nur Maria, die Mutter Jesu, entschlief in die Auferstehung an Leib und Seele bei ihrem Abschied von dieser Welt.
Im Islam schließt sich mit dem Tag der Auferstehung der Kreislauf des Lebens, der von seiner Erschaffung im Diesseits über den Tod hinaus zur Auferstehung ins Jenseits führt, die als neue Schöpfung durch Gott verstanden wird. Alle Autoren sind einhellig der Meinung, dass bei der Auferstehung der Körper des Menschen wiederhergestellt und mit der Seele vereinigt wird.
Die Reinkarnation oder Wiedergeburt ist nur indirekt als Auferstehung vom Tode zu bezeichnen, weil die Seele nicht in eine endgültige Vollendung mit dem einstigen Körper eingeht, sondern eine neue grobstoffliche Hülle annimmt, von der sie sich zu befreien sucht. Insofern kann nur von einer Auferstehung in Form einer Transmigration in einen neuen Körper gesprochen werden, der jedoch nichts mit „Person“ zu tun hat, sondern nur ein vorübergehendes Vehikel bildet.
In der Esoterik spielt die Auferstehung keine Rolle, weil die Frage des Fortlebens höchstens als Wiedergeburt zur Sprache kommt.
Lit.: Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.
Auferstehungsknöchelchen. Nach > Agrippa von Nettesheim gibt es im menschlichen Körper ein sehr kleines Bein, „von den Hebräern LUS genannt, das erbsengroß, unverweslich, selbst durch Feuer nicht zu zerstören, sondern unverletzbar ist. Aus ihm wird – nach der Juden Vorgeben – bei der Auferstehung der Toten unser neuer Körper hervorsprossen, wie die Pflanze aus dem Samen. Derartige Kräfte lassen sich jedoch nicht rational ergründen, sondern werden durch die Empirik erwiesen“ (Agrippa, 49 – 50). Darauf beruht auch das heute noch gültige Gesetz im Judentum, dass jüdische Friedhöfe nicht umgebrochen und für profane Zwecke verwendet werden dürfen.
Von diesem „Auferstehungsknöchelchen LUS“ ist von der althebräischen Literatur bis zu den anatomischen Büchern der Renaissance die Rede. Caspar Bauhinus versetzte es ins Rückgrat zwischen den 18. Wirbel und den Schenkelknochen, Hieronoydus Magus in die Hirnschale. Man identifizierte das Knöchelchen auch mit dem Steißbein (al ajib), das Muhammad (570 – 632) als unzerstörbar bezeichnet hatte, sowie mit dem Rabenschnabelfortsatz (Processus caracoideus), der am vorderen, mittleren Rand des Schulterblattes (scapula) sitzt.
Lit.: Bauhinus, Casparus: De corporis humani partibus externis: tractatus. Basileae: Episcopius, 1588; Bauhin, Caspar: Anatomica corporis virilis et muliebris historia. [S. l.], 1697; Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia / Auswahl, Einführung und Kommentar von Willy Schrödter. Remagen: Otto Reichl Verlag, 1967.
Auferstehungsleib, nach Paulus der überirdische Leib, der bei der Auferweckung der Toten den irdischen Leib ersetzt. „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leib gibt, gibt es auch einen überirdischen“ (1 Kor 15, 44). Ob dieser überirdische Leib mit dem feinstofflichen Leib verschiedener Weltan-
schauungen und Religionen verglichen werden kann, bleibt offen. Jedenfalls darf er nicht physizistisch als Wiederbelebung des Leichnams und damit als Verlängerung empirischer Materialität verstanden werden, da er nicht an Raum und Zeit gebunden ist (Resch, 118).
Lit.: Bautz, Joseph: Die Lehre vom Auferstehungsleibe nach ihrer positiven und speculativen Seite. Paderborn: Schoeningh, 1877; Wittig, Joseph: Novemberlicht: 3 Skizzen über Allerseelen, Totensonntag, okkulte Erfahrungen u. den Auferstehungsleib. Kempen-Niederrhein: Thomas-Verlag, 1948; Gössmann, Elisabeth: Was sagen heute die Reflexionen zum Auferstehungsleib in den christlichen Traditionen? In: Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie (FS Theodor Schneider). Mainz, 1995; Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.
Auferstehungspflanze oder Rose von Jericho werden drei verschiedene Pflanzenarten aus drei verschiedenen Familien genannt: anastatica hierochuntica, pallensis hierochuntica und selaginella lepidophylla.
Die echte Rose von Jericho ist die Anastatica hierochuntica L. (Cruciferae). Sie kommt von Nordafrika bis Vorderasien vor (Marokko bis Iran) und wird schon in der Bibel erwähnt. Die Muttergottes soll sie auf der Flucht von Nazareth nach Ägypten gesegnet und ihr ewiges Leben verliehen haben. Sie ist einjährig. Den Großteil des Jahres über sind die bräunlichen Blätter und Stengel knäuelförmig zusammengerollt und wirken, als ob sie tot wären. Nach Befeuchtung breiten sie sich aus, um die Früchte freizugeben (hygroskopische Bewegungen beruhen auf Quellmechanismen). Dies lässt sich beliebig wiederholen. Da man so die Pflanze immer wieder zum Leben erwecken kann, wird sie auch Auferstehungspflanze genannt und ist daher auch als Osterpflanze vermehrt im Angebot zu finden.
Zudem verbreitet die Rose von Jericho ein angenehm frisches und würziges Aroma und sorgt für gute Atemluft im Zimmer. Ausgetrocknet soll sie im Zimmer Ungeziefer, wie z. B. Motten, fernhalten. Wer die Rose von Jericho besitzt, dem sind angeblich Gesundheit, Glück, hohes Alter und Reichtum beschieden. Hält man die Pflanze über einen Menschen, so soll sie ihm alle negative Energie entziehen. Ein Sud aus der Pflanze soll bei Krämpfen und Geburten lindernd wirken.
Als traditionelle Auferstehungspflanze des Mittelalters gilt allerdings der > Löwenzahn.
Lit.: Schiller, Petra: Anatomische, physiologische und biochemische Anpassungen der aquatischen Auferstehungspflanze Chamaegigas intrepidus an ihren extremen Standort. [Mikrofiche-Ausg.], 1998; Die Rose von Jericho: christliche Pflanzenmärchen / ges. und nacherzählt von Walter Glöckner. Ill. von Heinz Renz. Remshalden: Hennecke, 2000; Bergmann, Marion: Die Rose von Jericho. Hohenwestedt: Broschat, 2002.
Auferstehungssymbolik. Bilder, Zeichen und Vorstellungen der Auferstehung finden sich bei allen Völkern und Religionen. Bei den außerbiblischen Völkern sind es die Astral- und Vegetationsmythen von sterbenden und auferstehenden Götten und die auf ihnen beruhenden Mysterien wie Tammuz (> Dumuzi) im Alten Orient, > Osiris in Ägypten, > Kore in Eleusis, > Adonis im hellenistischen Kulturkreis, > Attis in Phrygien.
Die jahreszeitliche A. ist der > Frühling, das Astralsymbol der Auferstehung ist neben dem > Mond die > Sonne. Das verbreitetste Agrarsymbol für Auferstehung ist die > Ähre. Als Tiere mit A. gelten > Adler, > Löwe, > Pfau, > Phönix, > Schmetterling, > Biene, > Skarabäus, > Lamm.
Im Christentum wird die A. zum Ausdruck der Auferstehung Christi, die vor allem in den Symbolen von > Fisch, > Kreuz, > Jonas und in einer Reihe anderer Gestalten und Zeichen zum Ausdruck kommt.
Lit.: Endres, Franz Carl: Alte Geheimnisse um Leben und Tod. Zürich u. a.: Rascher, 1938; Hentze, Carl: Tod, Auferstehung, Weltordnung: das mythische Bild im ältesten China, in den großasiatischen und zirkumpazifischen Kulturen. Mit Beiträgen von Herman Lommel; Hilde Hoffmann. Zürich: Origo, 1955; Rech, Photina: Inbild des Kosmos: eine Symbolik der Schöpfung. Salzburg u. a.: Müller, 1966; Das Buch der Zeichen und Symbole / I. Schwarz-Winklhofer; Biedermann, H. (Hrsg.). 3., verb. u. verm. Aufl. Graz: Verlag für Sammler, 1990; Lurker, Manfred: Wörterbuch der Symbolik. 5., durchges. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1991.
Auferweckung von den Toten > Totenerweckung.
Aufgang der Gestirne, ist nicht nur in der > Astrologie von besonderer Bedeutung, sondern ist vor allem auch kultisch von hoher Symbolik für das Leben bis hin zu den christlichen Wertungen des Aufgangs der > Sonne als Symbol für Christus.
Lit.: Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen / Begründet von Alfred Bertholet in Verbindung mit Hans Frh. von Campenhausen. 4. Aufl. / neu bearb., erg. u. hrsg. von Kurt Goldammer. Stuttgart: Kröner, 1985.
Aufhocker, > Geist, > Gespenst oder > Dämon, der schon im 15. Jh. in der deutschsprachigen Literatur erwähnt wird, in Spanien bereits um 1200. Der klassische A. oder Hockauf hockt sich ganz seinem Namen entsprechend auf den Rücken des Passanten auf bzw. springt ihm von hinten auf die Schultern und lässt sich tragen. Er wird dann mit der Zeit immer schwerer, so dass der Träger darunter zusammenbrechen kann. Der A. ist quasi das Pendant zum > Alp, der nicht auf dem Rücken, sondern auf der Brust drückt. Beide aber erscheinen in der Absicht, ihrem Opfer an den Hals zu gehen, ihm den Atem zu nehmen. So ist auch die Begegnung mit einem A., der nicht selten bei bedrückendem Nebel auftaucht und dem einsamen Wanderer einen gehörigen Schrecken einjagt, mit ungeheurer Angst verbunden. Der Betroffene fühlt sich wie gelähmt, und auch hier endet der > Spuk, wie beim > Alptraum, oft erst durch einen intensiven Aufschrei.
Lit.: Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde. Ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, ²1973 ff.; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Sagen und Erzählungen / nach mündlichen Ueberlieferungen aufgezeichnet und bearb. von der Freien Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde im Bezirkslehrerverein Asch. Zsgest. und eingel. von Wilhelm Fischer. Reprint [der Ausg.] Asch, Bezirkslehrerverein, 1932. – 1991.
Aufklärung, Bezeichnung für das Streben nach Beseitigung überkommener, nur auf Autorität angenommener Lehren und deren Ersatz durch eine pragmatische Lebensgestaltung mittels Vernunft, die zur obersten Autorität wird. Kant gibt hierfür in seinem Aufsatz vom 30. September 1784, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (Berlinische Monatschrift 1784, S. 516), folgende Definition: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ Er bezeichnet das 18. Jh. als das Zeitalter der A., weshalb der Ausdruck A. für jene geistige Bewegung gebraucht wird, die im 17. Jh. in England begann, sich im 18. Jh. in Frankreich (Enzyklopädisten) und Deutschland ausbreitete und zusehends die gesamte europäische Kultur erfasste.
Diese rein pragmatische und vernunftbetonte Bewegung verkennt jedoch, bei allem Erfolg in Wirtschaft und Wissenschaft, bis heute nicht nur die Bedeutung des Gefühls und des ganzheitlichen Erkennens, sondern auch alle nicht rational begründbaren Erlebnisse und Erlebnisformen. Davon ist auch der gesamte Bereich des Paranormalen betroffen.
Dem entzog sich die experimentelle Parapsychologie durch Beschränkung ihres Arbeitsfeldes auf messbare oder statistisch auswertbare Forschungsbereiche unter Verzicht auf das Spontanereignis und individuelle Einzel-
erlebnis. Dies hat zu einer Verarmung der Parapsychologie und als Gegenreaktion zu einer enormen Ausweitung der Esoterik geführt. Demgegenüber steht die von Andreas > Resch ins Leben gerufene > Paranormologie allen Untersuchungsmethoden, persönlichen Erfahrungsformen und geschichtlichen Beschreibungen offen, zumal auch das mit Vernunft Nicht-Erklärbare von Lebensbedeutung sein kann.
Lit.: Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen. Innsbruck: Resch, 1992 (Imago Mundi; 13); ders.: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15); Schaare, Jochen: Von der Illusion zur Realität: Beiträge zu einer Philosophie der Aufklärung, des Realismus und der Lebenskunst. Neustadt am Rübenberge: Lenz, 2003; Schulz, Eberhard G.: Durch Selbstdenken zur Freiheit: Beiträge zur Geschichte der Philosophie im Zeitalter der Aufklärung. Hildesheim: Olms, 2005.
Aufmerksamkeit, das Ausrichten des Bewusstseins auf bestimmte Wahrnehmungsinhalte, wozu eine erhöhte Wachheit und eine aktive Auffassungsbereitschaft erforderlich sind. Eine andauernde erhöhte Aufmerksamkeitshaltung nach außen kann aber auch zur Verminderung bis zum Verlust der Innenschau führen und so die Pflege des Selbst gefährden. Daher ist A. nur punkthaft nach außen und ansonsten nach innen zu richten, um die eigenen Gefühls-, Denk-, Handlungs- und Verhaltensmuster wahrzunehmen und zu gestalten. Spiritistische und esoterische Schulen betonen die Möglichkeit, die A. auf sein eigenes „Aufmerksam-Sein“ zu richten, um so das Bewusstsein zu erweitern. Die Aufmerksamkeit nach innen muss jedoch offen bleiben für Eingebungen und Inspirationen und sich dabei stets wieder nach außen wenden, um nicht die Realitätskontrolle zu verlieren und vom Innenraum nicht eingeschlossen zu werden, sei es durch habituelle Isolation oder durch psychotische Einkapselung.
Lit.: Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990; Gadenne, Volker: Bewusstsein, Kognition und Gehirn: Einführung in die Psychologie des Bewusstseins. Bern u. a.: Huber, 1996.
Aufnahme Mariens in den Himmel, Maria Himmelfahrt, in der katholischen Kirche die vierte und letzte auf Maria bezogene Glaubenslehre (Dogma), die besagt, dass Maria am Ende ihres Lebens mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Die Lehre taucht zuerst in verschiedenen neutestamentlichen > Apokryphen des 4. Jhs. auf und wurde aufgrund der Aussagekraft einer Passage bei Pseudo-Dyonysios im 7. Jh. von orthodoxen Kreisen übernommen. Pius XII. verkündete dann in seiner Apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus vom 1. Nov. 1950: „Es ist von Gott geoffenbarte Glaubenslehre, dass die Unbefleckte Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau Maria nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“ Diese Lehräußerung hat vielfache Kritik hervorgerufen, besagt sie doch, dass Maria nicht der Verwesung anheimgefallen ist, sondern am Ende ihres Lebens auch dem Leibe nach verherrlicht wurde. Man spricht daher auch nicht vom Tod, sondern von der Dormitio, dem Entschlafen Mariens. Ihr Leib wurde im Entschlafen in den > Auferstehungsleib verwandelt.
Lit.: Die sonnenbekleidete Frau: d. leibl. Aufnahme Marias in d. Himmel, Überwindung d. Todes durch d. Gnade / Hrsg.: German Rovira. [Autoren: Udo-Volkmar Brederecke …]. Kevelaer: Butzon und Bercker, 1986; Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Hgg. von Peter Hünermann. Freiburg i. Br.: Herder, 392001.
Aufstieg, zentraler Begriff der > Mystik zur Bezeichnung des Weges zur Vereinigung mit Gott. Dieser Aufstieg besteht in der Beraubung und Läuterung der Seele von all ihren sinnlichen Gelüsten nach äußeren Dingen und von allen Annehmlichkeiten des Willens, um völlig frei für Gott zu sein.
Lit.: Des Heiligen Johannes vom Kreuz Aufstieg zum Berge Karmel / Nach der neuesten kritischen Ausgabe aus dem Spanischen übersetzt von P. Ambrosius a S. Theresia Ord. Carm. Disc. 4., unveränd. Aufl. München: Kösel, 1952.
Aufstiegsschemata, Stufenmodelle für den > Aufstieg des Mystikers zur Vereinigung mit Gott. Das Grundmodell all dieser Schemata ist die > Jakobsleiter (Gen 28, 12). Den Ausgangspunkt bildet die Unterscheidung von vita contemplativa (beschauliches Leben) und vita activa (tätiges Leben). Durch diese Zweiteilung entsteht das Drei-Stufen-Schema des mystischen Aufstiegs: 1. die Reinigung (griech. katharsis, lat. purgatio), 2. die Erleuchtung (griech. photismos, lat. illuminatio), 3. die Vollendung (griech. teleiosis, lat. pefectio). > Bonaventura gliedert die drei Stufen in seiner Schrift De triplici via jeweils nochmals dreifach: 1. Reinigung in: a) Erinnerung an die Sünden, b) Selbstprüfung, c) Betrachtung des Guten; 2. Erleuchtung in: Betrachtung a) vergebener Sünden, b) erwiesener Wohltaten, c) verheißener Belohnungen; 3. Vollendung in: a) Anhäufung, b) Entzückung, c) Auflodern des Feuers der Weisheit.
Häufig begegnet man einem Siebenerschema wie bei > Aegidius von Assisi, einem der ersten Gefährten des hl. Franz von Assisi, das zwar ziemlich unsystematisch ist, aber große Wirkung zeigte und folgende Grade aufweist: > Feuer, > Salbung, > Ekstase, Beschauung, Schmecken, Ruhe und Herrlichkeit. Der Franziskaner Rudolf von Biberach verfasste im 14. Jh. das Werk De septem itineribus aeternitatis (Über die sieben Wege zur Ewigkeit), und > Angela von Foligno spricht sogar von 30 Schritten; tatsächlich enthält das Werk Memorial nur 26. In seiner psychologischen Betrachtung des geistigen Weges zur Vollendung gliedert Andreas > Resch den Aufstieg nach den Bewusstseinszuständen, in denen sich der Vollendungsprozess verwirklichen kann: Protobewusstsein (Urbewusstsein), Bewusstsein, Luzidität, Ekstase, Psychostase und Pneumostase (Vollendung).
Lit.: [Aurea verba sancti Egidi] Dicta beati Algidi Assisiensis / Aegidius Assisias. Ad Claras Aquas (Quaracchi): Collegium S. Bonaventurae, 1905; Rudolfus <de Biberaco>: Die siben strassen zu got: Die hochalemann. Übertr. nach d. Hs. Einsiedeln 278 / Rudolf von Biberach. Hrsg. u. eingel. v. Margot Schmidt. Quaracchi / Florentiae: Collegium S. Bonaventura, 1969; Bonaventura, Sanctus: De Triplici via = Über den dreifachen Weg. Übers. und eingel. von Marianne Schlosser. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 1993; Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15); Angela of Foligno’s Memorial: Translated from Latin with Introduction, Notes and Interpretive Essay / Cristina Mazzoni. Cambridge: Brewer, 1999.
Aufu, im alten Ägypten Bezeichnung für den physischen Körper mit seinen Muskeln und Knochen, Blut und Innereien, den Drüsen und dem Nervensystem. A. ist jedoch wie eine Maschine, die in all ihren Anlagen von mechanischen Funktionen angetrieben wird, wie Instinkten, biologischen Trieben, Sinneswahrnehmungen und begrenzten angelernten Verhaltensformen. Die Steuerung erfolgt durch das Gehirn, das jedoch nur so weit entwickelt ist, als es mit den vier anderen, subtileren Körpern und der Seele in Verbindung steht, aber über kein höheres Bewusstsein verfügt. Die vier anderen Körper heißen > Ka, das Ebenbild, > Haidit, der Schatten, > Khu, der magische Körper, und > Sahu, der spirituelle Körper. Diese haben großen Einfluss auf A.
Lit.: The Goddess Sekhmet: the Way of the Five Bodies / by Robert Master. Amity, N. Y.: Amity House, 1988.
Aufwachträume, Träume, die zum Erwachen führen oder beim Aufwachen noch erlebt werden. Bei den Träumen, die zum Erwachen führen, handelt es sich meist um Träume, die Furcht erregen oder inhaltlich vom Träumenden verneint werden und so zur Flucht in das Erwachen führen. Hingegen sind die Träume, die tief in das Wachwerden hineinreichen und das Wachsein nicht selten noch eine Zeit lang begleiten, meist von angenehmen Empfindungen und Gedanken besetzt, sodass zuweilen die Sehnsucht des Weiterträumens sogar zu einer kurzen Rückkehr in die Geborgenheit des Bettes führt bzw. zu einer Bremsung des vollen Wachwerdens. Hier öffnet sich die Nahtstelle zum > Wachtraum und > Klartraum.
Lit.: Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. Über den Traum. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 41968; Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990 (Imago Mundi; 12); Schneider, Johannes W.: Träume: ihre Entstehung und ihre Deutung. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 1999.
Aufwärts, abwärts > abwärts, aufwärts.
Aufziehen, Form der Folter, die beim Verhör der Hexen in Europa weit verbreitet war. Eine der frühesten Erwähnungen besagt, dass sie in Piemont 1474 angewendet wurde. In den italienischen Gerichten sprach man damals von tratti di corde (Seilzüge). Später wurde A. in Schottland und anderen europäischen Ländern als wirksames Mittel zur Erpressung von Geständnissen angewandt. Die Arme wurden am Rücken zusammengebunden, dann wurde das Opfer bis an die Decke der Folterkammer hochgezogen, sodass sich die Schultern ausrenkten, ohne sichtbare Zeichen einer körperlichen Misshandlung zu hinterlassen. Um die Wirkung zu erhöhen, brachte man an den Füßen Gewichte an.
Lit.: Pickering, David: Lexikon der Magie und Hexerei. Dt. Erstausgabe. Augsburg: Weltbild-Verl. Bechtermünz, 1999.
Auge, das wichtigste Sinnesorgan des Menschen, wird in der Symbolik immer mit Licht und geistiger Weitsicht verbunden. Es ist der Spiegel der Seele und des geistigen Ausdrucks, das nicht nur wahrnimmt, sondern auch „Kraftstrahlen“ aussendet.
In Ägypten galten Sonne und Mond als Augen des Himmelsgottes > Horus und die > Uräusschlange wurde mit dem feuerspeienden A. des Sonnengottes gleichgesetzt. Als Amulett war das sogenannte Udjat-Auge, das Falkenauge des Horus, in Verwendung, das auf einem krummstabähnlichen Szepter aufruht und Weitsicht und Allwissenheit symbolisiert, während das Szepter selbst für Herrschergewalt steht. Der > Buddhimus kannte das > dritte Auge als Symbol der inneren Schau.
Bei den Griechen hatte > Helios den Beinamen Panóptes, „der alles Sehende“.
In der > Bibel erscheint das Auge als Wachsamkeit, Allwissenheit und beschützende Gegenwart Gottes. Die Israeliten nannten in früherer Zeit die Propheten „Seher“ (1 Sam 9, 9), und die Cherubim der Vision des > Ezechiel sind als Lichtträger ringsum mit Augen angefüllt (Ez 10, 12). Das Auge gibt dem Körper Licht, denn: wenn er leuchtet, ist er gesund (Mt 6, 22). Gottes Augen sind allgegenwärtig und allwissend (Hebr 4, 13). So ist in der christlichen Ikonographie das Auge, von Sonnenstrahlen umgeben, in einem Dreieck mit nach oben weisender Spitze ein allbekanntes Symbol der göttlichen Allgegenwart bzw. der hl. Dreifaltigkeit.
Augenleiden wurden vielfach mit religiösem Brauchtum, Augensegnung und Augenwaschung in heiligen Quellen behandelt.
Das Auge übt aber auch eine Macht aus. Der > Böse Blick (ital. malocchio) ist bis heute gefürchtet und Motiv für die Herstellung zahlloser Amulette. In den altirischen Heldensagen konnte auf dem Schlachtfeld der „Böse Blick“ des Königs Balor, eines Angehörigen des Formorier-Volkes, wirksam werden, wenn vier Männer sein Augenlied hochhoben. Doppelpupille, zusammengewachsene Brauen, Triefaugen und Einäugigkeit gelten als Zeichen des Zauberers und der Hexe. Lidzucken wird als Ankündigung eines wichtigen Ereignisses gedeutet. Böse Wesen und solche mit großen magischen Kräften sollen Augen besitzen, die versteinern und wehrlos machen. Die Augen der Riesen können allein durch ihren Blick töten, genauso wie der > Basilisk. Schließlich bedeutete ursprünglich „dem Toten die Augen schließen“, ihn unschädlich machen.
Lit.: Rienschneider, Margarete: Augengott und heilige Hochzeit. Leipzig: Koehler & Amelang, 1953; Koenig, Otto: Urmotiv Auge: neuentdeckte Grundzüge menschlichen Verhaltens. Mit 162 Zeichn. von Lilli Koenig. [Erarb. im Inst. für Vergleichende Verhaltensforschung d. Österr. Akad. d. Wiss.]. München; Zürich: Piper, 1975; Seligmann, Siegfried: Der böse Blick und Verwandtes: e. Beitr. zur Geschichte d. Aberglaubens aller Zeiten u. Völker; 2 Bde. in e. Bd. Hildesheim: Olms, 1985; Terhart, Franjo: Das magische Auge. Goldebek, Nordfriesl.: Mohland, 2005.
Auge Gottes, ein in der Bibel und in der apokryphen wie patristischen Literatur geläufiger Begriff zur Bezeichnung der Allgegenwart und Allwissenheit Gottes. Als selbständiges Bildmotiv tritt es erst zu Beginn des 15. Jhs. auf und ist dabei oft von einem Strahlenkranz umgeben. Ab dem 17. Jh. kann auch ein Dreieck als Symbol der Dreifaltigkeit hinzutreten.
Lit.: Schleusener-Eichholz, Gudrun: Das Auge im Mittelalter. München: Fink, 1985.
Auge, allsehendes > Allsehendes Auge.
Auge, himmlisches (sanskr. divyacaksus), ist das 5. > abhijna, die Fähigkeit, die Fährten der Wiedergeburt aller Wesen und das darin wirksame Karma-Prinzip zu erkennen. > Buddha erlangte das h. A. in der zweiten Nachtwache seiner Erleuchtung.
Lit.: Das Lexikon des Buddhismus: Grundbegriffe, Traditionen, Praxis; Bd. 1: A – M / Klaus-Josef Notz (Hrsg.). Orig.ausg. Freiburg i. Br.: Herder, 1998.
Auge, zweites > Zweites Auge.
Augeas oder Augias (griech.), König von Elis. Seine Abstammung ist unsicher. Man gibt ihm > Helios oder > Neptun und verschiedene Nymphen zu Eltern. Bekannt wurde er als einer der > Argonauten und noch weit mehr durch sein Verhältnis zu > Herakles. A. war im Besitz riesiger Viehherden, deren Ställe viele Jahre nicht ausgemistet wurden, bis Herakles auftrat, der an seinem Stall die Kräfte, die > Jupiter ihm verliehen hatte, erprobte. Er reinigte den Stall, indem er die beiden Ströme Alpheus und Peneus durch die Stallungen leitete. Dieser Augiasstall steht im übertragenen Sinn für sprichwörtliche Unordnung und Verschmutzung.
Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg u. a.: Herder, 2002; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Augenamulett, Schutz vor dem > bösen Blick und vor bösen Taten. Das A. ist vielfältig und wurde schon früh eingesetzt. So galt sowohl der schwarze als auch der braunrötliche > Sardonyx in Mesopotamien, vor allem aber bei den antiken Griechen und Römern als Augenamulett schlechthin. Die Kraft wurde durch magische Gravuren noch verstärkt. Die Hochschätzung des > Onyx im Abendland beruht auf den bekannten Zitaten in der Bibel (Ex 28, 20; Sir 24, 15; Ez 28, 13, Offb 21, 20). Onyx hilft bei der Abwehr des „bösen Blicks“. > Steine mit einer ungewöhnlichen Zeichnung, wie das Belusauge (Bel oculus), verschaffen – in der Hand getragen – helle, klare Augen. Andere Steine, wie der Augenachat, das Katzenauge oder der Malachit, schützen gleich dem Sardonyx vor bösem Blick, Bezauberung und jedem Unfall. Neben den Steinen dienten auch > Tieraugen, meistens gedörrt, als Schutzamulette. Ein Bärenauge schützt die Kinder vor nächtlicher Furcht und Krämpfen, ein Fledermausauge macht unsichtbar usw.
Auch im > Islam finden sich Augenamulette in Form eines Auges und eines Spitzpantoffels gegen den bösen Blick des Neiders. Die Farbe des Augenamuletts ist stets blau, da der Farbe Blau selbst eine schützende Wirkung nachgesagt wird. So soll durch das Augenamulett der böse Blick des Neiders widergespiegelt werden und auf diesen selbst zurückfallen. Häufig werden auch Mischformen verwendet. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die Kombination der „Hand der Fatima“, der Tochter Mohammeds, mit dem blauen Auge. Es gibt sogar Hand- und Augenamulette mit Koranversen, insbesondere mit Schutzsuren.
Lit.: Köhler, Heinrich Karl Ernst von: Untersuchung über den Sard, den Onyx und den Sardonyx der Alten. Göttingen: Dieterich, 1801; ders.: Antwort auf die Einwürfe gegen die Untersuchung über den Sard, den Onyx u. den Sardonyx der Alten. Leipzig: Baumgärtner, 1802; Vergleichende Volksmedizin: eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin / unter Mitw. von Fachgelehrten hrsg. von O. v. Hovorka und A. Kronfeld. Stuttgart: Strecker & Schröder, 1908; Seligmann, Siegfried: Der böse Blick und Verwandtes: e. Beitr. zur Geschichte d. Aberglaubens aller Zeiten u. Völker; 2 Bde. in e. Bd. Hildesheim u. a.: Olms, 1985; Rakoczy, Thomas: Böser Blick, Macht des Auges und Neid der Götter: eine Untersuchung zur Kraft des Blickes in der griechischen Literatur. Tübingen: Narr, 1996.
Augenbinde, Symbol des Nichtsehens: bei > Eros die durch die Liebe verursachte Blindheit, in der Synagoge die Verstocktheit und Verblendung Gott gegenüber; bei > Justitia das Richten ohne Ansehen der Person; bei > Fortuna die Willkür bei der Zuteilung des Glücks; beim Hinrichtungsopfer als Schutz für den Vollstrecker; bei den Magiern Vortäuschen von Blindheit zur Verstärkung des Eindrucks seiner Darbietungen; bei Experimenten zur Ausschaltung der Sinneswahrnehmung des Auges.
Lit.: Moser, Fanny: Das große Buch des Okkultismus: originalgetreue Wiedergabe des zweibändigen Werkes „Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen“ / M. e. Geleitw. von Hans Bender. Olten; Freiburg i. Br.: Walter, 1974; Lenz, Siegfried: Die Augenbinde: Schauspiel. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1990.
Augenblicksastrologie, Erstellung des > Horoskops im Augenblick der Begegnung von Astrologe und Fragesteller mit Blick auf die Zukunft.
Lit.: Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995.
Augenblicksgott, vom Religionsphilosophen und klassischen Philologen Hermann Usener (1834 – 1905) geprägter Begriff zur Bezeichnung eines aus dem Augenblickserlebnis heraus geborenen Gottes, z. B.: der Blitzgott > Keraunos, > Aius Locutius oder > Rediculus (Gott der Rückkehr), der Hannibal und seinem Heer erschien, das nach der Schlacht von Cannae nach Rom marschierte, ihn in Schrecken versetzte und zur Umkehr veranlasste.
Lit.: Usener, Hermann: Götternamen: Versuch einer Lehre von der religiösen Begriffsbildung / Mit Geleitw. von Martin P. Nilsson und Eduard Norden. 4., unveränd. Aufl. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2000.
Augenbraue, die parallel stehenden Haare in der Höhe des oberen Augenhöhlenrandes als Blend-, Schweiß- und Staubschutz. Diese eminente Stellung der A. hat zu zahlreichen Deutungen geführt. Nach der eddischen Überlieferung der altnordischen Grímnismál wurde aus > Ymirs A. die Erde > Midgard erschaffen.
Haare aus der rechten A. und Krähenblut wurden zur Krankheitsbehandlung verwendet. Bleibt die A. eines Menschen am Kleid des anderen hängen, so ist dieser angeblich verhext und kann nur durch Verbrennen der A. davon befreit werden. Menschen mit starken und borstigen A. sollen viel denken und zur Traurigkeit neigen. Hingegen seien dünngesäte A. Zeichen eines schwachen Charakters. Geschwungene A. seien ein Zeichen von Ehrgeiz und Stolz. Zusammengewachsene A. waren für > Aristoteles und die alten Physiognomiker Anzeichen von Melancholie, im alten Indien hingegen Zeichen der Zauberei.
Lit.: Seligmann, Siegfried: Die Zauberkraft des Auges und das Berufen: ein Kapitel aus d. Geschichte d. Aberglaubens. Hamburg: L. Friederichsen & Co., 1922; Blom, Dorothea: Tyding efter en Grunntake av Grimnismêal et Edda-Kvede. Starvanger, 1937; Hertz, Wilhelm: Der Werwolf: Beitr. zur Sagengeschichte. Unveränd. Neudr. d. Ausg. von 1862. Walluf (bei Wiesbaden): Sändig, 1973.
Augenbrauen- und Wimpernweissagung. Augenbrauen und Wimpern sind die eindrucksvollste Ausschmückung der Augen, der „Fenster der Seele“ des Menschen nach außen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Augenbrauen und Wimpern zu zahlreichen Deutungen führten:
Lange Brauen werden als feminine Feinfühligkeit und Aufmerksamkeit, dichte, buschige Brauen als Ausdruck eines unheimlichen, energischen Charakters, starke und borstige Brauen als nachdenklich und zur Traurigkeit neigend interpretiert. Wellenförmige Brauen, abwärts zur Nase und aufwärt zu den Schläfen, sprechen angeblich für Schamlosigkeit und Stumpfsinn, geschwungene Brauen hingegen für Ehrgeiz und Stolz. Zusammengewachsene Augenbrauen deutete bereits > Aristoteles als Zeichen für Griesgrämigkeit und Melancholie. Menschen ohne Augenbrauen sollen direkt aus dem Reich der Geister kommen, faul und antriebsschwach sein und weder geradeaus noch in die Ferne schauen können.
Wimpern sind nicht minder aussagekräftig. Niedergeschlagene Wimpern deuten auf Neid, kurze auf Aggressivität, lange auf Hoffart und Unverschämtheit.
Lit.: Bauer, Wolfgang: Das Lexikon der Orakel: der Blick in die Zukunft. Orig.ausg. München: Atmosphären Verlag, 2004.
Augendiagnose > Irisdiagnostik.
Augenloses Sehen > Drittes Auge > Dermooptik.
Augennichts (nix), Zinksulfat, schwefelsaures Zink, das früher als Emetikum (Arzneimittel, das Erbrechen auslöst) verwendet wurde, heute aber nur noch äußerlich als Adstringens und Antiseptikum bei Bindehautentzündung, Urethritis und Vaginitis zur Anwendung kommt und in starker Verdünnung als Augenwasser und Augensalbe verabreicht wird. „Nix ist gut für die Augen, aber nicht für den Magen“ heißt es noch häufig in den Alpen. Die Entstehung dieses sonderbaren Namens führt man einerseits auf die Alchimisten zurück, die oxidiertes Zink als nix alba, als „weißen Schnee“, bezeichneten; andererseits auf die Bergleute, welche die metallischen Abscheidungen der Zinkerze mit „Nix“ benannten, weil es sich als weißes, flockiges, in der Luft herumfliegendes Pulver darstellte. Die des Latein unkundige Bevölkerungsschicht erklärte sich diesen lateinischen Namen auf ihre Art mit „nix = nichts“. Als man dann die medizinische Wirkung des Pulvers erkannte, übersetzten die Apotheker das volkstümliche „nix“ durch das lateinische nihil und nahmen es als nihilum album in ihre Arzneibücher auf. So wurde das lateinische Wort nix = Schnee, das vom Volk als „nichts“ gedeutet wurde, mit nihil übersetzt.
Lit.: Grabner, Elfriede: „Nichts ist gut für die Augen“. Heilchemie, Volksmedizin und Redensart um das „Augennix“ (Carinthia I, 152. Jg., Klagenfurt, 1962, S. 316 – 321); dies.: Krankheit und Heilen: eine Kulturgeschichte der Volksmedizin in den Ostalpen. Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss., 1997; Arends, Johannes: Volkstümliche Namen der Drogen, Heilkräuter, Arzneimittel und Chemikalien: eine Sammlung der im Volksmund gebräuchlichen Benennungen und Handelsbezeichnungen. Berlin u. a.: Springer, 2005.
Augensegen, Segnung der Augen zur Heilung von Augenleiden, wie Entzündungen, Flecken auf der Hornhaut oder Fremdkörpern im Auge, aber auch von schwacher Sehkraft oder Blindheit. Eine der ältesten Formen dieses Segens findet sich in den freien Randbereichen (Marginalien) der Handschrift CCCC MS.41 auf S. 182. Das Manuskript beinhaltet eine altenglische Abschrift von Bedas Venerabilis (673 – 735), Historia ecclesiastica gentis anglorum, und wird auf die Mitte des 11. Jhs. datiert:
Wið sarum eagum
Gegen Augenschmerzen:
Domine sancte pater omnipotens æterne deus
Heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott.
sana occulos hominis istuis .N.
Heile die Augen dieses Menschen N.,
sicut sanasti occulos filii tobi et multorum
so wie du die Augen des Sohnes von Tobiel und vieler
cecorum [quos domine tu es oculos cecorum] manus aridorum pes claudorum sanitas
[anderer] Blinder [heiltest] [Herr, du bist das Auge der Blinden,] die Hände der Armen, die Füsse der Hinkenden, das Wohl
egrorum resurrectio mortuorum felicitas
der Kranken, die Auferstehung der Toten, die Freude
martirum et omnium sanctorum oro domine ut
der Märtyrer und aller Heiligen. Ich bete, Herr, dass
erigas & inluminas occulos famuli tui .N.
du erhebst und erleuchtest die Augen deines Dieners N.
in quacunque ualitudine constratum medelis
In welcher Verfassung er auch sei, mit himmlischen Heilmitteln
celestibus sanare digneris tribue famulo tuo .N.
erachte ihn würdig, geheilt zu werden; gewähre deinem Diener N.
ut armis iustitie muniatur diabolo resistat et
dass, versehen mit den Waffen der Gerechtigkeit, er dem Teufel widerstehen mag und
regnum consequatur æternum .per.
er die ewige Herrlichkeit erlangt. Durch [den Herrn] (MS.41, S. 182)
Aus dem 12. Jh. stammt die christliche lateinische Aufzeichnung des Theclasegens. Der epische Text ist eine Umformung des alten marcellinischen > Dreijungfernspruches mit eingesetzten Heiligen und mit Gespräch statt Handlungen. Der berühmteste Name dabei ist Thecla, die Begleiterin des Apostels Paulus, die sehr früh als Augenpatronin verehrt wurde.
Die heute weithin verehrte Patronin der Augenleidenden und Blinden ist die hl. Odilia (Ottilia, 660 – 720), die blind geboren und bei der Taufe durch Bischof Erhard sehend wurde. Die Wallfahrten zu ihrem Heiligtum von Odilienberg im Elsass halten unvermindert an. Die sonntägliche Andacht in der Kapelle mit anschließendem Augensegen wird vom Dreifaltigkeitssonntag (1. Sonntag nach Pfingsten) bis zum 3. Oktobersonntag) gehalten.
Mit dem Kreuz, das die Reliquie der heiligen Odilia enthält, wird der Augensegen erteilt. Der Priester legt das Kreuz zuerst auf die Stirn des Bittenden und spricht folgendes Gebet:
„Auf die Fürbitte der heiligen Ottilia bewahre dich der Herr vor Augenleiden und vor allem Bösen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
Dann wird die Reliquie dem Bittenden zum Kuss hingehalten.
Lit.: Cockayne, Thomas Oswald: Leechdoms, Wortcunning, and Starcraft of Early England. Being a collection of documents, for the most part never before printed, illustrating the history of science in this country before the Norman Conquest. Collected and edited by the Rev. Oswald Cockayne. Anglo-Saxon & Eng. 3 vol. London: Longman & Co., 1864 – 66, S. 387; Weinhold, Karl: Ein hochdeutscher Augensegen in einer Cambridger Handschrift des 12. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 11 (1901), 79 – 82, hier 79 (mit Abdruck); Stöckle, Maria: Das Leben der hl. Odilia: Geschichtsquelle – Sage / Entwicklungsmärchen – hagiographisches Bild? St. Ottilien: EOS-Verl, 1991; Jünemann, Joachim: Die Kapellen der Heiligen Odilia: im Kraftfeld der Geomantie. Dransfeld: Selbstverl. d. Verf, 1992.
Augenstein, auch Agstein oder Ackstein, ist die Bezeichnung ganz unterschiedlicher Steine, deren Struktur, sei sie natürlich oder durch kunstvolle Bearbeitung entstanden, an ein > Auge erinnert. Es handelt sich häufig um einen > Achat, einen Obsidian oder auch um künstliche > Perlen.
Generell soll der A. vor dem > bösen Blick schützen. Das gilt für viele Kulturen. In Peru gab man den Toten früher einen A. mit in das Grab. Heute sind Augensteine zu begehrten Objekten für schamanistische Praktiken geworden und sollen ihre zauberische Heilkraft vor allem bei Augenkrankheiten entfalten, die auf > Dämonen zurückzuführen sind.
Im Mittelalter kannte man die Variante der aus Bäumen heraustropfenden Augensteine.
Lit.: Rätsch, Christian / Guhr, Andreas: Lexikon der Zaubersteine aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1989.
Augentrost (lat. euphrasia officinalis), Pflanze aus der Familie der Rachenblütler mit eiförmigen, gezahnten Blättern und weißen oder bläulichen Blüten, die von violetten Längsadern durchzogen sind. Die Blüte zeigt die „Signatur“ des Auges mit einem dunklen Fleck in der Mitte, der mit der menschlichen Pupille verglichen wird. Im Volksglauben gilt A. daher als Mittel gegen Augenkrankheiten. Dem Weidevieh soll A. die Milch entziehen, daher auch der Volksname „Milchdieb“. Ferner gilt der A. als > Orakel für die Zeit der Wintersaat. Blüht er oben an der Spitze besonders reichlich, kommt ein zeitiger Winter und es muss auch zeitig gemäht werden. A. wird zudem mit dem Einschlagen des Blitzes in Verbindung gebracht, weshalb man ihn auch „Gewitterblüml“ und „Donnerkräutchen“ nennt.
Lit.: Marzell, Heinrich: Neues illustriertes Kräuterbuch: eine Anleitung zur Pflanzenkenntnis unter besonderer Berücksichtigung der in der Heilkunde, im Haushalt und in der Industrie verwendeten Pflanzen sowie ihrer Volksnamen. 3., verb. Aufl. Reutlingen: Enßlin & Laiblins, 1935; Marzell, Heinrich: Geschichte und Volkskunde der deutschen Heilpflanzen. St. Goar: Reichl, 2002.
Augenzauber > Böser Blick.
Aughiskhy, irisch agh-iski, „Wasserpferd“, der keltischen Folklore entstammend. Die A. kommen bevorzugt im November aus dem Wasser und galoppieren am Strand oder auf den Feldern entlang. Falls es gelingt, sie von den Feldern wegzulocken und zu satteln, können sie zu den besten Reitpferden werden. Allerdings dürfe man nur landeinwärts mit ihnen reiten, denn wenn sie nur eine Spur von Salzwasser wittern, tragen sie ihren Reiter geradewegs in die Abgründe des Meeres, wo sie ihn dann verschlingen.
Lit.: Yeats, William Butler: Irish Fairy and Folk-Tales. London: Walter Scott, 1893; Briggs, Katharine Mary: A Dictionary of Fairies, Hobgoblins, Brownies, Bogies and Other Supernatural Creatures. London: Allen Lane, Penguin Books Ltd., 1976.
Augias > Augeas.
Augmentatio (lat., Vermehrung), alchemistische Handlung, bei der einem Stoff oder Präparat ein oder mehrere Stoffe hinzugefügt werden.
Lit.: Priesner, Claus / Figala, Karin (Hg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998.
Augoeides, von Aleister > Crowley verwendete Bezeichnung des heiligen Schutzengels, des höheren Selbst. Crowley formulierte auch verschiedene Augoeides-Anrufungen.
Lit.: Crowley, Aleister: Gesammelte Schriften. Bergen / Dumme: Kersken-Canbaz-Verl, 1993; Tegtmeier, Ralph: Magie und Sternenzauber: Okkultismus im Abendland. Erstveröff. Köln: DuMont, 1995.
Auguralwissenschaft (von lat. augur, Zei-
chendeuter), Lehre vom Vorraussagen künftiger Begebenheiten mit Hilfe irdischer Ereignisse. Zur A. gehören vor allem > Astrologie, > Mantik, > Traumdeutung, > Geomantie usw.
Lit.: Lehmann, Alfred: Aberglaube und Zauberei: von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart / Nach der 2., umgearb. dän. Aufl. übers. u. nach d. Tode d. Verfassers bis in die Neuzeit ergänzt v. Dominikus Petersen I. 5., unveränd. Aufl. Aalen: Scientia Verlag, 1985.
Augurelli, Giovanni Aurelio (1454 – 1537), humanistischer Dichter und Alchemist.
Lit.: Augurelli, Giovanni Aurelio – Ioannis Aurelii Augurelli p. ariminensis Chrysopoiae libri 3 et Geronticon liber 1 – Antverpiae – 1582; Augurelli, Giovanni Aurelio – I. Aurelii Augurelli Ariminensis poetae celeberrimi Carmina nondum vulgata – Arimini – 1818.
Auguren (lat. augur, Zeichendeuter), Wahrsager, die im antiken Rom als Beamte vom Staat in Anspruch genommen wurden, wenn wichtige politische oder militärische Entscheidungen bevorstanden. Die A. sollten dann mit verschiedenen Wahrsagetechniken die Zukunft befragen. Dabei wurden von den > Sehern die Zeichen ex avibus (aus dem Verhalten von Vögeln, wie Vogelflug und Vogelruf), ex coelo (aus Himmelserscheinungen, wie Blitz und Donner), ex quadrupedibus (aus Vierfüßlern), ex tripudiis (aus der Art des Fressens der Hühner), ex diris, (aus unheilvollen Vorahnungen) und andere natürliche Vorzeichen gedeutet, um den Willen der Götter zu erkunden. Bis zum Ende des 4. Jhs. gab es ein Auguren-Kollegium. Cicero, selbst Augur, verfasste sein Werk De auguriis über diese oft fälschlich als Priester bezeichneten Seher. Neben dem Wahrsagen erflehten die A. auch die Fruchtbarkeit der Felder und umgrenzten den Bereich der Tempel. In privaten Angelegenheiten wurden sie ebenso aufgesucht.
Die Kennzeichen des A. waren ein von den Etruskern entlehnter gekrümmter Stab, mit dem er die Tempel umgrenzte, sowie eine Trabea (Toga) mit scharlachroten Streifen und einem Purpursaum. Er stand auf einem Hügel nach Süden gewandt und zeigte mit seinem hölzernen Krummstab (lituus) jene Himmelsregion an, in der er seine Beobachtungen vornehmen würde.
Lit.: Harms, Bernhard: Auguren, Ahnen, Aquädukte: die römische Kultur in Entwicklung und Struktur. Teilausgabe mit den Kapiteln Staat und Gesellschaft /Recht / Zeittafel. Leer (Ostfriesland): Verl. Grundlagen u. Praxis, 1974; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981.
Augurium (lat., Zeichendeutung, Weissagung, Ahnung), Weissagung durch Seher der römischen Antike, den > Auguren, aus natürlichen Vorzeichen im Dienste der Gemeinschaft. Diese Vorzeichen konnten spontan auftreten oder von den Göttern erbeten werden. Als > Vorzeichen oder > Omen konnte praktisch alles gedeutet werden, vom Niesen bis hin zur Sternschnuppe. Beliebte Vorzeichen waren Blitz und Donner oder Himmelszeichen, wie der Flug der Kometen. Am beliebtesten war jedoch die > Ornithomantie, die Wahrsagung aus dem Geschrei, der Erscheinung, dem Flug und speziell aus dem Aussehen und der Anordnung der freigelegten Eingeweide von Vögeln.
Das Wahrsagen aus dem Aussehen von Tiereingeweiden im Allgemeinen ist hingegen als > Haruspizium zu bezeichnen, wenngleich es oft als Teil des A.s angesehen wird.
Das A. war nicht nur im antiken Rom, sondern auch bei den germanischen Völkern bekannt. So berichtet Adam von Bremen vom norwegischen König Olaf, dieser habe auf Vorzeichen von Vögeln all seine Hoffnung gesetzt und sei daher „Olaf Krähenbein“ genannt worden.
Synodalbeschlüsse des frühen Mittelalters prangerten diese Praktiken an und bereits im > Indiculus superstitionum, einem Verzeichnis von abergläubischen und heidnischen Gebräuchen aus dem Jahr 743, wird das A. erwähnt. Nikolaus Cusanus, der um 1446 in Deutschland predigte, zählt das A. zu den doppelten Todsünden.
Lit.: Saupe, Heinrich Albin: Der Indiculus superstitionum et paganiarum, ein Verzeichnis heidnischer und abergläubischer Gebräuche und Meinungen aus der Zeit Karls d. Grossen, aus zumeist gleichzeitigen Schriften erl. Leipzig: in Komm. d. J. C. Hinrichsschen Buchh., 1891; Petersdorff, Egon von: Dämonologie: Erster Band. Dämonen im Weltenplan / Einf. v. Ferdinand Holböck; Nachtr. u. Erg. v. Georg Siegmund. Stein am Rhein: Christiana-Verlag, 21982; Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Das große Handbuch der Magie: Handlesen, Wünschelrute, Biorhythmus, Graphologie, Hellsehen; Kartenlegen. München: Wilhelm Heyne, 31990; Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte / hrsg. von Bernhard Schmeidler. Hannover: Hahn, 31993, S. 91; Ruff, Margarethe: Zauberpraktiken als Lebenshilfe: Magie im Alltag vom Mittelalter bis heute. Frankfurt a. M.: Campus, 2003.
August (lat., augustus, „der Erhabene“), achter Monat im Jahr. Bei den Römern zuerst Sextilis, der 6. Monat, genannt, erhielt er im Jahre 7 v. Chr. bei der Berichtigung des Schaltwesens von Kaiser Augustus, der im Sextilis die meisten Siege erfochten hatte, seinen endgültigen Namen. Ursprünglich war „Augustus“ der Ehrenname des Caius Julius Cäsar Octavianus, den ihm der Senat auf Antrag des Lucius Munatius Plancus am 17. 1. 27 v. Chr. verliehen hatte. Zum Titel geworden, gewann er die Bedeutung von „Kaiser“, „Majestät“.
Der älteste deutsche Name für August ist Erntemonat (Aranmânoth). So erhielt das Wort „August“ im Norddeutschen die Bedeutung von „Ernte“. Als heißester Monat des Jahres hat er ferner die Namen Kochmonat und Hitzemonat. Eine alte Wetterregel besagt, dass man an den vier Tagen vor dem Augustvollmond die Mondspitzen beobachten soll. Sind sie rein, bleibt das Wetter gut; sind sie trüb, regnet es bis Monatsende.
Der 1. August gehört mit dem 1. April und dem 1. Dezember zu den größten Unglückstagen. An ihm wurde der Teufel aus dem Himmel geworfen, daher soll am 1. August keine Hochzeit stattfinden. Bei den Franzosen gelten Hochzeiten den ganzen August über als unglücklich, während nach den Vorstellungen in Nordindien gerade im A. während der Periode der Salomofestlichkeit Geborene vor dem > bösen Blick geschützt sind und zudem die Macht besitzen sollen, diesen zu vertreiben.
Bedeutsam ist ferner, dass im A. die Sonne in das Zeichen der Jungfrau tritt und die Römer das Fest der Jungfrau > Diana feierten, welches die Kirche in das Fest > Maria Himmelfahrt verwandelte. An diesem Tag beginnt im deutschen Volksglauben der > Frauendreißiger, wo die Pflanzen am meisten Kraft besitzen.
Lit.: Vergleichende Volksmedizin: eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin / unter Mitw. von Fachgelehrten hrsg. von O. v. Hovorka und A. Kronfeld. Stuttgart: Strecker & Schröder, 1908; Schumacher, Karl-Heinz: Die deutschen Monatsnamen. Greifswald: Bamberg, 1937.
August der Starke, eigentlich Kurfürst August II. von Sachsen, seit 1697 auch König von Polen, erhielt seinen Beinamen aufgrund seiner Körperkraft. Geboren am 12. 5. 1670 in Dresden, gestorben am 1. 2. 1733 in Warschau. Kurz vor seinem Tod stattete er König Friedrich Wilhelm I. am preußischen Hof in Berlin einen Besuch ab, wobei er erkrankte. Minister Grumkow wurde mit der Begleitung des Kurfürsten auf dessen Heimreise beauftragt: „Einige Tage später – in der Nacht des 1. Februar 1733 – bemerkte Grumkow, dass sich die Tür des Vorzimmers, worin der Kammerdiener schlief, öffnete. Wie erstaunte er, als er deutlich die Gestalt des polnischen Königs – so bekleidet wie er ihn zum letzten Mal gesehen, aber mit geschlossenen Augen – auf sich zukommen sah und ihn mit folgenden Worten ansprach: ,Mon cher Grumkow! Je viens de mourir ce moment à Varsowic!‘ Dann schritt er wieder zur nämlichen Tür hinaus, durch welche er hereingekommen“ (Rosenberger, 23). Zwei Tage später traf die Todesnachricht ein. A. d. S. war in derselben Stunde, in der er Grumkow erschienen war, verstorben. Die Tochter Friedrich Wilhelms, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (Memoiren, 71 f.), war Ohrenzeugin, als Grumkow ihrem Vater von dem Vorfall berichtete.
Lit.: Jung-Stilling, Heinrich: Theorie der Geisterkunde. Stuttgart, 1808; Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Bd. II. Berlin, 1929; Rosenberger, Ludwig (Hg.): Geisterseher. Eine Sammlung seltsamer Erlebnisse berühmter Persönlichkeiten in Selbstzeugnissen und zeitgenössischen Berichten. München: Ernst Heimeran, 1952.
Augustinus, Aurelius, Heiliger (Fest: 28. August), Kirchenlehrer; geb. am 13. 11. 354 in Thagaste (Numidien) in Nordafrika als ältester Sohn des heidnischen Beamten Patrizius und der hl. Monika. 386 bekehrte er sich zur katholischen Kirche und zum Mönchsleben. In der Osternacht 387 wurde er von Ambrosius in Mailand getauft, kehrte dann nach Thagaste zurück und begann mit Freunden ein klösterliches Leben. 391 wurde er in Hippo Regius zum Priester und 394 zum Bischof geweiht. Auch als Bischof lebte er mit seinen Priestern und Diakonen in einer religiösen Gemeinschaft. 397 verfasste er die erste, heute noch bekannte Regel des abendländischen Mönchtums (Augustinerregel). Er starb am 28. 8. 430 in Hippo.
Durch seine Schriften wurde er einer der einflussreichsten Kirchenväter des Westens. Grundlegend für das Verständnis seiner Spiritualität ist die in den Confessiones (Bekenntnisse) um 400 beschriebene Bekehrungsgeschichte. Hauptmotiv ist die Konzeption von der Glückseligkeit als oberstes Ziel des Menschen. In seinen weiteren Werken geht A. des öfteren auf paranormologische Themen ein. So beschreibt er die > Autohypnose eines Priesters (De civitate Dei, XI, 24). In seiner Schrift De divinatione daemonum spricht er vom > Hellsehen und der > Vorschau und kann sich vorstellen, dass Gott auch den > Dämonen erlauben könnte, etwas Zukünftiges vorauszusehen. Dies wäre allerdings sehr schwer zu erklären (De genesi ad litteram, c. 10 – 14). Ferner spricht er von heilenden > Träumen, von > Ekstase, > Visionen, > Spuk und > Geistern (De cura pro mortuis gerenda). Einen > feinstofflichen Körper der Seele nach dem Tode lehnt er ab (De genesi ad litteram; Brief, Minge 33, epist. 158 und 159). Bei der Frage der Träume bevorzugt er eine animistische Erklärung, während er beim Hellsehen zu einer dämonalogischen Deutung neigt (Contra accademicos; Migne 32, 914 ff.). Von besonderer Bedeutung ist seine Theorie vom > Wunder, dessen Außergewöhnlichkeit er in der Modalität des Auftretens sieht. Schließlich hat die > Archetypenlehre in den ideae principales und innatae des A. (De diversis questionibus 83, qu. 46, 2) ihren Ursprung.
Sein Denken ist geprägt durch die Auseinandersetzung mit dem Manichäismus und die Übernahme von Gedankengut des Neuplatonismus. In seinen 427 abgefassten Retractationes, einer kritischen Revision seiner Werke, rückt A. manches zurecht, was er geschrieben hatte, und äußert den Wunsch, dass man seine Schriften nach der Chronologie ihrer Abfassung lese, damit man erkenne, welche Fortschritte er beim Schreiben gemacht habe.
W.: De fide et symbolo. De fide et operibus. De agone christiano. De continentia. De bono coniugali. De sancta virginitate. De bono viduitatis. De adulterinis coniugiis lib. 2. De mendacio. Contra mendacium. De opere monachorum. De divinatione daemonum. De cura mortuis gerenda. De patientia / rec. Josephus Zycha. Wien: Verl. der Österreichischen Akad. der Wiss., 1900; Werke in deutscher Sprache. Hg. von Carl Johann Perl. Paderborn: Schöningh, o. J.
Auldearn, Hexen von. Hexenzirkel in Auldearn, Morayshire, Schottland. Er wurde 1662 aufgedeckt, als Isobel Gowdie ihr freiwilliges Geständnis machte, Hexerei zu betreiben. Ihrem Bericht zufolge hatte ihr Hexenzirkel, den Jean Marten leitete, dreizehn Mitglieder, die sich an einem prähistorischen Steinkreis mit dem Teufel und ihren Hausgeistern trafen, um in Ritualen Unheil zu stiften, wobei sie bei wilden Tänzen und Trinkgelagen in sexuellen Orgien schwelgten. Die Feste begann man mit folgendem Tischgebet:
Wir essen dies Fleisch in des Teufels Namen
Mit Jammern und Seufzen und ohne Scham;
Zerstören werden wir Haus und Festung,
Die Schafe und das Vieh im Stall.
Wenig Gutes wird daraus kommen
Von all dem, was dann übrig ist.
Alle Hexen seien in die Kunst eingeweiht gewesen, sich in verschiedene Tiere zu verwandeln. Zudem hatte jede Hexe, nach Isobel Gowdies Aussagen, einen persönlichen Kobold zur Seite.
Die Gerichtsaufzeichnungen von Auldearn zum Prozess um die Mitglieder des Hexenzirkels sind allerdings nicht vollständig, so dass nur vermutet wird, dass alle am Galgen endeten.
Lit.: Pickering, David: Lexikon der Magie und Hexerei. Dt. Erstausgabe. s. l.: Bechtermünz Verlag, 1999.
Aulis (griech.), eine der Praxidiken oder Eidgöttinnen, die mit ihren Schwestern Alalcomenia und Thelxinöa von den Böotiern am tilphusischen Berg verehrt wurde. Sie war Tochter des > Ogyges, des Erbauers von Eleusis, des ältesten Königs der griechischen Fabelgeschichte, und der Thebe, einer Tochter des > Jupiter und der > Jodame. Die Stadt Aulis hat von ihr den Namen.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Aum oder Om (sanskr.), Symbol des Göttlichen in uns, in unserem Körper, und somit des „Selbst“. Nach vedischem Wissen beinhaltet die Silbe A. die Ursachen für die gesamte materielle Manifestation. Sie ist ein Emblem für die wahrnehmbare Transzendenz, > Brahman-(Nirvana) genannt, wie auch des kosmischen und individuellen „spirituellen Selbst“ aller Wesen und Halbgötter. Seine Bedeutung kann durch die eigene Praxis des Chantens (monotones Singen) der Lautfolge A + U + M und eine philosophische Studie der vedischen Schriften, insbesondere der Rig-Veda, den Upanischaden und dem Vedanta-Sutra, am besten mit Hilfe eines Eingeweihten, ergründet werden.
Aus der Silbe Om, die auch Gott selbst ist, ergibt sich das Verständnis, dass die individuellen Seelen, eingeschlossen in materielle Körper und in Raum qualitativ eins mit Gott sind und sich nur quantitativ an Kraft, Wissen / Macht, Schönheit, Ruhm, Reichtum und Entsagung von dem Erhabenen unterscheiden. Om ist, kurz gefasst, eine Dreieinigkeit von > Brahman = allumfassender Geist, > Paramatman = lokalisierter Geist und > Purusha = spirituelle Person.
Der Laut Om, auch A. genannt, steht für das Absolute. Aus seinem Klang entstanden das Universum und die Götter.
Lit.: Eidlitz, Walther: Der Glaube und die heiligen Schriften der Inder. Olten; Freiburg i. Br.: Walter, 1957; Upanishaden: die Geheimlehre der Inder / Übertr. u. eingel. v. Alfred Hillebrandt; m. e. Vorw. v. Helmuth v. Glasenapp. München: Eugen Diederichs, 101977; Aum: 1936 [d. Übers. erfolgte aus d. russ. Orig.-Text]. München: Agni-Yoga-Verlag, 1980.
Aumakua oder Kane, der Geist-Aspekt der drei Bewusstseins-Ebenen der hawaianischen Huna-Philosophie neben dem Herz-Aspekt, genannt Ku, und dem Verstandes-Aspekt, Lono.
Das Kane ist die Quelle der > Inspiration. Seine Hauptfunktion ist die > Kreativität. Es ist das Göttliche in uns selbst. Das Kane kennt das Ziel und manifestiert das Erleben. Seine Hauptmotivation ist die Harmonie. In der hawaianischen Tradition wird es oft auch Aumakua genannt, was in Übersetzung soviel bedeutet wie „ älterer, elterlicher, äußerst vertrauenswürdiger Geist“. Der Begriff, so dachte man sich, ist zusammengesetzt aus einem männlichen und einem weiblichen Teil. A. wurden alle Gebete und Riten dargebracht. Da man es aber auch als Teil des eigenen Selbst ansah, wurde der „elterliche Geist“ nicht etwa bloß verehrt, sondern er wurde geliebt. A. ist der Sitz der „höheren“ Ziele, die sich ein Mensch für sein Leben gesetzt hat.
Lit.: Freedom Long, Max: Geheimes Wissen hinter Wundern: die Wiederentdeckung eines uralten Systems anwendbarer und wirksamer Magie. Freiburg i. Br.: Hermann Bauer, 1965; ders.: Kahuna-Magie: die Lösung von Lebensproblemen durch praktisch angewandte Magie. Freiburg i. Br.: Hermann Bauer, 1966; Wiegel, Suzan H.: Die Heilkraft der Kahuna-Medizin: Weisheiten und Naturheilmittel aus dem Regenwald Hawaiis. Norderstedt: Books on Demand GmbH, 2004.
Aumont, Gerard, Pseudonym für Aleister > Crowley als Autor von Die drei Schulen der Magie.
Lit.: Crowley, Aleister: Die drei Schulen der Magie / Gérard Aumont [Autor. Übers. v. Martha Küntzel]. Zürich: Genossenschaft Psychosophia, 1956.
Aumont, Madeleine, geb. am 27. Oktober 1924, Heirat am 14. August 1948, fünf Kinder, lebt in Dozulé / Normandie, Frankreich. Seit dem 12. April 1970 ist für sie die Auferstehung eine Präsenz, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Am 28. März 1972, Dienstag der Karwoche, öffnete sie wie jeden Morgen um 4.30 Uhr, als ihr Mann zur Fabrik ging, das Fenster, um zur Hl. Dreifaltigkeit zu beten. Um 4.35 Uhr sah sie am Himmel ein gleißendes Licht. Dann hörte sie eine Stimme, die sagte: „Du sollst dieses Kreuz bekannt machen und Du wirst es tragen.“
Dieser Vision folgten bis 1982 noch weitere; insgesamt waren es 50, die als Christusvisionen bezeichnet werden und jeweils mit Botschaften verbunden waren, darunter mit der Ankündigung der „großen Heimsuchung“. Von kirchlicher Seite steht eine Stellungnahme noch aus.
Lit.: Stiegeler, Jean: Nouvelles révélations avant l’an 2000. Les secrets de Dozulé. Editions du Rocher, 1995; L’Horset, Abbé Victor: Dozulé, recit inédit du premier témoin. Editions F.-X. de Guibert, 1996; Dozulé: die glorreiche Wiederkunft des Menschensohnes. Novelles éditions latines, 1999.
Aumont, Peter von. Legendärer Tempelritter, der nach der Ermordung des Großmeisters, Jacques > De Molay, am 18. März 1314 nach Schottland floh und die Nachfolge des dortigen Großmeisters antrat. So lautet jedenfalls die Legende, auf welche Freiherr von Hund (1722 – 1776) seine Gründung der „Strikten Observanz“ stützte. Wie immer man auch zu diesen Aussagen steht – sicher ist, dass zumindest einige Templer nach Schottland kamen, unsicher ist jedoch, wie viele. Entscheidend ist, dass selbst eine kleine Anzahl Templer in der Lage gewesen wäre, durch ihre gute Ausrüstung (zur damaligen Zeit die Beste überhaupt) für die schottischen Heere eine wahre Bereicherung darzustellen. Allerdings gibt es außerhalb freimaurerischer Historikerkreise keine Aufzeichnungen über ein Mitwirken der Templer in der Schlacht von Bannockburn am 23. / 24. Juni 1314.
Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon / Oskar Posner; Dieter A. Binder. München: Herbig, 2000.
Aunabergius > Anneberg.
Aundlang, der zweite Himmel nach der nordischen Mythologie. Die alten nordischen Völker nehmen in ihrer Kosmogonie einen dreifachen > Himmel an: Der unterste Himmel ist > Asgard, in dem sich die Götter und Helden bis zum Untergang der Welt aufhalten. Im zweiten, dem A., werden nach der großen Nacht Ragnarok jene > Asen wohnen, die den furchtbaren Kampf mit den Söhnen > Muspelheims überleben. Der dritte, eigentliche, Himmel ist > Gimle.
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Aura (griech. aura, Hauch, Luftzug, Wind, auch frische Morgenluft sowie günstiger Fahrwind), bereits in der Antike gebräuchlicher Begriff für die in der Kunst verkörperten milden Lüfte in weiblicher Gestalt. Empedokles nannte sie die vom Licht ausgeströmte Substanz. Schon alt und in vielen Kulturen verbreitet ist auch der Glaube an eine feinstoffliche, farbenschimmernde, individuelle Substanz, eine A., die alle Lebewesen umgibt, vgl. das ägyptische > Ka, das chinesische > Ki und das indische > Prana. Die A. wird auch mit dem > Heiligenschein in Beziehung gesetzt. Demnach zeigt dieser die Reinheit der A. der Heiligen an. So gab es im christlichen MA die Vorstellung einer um den Kopfbereich strahlenden A., > Nimbus und > Halo, einer den Körper umgebenden A., > Aureole, und einer beides umfassenden A., > Glorie.
Allseits bekannt ist die Tatsache, dass der Körper eines Lebewesens Wärme ausstrahlt. Darüber hinaus gilt diese Ausstrahlung als > Exteriorisation einer psychischen Energie. Nach der hinduistischen Philosophie strahlen die > Chakren, d. h. die Energiezentren des Menschen, Energie in Form einer sichtbar werdenden A. ab. Wilhelm H. C. > Tenhaeff hat die Idee einer „symbolischen Vision“, wonach die Farben einer A. den Charakter des betreffenden Menschen symbolisieren und quasi stellvertretend für seine Eigenschaften farblich wahrgenommen werden können. Auch Gebhard > Frei sagt, dass diese Ausstrahlung der Körper in Farbe und Form mit einem bestimmten Seelenzustand korreliert. Gerda > Walther sieht ebenfalls eine enge Verbindung zwischen dem Menschen und seiner A., die sich immer um den Menschen herum, zu dem sie „gehört“, zu befinden scheint. > Sensitive können die A. eines Wesens sehen, nach Walther auch bei völliger Dunkelheit, und sie beschreibt ihre eigene Erfahrung: „Ebenso habe ich bei telepathischen Erlebnissen nachts im Dunkeln im Bett liegend die Aura in Verbindung mit telepathischen Erlebnissen ebenso deutlich und „leibhaftig“ gespürt, wie wenn diese Menschen räumlich anwesend waren“ (Walther, 68 ff.). Häufig wird nach Baron > Reichenbach auch eine von den Fingerspitzen ausgehende Ausstrahlung wahrgenommen. Sensitive deuten eine grellrote A. als Zeichen für Ärger, eine gelbe für einen ausgeprägten Intellekt, während Purpurrot Spiritualität bedeutet (Drury). In der Theosophie werden fünf Arten der A. unterschieden: Gesundheits-, Lebens- und Charakteraura sowie eine karmische und eine geistige A.
Die A. wird auch mit dem > Ätherleib und dem > Astralleib verglichen oder gleichgesetzt bzw. verwechselt und gerät damit in den Bedeutungszusammenhang von > Außerkörperlichen Erfahrungen. Nach der > Kabbala stellt die A. einen Teil des Astralkörpers, genannt Ruach, dar.
Nach der hellsichtigen Dora > Kunz können Emotionen visuell wahrgenommen werden als “luminous atmosphere”, die jeden lebenden Körper umgibt, und sie selbst konnte sie als Farben sehen (Kunz 1991).
Die A. wird schließlich auch mit dem proximalen elektrischen Medium (Dumitrescu) und der Hautelektrizität in Verbindung gebracht. So bezeichnet der Begriff A. nach Beloff auch Feldkräfte, die einen elektromagnetischen Körper umgeben (Lex. Psych. I). Der Arzt Sauerbruch konnte offenbar ein elektrisches Feld in der A. eines Menschen nachweisen (Miers). Am wichtigsten für die experimentelle Forschung dürfte jedoch die am St. Thomas Hospital in London vorgenommene Arbeit von Walter J. > Kilner (1847 – 1920) sein, mit der es ihm gelang, drei Stufen der A. nachzuweisen: das > ätherische Doppel, die innere A. und die äußere A. Kilner zeigte auch auf, dass die Intensität der A. von einem Magnet beeinflusst werden kann und auf elektrischen Strom reagiert bis hin zum vollständigen Verschwinden. James Rhodes > Buchanan behauptete 1852 die Existenz einer Nervenaura, die als Vorstufe von > Materialisation und > Psychokinese zu erwägen wäre (Bonin). Mit zunehmendem Alter bilde sich die A. dann allmählich zurück (Fodor).
Ferner versteht man unter dem Begriff A. bestimmte Empfindungen, die einem epileptischen, hysterischen oder asthmatischen Anfall vorausgehen, wie Zorn, Ärger oder spastische Muskelbewegungen (Zahlner).
Weiters kennt die Tierpsychologie noch eine Nestaura, die sich auf den gemeinsamen Geruch bezieht, der wohl zur Wiedererkennung dient.
Nichts zu tun mit der A. eines Wesens hat die Auraskopie, eine nach ihrer Entdeckerin Hannelore Auras-Blank benannte Methode holistischer Blutdiagnostik. > Od, > Kirlian-Effekt, > Kirlian-Fotografie.
Lit.: Kilner, Walter J.: The Human Atmosphere. London, 1911; Walther, Gerda: Phänomenologie der Mystik. Olten: Walter, 1955; Fodor, Nandor: Encyclopaedia of Psychic Science, U.S.: University Books Inc., 1966; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Dumitrescu, Ioan Florin: Elektronographie: elektrographische Methoden in der Biologie / A. Lerner (Hrsg.). Verlag f. Medizin Dr. Ewald Fischer, 1983; Frei, Gebhard: Probleme der Parapsychologie. Innsbruck: Resch, 1985 (Imago Mundi; 2); Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Guiley, Rosemary Ellen: Harper’s Encyclopedia of Mystical & Paranormal Experience. San Francisco: Harper, 1991; Kunz, Dora: The Personal Aura: The Emotional Field. Quest Books, 1991; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991.
Auradiagnose (griech.), Beurteilung des Gesundheitszustandes einer Person nach der Art der Aura. Einige Sensitive behaupten, die Fähigkeit zu besitzen, die > Aura zu sehen und anhand ihrer Eigenart den Gesundheitszustand eines Menschen beurteilen zu können. So behauptet der Pole Dr. Jerzy Rejmer, dass er die Löcher in der bioenergetischen Aura erkennen könne und anhand dieser Löcher imstande sei, Krankheiten zu diagnostizieren. Dieses Erkennen erfolgt meist durch Abtasten der Person, ohne sie zu berühren. Manche geben an, die Aura zu sehen, und beurteilen Gesundheitszustand bzw. Krankheit und Persönlichkeit der betreffenden Person nach Farbe, Stärke und Ausmaß der Aura.
Lit.: Resch, Andreas: Exotisches Psi. Paranormales in anderen Kulturen. Baler Psi-Tage 1986. In: Grenzgebiete der Wissenschaft 36 (1987) 1, 14 – 38; Grasse, Ellen: Chakren- und Auradiagnose: Krankheiten erkennen und heilen durch Energiearbeit [mit Farbtest]. München: Droemer Knaur, 1995.
Aurafotografie, Erfassen der > Aura mittels bildgebenden Verfahren wie Fotografie, Vi-
deoaufzeichnungen, digitalem Bilderfassen und Bildgestalten. Dabei sollen vor allem Farben und Ausstrahlung der Aura reproduziert werden. Im Aurafeld soll sich der Mensch als eine komplexe Einheit von Körper, Emotionen, Gedanken und anderen geistigen Vorgängen wie > Intuition, > Kreativität und > Weisheit widerspiegeln. Es handelt sich hierbei um „natürliche Ausstrahlungen“ des Menschen, weshalb es falsch ist, die > Kirlian-Fotografie als A. zu bezeichnen, da bei Ersterer an der Peripherie des Organismus die Entladung eines induzierten Stromes und nicht die durch den Körper, die Emotionen und das Denken modifizierte natürliche Ausstrahlung gemessen wird.
Die A. ist noch umstritten, wenngleich der Mensch vornehmlich nach seiner „Ausstrahlung“ bewertet wird.
Lit.: Lichtbilder der Seele: Psi sichtbar gemacht; alles über Kirlians Aurafotografie / Stanley Krippner; Rubin, Daniel (Hg). Bern u. a.: Scherz, 1975; Sonnenschmidt, Rosina: Das große Praxisbuch der englischen Psychometrie und der Atemenergetik. Sauerlach: Ehlers Verlag Gmbh, 1999; Virag, Rositta: Aura-Fotografie: Interpretation; das praktische Handbuch zur Interpretation von Aura-Fotos. Loibichl am Mondsee: GELA, 2003.
Aurafühlen, Erspüren der > Aura mit bloßen Händen. Aus den empfundenen Unregelmäßigkeiten schließen Sensitive auf den jeweiligen Gesundheitszustand bzw. auf Krankheiten.
Die Fähigkeit des A.s konnte eine vierköpfige Ärztekommission bei der Prüfung der bulgarischen Geistheilerin Krassimirà > Dimowa testen, die unter ständiger Aufsicht von 4. – 30 . Juni 1990 im Militärkrankenhaus von Russe mehrere Dutzend chronisch Kranker per Handauflegen behandelte. Nebenbei wurden auch ihre diagnostischen Fähigkeiten geprüft. Dazu wurden ihr fünf Patienten vorgeführt. Die ärztlichen Diagnosen lauteten: Tumor an beiden Eierstöcken; Spondylitis tuberculosa (die häufigste Form der Skelett-Tuberkulose, bei der Entzündungen in allen Abschnitten der Wirbelsäule auftreten können); ein retriperitonealer, d. h. hinter dem Bauchfell gelegener, Tumor; eine bösartige Geschwulst am Blinddarm, mit Metastasen an der Leber; knotige Verhärtungen in der linken Brust. Bei jedem Patienten glitten Dimowas Hände wie suchend um den ganzen Körper, ohne ihn direkt zu berühren; die Bewegungen stockten, sobald sie offenbar fündig wurde. In allen fünf Fällen verblüffte sie die Ärztekommission: Was sie erspürte, deckte sich ausnahmslos mit dem pathologischen Befund. Auch wenn die Heilerin ihre Diagnosen nicht präzise formulierte, so grenzte sie doch die betroffenen Bereiche ein und gab z. B. den Grad der Bös- oder Gutartigkeit an. Frau Dimowa war auch imstande, zwischen lokalen (örtlich eingrenzbaren) Erkrankungen und allgemeinen Erkrankungen mit lokalem Ausdruck zu unterscheiden.
Lit.: Dimova, Krassimirà: Mein Weg zur Heilerin. In: Grenzgebiete der Wissenschaft 40 (1991) 4, 311 – 333; Wiesendanger, Harald: Das große Buch vom geistigen Heilen: die umfassende Darstellung sämtlicher Methoden, Krankheiten auf geistigem Wege zu erkennen und zu behandeln. Bern u. a.: Scherz, 1994.
Auragraph (griech.), farbiges Umsetzen einer Aurawahrnehmung. Auragraphs werden auch die kleinen intuitiv gemalten Bildchen genannt, die bei psychometrischen Übungen eingesetzt werden. Sie sollen den freien Fluss schöpferischer Energie zum Ausdruck bringen.
Lit.: Sonnenschmidt, Rosina: Das große Praxisbuch der englischen Psychometrie und der Atemenergetik. Sauerlach: Ehlers Verlag Gmbh, 1999.
Auramassage, Bewegen der Hände am Körper zur Korrektur oder Harmonisierung der > Aura. Der Körper wird dabei meist nicht berührt, sondern nur gefühlt. Der A. liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch von einem unsichtbaren Energiefeld umgeben ist, dessen Berührung und Massage korrigierende und heilende Auswirkungen auf die Aura und damit auf das Wohlergehen des Menschen hat.
Lit.: Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde: und alternative Heilverfahren / Bearb. v. d. Wörterbuch-Redaktion d. Verlages unter d. Leitung v. Helmut Hildebrandt. Berlin; New York: de Gruyter, 1996.
Aurameter, pendel- oder rutenförmiger Ge-
genstand (Cameron Aurameter), der dem Radiästheten oder Sensitiven zur Detektion und Lokalisierung von Emanationen aus Personen, Organismen und Gegenständen dient.
Lit.: Freedom Long, Max: Kahuna-Magie: die Lösung von Lebensproblemen durch praktisch angewandte Magie. Freiburg i. Br.: Hermann Bauer, 21966.
Auraschirm > Kilner-Schirm.
Aurasehen, optisches Wahrnehmen der > Aura. Nach Aussagen von Sensitiven erscheinen ihnen zuweilen Menschen von einem leuchtenden Strahlenkranz umgeben, dessen Leuchtkraft und Farbe sich ändern können. Diese Veränderungen, die sich sowohl auf Intensität wie Farbigkeit beziehen können, werden diagnostisch gedeutet.
Lit.: Wiesendanger, Harald: Das große Buch vom geistigen Heilen: die umfassende Darstellung sämtlicher Methoden, Krankheiten auf geistigem Wege zu erkennen und zu behandeln. Bern u. a.: Scherz, 1994.
Aurasomatherapie, auch Aurasomafarbtherapie, ganzheitliches Heilverfahren, das von der Engländerin Vicky > Wall (1918 – 1991), einer ehemaligen Apothekerin und über 40 Jahre praktizierenden Therapeutin, entwickelt wurde. Wall war fast vollständig blind, konnte aber die Aura und andere unsichtbare Dimensionen der menschlichen Seele hellsichtig erfassen. Für die Therapie beschreibt Wall eine kombinierte Anwendung von Edelsteinen, Duftstoffen, Farben und Heilkräutern, wodurch der Aura-Soma-Bereich harmonisiert werden könne. Bestimmte Farbszenen, die der Patient selber intuitiv auswählt, sollen über die Haut in die Aura eindringen. Soma (griech., „Körper“) wird dabei in Anlehnung an theosophisches Gedankengut als feinstofflicher Energiekörper im grobstofflichen Körper verstanden. Nach Herstellung des natürlichen Gleichgewichts arbeite auch der physische Körper wieder normal.
Lit.: Wall, Vicky: Aura-Soma: das Wunder der Farbheilung und die Geschichte eines Lebens. Frankfurt a. M.: Ed. Sternenprinz, 1995.
Aurea Catena Homeri (lat., goldene Kette Homers), ein Ausdruck, der sich zuerst bei Ambrosius Theodosius Macrobius, einem Autor des 4. Jhs., findet.. Im XIV. Kapitel seines berühmten Kommentars zu Ciceros Somnium Scipionis erklärt er bezüglich der Emanationsfolgen, dass eine ununterbrochene Verbindung (connexio) vom höchsten Gott bis zum „tiefsten Schlamm“ (ultima faecem) des Universums bestehe, und dies sei die goldene Kette Homers, die Gott vom Himmel bis zur Erde hängen ließ. Durch Macrobius und weitere Deutungen dieser Art wurde dieser Gedanke auch im Christentum übernommen und verbreitet. Seit der Renaissance hat sich die Deutung weitgehend esoterisiert.
Die 1723 anonym erschienene Schrift Aurea Catena Homeri bindet diese Gedanken in eine hermetisch-alchemistische Naturphilosophie ein, die nicht unbeachtet blieb. So las der junge > Goethe das Werk mit seiner Mutter. „Mir wollte besonders die aurea catena Homeri gefallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht auf phantastische Weise, in einer schönen Verknüpfung dargestellt wird; und so verwendeten wir theils einzeln, theils zusammen, viel Zeit an diese Seltsamkeiten“ (Dichtung und Wahrheit 2 / VIII). Im 20. Jh. findet man die Gedanken u. a. bei C. G. Jung wieder.
Lit.: Aurea Catena Homeri, Oder: Eine Beschreibung Von dem Ursprung Der Natur und natürlichen Dingen, Wie und woraus sie geboren und gezeuget, auch wie sie in ihr uranfänglich Wesen zerstöret werden, auch was das Ding sey, welches alles gebäret und wieder zerstöret / nach der Natur selbst eigener Anleitung und Ordnung auf das einfältigste gezeiget, und mit seinen schönsten retionibus und Ursachen überall illustriret. Franckfurt; Leipzig: Böhme, 1723; Macrobius, Ambrosius Theodosius: Ambrosii Theodosii Macrobii Commentarii in somnium Scipionis: 4 tabulae / ed. Iacobus Willis. Stutgardiae; Lipsiae: Teubner, 1994.
Aurelia, Heilige (Fest: 15. Oktober), zum Christentum bekehrte römische Jungfrau, die der Legende nach fliehen musste und mit einem Schritt von Fußach gegen Lindau gelangte. Man zeigte früher im Hafen von Lindau einen sog. Hexenstein mit dem Fußtritt der Heiligen (Birlinger). Nach einer anderen Legende stieß sie zur Gesellschaft der hl. Ursula in Köln. Bei der Fahrt dorthin musste sie wegen Krankheit in Straßburg verweilen, wo sie auch starb. Ihr Grab in der Mauritiuskirche wurde in der Reformation zerstört. Zur Zeit des hl. Columban und später wurde sie in einer Kapelle bei Bregenz am Bodensee verehrt.
Lit.: ActaSS Oct. VII (1845), S. 27 – 31; Volksthümliches aus Schwaben: 2 Bde. in e. Bd. / hrsg. von Anton Birlinger. Hildesheim: Olms, 1974.
Aureole (lat. aurum, Gold, wozu auch der Begriff > Aura gehört, wörtlich kleine Aura), eine den Körper umgebende Aura, auch > Heiligenschein, > Glorie, > Gloriole oder Glorienschein genannt. Die A. wird bei > Heiligen oder ungewöhnlichen Menschen wahrgenommen. > Nimbus, Glorie, > Halo. In der Kunst wird die A. als ein die göttliche oder heilige Person umgebender Licht- oder Strahlenkranz dargestellt. Schon im alten Ägypten, in Persien und Indien sowie in der griechisch-römischen Antike wurden Götter, Heroen und Könige mit einer A. abgebildet. Diese ursprünglich heidnische Sitte floss dann im 4. Jh. in die christliche Kunst mit ein und umrahmte hier die > Dreifaltigkeit, > Engel, > Propheten, > Apostel und > Heilige.
In der Astronomie bezeichnet A. einen durch Lichtbrechung sichtbar werdenden Hof, der sich um > Sonne und > Mond herum bilden kann. Ferner werden unter A. kugelförmig angelegte Sternsysteme verstanden.
Lit.: Weber, Walter: Symbolik in der abendländischen und byzantinischen Kunst: von Sinn und Gestalt der Aureole. Basel: Zbinden, 1981 / 82; Sahihi, Arman: Das neue Lexikon der Astrologie. 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf: Ariston, 1991; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1993.
Auréoles neuropathiques (fr.), neuropathische Aureolen. 1905 veröffentlichte der seinerzeit bekannte französische Neurologe Charles Féré in der Revue de Médecine unter dem Titel „Auréoles neurophathiques“ einen Beitrag, der in Fachkreisen beträchtliches Aufsehen erregte. Die darin beschriebenen Beobachtungen an Kranken waren nicht nur geeignet, die Glaubwürdigkeit zahlreicher Berichte über Heilige zu untermauern, sondern auch den Behauptungen von Reichenbachs Sensitiven Beachtung zu schenken. Féré sah bei einem Anfall einer Patientin, die er 28-jährig 1883 in Behandlung nahm und die seit 12 Jahren an Somatisierungsstörungen verschiedener Art (Konvulsionen, Appetitlosigkeit, lokale Unempfindlichkeit usw.) litt, eine leuchtende Ausstrahlung, die rings um den Kopf etwa 20 cm weit reichte. Das Licht war orangefarben und nahm zum äußeren Rand hin an Helligkeit ab. Dieselbe Erscheinung zeigte sich an den beiden bloßen Händen. Auch die ansonsten eher helle Haut war orange getönt, etwas dunkler als die Ausstrahlung. Als Féré die Patientin sah, hatten diese Symptome schon etwa eine oder zwei Stunden angedauert, und weitere zwei Stunden später, nach dem Erbrechen, das die Anfälle für gewöhnlich beschloss, verschwanden sowohl die Hautverfärbung als auch die Lichterscheinung.
Lit.: Féré, Charles: Nervenkrankheiten und ihre Vererbung. Berlin: Fischer, 1896; Dietz, P. A.: Menschenlijke uitstraling. In: Tijdschr. v. pps, Bd. 12, 1942; Tenhaeff, W. H. C.: Außergewöhnliche Heilkräfte: Magnetiseure, Sensitive, Gesundbeter. Olten; Freiburg i. Br.: Walter-Verlag, 1957.
Aurgelmir > Ymir.
Auriculotherapie (lat., Ohrtherapie), auch > Ohrakupunktur genannt, ist ein aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) hervorgegangenes und von dem französischen Arzt Paul > Nogier in den 50er Jahren des vorigen Jhs. entwickeltes eigenständiges Diagnose- und Heilkonzept. Nach Nogier ist der gesamte Körper am Ohr abgebildet. Das Ohr habe dieselbe Konfiguration wie ein auf den Kopf gestellter Embryo, wobei der Lobulus dem Kopf und die Anthelix der Wirbelsäule entspricht. Jedes Körperorgan des Menschen hat in der Ohrmuschel einen Reflexionspunkt, wobei in der Praxis 73 Punkte von circa 200 verwendet werden. Diese Behandlungsart war schon im alten Ägypten bekannt. Schnitte ins Ohr waren dort ein Mittel der Empfängnisverhütung. Hippokrates erwähnt diese Methode gegen Ischias. Die Chinesen entwickelten die A. weiter.
Lit.: Nogier, Paul F. M.: Lehrbuch der Auriculotherapie / Geleitw. v. P. Rabischong. Illustr. v. R. J. Bourdiol. Sainte-Ruffine: Maisonneuve-Verl, 1973.
Aurinia, auch Albrinia oder Albruna, alte germanische Magierin, Wahrsagerin und Priesterin (Horst 1825, Bd. 5, S. 331). A. oder Albruna war vermutlich der Beiname einer weissagenden Frau, der vielleicht „die mit dem > Geheimwissen der > Alben Versehene“ bedeutet (DNP > Albruna) bzw. auf eine Frau verweist, die mit der „Runenkraft der > Elfen“ begabt war (Paulys Real-Encyclopädie). Tacitus (Germ. VIII) vermerkt, dass A. schon vor > Veleda fast wie eine Göttin geachtet wurde. A. lebte vermutlich in der Zeit des Drusus (Hoops).
Lit.: Horst, Georg K.: Zauber-Bibliothek, 6 Bde. m. e. zusätzl. Registerband. Mainz, 1821 – 1826; Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1, 1894; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter, 4 Bde. Straßburg: Karl J. Trübner, 1911 – 1919; DNP = Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Bd. 1 ff. Stuttgart; Weimar: J. B. Metzler, 1996 ff.
Auripigment (lat. aurum pigmentum, Operment, auch Risigallum (eigentlich Realgar), in der Alchemie viel beachtetes Mineral, eine Arsen-Schwefel-Verbindung, die mitunter Spuren von Gold enthält, das bei entsprechender Erhitzung zurückbleibt. Die Alchemisten sahen darin eine Metallverwandlung. Plinius weist in seiner Naturgeschichte (L.XXXIII, cap. 22) darauf hin, dass unter Caligula mit Hilfe von A. Goldmacherei versucht worden sei.
In der Chemie wird A. als Farbstoff und als Teil eines Enthaarungsmittels verwendet.
Lit.: Lehmann, Alfred: Aberglaube und Zauberei: von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart. Dominikus Petersen I [Bearb.]. 5. dt. Aufl., d. 4. Aufl. geg. unverändert. Bindlach: Gondrom, 1990; Schmieder, Karl Christoph: Geschichte der Alchemie. Hg. und mit einem Vorw. von Marco Frenschkowski. Neu gesetzte u. überarb. Ausg. nach der 1. Ausg. Halle, 1832. Wiesbaden: Marix-Verl, 2005.
Aurisches Sehen, das Sehen der > Aura. Nach Gerda > Walther ist das A. S. verschieden vom physischen Sehen und auch bei Dunkelheit möglich, wobei sie sich bei dieser Behauptung auf eigene Erfahrungen stützt (Walther, 68 f.). Gesehen wird nämlich nicht das optische Bild, sondern eine Art Atmosphäre, die innerseelische Färbung einer Persönlichkeit. Sie berichtet von einer Erfahrung: „Beim Betreten des vegetarischen Restaurants ,Freya‘ in München spürte ich einmal eine besonders schöne, intensive blaue Aura, die den ganzen Raum zu durchdringen schien. Ich suchte festzustellen, von wem sie ausging, und entdeckte nun erst einen mir völlig unbekannten Inder als die zu der Aura gehörige Person. Nach längerer Zeit ,sah‘ ich beim Betreten desselben Restaurants wieder diese Aura und suchte nun nach dem Inder, den ich dann auch entdeckte“ (Walther, 69).
Lit.: Walther, Gerda: Phänomenologie der Mystik. Olten: Walter, 1955; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972.
Aurobindo, Sri, Pseudonym für Aurobindo Ghose, *15. 8. 1872 Kalkutta, † 5. 12. 1950 Pondicherry; bedeutender Dichter, Meister des Neohinduismus und > Yogi aus Kalkutta, der am Kings College in Cambridge Klassische Literatur studierte. Er setzte sich, nach Indien zurückgekehrt, fortan für die politische Unabhängigkeit Indiens ein und kam dafür 1907 / 8 ins Gefängnis, wo er eine religiöse Erweckung erlebte. Diese Erlebnisse waren entscheidend für seine geistige Entwicklung, sodass er sich dem klassischen > Yoga zuwandte und später in Pondicherry in Südindien einen > Ashram gründete, wo er den > Purna-Yoga bzw. Integralen Yoga lehrte. Sein letztes Ziel war die Verwirklichung des „supramentalen Bewusstseins“. Um seine spirituelle Arbeit fortzusetzen, gründeten seine Schüler nach seinem Tod in der Umgebung von Pondicherry die Stadt Auroville.
W.: Stufen der Vollendung. Bern u. a.: Barth Verlag, 1975; Das Ideal einer geeinten Menschheit. Gladenbach (Hessen): Hinder und Deelmann, 1982; Die Isha-upanishad. Planegg: Mirapuri Verlag, 1988; Das göttliche Leben. Gladenbach (Hessen): Hinder und Deelmann, 1991; Handbuch des integralen Yoga. Planegg b. München: Mirapuri Verlag, 1991; Die Baghavadgita. Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1992; Das göttliche Leben auf Erden. Gauting: Mirapuri Verlag, 1993; Der integrale Yoga. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1993.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Guiley, Rosemary Ellen: Harper’s Encyclopedia of Mystical & Paranormal Experience. San Francisco: Harper, 1991.
Aurora (lat., Morgenröte), verwandt mit hebr. aur und ägypt. ra, die beide „Licht“ bedeuten. A. ist die griechische > Eos, die Göttin des Frührots, Tochter des Titanen > Hyperion und seiner Schwester Thia oder seiner Schwester Euryphaëssa, Schwester des > Helios (Sonnengott) und der > Selene (Mondgöttin). A. ist auch der Name der römischen Göttin der Morgenröte und des 94. Planetoiden. Jakob > Böhme schrieb ein wichtiges Werk unter dem Titel: Aurora oder die Morgenröte im Aufgang (1612).
Lit.: Böhme, Jakob: Aurora oder Morgenröte im Aufgang. Hg. von Gerhard Wehr. Frankfurt a. M.; Leipzig: Insel-Verl., 1992; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie aller Völker. [Neu bearb. von W. Binder]. Holzminden: Reprint-Verl. Leipzig, 2003.
Aurora Consurgens (lat., „Aufgehende Morgenröte“), gehört zu den ältesten überlieferten alchemistischen, noch im gotischen Bildstil illustrierten Handschriften des frühen 15. Jhs. Der Text der Schrift setzt sich aus zwei Teilen zusammen, wobei der erste Teil in der Sammelschrift des Johann Rhenanus von 1625, eines Leibarztes des Landgrafen Moritz von Hessen, zu finden ist. Dieser Teil wurde jedoch schon in dem Ende des 14. bzw. Anfang des 15. Jhs. entstandenen Rosarium Philosophorum erwähnt.
Der Nachwelt besser erhalten blieb der sog. zweite Teil, der im Sammelwerk Artis avriferae, quam Chemiam vocant, volumen secundum, Basel 1593 und 1610, und in weiteren Ausgaben größere Verbreitung fand.
Was den Verfasser der A. C. betrifft, so wird die Schrift in einigen Manuskripten, wie jenen von Bologna und Leyden sowie im Abdruck des Rhenanus, als Werk des hl. > Thomas von Aquin bezeichnet, während in anderen der Verfassername fehlt. Die Autorschaft des Aquinaten ist allerdings umstritten. Die
Schrift enthält 38 sehr feine Wasserzeichnungen.
Die C. G. Jung-Schülerin Marie-Luise > von Franz hat in dem von Jung herausgegebenen dreibändigen Werk Mysterium Coniunctionis den ersten Teil der A. C. im lateinischen Originaltext mit deutscher Übersetzung und ausführlichen Anmerkungen ediert und mit einem Kommentar versehen.
Die A. C. dürfte auch Jakob > Böhme zur Überschrift seines ersten Buches „Morgenröthe im Aufgang“ angeregt haben.
Lit.: Grataroli, Guglielmo: Auriferae artis Das ist, Der Goldekunst: die man Chemiam nennt, uhrälteste Authores und Anfänger / Paulus Hildenbrandt [Übers.]. Franckfort am Mayn: Bassaeus, 1597; Jung, Carl Gustav: Aurora consurgens: ein dem Thomas von Aquin zugeschriebenes Dokument der alchemistischen Gegensatzproblematik / [hrsg. und komm.] von M.-L. von Franz. Zürich: Rascher, 1957; Rosarium philosophorum: ein alchemisches Florilegium des Spätmittelalters / hrsg. und erl. von Joachim Telle. Aus d. Lat. ins Dt. übers. von Lutz Claren. Weinheim: VCH-Verl.-Ges, 1992; Aurora consurgens: a document attributed to Thomas Aquinas on the problem of opposites in alchemy; a companion work to C. G. Jung‘s Mysterium coniunctionis / ed., with a commentary, by Marie-Louise von Franz. Toronto, Ont.: Inner City Books, 2000.
Aurora philosophorum (lat., „Morgenröte der Philosophen“), nach > Paracelsus die „schöne Morgenröte der Weisen“. „Aller Künste erster Erfinder ist Adam gewesen, dieweil er aller Ding völlig Erkenntnis gehabt hat sowohl nach wie vor dem Fall, daher er zuvor geweissagt hat, dass die Welt durch die Sündflut und Wasser verderbt und untergehen werde“ (Werke V, S. 3). Diese Weisheit wurde dann von den Chaldäern, Hebräern, Persern und Ägyptern gepflegt und ihren Vorstehern und Obersten in der Auslegung der freien natürlichen Künste als die höchste Philosophie und Weisheit zu erlernen vorgelegt. Über die Griechen kam diese Kunst auch zu uns. „Die magi haben durch ihre Weisheit bestätigt, dass alle Kreaturen zu der vereinigten Substanz und Wesen eingeführt werden sollen und müssen, welche, wie sie sprechen, durch ihre Reinigungen und Purgierungen zu einer solchen Subtilitaet gebracht werden, dass sie eine himmlische Natur und eine verborgene Proprietaet und Eigenschaft bekommen, welche Wunder stiftet“ (Werke V, S. 11).
Lit.: Theophrastus Paracelsus: Werke. Bd. 5. Pansophische, magische und gabalische Schriften. Studienausgabe / Will-Erich Peuckert (Hrsg.). Basel; Stuttgart: Schwabe & Co. Verlag, 1968.
Aurum nostrum (lat., „unser (der Alchemisten) Gold“). Das Gold, das von den Alchemisten durch Transmutation aus unedlen Metallen erzeugt wurde, ist zugleich auch Symbol des geläuterten Menschen. Bei dem von Alchemisten hervorgebrachten Gold handelt es sich jedoch lediglich um goldähnliche Metallmischungen, die nur wenig echtes Gold enthielten.
Lit.: Alchimia: Ideologie und Technologie / Emil Ernst Ploss; Heinz Roosen-Runge. München: Moos, 1970; Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste: von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert. Studienausgabe. 2. verb. u. wesentlich vermehrte Aufl. Graz: ADEVA, 1973.
Aurum philosophorum > Stein der Weisen.
Aurum potabile (lat.), alchemistische Bezeichung für trinkbares Gold. Dem Trinkgold kommt nach dem > Stein der Weisen (Lapis philosophorum) medizinisch gesehen die zweitwichtigste Stellung in der Alchemie zu. Es galt als Lebenselixier und konnte nach Ansicht der meisten Alchimisten nur aus dem Stein der Weisen oder einer seiner Vorstufen gewonnen werden. In der modernen Medizin spielen feinstverteiltes Gold bzw. lösliche Goldverbindungen heute eine Rolle in der Herztherapie.
Lit.: Principe, Lawrence M.: Alkahest. In: Claus Priesner / Karin Figala (Hg.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998.
Aurum Solis (lat., „Gold der Sonne“), Order of the Sacred World (Orden der Heiligen Welt), magische Gesellschaft, die 1897 von den Okkultisten Charles Kingold und George Stanton als praktische Schule der magischen Riten in der westlichen Esoterik-Tradition gegründet wurde. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges unterbrach der Orden seine Tätigkeit, um sie 1949 wieder aufzunehmen. Nach den Aussagen des Ordens fuße er nicht auf Rosenkreuzer- oder Freimaurertum, sondern auf der Gnosis sowie auf keltischer und alchemistischer Philosophie und Praxis. Er folge der „Ogdoadischen Tradition“ der Häresie des > Basilides (Leisegang, S. 223 – 228) im 2. Jh. (einer von Basilides gegründeten gnostischen Sekte, benannt nach dem großen Archonten, dem Ogdoas, König und Herrn des Alls), die ihre Grundlage in den religiösen Mysterien des Alten Ägypten habe. Zudem betont man den Einfluss des sog.Vierten Buches des Cornelius > Agrippa. Der Einfluss ogdoadischer Tradition manifestiert sich in den Initiationsriten der Zünfte, in den Kreuzritterorden (Templer, Johanniter, Deutschordensritter) des 12. Jhs., im Careggi Kreis des 15. Jhs. usw. Um 1689 begann die Gesellschaft Societas Rotae Fulgentis (Gesellschaft vom strahlenden Rad) eine Sammlung der „Ogdoatischen Lehren und Praktiken“. Kingold und Stanton waren angeblich Mitglieder dieser Gesellschaft. Der A. S. ist stark von der Kabbala beeinflusst. Ein prominenter Schüler C. G Jungs soll mit dem Orden engen Kontakt gehabt und auf das fünfbändige Werk des Ordens eingewirkt haben. Die Philosophie des A. S. wurde von Melita Denning und Osborne Philipps beschrieben.
Lit.: Melita Denning: The Magical Philosophy. Saint Paul, Minn.: Llewelly Publ., 1974.
Aurum vulgi (lat.) > Stein der Weisen.
Aurva (sanskr.), nach der Hindu-Mythologie Sohn des Cyavana und Enkel des Bhrgu. Seine Geburt war außergewöhnlich. Da die Söhne des Krtavirya, die traditionellen Feinde des Bhrgu-Klans, sogar Kinder im Mutterleib töteten, verlegte seine Mutter ihren Embryo in ihren Oberschenkel, aus dem nach 100 Jahren Aurva mit einem Blitzschlag hervortrat, der seine Feinde blendete. Aus Rache erzeugte er eine Flamme, welche die ganze Welt verschlingen konnte. Von den Vorfahren dazu überredet, diese Waffe in den Ozean zu werfen, wartet das Aurva-Feuer dort auf seine Befreiung, um das Universum zu zerstören.
Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen / John Bowker (Hrsg.). Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Aus-dem-Haus-Rufen, Bezichtigung ins Angesicht, das den bäuerlichen Fehderitualen entstammt und durch Prozesse belegt ist. Das beste Beispiel dafür bietet Johan Bock, gegen den 1667 ein Verfahren wegen Hexereiverleumdung geführt wurde. Laut Anklage hatte er sich „in schmäh- vnd schändung seines nächesten ganz frevelhaffter, grausahm vnd erschrecklicher weise verstiegen“ (Walz, S. 329). Auch nach der Klage der Verleumdeten hatte er „schier alle abend solche per sohnen … offentlich auff der straßen für hexen und zauberer aus geruffen“ (Walz, S. 329).
Lit.: Walz, Rainer: Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit: die Verfolgungen in der Grafschaft Lippe. Paderborn: Schöningh, 1993.
Auseklis (lettisch, „Morgenstern“), baltischer Sterngott, der dem Mond unterstellt ist, öfters aber auch im Dienst der Sonne steht. Bei Himmelshochzeiten gehört er zum Brautgefolge. A. wirkt aktiv mit in der himmlischen Badestube, die als Geburts- und Heilstätte ein Ort besonderer Lebenskraft ist.
Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen: Namen, Funktionen, Symbole / Attribute. 2., erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1989.
Ausfahren, Ausziehen der Teufel aus einer besessenen Person. „Das Ausfahren der Teufel ist für den Besessenen eine große körperliche Anstrengung“ (Rodewyk, S. 252). So musste sich, nach Rodewyk, Magda in der ersten Besessenheitsperiode auf den Boden legen, um beim Ausfahren der Teufel nicht verletzt zu werden. Für die Teufel bedeutet das Ausfahrenmüssen eine große Qual.
Die normale Form des Ausfahrens ist nach Rodewyk das Ausfahren aus den oberen Luftwegen, es gibt aber auch das Ausfahren nach unten. Die durchschnittliche Dauer des Ausfahrens wird mit einer halben bis einer Stunde angegeben.
Lit.: Rodewyk, Adolf: Dämonische Besessenheit heute: Tatsachen und Deutungen. Aschaffenburg: Paul Pattloch, 1976.
Ausfahrt, erste Ackerfahrt. Als günstige Tage der ersten Ackerfahrt galten Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Die A. wurde mit einem Spruch oder einem Gebet begonnen, Gerät und Zugtiere besprengte man mit Weihwasser.
Lit.: Volksthümliches [Volkstümliches] aus Schwaben: 2 Bde. in e. Bd. / hrsg. von Anton Birlinger. Nachdr. d. Ausg. Freiburg, 1861 / 62. Hildesheim; New York: Olms, 1974; Meyer, Elard Hugo: Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert. Stuttgart: Theiss, 1984.
Ausfahrten, nächtliche Ausflüge bzw. Reisen von > Hexen, die schon in der Antike beschrieben wurden. Psychoaktive Pilze und viele Pflanzen, z. B. die typischen > Hexenkräuter, wie > Bilsenkraut, > Blauer Eisenhut, > Stechapfel, > Tollkirsche und > Bittersüßer Nachtschatten, können visionäre A. in andere Welten und Wirklichkeiten erzeugen.
Lit.: Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.
Ausfahrtsegen, Reisesegen. Die vielerlei Gefahren der Reisen im Mittelalter führten zum Gebrauch von Ausfahrt- und Reisesegen durch Vermittlung der Kirche oder aus eigenem Antrieb. Der deutsche A. ist eng verwandt mit dem Morgen-, Schutz- und Waffensegen. Solche deutsche Segensformen liegen seit dem 12. Jh. vor, wie der Weingartner Reisesegen, der Murier Segen u. a. Ähnliche Segen waren bis in unsere Zeit in Umlauf.
Lit.: Franz, Adolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. Sonderausg. Graz: ADEVA, 1960; Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII. – XII. Jahrhundert / hrsg. von K. Müllenhoff und W. Scherer. 4. Aufl.: unveränderter Nachdruck der 3. Aufl. von 1892. Berlin [u. a.]: Weidmann, 1964.
Ausfluss, in der deutschen Mystik der Hervorgang eines Zweiten aus einem Ersten. So sagt Johannes > Tauler, der Seelenfunke fliege hoch in den Grund, aus dem er geflossen ist. Bei Heinrich > Seuse steht usflusze für den Vorgang der Schöpfung. > Eckhart sagt, dass alle Kreaturen aus dem Willen geflossen sind.
Lit.: Nicklas, Anna: Die Terminologie des Mystikers Heinrich Seuse unter besonderer Berücksichtigung der psychologischen, logischen, metaphysischen und mystischen Ausdrücke. Königsberg i. P.: Lankeit, 1914; Kirmsse, Kurt: Die Terminologie des Mystikers Johannes Tauler. Engelsdorf-Leipzig: C. & E. Vogel, 1930; Eckhart, Meister: Meister Eckharts Predigten / hrsg. und übers. von Josef Quint. Unveränd. Nachdr. [der Ausg. Stuttgart 1976]. Stuttgart: Kohlhammer, 2000.
Auskörperung > Ätherleib, > Astralleib, > Astralprojektion, > Außerkörperliche Erfahrung, > Doppelgänger.
Auspendeln > Pendel.
Auspicium (lat., „Vogelschau“), Zukunftsdeutung aus dem Verhalten der Vögel, mit der man schon in der Antike den Willen der Götter zu erkunden suchte. Beobachtet wurden Flugrichtung, Stimmen, Art der Futteraufnahme (bei Hühnern). Bei den Griechen war, laut Homer, > Kalchas ein besonderer Kenner dieser Kunst. Von einigen mythischen > Sehern, z. B. > Teiresias und > Melampus, auch dem germanischen > Sigurd, wird gesagt, sie hätten die Sprache der Vögel verstanden. Die Deutung der Auspicia bzw. Auspizien wurde von den > Auguren vorgenommen und sollte den römischen Staat bei wichtigen Entscheidungen unterstützen.
Lit.: Bleicken, Jochen: Zum Begriff der römischen Amtsgewalt: auspicium, potestas, imperium. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1981; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981.
Aussage (engl.: call; franz.: réponse; it.: chiamata), nach J. B. > Rhine ein ASW-Symbol, das die Versuchsperson (Vp) in einem Experiment bei der Identifizierung eines Zielobjektes nennt.
Lit.: Rhine, Joseph B.: Parapsychologie, Grenzwissenschaft der Psyche: Das Forschungsgebiet der außersinnlichen Wahrnehmung u. Psychokinese, Methoden u. Ergebnisse. [Ins Dt. übertr. von Hans Bender u. Inge Strauch]. Bern; München: Francke, 1962.
Ausscheidung des Empfindungsvermögens, Behauptung von Albert de > Rochas, dass seinen „magnetisierten“ Vpn nach Aussagen von Sensitiven ein Fluidum entströmte. Dieses Fluidum sei sensibel gewesen und stellte die „exteriorisierte Empfindung“ dar, während der Körper der Magnetisierten empfindungslos blieb.
Lit.: Rochas, Albert de: Le radiations limineuses di corps humain. In: Ann. Sc. Ps, 1911; Spiessberger, Karl: Magische Praxis: magisch-mystische Schulung in Theorie und Praxis. 2. Aufl. v. Hermetisches ABC Bd. II. Berlin: Richard Schikowski, 1967.
Aussegnung, Segnung der Wöchnerinnen beim ersten Ausgang, der die Kirche zum Ziel hat, daher auch die Bezeichnung „Vor- oder Hervorsegnung“. Von diesem Brauch berichtet bereits das Alte Testament: „dreiunddreißig Tage soll die Frau wegen ihrer Reinigungsblutung zu Hause bleiben. Sie darf nichts Geweihtes berühren und nicht ins Heiligtum kommen, bis die Zeit ihrer Reinigung vorüber ist“ (Lev 12, 4). Diese Reinigungspflicht hat in der katholischen Kirche zur Aussegnung der Frauen vor dem ersten Messgang nach der Geburt geführt. Nach dem II. Vatikanischen Konzil verschwand der Brauch.
Weit verbreitet ist hingegen bis heute die A. der Verstorbenen, wenn sie das Haus verlassen oder am Friedhof verabschiedet werden, um ihnen den Segen mit auf den Weg zu geben, damit sie ihr Ziel sicher erreichen.
A. erfolgt auch in Haus und Hof, um das Böse zu vertreiben und den Schutz herbeizurufen.
Lit.: Franz, Asolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. Sonderausg. Unveränd. fotomechan. Nachdr. d. 1. Aufl., Freiburg i. Br., 1909; Scherer, Alice: Geweihte Mutterschaft: Von Sinn u. Bedeutung der Aussegnung. Kolmar im Els.: Alsatia Verl., 1943; Nestele, Ernst: Die Aussegnung Verstorbener: liturgische Feier unter seelsorgerlichem Aspekt. Stuttgart: Calwer Verl., 1999; Mitten im Tod das Leben: Entwürfe zur Feier der Aussegnung in diakonischen Einrichtungen . Stuttgart: Diakonisches Werk der Evang. Kirche in Deutschland, 2004.
Außergewöhnlich > Paranormal.
Außergewöhnliche Bewusstseinszustände (ABZ) (engl. non-ordinary states of consciousness), Synonym zu > Veränderte Bewusstseinszustande (VB) (engl. altered states of consciousness). ABZ besitzen einen invarianten Kern, der unabhängig von der Art ihrer Auslösung ist. Die ersten Wurzeln finden sich im Yoga-Sutra des > Patañjali. Er schreibt, dass ein vergleichbarer Bewusstseinszustand sowohl durch (medizinische) Pflanzen als auch durch Mantra-Meditationen oder asketische Übungen wie Fasten erreichbar ist. Auch nach den empirischen Untersuchungen von A. Dittrich sind allen ABZ gewisse Grunddimensionen ätiologie-unabhängig gemeinsam, wobei ein fließender Übergang zum „normalen Wachbewusstseinszustand“ aufrechtbleibt. Grunddimensionen der ABZ sind nach den umfangreichen systematischen Untersuchungen: > ozeanische Selbstentgrenzung (oceanic boundlessness), > angstvolle Ichauflösung (dread of ego dissolution) und > visionäre Umstrukturierung (visionary restructuralization).
Lit.: Resch, Andreas: Veränderte Bewußtseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990 (Imago Mundi; 12); Dittrich, Adolf: Ätiologie-unabhängige Strukturen veränderter Wachbewusstseinszustände. Berlin: VWB, Verl. für Wiss. und Bildung, 21996; Deshpande, Purushottam Y.: Patañjali, die Wurzeln des Yoga. Bern: Barth, 1999.
Außergewöhnliche Erfahrung (AE), allgemeine Bezeichnung für Erfahrungen, die als außergewöhnlich empfunden werden, wie Spukerlebnisse, magische Einflüsse, Einge-
bungen wissenschaftlicher, künstlerischer und religiöser Natur, Telepathie, Präkognition, Wahrträume, Erscheinungen, Spontanheilungen, mystische Erfahrungen, Nah-Tod-Erlebnisse Besessenheitszustände, Wunderheilungen u. dgl.
Lit.: Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15); Alltägliche Wunder: Erfahrungen mit dem Übersinnlichen – wissenschaftliche Befunde / M. e. Vorw. v. Dieter Vaitl. Würzburg: ERGON Verlag, 2003.
Außerirdische (engl.: aliens), Wesen von einem anderen Planeten oder aus einer anderen Dimension. Die Vorstellung von A. wird meist mit > UFOs in Verbindung gebracht. Aus irgendeinem Gebiet des Kosmos sollen A. mit > fliegenden Untertassen und „Mutterschiffen“ zur Erde kommen. So sei es 1947 zu einem UFO-Absturz bei Roswell in New Mexico in der „Area 51“ gekommen, die Teil einer abgesperrten Militärbasis in der Nähe des Groom Dry Lake in Nevada ist. Diese Ansicht hat der Amateur-Astronom George > Adamski aufgestellt, der behauptete, bereits 1946 Fotos von UFOs gemacht zu haben und 1952 mit Außerirdischen in Kontakt getreten zu sein. 1997 versuchte die Nasa das Gerücht zu widerlegen, offenbar vergeblich, denn es besteht nach wie vor die Ansicht, die US-Regierung habe das Raumschiff und seine Besatzung geborgen und treffe sich seitdem im Geheimen mit den A. Diese Behauptungen führten zu einem steilen Anstieg von UFO-Sichtungen. Zudem sollen A. Menschen entführt und Spuren (z. B. Viehverstümmelungen) sowie die sog. > Kornkreise hinterlassen haben. Auserwählten Propheten hätten sie gelegentlich Weisheiten wie das > Buch Urantia vermittelt. Esoteriker gehen dabei vielfach davon aus, dass A. friedfertige Absichten haben, eine höhere Intelligenz besitzen und den Bewohnern der Erde wesentliche kulturelle Impulse gegeben hätten. > Präastronautik.
Lit.: Leslie, Desmond: Fliegende Untertassen landen / George Adamski. [Dt. Übertr.: S. S. Fitz Randolph]. Stuttgart u. a.: Europa-Verlag, 1954; Adamski, George: Im Innern der Raumschiffe. Gütersloh: Ventla-Verl., 1995; Alien Discussions: von Außerirdischen entführt; Forschungsberichte und Diskussionsbeiträge zur Konferenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, über das Abduktionsphänomen / Geleitwort von David E. Pritchard und John E. Mack. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins, 1996.
Außerkörperliche Erfahrung ( AKE), engl. extracorporeal experience oder out-of-the-body-experience (OBE und OOBE), spontane oder induzierte Erfahrung, bei der das Bewusstsein außerhalb des eigenen Körpers zu sein scheint. Celia > Green unterscheidet zwei Formen der AKE: die parasomatische, bei der die Person das Empfinden hat, körperlich verdoppelt zu sein, wobei die beiden Körper zuweilen mit einer Silberschnur verbunden sind; und die asomatische bzw. unkörperliche Form, bei der die Person sich völlig körperlos fühlt. Die AKE ist ein welt- und kulturweit verbreitetes Phänomen, das aus ältester Zeit berichtet wird. Nach neueren Untersuchungen machen durchschnittlich 10% der allgemeinen Bevölkerung (5 Studien), 25% der Studenten (49 Studien) und 48% von parapsychologischen Gruppen (10 Studien) AKEs (Alvarado, 185). Bei diesen Erfahrungen handelt es sich um das sichere Gefühl, „sich“ von dem gewöhnlichen, physischen Körper zu entfernen, meist aus einer Ruhelage heraus, so dass sich der neue Körper, für den die Terminologie ein reiches Vokabular wie etwa > Astralleib oder > Ätherleib zur Verfügung stellt, waagrecht abhebt. In vielen Fällen, d. h. von etwa 62% der Befragten (Alvarado, 186), wird dabei der zurückgelassene Körper aus der neuen Perspektive wahrgenommen und manchmal, in etwa 7% der untersuchten Fälle (Alvarado, 186), auch eine > Silberschnur, engl. astral cord, die beide Körper miteinander verbindet. Das Sehen des zurückgelassenen physischen Körpers wird > Autoskopie und noch genauer > Heautoskopie genannt. In einigen Fällen kann ferner der eigene neue Körper betrachtet werden, der häufig dem gewöhnlichen Körper ähnelt, aber noch in vielen anderen Varianten wahrgenommen wird, so etwa als Wolke, reines Bewusstsein, Lichtkugel oder bloßer Punkt im Raum. Dieser ätherische, mitunter als transparent erlebte Körper kann seine Beschaffenheit im Verlauf einer AKE auch verändern, wie Karlis > Osis von 23% der von ihm Befragten erfuhr. In Einzelfällen kann dieser ätherische Körper auch von Außenstehenden als > Erscheinung wahrgenommen werden, was u. U. zu einem > Doppelgänger-Erlebnis führen kann, wie es im Fall > Wilmot beschrieben wurde (Gurney, Myers and Podmore; Myers; Guiley 1992).
Die AKE ist nicht wie die > Nahtoderfahrung an die Situation der Begegnung mit dem Tod gebunden, überschneidet sich jedoch phänomenologisch gesehen weitgehend mit ihr, auch wenn sie weniger häufig das Sehen des zurückbleibenden physischen Körpers, nicht die typische Reise durch einen Tunnel und ebenso wenig die Begegnung mit Verstorbenen, himmlischen Wesen oder einem besonders intensiven Licht beinhaltet (Gabbard, Twemlow u. Jones). Ferner ist die > Astralprojektion, die oft als willentliche Loslösung vom physischen Körper verstanden wird, vom Phänomen her eine AKE, so dass man den Begriff der AKE als neutralen Oberbegriff bezeichnen kann, der lediglich das Erlebnis der Trennung des Ichs, des Selbstes bzw. des Bewusstseinszentrums vom Körper erfasst.
Der Begriff AKE sagt nichts über Intensität, Qualität oder Wertung der Erfahrung aus, also nichts darüber, ob es sich bei der AKE nur um ein kurzes Loslösen vom Körper oder um eine längere Reise handelt, nichts über den erlebten Inhalt und dessen Bedeutung für den Betroffenen und auch nicht, ob die AKE spontan oder willentlich zustande kommt. Daher deckt der Begriff ein sehr weites Feld von weltweit berichteten Erlebnissen ab, die sich bis in die Antike, ins 7. vorchristliche Jh., zu > Aristeas von Prokonnesos zurückverfolgen lassen. Bestes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, aus der ersten Hälfte des 19. Jhs., im deutschsprachigen Raum ist Friederike Hauffe, die > Seherin von Prevorst (Kerner). Auch > Schamanenreise und > Hexenflug gehören hierher. Die wissenschaftliche Erforschung der Inhalte von AKEs ist bisher jedoch vernachlässigt worden. Tatsache ist jedoch, dass AKEs nachhaltig auf die Lebenseinstellung des Betroffenen einwirken und in der Regel dessen Alltagsleben und Lebensqualität verbessern (Osis). So erzählt der Dichter William Gerhardie von einem außerkörperlichen Erlebnis, das er in der Zeit hatte, als er gerade an seinem Roman Resurrection (1934) schrieb. Während eines kleinen Schläfchens kurz vor dem Besuch eines Balls in London fand er sich plötzlich außerhalb seines Körpers in der Wohnung eines Freundes in Brighton wieder. Er wachte auf, war wieder in seinem alten Körper, ging zum Ball und hatte das Gefühl einer echten „Wiederauferstehung”, das ihm die Unsterblichkeit der Seele vor Augen geführt hatte (Inglis, 183 f.).
Es gibt zwei grundsätzliche Arten des Verständnisses von AKEs: Entweder es tritt tatsächlich „etwas“ aus dem physischen Körper heraus, oder alles ist bloße Imagination bzw. Projektion. So betont etwa Dr. Rex > Stanford von der St. John’s University in Jamaica / New York, dass AKEs besonders von Menschen erlebt werden, die als Kinder viel gelesen und sich mit imaginären Spielgefährten eingelassen haben. Seine Meinung stützt er auf eine Fragebogenaktion, die unter College-Studenten durchgeführt wurde. Stanford schließt daraus, dass AKEs in purer Phantasie begründet sein könnten (GW 37, 1988, 3). Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass in rund 19% der erforschten AKEs die Erlebenden behaupten, Objekte oder Informationen wahrgenommen zu haben, die Realitätswert besitzen (Alvarado, 187). Die wichtigsten Laborexperimente zum Thema AKE wurden von Charles > Tart an der University of California, Davis, durchgeführt (Tart, 1967 / 68). Dabei sollte die Versuchsperson, Frl. Z., eine fünfstellige, nach dem Zufallsprinzip ermittelte Zahl herausfinden, die auf einen Zettel geschrieben wurde, den man hoch oben auf einem Regal ablegte. Tart geht nicht davon aus, dass der Erfolg dieses Experiments durch ASW zustande gekommen ist; seiner Meinung nach liegt der Gedanke nahe, dass sich der „Geist“, engl. mind, hier vom Körper entfernt haben könnte (Tart, 1997, 179 f.; vgl. Rogo). > Ätherisches Doppel, > Bilokation.
Lit.: Gurney, Edmund; Myers, Frederic W. H., and Podmore, Frank: Phantasms of the Living. London: Kegan Paul, Trench, Trubner & Co. Ltd., 1918; Kerner, Justinus: Die Seherin von Prevorst. Stuttgart, 1929; Myers, Frederic W. H.: Human Personality and Its Survival of Bodily Death. 2 Bde. New York: Longmans, Green & Co., 1954; Tart, Charles: A Second Psychophysiological Study of Out-of-the-Body Experiences in a Gifted Subject. In: International Journal of Parapsychology 9, 1967, 251 – 258; Green, Celia: Out-of-the-Body Experiences. London: Hamish Hamilton, 1968; Smith, Susy: The Enigma of Out-of-Body Travel. New York: Signet Mystic Books, 1968; Tart, Charles: A Psychophysiological Stydy of Out-of-the-Body Experiences in a Selected Subject. In: Journal of the American Society for Psychical Research 62, 1968, 3 – 27; Monroe, Robert A.: Journeys Out of the Body. Garden City: N. Y.: Doubleday, 1971; Black, David: Ekstasy: Out-of-the-Body Experiences. Indianopolis: Bobbs-Merrill, 1975; Rogo, Scott D. (Hg.): Mind Beyond the Body. The Mystery of ESP Projection. Harmondsworth: Penguin Books, 1978; Capel, Mario: Extracorporeal experiences. Review of cases and explanations. In: Psi Communicación, 1978, 4, 49 – 71; Christodoulou, G. N.: Syndrome of subjective doubles. In: American Journal of Psychiatry, 1978 (Feb), 135 (2), 249 – 251; Osis, Karlis: Insider’s view of the OBE: A questionnaire study. In: G. W. Roll (Hg.): Research in Parapsychology. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1978, 50 – 52; Monroe, Robert A.: Der Mann mit den zwei Leben. Reisen außerhalb des Körpers. Düsseldorf; Wien, 1972; Nachdr. Ansata 1981; Mitchell, Janet Lee: Out-of-Body Experiences: A handbook. Jefferson, N.C.: McFarland, 1981; Gabbard, G. O.; Twemlow, S. W. u. Jones, F. C.: Do near-death occurances occur only near death? In: Journal of Nervous and Mental Disease 169 (1981), 374 – 377; Evans-Wentz, W. Y. (Hg.): Das Tibetanische Totenbuch oder Nahtod-Erfahrungen auf der Bardo-Stufe. Olten und Freiburg i. Br.: Walter-Verlag, 1982; Guiley, Rosemary Ellen: Harper’s Encyclopedia of Mystical & Paranormal Experience. Foreword by Marin Zimmer Bradley. San Francisco: Harper, 1991; Guiley, Rosemary: The Encyclopedia of Ghosts and Spirits. New York: Facts On File, 1992; Inglis, Brian: The Unknown Guest. The Mystery of Intuition. London: Chatto & Windus, 1997; Tart, Charles: Who or What Might Survive Death? In: Charles Tart (Hg.): Body, Mind, Spirit. Exploring the Parapsychology of Spirituality. Hampton Roads, 1997, 171 – 197; Alvarado, Carlos S.: Out-of-Body Experiences. In: Etzel Cardêna; Stephen Jay Lynn u. Stanley Krippner (Hg.): Varieties of Anomalous Experience: Examining the Scientific Evidence. Washington, DC: American Psychological Association, 2000, 183 – 218.
Außerkörperliche Reisen > Astralprojektion.
Außerkörperliches Wirken > Telekinese > Psychokinese.
Außersichsein, das Empfinden, außerhalb des eigenen Körpers, des eigenen Denkens und Fühlens, des eigenen Wesens und der Natur als solcher zu sein. Das Empfinden außer sich zu sein, stellt sich vor allem bei der > Außerkörperlichen Erfahrung, im > klinisch toten Zustand und in der > Ekstase ein. Nach G. W. F. Hegel ist der Raum das Außersichsein der Natur. So sagt er in seiner Naturphilosophie, § 254: „Die erste oder unmittelbare Bestimmung der Natur ist die abstrakte Allgemeinheit ihres Außersichseins, – dessen vermittlungslose Gleichgültigkeit, der Raum.“ > Doppelgänger.
Lit.: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Naturphilosophie und Philosophie des Geistes. Neu hrsg. von Rolf-Peter Horstmann. Hamburg: Meiner, 1987; Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen. Innsbruck: Resch, 1992 (Imago Mundi; 13).
Außersinnlich, außerhalb der normalen Sinneswahrnehmung. > Außersinnliche Wahrnehmung.
Außersinnliche Wahrnehmung (ASW), engl. extrasensory perception (ESP), Wahrnehmung von Vorgängen, Objekten und Erscheinungen in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft außerhalb der bekannten Sinneswege (Gesicht, Gehör, Tastsinn, Geruch und Geschmack) und außerhalb der bekannten Naturgesetze. Als Hauptformen werden > Telepathie, > Hellsehen und > Präkognition genannt. Im weiteren Sinne gehören dazu auch > Ahnungen, > Prämonitionen, > Wahrträume, > Intuitionen und > Visionen. Der Begriff wurde von J. B. > Rhine eingeführt. > ASW-Karten dienen als Testvorlagen zur statistischen Beweisführung. > Paranormale Erfahrung.
Lit.: Rhine, J. B.: Die Reichweite des menschlichen Geistes: parapsychologische Experimente. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1950; Van Over, Raymond (ed.): Psychology and Extrasensory Perception. New York; Scarborough: New American Library, 1972; Mischo, Johannes: Außersinnliche Wahrnehmung – spontane Erfahrung und quantitativ-statistisches Experiment als Gegenstand der Forschung. Freiburg i. Br.: Univ., Philos. Fak., Habil.-Schr., 1973.
Außerzeitliche Wahrnehmung, Erfahrung ohne Zeitempfinden. Solche Erfahrungen treten in Bewusstseinszuständen auf, bei denen das Zeitempfinden aufgehoben ist, wie etwa > Trance, > Somnambulismus, > Ekstase, > Psychostase und > Pneumostase.
Philosophisch gesehen sind für I. Kant außerräumliche bzw. außerzeitliche Erkenntnisse nicht möglich, da das Ding an sich – wie Kant die Welt der übersinnlichen Ideen (Gott, Wahrheit usw.) bezeichnet – nicht erkannt werden kann. Der Mensch ist abhängig von den ihm mitgegebenen Formen der Anschauung. Die Vernunft sollte sich darauf beschränken, das empirische Material sinnlicher Erfahrungen auszuwerten und dürfe keine metaphysischen Erkenntnisse beanspruchen. Damit hat Kant wesentlich die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft und die mit ihr verbundene Wissenschaftstheorie beeinflusst.
Bei der hier angesprochenen Außerzeitlichen Wahrnehmung geht es nicht so sehr um metaphysische Erkenntnisse, sondern vielmehr um Erfahrungen im raum-zeitlosen Bewusstseinszustand.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. Dt. Erstausg. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1988; Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990 (Imago Mundi; 12); Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. Wiesbaden: Fourier, 2003.
Außerzufällig (engl. extrachance), Ereignis, das nicht dem Zufall (allein) zuzuschreiben ist.
Lit.: Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Andreas Resch (Hg.). Abensberg: Josef Kral, 1972.
Aussetzung, Erzählmotiv zur Unterstreichung der wunderbaren Herkunft bzw. Rettung eines kaum geborenen Helden. So wurde nach der griechisch-römischen Mythologie > Zeus in einer Höhle auf dem Berg Ida auf Kreta ausgesetzt, > Dionysos in einem Kasten auf dem Meer (ähnlich wie > Moses); > Romulus und Remus wurden von einer Wölfin gesäugt und > Kybele wurde wegen der Enttäuschung, weil sie ein Mädchen war, ausgesetzt.
Die Aussetzung von Kindern spielt in den Sagen fast aller Völker eine große Rolle. Sie wird auch als eine Sonderform der Kindertötung angesehen, welche gewöhnlich das weibliche Geschlecht betraf (Schrader). Die Aussetzung des Kindes war das Recht des Vaters. Sobald das Kind mit Wasser begossen war bzw. Speisen zu sich genommen hatte, galt es als in die Gemeinschaft aufgenommen und das Band zwischen Seele und Leib war geknüpft. Das Töten eines solchen Kindes wurde daher als Mord bestraft (Amira).
In diesem Zusammenhang ist auch die A. von Greisen und Kranken (Simrock, S. 238), das Aufhängen und Totschlagen von Greisen mit Hämmern und das Lebendigbegraben von (alten) Frauen (Schell) zu nennen.
Lit.: Simrock, Karl: Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen. Bonn: Marcus, 1864; Schrader, Otto: Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde: Grundzüge einer Kultur- und Völkergeschichte Alteuropas. Berlin u. a.: de Gruyter, 1917; Amira, Karl von: Die germanischen Todesstrafen: Untersuchungen zur Rechts- und Religionsgeschichte. München: Verl. d. Bayer. Akad. d. Wiss, 1922; Bergische Sagen / ges. von Otto Schell. Elberfeld: Martini & Grüttesien, 21922; Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg u. a.: Herder, 2002.
Austatikco-Pauligaur, eine Gruppe von acht persischen Dämonen, welche die 8 Seiten der Welt beinhalteten. Ihre Namen waren: 1. Indiren, der Anführer der Gruppe; 2. Augne-Baugauven, der Gott des Feuers; 3. Eemen, der Gott des Todes und der Hölle; 4. Nerudee, die Erde in der Gestalt eines Giganten; 5. Vaivoo, der Gott der Luft und des Windes; 6. Varoonon, der Gott der Wolken und des Regens; 7. Gooberen, der Gott des Reichtums; 8. Essaunien oder Shivven.
Lit.: Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Vol. 1 / Leslie Shepard (Hrsg.). Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.
Australiden (lat.), die einst vorherrschende Rasse in Australien liefert in ihrer Mythologie einen bemerkenswerten Hinweis auf Fragen bezüglich Psi und Evolution. So glauben die Stämme übereinstimmend an eine > Urzeit, die zugleich Schöpfungszeit war. Diese Zeit wird in fast allen Sprachen mit dem jeweiligen Wort für > Traum, > Vision oder > Ekstase bezeichnet. Nach den A. bieten diese besonderen Bewusstseinszustände dem Menschen die Möglichkeit, mit seinem kreativen Potential in Verbindung zu treten. Daher werden diese Zustände mit dem „schöpferischen Zeitalter“ gleichgesetzt.
Lit.: Rose, Frederick: Australien und seine Ureinwohner: ihre Geschichte u. Gegenwart. Berlin: Akademie-Verlag, 1976.
Australien, von Seefahrern und Geographen des 17. Jhs. terra australis incognita (lat., das unbekannte südliche Land) genannt, verblieb mit einer Fläche von 7.692.030 km2 die lateinische Bezeichnung „australis“ (südlich) als Name. A. war die Heimat vornehmlich nomadisierender Völker, die von den Erträgnissen der Jagd (Känguruhs, Wallabies, wilde Truthähne, Emus, Ackerfalken) und der Ernte wild wachsender Nahrungspflanzen lebten.
Der Beginn der Besiedlung des australischen Kontinents lässt sich nur sehr ungenau bestimmen. Schätzungen von Wissenschaftlern gehen 60.000 bis 120.000 Jahre zurück, um das Einwandern der ersten Menschen aus Asien auf den Kontinent zu datieren. Diese Ureinwohner gehören daher zu den ältesten Völkern der Erde. Deren allgemeine Bezeichnung als „Aboriginal“ oder > „Aborigine“ (lat. ab origine, von Beginn an) stammt von den Europäern und wird von den Ureinwohnern nicht benutzt. In Australien trifft man vermehrt auf die Bezeichnung indigenous people.
Ihr Leben war hervorragend an die Erfordernisse des Landes angepasst, ihre soziale Ordnung gut entwickelt und ihre Fähigkeiten und Naturkenntnisse verblüffen noch heute. Vor der Ankunft der Weißen siedelten sie vor allem an der Ostküste, doch waren auch die Wüsten besiedelt. Sie lebten in Gemeinschaften von ungefähr 500 Menschen. Diese Gruppen unterteilten sich in kleinere Verbände von ca. 20 bis 50 Personen, von denen die meisten als Nomaden ihr Dasein fristeten. Zwischen den Gruppen gab es häufig kriegerische Auseinandersetzungen wegen territorialer Ansprüche. Sie bewirtschafteten das Land, indem sie es kontrolliert verbrannten, um es vor den verheerenden Buschbränden zu schützen und landwirtschaftlich nutzen zu können.
Die genannten Ureinwohner waren bei weitem keine homogene Rasse. Es gab etwa 300 Sprachen und die Lebensarten unterschieden sich je nach Stammesgebiet. Die einzelnen Clans und Stämme gaben sich Namen wie „Yolngu“ (Norden), „Murri“ (Osten), „Koori“ (Südosten), „Nanga“ (Süden), „Nyungar“ (Südwesten), „Wonghi“ (Westen) und viele andere. Einige Stämme an der Nordküste hatten Kontakte zu Indonesien geprägt, während Stämme in Zentralaustralien sehr isoliert lebten.
Traumzeit
Die einzelnen Stämme waren vornehmlich auf das Leben der Männer als Jäger und Fänger sowie der Frauen als Sammlerinnen eingestellt. Ihre Gesetze und ihr Glaube sind von der > Traumzeit (dreamtime), auch Altjeringa-, Tjurkurrpa- oder Palaneri-Zeit geprägt. Traumzeit ist die freie Übersetzung des Wortes alcheringa der Aranda-Stämme im Zentrum des australischen Kontinents und bezeichnet die mythische Urzeit mit dem schöpferischen Wirken göttlicher Wesen, dem Menschen, Tiere, Pflanzen und alles sonst Seiende die Existenz verdanken, aber auch die irdischen Manifestationen der göttlichen Wesen und die Vergegenwärtigung ihrer Schöpferkraft im Kult.
Wenngleich sich in der allgemeinen Tendenz des mythischen Geschehens eine gewisse Übereinstimmung zeigt, die auf eine früher einmal gemeinsame Vorstellungswelt schließen lässt, weisen die einzelnen Regionen jeweils eine besondere Eigenart auf. So dominiert bei den Stämmen des Südostens im Geschehen der Traumzeit jeweils ein bestimmtes Schöpferwesen, das zwar in Menschen- oder Tiergestalt in Erscheinung tritt, jedoch immer als personifizierte Persönlichkeit zu fassen ist. Namen dieser göttlichen Wesen, wie Bunjil, Baiama und Daramulun, sind sehr bekannt. Bunjil, der anscheinend seinen Ursprung in sich selbst hat, wurde nach anderen Traditionen von Adler und Krähe geschaffen. Eine seiner Erscheinungsformen ist der Adlerfalke, der in der Krähe Waang einen Helfer und zugleich Rivalen hat.
Einen ganz anderen Charakter hat das Schöpfungsgeschehen der Traumzeit in der Überlieferung der Aranda-Stämme im zentralen Australien. In dieser Überlieferung, der Heimat der Bezeichnung Traumzeit, ist ebenfalls von einem Himmelswesen die Rede, das zwar den Namen „Großer Vater“ (Kngaritja) trägt, für die Menschen jedoch kaum von Bedeutung ist. Es hat Emu-Füße, seine Frau hingegen Hunde-Füße. Die beiden haben Söhne und Töchter und besitzen ewige Jugend. Das Himmelswesen hat die Erde nicht geschaffen, auch keine Tiere und Pflanzen. Es rief auch nicht die „Totem-Ahnen“ der Menschen ins Leben und übte auf sie keinerlei Einfluss aus.
Die Erde war am Anfang flach. Unter ihr schlummerten Tausende übernatürliche Wesen. Die Traumzeit begann, als diese Wesen, gemeinhin „Totem-Ahnen“ genannt, erwachten und den Erdboden durchbrachen. Sie wurden aus ihrer eigenen Ewigkeit geboren, wanderten über der Erde, gaben ihr Konturen und kehrten dann wieder in den Untergrund zurück. Die Stellen der Rückkehr wurden wie die „Geburtsorte“ zu Kultplätzen. Einige erlitten bei ihrer Wanderung auch Schmerzen oder wurden getötet. Da sie jedoch unsterblich sind, leben die Getöteten in Felsen, Bäumen und vor allem in bestimmten Kultobjekten fort. Überall dort, wo die vielen Totem-Ahnen einmal gewandert sind, blieben Spuren ihrer Lebenskraft zurück.
Besonders auffallend ist in den mythischen Traditionen der Aranda, dass die gesamte Schöpfung in den Totem-Ahnen und in den embryonalen Vorformen des Menschen präexistent ist. Auch das Gestirn steigt empor, und die Sonne wärmt die bislang nachtkalte Erde.
Bei den Stämmen im Norden und Nordwesten Australiens fand sich mit der „Regenbogenschlange“ als Inbegriff des lebensspendenden Wassers die Vorstellung vom Urgrund der Schöpfung und der Fruchtbarkeit.
Bei den Stämmen der Kimberley ist die Regenbogenschlange eng mit den Wondjinas genannten Geistwesen verbunden, die eine annähernd menschliche Gestalt haben, jedoch ohne Mund. Auf den Felsenbildern gleicht ihre Gestalt fast einem Astronautenhelm.
Kultplätze
Die > Kultplätze sind in manchen Regionen Australiens mit Steinkreisen, Dolmen oder anderen Steinsetzungen verbunden. Im Kult selbst werden verschiedene Gegenstände verwendet, wie etwa die > Tjurunga. Es handelt sich dabei um länglich-ovale Hölzer von mehr oder weniger als einem Meter, die meist beidseitig mit einem Muster versehen sind und im Kult zusammen mit den rezitierten Mythen ihre Wirksamkeit erlangen. Ihnen ähnlich, jedoch schmäler und an einem der stärker zugespitzten Enden durchbohrt, sind die > Schwirrhölzer. Wenn sie mit einer Schnur im Kreis geschwungen werden, geben sie einen schwirrenden Klang, der bei den Kulthandlungen die Anwesenheit der Traumzeitwesen bezeugt. Auch andere Schallgeräte haben einen solchen sakralen Charakter. Man kennt wohl ein halbes Dutzend Abarten des Tjurunga und fast ein Dutzend Kultobjekte von ähnlichem Rang wie das Fadenkreuz, mit bis zu einem Meter Durchmesser. Beeindruckend sind auch die > Dendroglyphen, in Bäume eingeschnittene geometrische Figuren.
Nicht zuletzt imponieren die > Felsbilder. Ihre Galerien in Höhleneingängen und unter Felsüberhängen sind Kultstätten, insbesondre die Felsmalereien in Nord- und Nordwest-Australien. Künstlerisch reizvoll sind vor allem die Darstellungen der Mimi genannten Totengeister.
Initiation
Die wichtigste Kulthandlung war ohne Zweifel die > Initiation, die „Knabenweihe“, die sich über viele Monate, oft sogar über zwei Jahre hinzog und eine totale Anpassung des Individuums zum Ziel hatte. Dazu gehörten die > Beschneidung und andere Mutilationen, mit Ausnahme bei den Stämmen im Südosten und im Westen. Man kannte zwei Arten der Beschneidung, die Zirkumzision und die Subinzision. Bei der Zirkumzision wurde die ganze Vorhaut mit einem scharfen Stein, später mit einem Glassplitter entfernt. Bei zwei Drittel der Stämme wurde die Subinzision durchgeführt, wobei ganz oder teilweise auch die Harnröhre längs der unteren Seite des Penis aufgeschlitzt wurde, was bei gänzlicher Durchführung Zeugungsunfähigkeit zur Folge hatte.
Wenngleich der Ablauf der Initiation im Einzelnen differiert, lassen sich allgemein folgende wichtige Phasen erkennen: 1) Fasten und Trennung von der Mutter; 2) Scheinkämpfe auf dem Kultplatz; 3) Hauptritual: erste mystische Begegnung mit den Wesen der Traumzeit, verkörpert durch bemalte und mit Flaumfedern beklebte Männer. Beschneidung und andere Mutilationen wie etwa Zähneausschlagen als symbolischer Tod der Knaben; 4) Seklusion, Abschließung, im Extremfall bis zu einem Jahr; 5) Blutopfer-Zeremonie: Abzapfen von Blut aus einer Armvene, das mit anderen Männern getrunken wurde; 6) Feuerzeremonie: Die Initianden mussten im Kreis in ein Feuer starren und am Ende mit anderen Männern die glimmende Asche mit den Füßen austreten; 7) rituelle Waschung und Rückkehr.
Weihen
Der Initiation folgte ein komplexes System von Weihen. Lag die Initiation vorwiegend in der Hand alter Männer, so waren bei den berühmtem > Corroborees, den Tanzveranstaltungen, alle männlichen Angehörigen des Initianden zugegen. Die Corroborees gingen auf Ideen, Trance und Traumerlebnisse des priesterliches Ansehen genießenden Corroboree-Doctors zurück.
Bei diesen Tanzveranstaltungen und in Ritualen zur Heilung von Kranken kam das wohl bekannteste Instrument der Aborigines zum Einsatz: das Didgeridoo, eine lange hölzerne, aus einem hohlen Ast hergestellte Basspfeife, Symbol der männlichen Energie, weshalb Frauen darauf nicht spielen durften.
Der fast unüberschaubare Komplex an Kulthandlungen war auf die Sicherung und Erhaltung der Schöpfung ausgerichtet. Vor allem ging es dabei um die jagdbaren Tiere, die nutzbaren Pflanzen und den Bestand der eigenen Gruppe, die eine besondere Verantwortung für ihre > Totems hatte.
Magie
Männer hohen Alters, die alle Weihen empfangen hatten, erfüllten als Kenner der Tradition auch priesterliche Aufgaben. Ihnen oblagen als Zeremonienmeister die Initiation und andere Kulthandlungen, das „Regenmachen“ und bestimmte Wahrsageformen.
Medizinmänner
Den Kennern der Tradition standen sog. Medizinmänner gegenüber, bei denen Fähigkeiten wie Trance und Ekstase von Bedeutung waren. Zum > Medizinmann wurde man im Traum berufen. Seine Hauptaufgaben waren neben Krankenheilung die schwarze und weiße Magie. Er besaß ein individuelles Totem, das ihm auch als Hilfsgeist diente. Die Magie hatte den Zweck, mehr Nahrung zu finden, Kranke zu heilen oder Kriminelle zu bestrafen. Einer der gefürchtetsten Zauber war das pointing the bone, bei dem der Medizinmann einen angespitzten Knochen auf den zu Bestrafenden richtete, der tatsächlich glaubte, von dem Knochen durchbohrt zu werden.
Fortleben
Der Tod war für die Ureinwohner Australiens ein Mord und der Medizinmann musste den Verursacher des Todeszaubers ermitteln. Die endgültige Beisetzung der Gebeine fand erst statt, wenn man dem Bedürfnis nach Rache in irgendeiner Form Genüge getan hatte. Nach dem Tod ging das „Geistkind“, jenes das irdische Dasein überdauernde Wesen, in seine Präexistenz zurück, um erneut einen Fötus im Mutterleib zu beseelen.
Parapsychologie
Heute bilden die Aborigines nur mehr 2,2% der Bevölkerung des Landes, während 95% europäischer Herkunft sind. In diesem Zusammenhang ist auch das gegenwärtige Bemühen um das Paranormale zu sehen, das von der Australischen Gesellschaft für Psychische Forschung und vom Australischen Institut für Parapsychologische Forschung wahrgenommen wird. Die Australian Society for Psychical Research wurde 1979 von Pof. J. Frodsham, Murdoch University, ins Leben gerufen und befasst sich mit Grenzgebieten und parapsychologischen Themen. Seit 1995 gibt sie das Journal of Alternative Realities heraus.
Bereits 1977 wurde das Australian Institute of Parapsychological Research, Inc. (AIPR) gegründet, das sich mit wissenschaftlichen Methoden, vornehmlich mit außersinnlicher Wahrnehmung, Psychokinese und den Fragen des Fortlebens befasst. Als Organ fungiert die Zeitschrift Australian Journal of Parapsychology.
Lit.: Eliade, Mircea: Geschichte der religiösen Ideen. Bd. 3, 2: Vom Zeitalter der Entdeckung bis zur Gegenwart / Hg. Ioan P. Culianu. Freiburg: Herder, 1991; Borsboom, Ad: Mythen und Spiritualität der Aborigines. Aus dem Niederländ. von Clemens Wilhelm. München: Diederichs, 1998; Craan, Robert: Geheimnisvolle Kultur der Traumzeit: die Welt der Aborigines. München: Knaur-Taschenbuch, 2004.
Austreibung > Exorzismus.
Austri (Osten), ein Zwerg aus der germanischen Mythologie. Nach der Kosmogonie der nordischen Völker besteht das sichtbare Himmelsgewölbe aus der Hirnschale des Riesen > Ymir, welche die Söhne Bors, Odin, Wili und We dazu verwandten, nachdem sie Ymir getötet hatten. Sie erhoben diesen Himmel mit vier Ecken über die Erde und setzten unter jede Ecke einen Zwerg: Austri (Osten), Sudri (Süden), Westri (Westen) und Nordri (Norden).
Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag gmbh, 2004.
Austrieb. Der Austrieb von Vieh wird von magischen Schutzmaßnahmen begleitet, die dazu dienen sollen, das Vieh beim Übergang von der Stallfütterung zur Weidefütterung vor bedrohlichen Dämonen zu schützen. Schon der Tag des Austriebs ist zu beachten. Ungünstige Tage sind Montag und Freitag. Als magisches Schutzzeichen schlägt der Hirte beim Segnen des Viehs allerlei Kreuze. Dem Vieh selbst wird u. a. ein Kreuz auf die Stirn gemacht. Dämonen werden durch Lärm vertrieben, wozu auch die Kuhglocken und ein Reihe anderer Zauberformen dienen.
Lit.: Veith, Willibald: Schlesien: ein geogr. u. geschichtl. Merk- u. Wiederholungsbüchlein f. d. Hand d. Schülers. Breslau: F. Goerlich, 1928; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens / hrsg. von Hanns Bächtold-Stäubli unter Mitw. von Eduard Hoffmann-Krayer; mit e. Vorw. von Christoph Daxelmüller. Berlin u. a.: de Gruyter, 1987.
Austritt des Ichs > Astralprojektion, > Außerkörperliche Erfahrung, > Doppelgänger.
Austromantie (engl. austromancy), Wahrsagen durch Beobachtung des Windes (Richtung und Intensität); eine Form der > Aeromantie.
Auswahlesoterik, Selektion esoterischer In-
halte und Praktiken ohne feste Bindung an ein Lehrsystem im Gegensatz zur > Systemesoterik okkulter Weltanschauungsgemeinschaften.
Lit.: Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen. Innsbruck: Resch, 1992 (Imago Mundi; 13).
Autochthone Ideen, Zwangsideen, Vorstellungen und Gedanken, die dem normalen Persönlichkeitsempfinden fremd sind, keinen Bezug zu den übrigen seelischen Inhalten haben und als von außen eingegeben empfunden werden.
Lit.: Dorsch psychologisches Wörterbuch: [15000 Stichwörter, 800 Testnachweise] / hrsg. von Hartmut O. Häcker; Kurt-H. Stapf. Bern: Huber, 2004.
Auto-da-Fé (port., „Akt des Glaubens“). Ausgefeilte öffentliche Zeremonien der Inquisition, besonders in Spanien, bei denen nach einer prunkvollen Prozession, Messe und Predigt die Urteile verlesen wurden. Die erste dieser Zeremonien geht auf 1481 zurück. Sie wurden von Napoleon 1808 in Spanien endgültig abgeschafft. Die Häretiker wurden mit einem gelben Gewand und einer Mitra bekleidet. Die zum Tode Verurteilten wurden der weltlichen Macht übergeben und meist sonntags unter großem Volksauflauf auf den Plätzen öffentlich hingerichtet bzw. verbrannt.
Lit.: Troisi, Luigi: Dizionario Massonico: Esoterismo – Ermetismo – Religioni – Miti – Simboli / Vorwort von Aldo A. Mola. Foggia: Bastogi, o. J.; König, Bruno Emil: Ausgeburten des Menschenwahns im Spiegel der Hexenprozesse und der Autodafé’s: historische Schandsäulen des Aberglaubens; eine Geschichte des After- und Aberglaubens bis auf die Gegenwart; ein Volksbuch. Berlin-Schöneberg: Bock, 1935; Frèches, Claude Henri: Une apologétique baroque: les sermons portugais d’autodafé au XVIIe siècle. Portug. Forschungen d. Görresgesellschaft, 1977; Haddad, Gérard: Les biblioclastes: Le Messie et l’autodafé. Paris: B. Grasset, 1990.
Autogenes Training, eine vom Psychiater Johannes Heinrich Schultz (1884 – 1970) aus Hypnose-Erlebnissen seiner Patienten entwickelte Methode der konzentrativen Selbstentspannung auf der Grundlage von Autohypnose und Autosuggestion zum Hervorrufen von sechs Formen der Körperempfindung: Schwere und Wärme der Gliedmaßen, Ruhe des Herzschlags, gleichmäßiges Atmen, warmer Leib und kühle Stirn. Durch genau abgestufte Konzentrationsübungen kommt man zu immer größeren Beherrschungen auch der „automatisch“ ablaufenden Körperfunktionen und zu einer Stufe der Versenkung, in der eine wirksame Selbstbeeinflussung durch Vorsatzbildungen möglich ist. Diesen Vorgang bezeichnete Schulz als „Autogenes Training“, d. h. als selbstbewirkte Übung. Den ersten Übungskurs hielt Schultz 1924. 1932 veröffentlichte er das grundlegende Werk Das Autogene Training, das in über 15 Sprachen übersetzt wurde. Das Training führt zu messbarer Entspannung, fördert die Durchblutung, mindert Schmerzen, verringert Ängste, trägt zur Harmonisierung des vegetativen Nervensystems bei und steigert die Immunabwehr. Es wird von der Medizin als Entspannungsmethode anerkannt und ist verwandt mit der Versenkung in religiösen Übungen, > Hypnose, > Suggestion, > Yoga sowie mit dem buddhistischen > Satipatthana.
Lit.: Autogenes Training: konzentrative Selbstentspannung / nach Prof. Dr. Dr. J. H. Schultz von Dirk Boelling in Selbsterfahrung. Ratingen: Staniewski, 1975; Schultz, Johannes Heinrich: Das Original-Übungsheft für das autogene Training: Anleitung vom Begründer der Selbstentspannung. Bearb. von Klaus Thomas. Aktualisiert und erg. von Siegfried Stephan. Stuttgart: TRIAS, 2004.
Autographie, zuweilen verwendeter Begriff zur Bezeichnung des Phänomens der > direkten Schrift, etwa in spiritistischen Sitzungen.
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Three Volumes. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.
Autographismus > Dermographismus.
Autogravitation, angebliche Fähigkeit des Menschen, instabile Schwerefelder zu erzeugen. Der Name wurde von Veniamin > Puschkin zur Bezeichnung einer besonderen Form der > Biogravitation vorgeschlagen.
Lit.: Puschkin, Veniamin: Erzeugen Menschen Gravitationsfelder? In: Exakt (1974) 7.
Autohypnose (griech. autos, selbst; hypnos, Schlaf), autosuggestiv hervorgerufener Hypnosezustand, oft unterstützt durch optische, akustische oder sensible Reize wie auch durch Fixierung eines bestimmten, dafür geeigneten Gegenstandes. Die A. unterscheidet sich von der Hypnose dadurch, dass der Autohypnotisierte nicht in Rapport mit einer Bezugsperson steht. Sie ist deshalb nicht ohne Gefahr, weil der fehlende Rapport es dem Autohypnotisierten unter Umständen schwer macht, wieder aufzuwachen. Mitunter können Personen, die häufig hypnotisiert wurden, bei bestimmten Reizen wie von selbst in Hypnose fallen oder diese Reize bewusst aufsuchen, was zu Abhängigkeiten führen kann.
Lit.: Gerling, Reinhold: Hypnotische Unterrichtsbriefe zur Einführung in die Praxis des Hypnotism., nebst Anl. zur Abhaltg e. Experimental-Vortrages über Hypnose u. Suggestion. Mit e. Anh. über Autohypnose u. Wachsuggestion. Oranienburg; Berlin: Orania-Verl., 1921; Lehmann, Alfred: Aberglaube und Zauberei: von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart / Nach der 2., umgearb. dän. Aufl. übers. u. nach d. Tode d. Verfassers bis in die Neuzeit ergänzt v. Dominikus Petersen I. 5., unveränd. Aufl. Aalen: Scientia Verlag, 1985.
Autokinetisches Phänomen (griech. autos, selbst; kinein, bewegen; engl. autokinetic phenomenon), selbstbewegendes Phänomen, das eintritt, wenn jemand in einem abgedunkelten Raum einen feststehenden Lichtpunkt fixiert, bis dieser sich zu bewegen beginnt. Es handelt sich dabei um eine optische Täuschung. Muzaffar Sharif nutzte das A. P., um in einer Gruppensituation Konformität hervorzurufen. Diese Bewegungstäuschung kann auch zur Bestimmung der Suggestibilität herangezogen werden und ist zudem bei Beobachtungen von außergewöhnlichen Bewegungen im Dunkeln zu beachten, die nicht selten als > Geistererscheinungen, > Ankündigungen oder > Raps empfunden werden.
Lit. Sharif, Muzaffar: A Study of Some Social Factors in Perception. New York: Columbia Univ., 1935.
Autolevitation (griech. autos, selbst; lat. levitatio, Erhebung), Selbsterhebung, das Emporschweben einer Person, meist in einem veränderten Bewussteinszustand. Von solchen Erhebungen des Körper bis zu einigen Metern über dem Boden ist vor allem im Leben von Heiligen die Rede, was auch als „ekstatischer Flug“ bezeichnet wird, wie bei > Katharina von Siena, > Franz von Assisi, > Peter von Alcántara, der hl. > Theresa von Avila, dem heiligen > Alphons von Liguori und insbesondere dem hl. > Joseph von Copertino (1603 – 1663). Zu den Heiligen kommen vor allem noch die wissenschaftlichen Zeugnisse von Sir William Crookes über D. D. > Home hinzu. Die erste Filmaufnahme einer Autolevitation ist die von Nano Owaku (Obervolta/Afrika) durch den Regisseur Rolf Olsen für den Film „Reise ins Jenseits“. Trotz all dieser Zeugnisse bleibt das Thema der A. weiterhin in Diskussion. > Levitation.
Lit.: Pastrovicchi, Angelo: Lebensgeschichte des heiligen Joseph von Copertino. Aus dem Ital. übers. v. Michael Sintzel und einem seiner Freunde. Augsburg, 1843; Moser, Fanny: Das große Buch des Okkultismus: originalgetreue Wiedergabe des zweibändigen Werkes „Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen“. Bd. 2. München: Ernst Reinhardt, 1935; Huber, Guido: Übersinnliche Gaben: Telepathie, Hellsehen, Feuerfestigkeit, Materialisationserscheinungen / Aus d. Nachlass hrsg. v. Peter Ringger. Zürich: Origo Verlag, 1959; Görres, Joseph von: Die christliche Mystik. Neue Aufl. in fünf Bänden. Regensburg: Verlagsanst. vorm. G. J. Manz, o. J.
Autólykos, Sohn des > Hermes, Großvater des > Odysseus (mütterlicherseits). A. ist als schlauer Rinderdieb bekannt, den Hermes persönlich im Diebeshandwerk unterwiesen hat. In > Sisyphos findet er schließlich seinen Meister. Bei einem Besuch bei A. erkennt dieser seine gestohlenen Rinder am Monogramm, das er ihnen in die Hufe gebrannt hat, und lernt dabei auch die Tochter des A., Antikleia, kennen, die er vor ihrer Heirat mit Laertes verführt hat und die so Mutter des Odysseus wird. Durch diese Genealogie des Odysseus sollte dessen überlegene Schlauheit mit dem Erbgut des Vaters Sisyphos und des Großvaters Autólykos erklärt werden.
Lit.: Homer Od. 19, 394 ff.; 24, 333 f.; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.
Automat (griech. autómatos, sich von selbst bewegend), das aus eigenem Antrieb oder durch technischen Impuls Gehende bzw. Geschehende. Dazu schrieb zu Beginn des 17. Jhs. der italienische Philosoph Tommaso Campanella: „Alles, was die Wissenschaftler in Nachahmung der Natur oder um ihr zu helfen mit einer unbekannten Kunst vollbringen, wird Magie genannt … Denn Technologie wird immer als Magie bezeichnet, bevor sie verstanden wird, und nach einer gewissen Zeit entwickelt sie sich zu einer normalen Wissenschaft.“
Die Darstellung von Automaten hat ihren Ursprung in den Schriften des Philo von Byzanz (1. Jh. v. Chr.) mit seiner Pneumatica und in der Pneumatica und Automata des Heron von Alexandria (1. Jh. n. Chr.). Der erste Erfinder von technischen Wunderwerken war vermutlich Archytas von Tarent (428 – 347 v. Chr.), dem ebenso wie seinem mythischen Vorgänger > Daedalus eine Flugmaschine, welche mit Hilfe eines Gegengewichts und mit Kompression funktioniert haben soll, zugeschrieben wird. Der römische Erfinder Vetruvius, der zur Zeit von Julius Cäsar wirkte, betont den Einfluss der astrologischen Konstellationen auf die Maschinen und Automaten, die er mit Wasserkraft betrieben haben soll.
Lit.: Briersi, Antonio (Hg.): Tommaso Campanella: Del senso delle cose e della magia, 1925, S. 241 – 242; Drachmann, Aage Gerhardt: Ktesibios, Philon, and Heron: A Study in Ancient Pneumatics. Amsterdam: Swets & Zeitlinger, 1968; Habiger-Tuczay, Christa: Magie und Magier im Mittelalter. München: Eugen Diederichs, 1992.
Automatie (griech. autómatos, sich von selbst bewegend), Selbstbewegung: 1. physiologisch: das vom eigenen Willen unabhängige Funktionieren des Organismus; 2. psychologisch: die vom eigenen Willen unabhängigen Handlungen in Form von Automatismen, wie automatisches Malen, Schreiben, Sprechen und Bewegen. > Psychischer Automatismus.
Lit.: Bender, Hans: Psychische Automatismen: zur Experimentalpsychologie des Unterbewussten und der außersinnlichen Wahrnehmung. Leipzig: Barth, 1936; Mischo, Johannes: Okkultismus bei Jugendlichen: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1991.
Automatische Literatur, literarische Produkte > automatischen Sprechens und Schreibens von einzelnen Botschaften bis zu längeren geschlossenen Texten prosaischer wie poetischer Natur. Die Texte formen das Sprechen oder formen sich im Sprechen von selbst. Beim Schreiben bewegt sich die Hand wie von selbst bzw. das Schreiben wird von innen diktiert. Vorformen von A. L. soll es im Werk unterschiedlicher Autoren wie H. Beecher-Stowe, William Blake, J. W. von Goethe, Löns, May, Rilke u. a. geben, die von einigen ihrer Werke behaupten, sie (fast) ohne eigenes Zutun geschrieben zu haben. Viele Autoren schreiben in einer Art Trancezustand, ohne sich nachher zu erinnern. So sagt Mrs. H. Beecher-Stowe, die Autorin von Uncle Tom’s Cabin, sie hätte das Werk nicht geschrieben, es sei ihr eingegeben worden. William Blake behauptet, dass ihm die Hymne „Jerusalem“ diktiert worden sei.
In den Bereich des automatischen Sprechens gehören die inspirierten Reden, etwa die ekstatischen Predigten der > Johanna vom Kreuz (16. Jh.), bei denen auch das Phänomen der > Xenoglossie (u. a. arabisch, baskisch, griechisch und lateinisch) aufgetreten sein soll.
Am zahlreichsten sind aber die Berichte über automatisch geschriebene Werke. So verfasste Charles > Linton automatisch und meist bei Normalbewusstsein 1853 innerhalb von vier Monaten das umfangreiche Werk The Healing of Nations. Hermance > Dufeaux schrieb als Vierzehnjährige automatisch zwei Bücher, ein Leben der hl. Johanna und Bekenntnisse Ludwigs XI. Geraldine Dorothy > Cummins schrieb zwischen 1928 und 1943 automatisch mehrere Romane. Die erste automatische Buchniederschrift mit Schreibmaschine stammt vom Amerikaner John B. > Newbrough.
Lit.: James, William: The Principles of Psychology I / II. London: Macmillan, 1901; Benz, Ernst: Die Vision: Erfahrungsformen u. Bilderwelt. Stuttgart: Klett, 1969; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie. München: Scherz, 1976.
Automatisches Buchstabieren, das Erstellen von sinnvollen Texten mittels verschiedener Techniken wie > Glasrücken, > Oui-ja-Board, > Planchette, > Pendeln usw. Das A. B. kann von einer Person allein oder von mehreren Personen gemeinsam durchgeführt werden. Dabei können auch paranormale Informationen auftreten. So erpendelte der belgische Hauptmann Charlotteaux im Februar 1941 als Datum des Kriegsendes richtig den 8. Mai 1945.
Lit.: Tenhaeff, W. H. C.: Kontakte mit dem Jenseits? Der Spiritismus-Report / Einführung von Hans Bender. Berlin: Universitas Verlag, o. J.
Automatisches Malen und Zeichnen, automatische Gestaltung von Bildern und Graphiken, einfacher Formen und Manierismen bis hin zu wertvollen künstlerischen Werken. Die Ausführung erfolgt meist sehr rasch und wie von einer fremden Kraft geführt, jenseits der eigenen willentlichen Kontrolle. Berichte über derartige Produktionen finden sich in Lebensbeschreibungen von Heiligen und Medien, und so mancher Künstler erreichte seine höchste Gestaltungskraft in einem völligen Automatismus (Giovetti).
Dieses automatische Malen oder Zeichnen erfolgt zuweilen auch nach Anrufung eines Verstorbenen durch den Automatisten selbst oder durch andere Personen, um über das Bild oder die Zeichnung eine Botschaft des Verstorbenen zu erhalten, die dann allerdings gedeutet werden muss. Meistens hat jedoch der Automatist persönlich das Empfinden, bei seinem Malen oder Zeichnen von einer verstorbenen Person oder einer transzendenten Wesenheit geführt zu werden. Dies ist vor allem dann besonders beeindruckend, wenn er im Normalbewusstsein völlig anders malt oder zeichnet bzw. diesbezüglich überhaupt keine besonderen Fähigkeiten aufweist (Uphoff). Man ist allerdings gut beraten, in dieser Frage größte Zurückhaltung zu wahren, denn unbewusste Eigenproduktion und Fremdbeeinflussung sind hier oft kaum noch zu unterscheiden. Zudem ist das psychische Befinden des Automatisten genau zu beobachten. Kehrt er nach dem Malen oder Zeichnen zur normalen Motorikkontrolle zurück, dann ist zunächst von einer pathologischen Reaktion abzusehen.
Zu diesen Automatisten werden neben einer Anzahl von Heiligen unter anderem Mme. Marguerite > Burnat-Provins, Marjan > Gruzewski, Heinrich > Nüßlein, Jutta > Kieser, William > Blake, Augustine > Lesage und Gustavo > Rol gezählt, um nur einige zu nennen.
Lit.: Görres, Joseph: Die christliche Mystik II. Neue Aufl. in fünf Bänden. Regensburg: Verlagsanst. vorm. G. J. Manz, o. J., S. 155 – 157; Tenhaefff , W. H. C: Kontakte mit dem Jenseits? Der Spiritismus-Report / Einführung von Hans Bender. Berlin: Universitas Verlag, o. J.; Bender, Hans: Unser sechster Sinn: Telepathie – Hellsehen – Spuk. – Ungek. Ausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1972; Uphoff, Walter: Neuland der Psyche: der Schlüssel zu neuen Welten der Psi-Forschung / Vorwort von Harold Sherman; Vorwort zur deutschen Ausgabe Hans Naegeli-Osjord. Dt. Erstausg. München: Wilhelm Heyne, 1978; Giovetti, Paola: Mediale Zeichnung und Malerei. In: Andreas Resch: Geheime Mächte. Innsbruck: Resch, 1984 (Imago Mundi; 9), S. 419 – 457.
Automatisches Schreiben, Schreiben von Buchstaben oder Texten ohne bewusste Steuerung des Schreibvorganges. Ein solches Schreiben kann unter Verwendung eines Schreibwerkzeugs per Hand, Fuß oder Mund, bei vollem Bewusstsein oder in Zuständen des veränderten Bewusstseins wie Somnambulismus, Hypnose, Trance, Luzidität oder Wachträumen durch einen motorischen Automatismus und einen völlig selbstständig agierenden inneren Impuls erfolgen. Die erzeugte Schrift kann so klein sein, dass sie nur mit einer Lupe zu entziffern ist, sie kann aber auch eine ausschweifende Größe haben, nur von oben nach unten oder von unten nach oben lesbar sein, als Spiegelschrift oder Anagramm erscheinen. Zudem kann sie Wortvertauschungen wie auch nur die Stimmigkeit jedes zweiten Wortes aufweisen. Als physische Begleiterscheinung kann Anästhesie der Hand auftreten. Das Schriftbild kann mit dem des schreibenden Mediums übereinstimmen, sich davon aber auch gänzlich unterscheiden, und zwar insgesamt oder nur in Teilstücken. Hier lassen sich drei Fälle ausmachen: 1) die Schrift ist nicht zu identifizieren, 2) die Schrift gleicht der einer lebenden Person oder 3) die Schrift gleicht der einer verstorbenen Person. Der automatisch geschriebene Text kann aus verschiedenen Schriftformen bestehen, als ob jeweils ein Wechsel der dahinterstehenden Person stattfinde. Bemerkenswert ist ferner das Schreibtempo. So schrieb Geraldine Dorothy > Cummins (1890 – 1969) 2000 Wörter in der Stunde. Sie war der Meinung, dass insgesamt 15 von ihren 22 Büchern automatisch geschrieben wurden.
Für die Paranormologie wird die A. S. besonders dann zum Gegenstand, wenn die Inhalte Erfahrungen mitteilen, die über die Kenntnisse der schreibenden Person hinausgehen. Diese Inhalte werden entweder als Leistung des Unbewussten oder einer extraindividuellen Instanz beurteilt. Bei der extraindividuellen Instanz wird zwischen spiritistischer Hypothese und „automatischer Telepathie“ unterschieden. Nach der spiritistischen Hypothese kommen Schreibimpuls und Inhalt von einer verstorbenen Person oder von einer anderen jenseitigen Wesenheit. So wird als frühester Fall einer A. S. der Brief des Propheten Elija an König Joram (2 Chronik 21, 12 – 15) genannt, doch reichen dafür die Angaben nicht aus. Belegt sind aus der Antike hingegen Fälle von > Automatischem Buchstabieren. Aus jüngerer Zeit wird von A. S. bei > Theresa von Avila, Mme. de la > Mothe-Guyon und der Stiftsdame Marie-Luise de Vallière aus Lyon (Amadou, 152) berichtet. Die Zeit der großen Schreibmedien setzte jedoch erst in der 2. Hälfte des 19. Jhs. ein und dauerte bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. Als Höhepunkt werden die Leistungen von Leonore E. S. > Piper, die in Trance schrieb, und die > Kreuzkorrespondenzen genannt.
Über A. S. bei Analphabeten berichtet Charles > Richet, der sie in Zusammenhang mit der > Xenoglossie bringt (Richet, S. 167 f.). > Automatische Literatur, > Automatisches Malen und Zeichnen.
Lit.: Verall, A. W.: On a Series of Automatic Writings. Proceedings of SPR, vol. 20, 1906; Richet, Charles: Grundriss der Parapsychologie und Parapsychophysik. Mit e. Geleitw. von Albert Frh. von Schrenck-Notzing. Ins Deutsche übertr. von Rudolf Lambert. Stuttgart: Union, 1924; Tenhaeff, W. H. C.: Kontakte mit dem Jenseits: der Spiritismus-Report / M. e. Einf. v. Hans Bender. Berlin: Universitas, o. J.; Amadou, Robert: Das Zwischenreich: vom Okkultismus zur Parapsychologie. Würdigung und Kritik der internationalen Forschung / G. F. Hartlaub [Hg.]. Baden-Baden: Holle Verlag, 1957; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie. München: Scherz, 1976; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Volume 1. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984; Janet, Pierre: L’automatisme psychologique: essai de psychologie expérimentale sur les formes inférieurs de l’activité humaine. Paris: Alcan, 1989; Anders, Richard: Wolkenlesen: über hypnagoge Halluzinationen, automatisches Schreiben und andere Inspirationsquellen. Greifswald: Wiecker Bote, 2003.
Automatisches Sprechen, spontanes Sprechen ohne bewusstes Zutun, verursacht durch einen motorischen Automatismus und einen inneren Sprechimpuls. Die Ausdruckformen reichen von einem unverständlichen Lallen bis zu höchst inhaltsvollen und poetischen Reden. Der Sprecher hat das Empfinden, als bediene sich eine fremde Intelligenz seiner Sprechwerkzeuge und seiner Wortwahl. Das Sprechen kann bei vollem Bewusstsein oder in Zuständen des veränderten Bewusstseins wie Somnambulismus, Hypnose, Trance, Luzidität oder Wachträumen erfolgen.
Eines der bekanntesten Beispiele ist das > Zungenreden, von dem schon die Bibel berichtet. „Jagt der Liebe nach! Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede! Denn wer in Zungen redet, redet nicht zu Menschen, sondern redet zu Gott; keiner versteht ihn: Im Geist redet er geheimnisvolle Dinge. Wer aber prophetisch redet, redet zu Menschen: Er baut auf, ermutigt und spendet Trost“ (1 Kor 14, 1 – 3). Hier ist alles enthalten, was sich im A. S. ereignen kann. Es stellt sich jedoch immer die Frage: Was ist Eigenproduktion und was Inspiration?
Lit.: Schiebeler, Werner: Verfahren zur Verbindung mit der jenseitigen Welt. Ravensburg: Eigenverlag, 1989; Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.
Automatismen (griech. autómatos, sich von selbst bewegend), unwillkürliche Handlungen. Dazu gehören: 1) spontan ablaufende Vorgänge wie Atmung oder Pulsschlag; 2) ererbte oder erlernte Verhaltenweisen, die ungewollt ausgelöst werden, wie Reflexe, Instinkte und unkontrollierte Gewohnheitshandlungen; 3) persönlichkeitsfremde, krankhafte, spontane Handlungen; 4) spontane motorische oder sensorische Erscheinungen sowohl im Wachbewusstsein als auch in veränderten Bewusstseinszuständen und sogar bei völliger Ausschaltung des Bewusstseins, deren Auslösung und Steuerung nicht bei den betreffenden Personen zu liegen scheinen, die auch keineswegs im Sinne der Pathologie krank sein müssen.
Im motorischen Bereich sind es vor allem > Automatisches Schreiben, > Automatisches Sprechen, > Automatisches Malen und Zeichnen, bestimmte Begleiterscheinungen des > Tischchen- und > Glasrückens, des > Pendelns, des > Wünschelrutengehens usw.
Die Paranormologie interessiert sich dabei für jene Handlungen, die – wie von einer inneren Intelligenz geführt – im bewussten wie im unbewussten Zustand bzw. in veränderten Bewusstseinszuständen ablaufen, wobei die Person nach der Handlung stets zur vollen Selbst- und Realitätskontrolle zurückkehrt. Von den Spiritisten wird diese innere Intelligenz in besonderen Fällen Verstorbenen oder transzendenten Wesenheiten zugeschrieben, von den Animisten inneren psychischen Kräften, wie abgespaltenen sekundären Persönlichkeiten.
Lit.: Myers, Frederic William Henry: Automatic Writing. In: Proc. SPR Bde 2 / 4 Nr. 8 u. 11, 1885, 1886 / 87; Bender, Hans: Psychische Automatismen: zur Experimentalpsychologie d. Unterbewussten u. d. außersinnlichen Wahrnehmung. Leipzig: J. A. Barth, 1936; Internationale Diagnosen-Checkliste für Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV: (IDCL-P). Bern u. a.: Huber, 2002.
Automatismus, geistiger > Geistiger Automatismus.
Automatismus, motorischer > Motorischer Automatismus.
Automatismus, psychischer > Psychischer Automatismus.
Automatismus, sensorischer > Sensorischer Automatismus.
Automatist, Sensitiver, dessen Handlungen und Erfahrungen sich automatisch verwirklichen, wie bei den Mal-, Schreib- und Sprechmedien.
Lit.: Bender, Hans: Psychische Automatismen: zur Experimentalpsychologie des Unterbewussten und der außersinnlichen Wahrnehmung. Leipzig: J. A. Barth, 1936.
Automatograph > Autoskop.
Autonomes Nervensystem (AN), auch ve-
getatives Nervensystem, umfasst alle Nervenfasern, die nicht dem Willen untergeordnet sind. Es hat die Aufgabe, die Funktion aller inneren Organe, wie Herz, Lunge, Blutgefäße, Magen, Darm, Galle, Urogenitalsystem und Drüsen, zu steuern und zu koordinieren. Es spielt eine wichtige informationsvermittelnde Rolle bei der Regelung von Blutdruck, Atmung, Herztätigkeit, Wasserhaushalt, Blutzucker usw.
Das AN unterteilt sich in das sympathische Nervensystem mit der Funktion einer Steigerung körperlicher Aktivitäten, und das parasympathische Nervensystem mit der Funktion einer Minderung körperlicher Aktivitäten. Dieses Zusammenspiel sorgt für den harmonischen Ablauf der Körperfunktionen (> Homöostase).
Von Yogis (> Yoga) und anderen Menschen wird behauptet, sie könnten ihr AN trainieren, z. B. Pulsschlag und Körpertemperatur bewusst kontrollieren. In letzter Zeit wurden durch Laborkontrollen beim Biofeedback solche Fähigkeiten untersucht und bestätigt. Zudem konnte bei der Untersuchung der > Seher von Medjugorje 1998 der Beweis erbracht werden, dass bei der Hypnose das parasympathische und bei der Ekstase das sympathische Nervensystem wirksam ist. Dies besagt, dass die Ekstase durch Suggestion nicht hervorgerufen werden kann, wie vielfach behauptet wird. Ferner impliziert dies, dass das AN indirekt willentlich beeinflusst werden kann.
Lit.: Autonomes Nervensystem und Herzrhythmusstörungen / hrsg. von Reinhard Griebenow u. Hartmut Gülker. Geleitw. von W. Kaufmann. Bearb. von K. Addicks. Stuttgart; New York: Thieme, 1990; Resch, Andreas: I veggenti di Medjugorje. Ricerca psicofisiologica 1998 / M. e. Vorw. v. Ivan Landeka. Innsbruck: Resch, 2000; Resch, Andreas: Die Seher von Medjugorje im Griff der Wissenschaft. Innsbruck: Resch, 2005.
Autophanie (griech. autós, selbst; phainestai, erscheinen), Selbsterscheinung im Sinne der Selbsterzeugung eines Phantoms in spiritistischen Seancen durch den Geist, den es darstellen soll. Der Begriff wurde von Emil > Matthiesen zusammen mit dem Begriff > Heterophanie (Fremderscheinung) zur Unterscheidung von selbsterzeugten und fremderzeugten Phantomen vorgeschlagen.
Lit.: Rorarius, Winfried: Seele – Tod – Unsterblichkeit. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 1979; Mattiesen, Emil: Das persönliche Überleben des Todes. Bd. 1. Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1987.
Autopoiesis (griech. autós, selbst; poiesis, machen), Selbstherstellungen. Nach Francisco Verela und Humberto Maturana ist A. die Organisation des Lebendigen. Dieses sog. autopoietische System „entsteht spontan aus der Interaktion von ansonsten unabhängigen Elementen, sobald diese Interaktionen ein räumlich benachbartes Netzwerk von Erzeugungsprozessen konstruiert, das sich im Raum seiner Elemente als Einheit manifestiert“ (Maturana, S. 164). Daher gehören lebende Systeme zur Klasse autopoietischer Systeme, zumal ein System mit autopoietischer Organisation die Erscheinungsformen eines lebenden Systems hervorbringt (Maturana / Verela, 1973).
Lit.: Maturana, Humberto / Verela, Francisco: De maquinas y seres vivos. Santiagio de Chile: Editorial Universitaria, 1973; Maturana, Humberto: Erkennen: die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit; ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. 2., durchges. Aufl. Braunschweig; Wiesbaden: Friedr. Vieweg & Sohn, 1985; Kratky, Karl W. / Wallner, Friedrich (Hg.): Grundprinzipien der Selbstorganisation. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1990.
Autopsie (griech. autós, selbst; ópsis, Sehen), Leichenschau, Leichenöffnung in der Medizin, Selbstbeobachtung in der Psychologie, Synonym für > Autoskopie bzw. > Heautoskopie in der Paranormologie.
Lit.: Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Abensberg: Kral, 1972.
Autorepräsentative Halluzination > Doppelgänger.
Autoskop (griech. autós, selbst; skopos, Späher) von dem englischen Forscher Sir William > Barrett in seinem Werk On the Threshold of the Unseen vorgeschlagener Begriff für jedes mechanische Mittel, durch das uns unbekannte Inhalte erreichen können. Dabei kann es sich um unterbewusste Inhalte handeln sowie um Mitteilungen von abwesenden Personen oder Verstorbenen. Solche Mittel bzw. Automatographen können > Oui-ja-Board, > Pendel, > Planchette oder auch Tonbandgeräte sein.
Lit.: Fodor, Nandor: Encyclopaedia of Psychic Science, U.S.: University Books, Inc., 1966; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981.
Autoskopie (griech. autós, selbst; skopein, schauen) Selbstschau, Selbstsehen, engl. autoscopic hallucination. Der Begriff, reicht bis in F. A. > Mesmers Zeit zurück. Präziser noch wäre der Begriff > Heautoskopie, der wörtl. aus dem Griech. übersetzt „Sich-selbst-sehen“ bedeutet und von Menninger von Lerchenthal für A. vorschlagen wird. Charles Féré benutzte den Begriff für Doppelgänger-Erscheinungen (vor allem bei Sterbenden). Die Terminologie von Phänomenen wie > Doppelgänger und A. ist allerdings recht unscharf. Brugger, Regard und Landis weisen auf die Notwendigkeit einer exakten Terminologie im Bereich der autoskopischen Phänomene hin und schlagen eine Spezifizierung der Begriffe für den weiten Bereich des Sich-Selbst-Sehens vor, auf deren Basis später einmal eine Theorie der autoskopischen Phänomene entwickelt werden könne (Brugger, Regard & Landis 1997, S. 32). Sie unterscheiden sechs charakteristische Typen von autoskopischen Phänomenen: “autoscopic hallucination”, “heautoscopy proper”, “feeling of a presence”, “out-of-body experience”, “negative heautoscopy” und “inner heautoscopy”, von denen jedoch das Fühlen einer Gegenwart (> Anwesenheitsempfinden) die einzige nicht-visuelle Rubrik ist, also rein begrifflich eigentlich nichts mit Autoskopie zu tun hat, da es ja kein Sehen ist (Brugger, Regard & Landis 1997, S. 21).
Bei A. handelt es sich um das Sehen der eigenen Person von einer anderen Perspektive aus, während ein Doppelgänger auch von einer zweiten Person wahrgenommen werden kann. Die begriffliche Unschärfe des Wortes „A.“ liegt in der Frage, ob der Betroffene, der sich selbst sieht, bei sich bzw. in sich bleibt und dieses andere „Selbst“ außerhalb seiner vertrauten Person sieht, oder ob das „Ich“ dabei seine Perspektive wandelt und aus seinem physischen Körper herausfährt und diesen dann, wie häufig berichtet wird, im Krankenbett oder an einer Unfallstelle liegen sieht. Letzteres ist der Fall bei > außerkörperlichen Erfahrungen (AKE) und > Nahtoderfahrungen (NTE), die beide vom Phänomen her dasselbe bedeuten, doch lediglich an unterschiedliche Situationen gebunden sind. Zur inhaltlichen Abgrenzung gegenüber den AKE und NTE wird daher unter A. derjenige Zustand verstanden, in dem das Ichbewusstsein im physischen Körper bleibt, während es bei den anderen beiden Phänomenen nach außerhalb des Körpers verlagert wird. Zum bekanntesten Beispiel für eine A. wurde wohl das Erlebnis > Goethes (Dichtung und Wahrheit III, 11), das sog. > Drusenheimer Gesicht. Goethe ritt nach dem Abschied von seiner geliebten Friederike schweren Herzens davon und sah sich selbst auf dem Weg zu Pferde entgegenreiten, nur in einer ihm völlig unbekannten Kleidung. Viele Jahre später ergab es sich, dass er tatsächlich diese Kleidung, den „hechtgrauen Anzug“, auf einer Reise zu Friederike trug, als er sie noch einmal wiedersehen konnte.
Lit.: Lukianowicz, N.: Autoscopic phenomena. In: AMA Archives of Neurology and Psychiatry, 1958 (Aug.), 80 (2), 199 – 220; Bakker, Cornelius / Murphy, Solbritt E.: An unusual case of autoscopic halluzinations. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, 1964 (Dec)), 69 (6), 646 – 649; Fodor, Nandor: Encyclopaedia of Psychic Science, U.S.: University Books Inc.,1966; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Brugger, Peter / Regard, Marianne / Landis, Theodor: Illusory Reduplication of One’s Own Body: Phenomenology and Classification of Autoscopic Phenomena. In: Cognitive Neuropsychiatry 2 (1), 1997, 19 – 38.
Autoskopie, externe > Doppelgänger.
Autosomnambulismus (griech.), Selbstversetzung in den somnambulen Zustand durch eigenen Willen, unter Umständen mit Hilfe von glänzenden Gegenständen, Räucherungen, Fixierungen usw. > Autosuggestion, > Autohypnose, > Trance.
Lit.: Mesmer, F. A.: Über den Magnetismus und den Somnambulismus: als vorläufige Einleitung in das Natursystem. Aus dem Asklapieion abgedruckt. Karlsruhe, 1815; Grimm, A. M.: Hellwissen: Hellbesinnung und Prophetie in ihren Grundlagen dargestellt. Warpke-Billerbeck: Baumgartner, 1954.
Autosuggestion (griech. autós, selbst; lat. suggerere, eingeben), Selbstsuggestion, Selbstbeeinflussung. Gewollte wie ungewollte Umformung von seelischen Vorgängen, Einsichten, Verhaltensformen und körperlichen Reaktionen durch affektive Wünsche, Erwartungen, Ängste und Sorgen, wobei es im Einzelnen zu Fehlentscheidungen, aber auch zu einer Gesamtstimmung in Fröhlichkeit und Hoffnung einschließlich körperlicher Begleiterscheinungen (über das vegetative Nervensystem), wie Entspannung, Somatisationen und sogar Heilungen, kommen kann. Daher wird Autosuggestion auch zur psychotherapeutischen Behandlung verwendet. Der französische Apotheker Emile > Coué (1857 – 1926) erkannte beim Einsatz von > Hypnose, dass der hypnotische Erfolg nicht von der Tiefe des Schlafes abhing, sondern lediglich von der Bereitschaft und dem Willen, gesund zu werden. Jeder Gedanke ist bestrebt, Wirklichkeit zu werden und die Einbildungskraft, die Fähigkeit, sich etwas glauben zu machen, ist die bedeutendste Eigenschaft in uns, nicht der Wille. So genügt es in manchen Fällen schon, sich oft genug einzureden, dass man gesund ist, um sich gesund zu fühlen. > Suggestion, > Autogenes Training, > Hypnose, > Trance, > Yoga.
Lit.: Driesch, Hans: Grundprobleme der Psychologie: ihre Krisis in der Gegenwart. Leipzig: Emmanuel Reinicke, 1926; Baudouin, Charles: Suggestion und Autosuggestion. Basel; Stuttgart: Schwabe & Co., 1972; Coué, Emile: Mentaltraining und Autosuggestion: das Unbewusste in uns selbst und wie wir lernen, es sinnvoll zu nutzen. Aus dem Franz. übers. von Anette Holzwarth. Zürich: Oesch, 1998.
Autosymbolismus, spontane Umkehr von Gefühlen und Ideen in symbolische Formen. Der Begriff wurde vom Psychoanalytiker Herbert Silberer (1882 – 1923) für die bildsymbolische Selbstdarstellung der Psyche eingeführt. Diese Art der Darstellung tritt insbesondere in den „hypnagogischen Zuständen“, den entspannten und leicht bewusstseinsveränderten Zuständen im Schwellenbereich des Erwachens und Einschlafens, auf. Nach Silberer ist dieser kreative Fluss vom Unbewussten zur symbolischen Erscheinung ganz natürlich. Dabei erlebt der Einzelne das unbewusste symbolische Material, ohne zu begreifen, was dessen Ursprung sei und was es bedeute. > Imagination, aktive, > Katathymes Bilderleben.
Lit.: Silberer, Herbert: Der Traum. Einführung in die Traumpsychologie. Stuttgart: Enke, 1919; ders.: Über die Symbolbildung und andere psychoanalytische Schriften. Hrsg. und mit einem Nachw. vers. von Michael Turnheim. Wien: Hora, 1988; ders.: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Sinzheim: AAGW, Archiv für Altes Gedankengut und Wissen, Frietsch, 1997.
Autotelephanie (griech. autós, selbst; téle, fern; phainein, zeigen), Erscheinen eines Lebenden als Phantom in räumlicher Entfernung. > Doppelgänger.
Lit.: Bonin, Herbert: Lexikon der Parapsychologie. München: Scherz, 1976.
Autoteleportation (griech. autós, selbst; téle, fern; lat. portatio, Transport), Ferntransport der eigenen Person ohne Vermittlung eines fremden Bewusstseins. > Teleportation.
Lit.: Meckelburg, Ernst: Zeittunnel: Reisen an den Rand der Ewigkeit. München: Langen Müller, 1991.