Begriffe Am
Amacha borum (hebr. amacha, Wunde; borum, Gesundheit), > Schwindeformel, d. h. Zauberwort, bei dem links und rechts immer ein Buchstabe weggelassen wird. Das so entstandene verkürzte Wort wird stets unter das vorhergehende gesetzt, bis nur noch ein Buchstabe übrig bleibt wie bei dem bekannten Zauberwort
abracadabra
bracadabr
racadab
acada
cad
a
Solche Schwindeformeln sind seit der Antike bekannt und werden als Zauberworte gegen Zahnschmerzen, Fieber, Nasenbluten usw. verwendet.
Lit.: Thiers, Jean-Baptiste: Traité des superstitions qui regardent tous les sacrements selon l‘Ecriture Sainte, les decrets des Conciles et les sentiments des Saints Pères et des theologiens. Paris: Jean de Nully, 1704; Dornseiff, Franz: Das Alphabet in Mystik und Magie, 21925; Holzminden: Reprint-Verl. Leipzig, (1994), S. 58 f., 63 ff.
Amadeus Johannes da Silva e Menezes (1420 – 1482), selig (Fest: 1. November), Bruder der seligen Beatrix (1412 – 1490), Gründerin der Konzeptionistinnen; von portugiesischen Eltern 1420 in Ceuta (Marokko) geboren, wurde er mit 22 Jahren Hieronymitaner im Kloster von Guadalupe in Spanien. A. wollte jedoch Missionar werden, trat daher um 1454 in Italien in den Franziskanerorden (OFM) ein und wurde 1459 zum Priester geweiht. Von der Reformbewegung innerhalb des Ordens erfasst, gründete er eine eigene Kongregation innerhalb des OFM, die Amadeisten, die in Norditalien verbreitet waren und dann 1568 im Orden der Franziskaner aufgingen. 1472–1482 war er in Rom Beichtvater von Sixtus IV. Hier schrieb er die Nova Apocalypsis (über die Geheimnisse des Glaubens in Form eines Dialogs mit dem Erzengel Gabriel, nicht veröffentlicht). A. starb 1482 bei einem Besuch seiner Konvente in Mailand.
1794 wurde im kurfürstlichen Archiv in Düsseldorf eine Abschrift der Erklärung der Apokalypse mit dem Titel Aperietur in tempore gefunden, in der sich u. a. die Weissagung findet, dass aus dem Norden ein mächtiger Fürst kommen und sich Italiens Bündnisse und Macht auflösen würden. Nach langem Morden der Menschen würden Spanien, Italien und Frankreich schließlich unter einem großen Fürsten einig sein.
Lit.: Wadding, Luke: Annales Minorum seu Trium Ordinum a S. Francisco Institutorum 1208 – 1680. Quaracchi, 1931 ff., Bd. 13, S. 410 – 417; Bd. 14, S. 360 – 374.
Amadhi Oha > Chi.
Amadou, Robert Franz, geb. am 16. Februar 1924 in Bois-Colombes (Seine), Frankreich, Schriftsteller und Parapsychologe, war von 1952 – 1955 Herausgeber der Revue Métapsychique und von 1955 – 1959 von La Tour Saint-Jacques; er schrieb Werke über Albert Schweitzer, Okkultismus, Theosophie, Alchemie und Parapsychologie, wie La parapsychologie, essai historique et critique (1954, dt.: Das Zwischenreich, 1957), Les grand Médiums (1957), La télèpathie (1958). Seine Arbeiten trugen wesentlich dazu bei, dass parapsychologische Fragen in weiten Kreisen bekannt wurden. A. starb am 14. März 2006 in Paris.
W.: L‘art et l‘occultisme. Paris, 1954; Das Zwischenreich: vom Okkultismus zur Parapsychologie. Würdigung und Kritik der internationalen Forschung. Hrsg. der dt. Ausg. G. F. Hartlaub. Baden-Baden: Holle, 1957.
Amaethon („Arbeiter“, „Pflüger“), kymrischer (kymrisch = walisisch) Agrargott und Sohn der keltischen Göttin > Don. Der Legende nach hat Amaethon von > Arawn, dem Herrscher der Anderswelt, einen Jagdhund, einen Hirsch und einen Vogel gestohlen und dadurch den > Cad Goddeu, die Schlacht der Bäume, ausgelöst. In dieser Schlacht verzauberte Gwydion, der Bruder Amaethons, die Bäume in Krieger, damit sie in der Schlacht kämpften.
Lit.: Friedrich, Rudolf: Keltische Wortkunde: Namen, Gemeinwesen, Staatsbelange, Druiden, Göttinnen und Götter, Militär, Orte, Flüsse, Berge. Seppenrade: Spillmann, 2002.
Amaimon, auch Amaymon, Maymon bzw. Maimon, ist einer der vier Geister, die über die vier Teile des Universums herrschen (> Pseudomonarchia daemonum). Sein Herrschaftsgebiet ist der Osten. Bei Shakespeare kommt er in Die lustigen Weiber von Windsor vor.
Lit.: Marc-Roberts-Team: Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens. Graz: Verlag f. Sammler, 2004.
Amala, im > Zen Bezeichnung für > Satori-Bewusstsein, das gleichsam die Quelle des religiösen und spirituellen Bewusstseins ist.
Lit.: Suzuki, Daisetz Teitaro: Satori: der Zen-Weg zur Befreiung; die Erleuchtungserfahrung im Buddhismus und im Zen / M. e. Vorw. v. Michael S. Diener. Bern; München; Wien: O. W. Barth, 1987; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Amalberga (Amalia) von Gent (8. Jh.), heilig (Fest: 10. Juli), Nonne und Mystikerin. Historisch gesichert ist, dass sie im 8. Jh. lebte und ihre sterblichen Überreste wohl 864 nach St. Peter in Gent überführt wurden, dem Zentrum des im 9. Jh. verbreiteten Kultes.
Nach der Überlieferung wurde A. als junges Mädchen von ihrer Tante Landrada, der Äbtissin von Münster-Bilsen, ausgebildet. Auf ihrem Besitz stiftete sie dann ein Kloster und trat dort als Nonne ein, wobei sie die Brautwerbung Karl Martells (688 / 689 – 741), nach einer anderen Überlieferung die des späteren Kaisers Karl des Großen, zurückwies. Beim Versuch, sie vom Altar wegzuziehen, habe ihr Verehrer ihr den Arm gebrochen. Ihr Leben ist zudem stark umrankt von Visionen und Wundern. So soll sie den Kaiser, der wegen seiner Grobheit mit Krankheit geschlagen wurde, geheilt haben. Auf ihre Fürbitte hin soll ein Brunnen entstanden sein, als sie Wasser in einem Sieb an einen trockenen Ort trug; zudem habe sie verhindert, dass Wildgänse in der Gegend Flurschaden anrichteten. Als sie starb, soll ihr Sarg, in einem Boot ohne Ruder fortschwimmend und von Fischen begleitet, gesehen worden sein.
Sicher ist jedenfalls ihr Bezug zu Tamisia-Tensche, Temst (Eigenkloster, Sterbeort) links der Schelde.
Dargestellt wird A. in fürstlichen Gewändern, als Nonne mit Palme, Buch, Sieb, Wildgänsen und Fischen. Sie gilt als Patronin der Bauern und Seeleute, bei Schiffbruch, gegen Arm- und Schulterschmerzen, Fieber, Quetschungen, Ernteschäden und Hagel.
Lit.: Werner, Matthias: Der Lütticher Raum in frühkarolingischer Zeit: Unters. zur Geschichte e. karoling. Stammlandschaft. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1979, S. 113 – 116; Schauber, Vera: Pattloch-Namenstagskalender. Dokumentation von Hanns Michael Schindler. Augsburg: Pattloch, 1994, S. 189 – 190.
Amalgest (arab.), Makrokosmos. Die Bezeichnung findet sich häufig in alchemistischen Schriften. Almagest ist auch die spätere Bezeichnung des von Claudius Ptolemäus um 150 verfassten zweibändigen systematischen Lehrgebäudes der Astronomie und Astrologie „Megale Synthesis“.
Lit.: Ptolemy, Claudius: Ptolemy‘s Almagest / transl. and annotated by G. J. Toomer. Paperback printing. Princeton, NJ: Princeton Univ. Press, 1998.
Amalrich von Bena (Amalricus, Almaricus, Amauricus), geb. in Bène (bei Chartres) in Frankreich, war Lehrer an der Pariser Artistenfakultät und Theologe in Paris, wo er 1206 / 07 starb und beim Kloster St. Martin des Champs kirchlich begraben wurde. A. verbindet das für die „Schule von Chartres“ typische Studium der sog. neuen Logik mit naturphilosophischen und neuplatonisch-metaphysischen Ideen und baut die Grundanschauungen des > Johannes Scotus Eriugena einseitig zu einem entschiedenen Pantheismus aus. Wegen seiner mystisch-pantheistischen Lehre von der Gliedschaft der Gläubigen am Leib Christi angeklagt, musste er sich 1204 in Rom vor Innozenz III. verantworten und sah sich zum Widerruf genötigt. Erst nach seinem Tod wurde man auf die von ihm gegründete Sekte der Amalrikaner aufmerksam, die Folgendes lehrten: Gott der Vater habe sich in Abraham und den Patriarchen verkörpert, der Sohn in Christus und den Christen, der Geist in Almarich und seinen Anhängern. Dementsprechend gäbe es auch drei Zeitalter. Im Zeitalter Christi habe das mosaische Gesetz, im Zeitalter des Heiligens Geistes hätten die Sakramente des Neuen Bundes ihre Kraft und Bedeutung verloren. Die Amalrikaner behaupteten, mit ihnen sei das Zeitalter des Heiligen Geistes angebrochen. Sie lehnten die Sakramente und die Heiligenverehrung ab und bezeichneten den Papst als Antichrist. 1209 trat in Paris eine Synode zusammen, um die Amalrikaner zu exkommunizieren. Neun ihrer Geistlichen sowie einer ihrer Propheten wurden verbrannt, vier weitere Geistliche zu lebenslanger Haft verurteilt. Eine nochmalige Verurteilung der Lehre A.s erfolgte dann 1215 durch Innozenz III auf dem 4. Laterankonzil.
Lit.: Capelle, Germaine C.: Amaury de Bène: étude sur son panthéisme formel. Paris: Vrin, 1932 (Autour du décret de 1210); Denzinger, Heinrich: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrmeinungen. Freiburg: Herder, 392001, 803, 808.
Amalthea (lat., griech. Amáltheia). In der griechischen Mythologie bezeichnet A. eine Nymphe, die den kleinen Zeus mit der Milch einer Ziege nährte. Nach einer anderen Version war A. selbst eine Ziege, die den kleinen Zeus mit ihrer Milch nährte und dafür als Stern (Capella = Ziege) an den Himmel versetzt wurde. Das abgebrochene Horn der A. wurde von Zeus zum unerschöpflichen, segenspendenden Füllhorn gemacht, das später Archelaos und dann Herakles erhielt. Als Symbol des Wohlstandes wurde es zum Attribut der Göttin > Eirene, der > Gaia, des > Plútos und der > Tyché.
Nach Lactantius war Amalthea auch der Name der > Sybille von Cumae, die eine Sammlung > Sybillinischer Orakel an Tarquinius Priscus, den fünften König von Rom, verkaufte.
Lit.: Pherekydes, fr. 42; Lactantius, Lucius Caecilius Firmianus: L. Caeli Firmiani Lactanti Epitome divinarum institutionum / ed. Eberhard Heck et Antonie Wlosok. Stutgardiae; Lipsiae: Teubner, 1994, 1, 6, 10 – 11.
Amanaska (sanskr.). Der Zustand frei von Gedanken, Wünschen und Verlangen, wie er nur im Tiefschlaf, bei Bewusstlosigkeit und im > Samadhi vorkommt. Spirituellen Gewinn bringt dieser Zustand ausschließlich im Samadhi.
Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.
Amandin (lat. Amandinus), verschiedenfarbiger Stein mit besonderen Eigenschaften. Wer ihn trägt, kann angeblich jede Frage hinsichtlich Träume und Mysterien lösen.
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.
Amanita muscaria (Fliegenpilz), der mit seinem rotweißroten Hut bekannteste Giftpilz, wächst nur in Symbiose mit Birken und / oder Kiefern, kann bis zu 30 cm hoch werden und bis zu 20 cm große Hüte ausbilden. Der stark giftige, mitunter tödliche Pilz mit mehreren Giftstoffen wie Ibotensäure, Muszimol, Muskarin und anderen sollte laut fachlicher Anweisung grundsätzlich nicht gegessen werden, auch nicht nach Entfernen der Huthaut.
Früher legte man Fliegenpilzstücke in gezuckerte Milch, um die Fliegen, die von der Milch naschten, zu töten – daher rührt die Bezeichnung „Fliegenpilz“.
Obwohl der Fliegenpilz wegen seines rotweiß gepunkteten Hutes von allen Pilzen am einfachsten zu erkennen ist, kann er bei oberflächlicher Betrachtung, wenn die weißen Flöckchen abgewaschen sind, mit Täublingen oder Kaiserlingen (Amanita caesarea) verwechselt werden.
Trotz seiner Giftigkeit wurde der Fliegenpilz von den Schamanen als Droge verwendet, vielleicht bereits von den prähistorischen „Becherleuten“, die > Stonehenge als Ritualort genutzt haben (Burl, 106 ff.). Man vermutet sogar, dass sein Gebrauch bis in die Steinzeit zurückreicht und überall in Eurasien verbreitet war. Zum Drogenkonsum wird der Fruchtkörper (Fungus muscarius) frisch oder getrocknet verwendet. Werden die frischen Pilze trotz der damit verbundenen Gefahren als Speise verwendet, müssen sie mindestens eine Stunde in kaltem Wasser eingelegt werden, damit sich die aktiven Wirkstoffe lösen. Das Wasser wird für psychoaktive Wirkungen getrunken. Frische Pilze werden auch in Schnaps eingelegt, der dann nach einigen Wochen an einen warmen Ort gestellt zum Genuss bereit ist. Man ist hierbei jedoch gut beraten, die Anweisungen von Fachexperten einzuholen. Im Übrigen gilt auch hier der paracelsische Spruch, dass es allein die Dosis macht, ob ein Ding zum Gift oder Heilmittel wird. Die tödliche Dosis liegt bei über 100g Frischpilzen, wobei der Giftgehalt – in Abhängigkeit vom jeweiligen Standort – mitunter so gering sein kann, dass nach dem Verzehr keine Nebenwirkungen auftreten.
Zu den Symptomen der Fliegenpilzberauschung werden starke parasympathologische Erregung, wellenartiges Wechseln von Schlafen und Wachen, Illusionen, Halluzinationen und Delirien genannt. Nicht selten gelten Fliegenpilzberauschungen als unangenehm.
Sibirische Schamanen verspeisen getrocknete Fliegenpilze, um in eine hellseherische Trance zu verfallen und ihre schamanischen Heilkräfte zu mobilisieren. Auch die Bewohner des hohen Nordens, die Korjaken, konsumieren im Winter bei feierlichen Anlässen getrocknete Fliegenpilze, da sie die Zukunft enthüllen sollen, wenn sie vor dem Verspeisen mit einem Wunsch, in ganz bestimmter Formel ausgesprochen, in Zusammenhang gebracht werden.
Lit.: Burl, Aubrey: The Stonehenge People. London: Dent & Sons, 1987; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Stuttgart; Aarau, CH: Wiss. Verl.-Ges.; AT Verlag, 1998, S. 631 – 639; Psychoaktive Pflanzen, Pilze und Tiere: [von Fliegenpilz bis Teufelsbeere; Bestimmung, Wirkung, Verwendung] / Andreas Alberts; Peter Mullen. Stuttgart: Kosmos, 2000; Bauer, Wolfgang u. a. (Hg.): Der Fliegenpilz: Traumkult, Märchenzauber, Mythenrausch. Aarau, Schweiz: AT-Verl., 2000.
Amara (sanskr.), unsterblich, besonders als Attribut des Höchsten Wesens (Klostermaier, 452). In dieser Bedeutung wurde A. auch in Formeln von Zauberworten aufgenommen wie: Amara Tonta Tyra post hos usw., amara + thauta + thirin usw., wie auch unter hebräischen Gottesnamen – so bei der Beschwörung des Geistes Aziel: „wenn du kommest: so rede meine Sprache und antworte, wie ich dich frage, aber ohne meinen und meiner Gesellen Schaden, das gebiete ich dir nochmals, durch die hochheiligen Namen: Teragrammaton, Adonai, Agla, Sabaoth, Ladi, Amara, Eli, Adonai, Sabaoth, Hagios, Ho, Theos, Isciros, Athanatos, Jehovah, Jah, Adonai, Sadai, Homousion, Messias, Eschereie. Amen (Horst II, 132 – 133).
Zudem findet sich das Wort „ amara“ auch in den hellenistischen Zauberpapyri.
Lit.: Wessely, Carl: Neue griechische Zauberpapyri. Wien: Tempsky [in Comm.], 1893; Klostermaier, Klaus: Hinduismus. Köln: J. B. Bachem, 1965; Horst, Georg K.: Zauber-Bibliothek. Nachdr. d. sechsbänd. Ausg. Mainz, 1821 – 1826, m. e. zusätzl. Registerband. Bd. 2. Freiburg i. Br.: Aurum Verlag, 1979.
Amara-Purusha (sanskr.), das unsterbliche Selbst, die Seele.
Lit.: Klostermaier, Klaus: Hinduismus. Köln: J. B. Bachem, 1965; Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.
Amaranth (Amaranthus hypochondriacus), Fuchsschwanzgewächs, das im antiken Griechenland der Göttin > Artemis geweiht war und Unsterblichkeit symbolisiert. Der Name A. soll nach einem Jäger der Artemis geprägt worden sein, Amarynthos, dem König von Euböa. Die Pflanze wurde zur Dekoration von Götterbildern und als Grabschmuck verwendet. Bei den Azteken gehörte die Wurzel des A. zur Nahrung, die den Toten mit auf ihren Weg in die Unterwelt gegeben wurde.
Die auch mit dem Planet > Saturn in Verbindung gebrachte Pflanze dient in vielfältiger Weise magischen Zwecken. Als > Amulett getragen soll sie Schutz vor Verletzungen bieten, schlechte Laune vertreiben und bei Vollmond als „Krautarmband“ seinen Träger unsichtbar machen. Ein Kranz aus den schönen, farbintensiven A.-Blüten soll übernatürliche Fähigkeiten und seinem Träger Ruhm und Glück verleihen.
Der heute eher als Balkon- und Gartenpflanze bekannte A. kommt nun langsam auch wieder in seiner fast schon vergessenen alten Bedeutung als Nahrungsmittel zum Tragen und hat sich inzwischen in der ökologisch orientierten > Vollwerternährung einen festen Platz erobert.
Verschiedene A.-Arten werden in einigen Regionen traditionell für rituelle oder medizinische Zwecke eingesetzt, so etwa Amaran-
thussp. in Nordchile als Zusatzstoff zum Cocakauen, Amaranthuscaudatus L. in Mexiko als Getränk vor dem Bepflanzen eines neuen Stück Landes, Amaranthus hybridus L. in Ecuador als Blutreinigungsmittel und bei unregelmäßiger Menstruation, Amaranthus spinosus L. in Westbengalen als Halluzinogen, während dieselbe Pflanze in der ayurvedischen Medizin zur Behandlung von > Halluzinationen verwendet und im afrikanischen Swaziland als Schnupftabak genossen wird (Rätsch, 546f).
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.
Amarāvatī (sanskr., Wohnort der Unsterblichen). Die „Unsterblichen“ sind die Götter, daher ist Amarāvatī der Wohnort der Götter, also der Himmel. Der Eintritt ist auf jene beschränkt, die sich dem > Tapas unterzogen haben. Amarāvatī betreten heißt „sterben“.
Amarāvatī ist auch der Name eines buddhistischen Kult- und Pilgerzentrums am Kistna-Fluss in Andhra Pradesh aus der Śunga-Zeit (185 – 73 v. Chr.).
Lit.: Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Amarna-Religion. Pharao > Echnaton, der im 14. Jh. v. Chr. in Amarna residierte, entwickelte eine radikale > Sonnentheologie. Sie stellt die erste historisch greifbare Ausprägung des > Kosmotheismus auf der Grundlage einer Absolutsetzung der Sonnenscheibe > Aton als einziger zu verehrender Gottheit dar. Frei von allen mythischen Konzeptionen manifestierte sich die Macht der Sonne nur noch in den abstrakten Prinzipien von Licht, Zeit, Strahlung und Bewegung.
Lit.: Schäfer, Heinrich: Amarna in Religion und Kunst. Leipzig: Hinrichs, 1931; Assmann, Jan: Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines „Denkens des Einen“ und ihre europäische Rezeptionsgeschichte; vorgetragen am 24. April 1993. Heidelberg: Winter, 1993.
Amate (Ficus spp.), Sammelbegriff für etwa 50 Feigenbaum-Arten, aus denen man in Mexiko schon vor der Zeit des Kolumbus Papier herstellte, was bereits in dem aztekischen Namen amatl, einer Ableitung aus dem Wort „Papierbaum“, anklingt. Aus der Rinde des Feigenbaumes, die in frischem Zustand giftigen Latex enthält, wurde in Mexiko ein Rindenbastpapier angefertigt, das dann zu Büchern, Kleidung oder Zauberfiguren, z. B. Pflanzengeistern, weiterverarbeitet wurde. So diente das A.-Papier sowohl der > schwarzen als auch der > weißen Magie. Man konnte Krankheitserreger in das Papier verbannen oder den Geist einer geliebten oder verhassten Person aus dem Papier herausschneiden und dann magisch beeinflussen.
Lit.: Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988.
Amaterasu (jap., „die vom Himmel Leuchtende“), Sonnengöttin des > Shinto und Symbol der Nationalflagge Japans. Shinto (shin do, „Weg der Götter“) ist Japans ureigene Religion, die im Lauf der Geschichte verschiedene Wandlungen durchgemacht hat.
A. wird als göttliche Ahnin des Kaisers bzw. der Yamato-Dynastie nachweislich seit dem 7. Jh. v. Chr. im Heiligtum zu Ise verehrt. Ihr Beiname ist Ōmikami, „große erhabene Gottheit“.
Nach den mythologischen Texten des Kojiki und Nihongi entstand A. zusammen mit ihrem Bruder, dem Mond(gott) > Tsukiyomi, als der aus der Unterwelt zurückgekehrte Himmelsgott > Izanagi, der dort seine Frau > Izanami gesucht hatte, sich die Augen auswusch, um den Schmutz der Unterwelt zu entfernen. Ferner wird erzählt, dass sich A. aus Groll über den Sturmgott > Susano(w)o, ihrem zweiten Bruder, der ihr die Herrschaft über die Erde vergällte, in eine Höhle zurückzog, wodurch alles Licht und Leben auf der Erde zu erlöschen drohte. Das Gelächter der versammelten Götter vor der Höhle, die den erotischen Tanz der Göttin > Uzume bejubelten, machte sie neugierig, und so wurde sie mittels eines Spiegels samt ihrem Licht aus der Höhle gelockt.
Als Ahnengöttin der kaiserlichen Familie wurde A. in den Hauptschreinen von Ise von Kaisern und Bauern gleichermaßen verehrt, und es wurde ihre Hilfe für die ganze Nation erfleht, soll sie doch einst an ihrer Speerspitze die japanischen Inseln aus dem Schlamm des Urmeeres emporgezogen haben. Zudem sandte sie ihren Enkel Ninigi zur Erde, um diese zu regieren. Ninigis Enkel Jimme (7. Jh. v. Chr.) gilt als erster Kaiser der „Himmlischen Dynastie“, einer ununterbrochenen Reihe japanischer Herrscher („Tenno”).
Lit.: Wedemeyer, A.: Das Verbergen der Sonnengöttin in der Felsenhöhle. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens XXV, Teil B (1935); åOkawa, Ryåuhåo: Amaterasu åOmikami no kåorin: subete no Nihonjin e no yåukoku no shinji. Tåokyåo: Tsuchiya Shoten, 1988.
Amatsukami (jap., „Götter des Himmels“), Bezeichnung einer Gruppe von Göttern im Shintoismus, zu der > Amenominakanushi, > Izanagi, > Izanami (die Ureltern der übrigen Götter und Menschen) und deren Kinder > Amaterasu, > Tsukiyomi und > Susano(w)o gehören. Ihre eigentliche Heimat ist das „Gefilde des hohen Himmels“ (Takamagahara), von wo aus sie auf die Erde kommen, um ihren je eigenen Bereich zu regieren.
Lit.: Schurhammer, Georg: Shin-Tö: Der Weg d. Götter in Japan; Der Shintoismus nach d. gedruckten u. ungedruckten Berichten d. japan. Jesuitenmissionare d. 16. u. 17. Jhs.. Bonn; Leipzig: K. Schroeder, 1923; Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989; Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens: Mythen und Sagen der Helden, Götter und Krieger aus dem Alten Ägypten, Arabien, Persien, Indien, Tibet, China und Japan. Reichelsheim: Ed. XXL, 2000.
Amatu, mit dem Beinamen „Der Verschleierte“, einer der angeblichen Meister des > AMORC. Sein Name wird nur den Auserwählten und den Inhabern des 9. und 10. Tempelgrades bekannt gegeben, und zwar in den „Fragmente(n) der Weisheit der Meister und Enthüllungen der Illuminaten“.
Das Wort kommt wahrscheinlich vom Pali-Wort amata, Todlosigkeit (sanskr.: amrta, sterben). Im Buddhismus bedeutet amata auch > Nirwana.
Nach den AMORC-Schriften besitzt A. ein großes, geheimes Archiv mit vielen Büchern, in denen die Geschichte der > Rosenkreuzer bis 800.000 vor der Zeitrechnung registriert sein soll.
Lit.: Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 21979.
Amaunet („die Verborgene“), ägyptische Gottheit, die als weibliches Gegenstück zum Götterkönig > Amun die Urgöttin und in der ptolemäischen Zeit die Personifikation des Nordwindes darstellt. Mit Amun bildet sie das vierte Urgötterpaar. Später verschmolz sie mit > Neith zu Neith-Amaunet. A. wurde erst zu Beginn der Spätzeit in das ägyptische Göttersystem eingefügt . Sie wird als Schlange oder schlangenköpfig mit der unterägyptischen Krone auf dem Kopf dargestellt. Inschriften nennen sie „Mutter, die Vater war“, die also keines Gatten bedurfte.
Lit.: Sethe, Kurt: Amun und die acht Urgötter von Hermopolis: eine Untersuchung über Ursprung u. Wesen d. ägypt. Götterkönigs. Berlin: Akademie d. Wissenschaften, 1929.
Amautas, eine spezielle Gruppe von weisen Männern der Inka, zu denen Philosophen, Dichter und Priester gehörten. Sie waren in einer im Wesentlichen oralen Kultur für die mündliche Überlieferung der Inka zuständig, indem sie im ganzen Reich das Wissen um deren Kultur, Geschichte, Gewohnheiten und Traditionen verbreiteten. Zudem hielten sie die Taten des jeweils aktuellen Herrschers in Liedern fest und bewahrten die Geschichte über die Gründung der Stadt Cuzco sowie Sagen und Legenden über frühere Herrscher, Schlachten und Staatsereignisse. Als den gebildetsten und angesehensten Männern des Reiches oblag ihnen auch die Ausbildung der jungen Adeligen sowie der jungen Männer aus den eroberten Kulturen, die als Verwalter der betreffenden Regionen eingesetzt wurden. Zudem war es ihre Aufgabe, die Mythen der unterworfenen Völker mit denen der Inka zu vereinen, um eine „offizielle“ Version zu schaffen. Dies geschah häufig dadurch, dass man die Begründung der Herrschaft dem allgemeinen Sonnengott > Viracocha zuschrieb. Nicht zuletzt hatten die A. dafür zu sorgen, dass die Normalbevölkerung Quechua als Reichssprache erlernte.
Lit.: Los amautas. Lima: Mejía Baca, 1965; Burns Glynn, William: Legado de los Amautas: la escritura perdida de los Incas. Lima: CONCYTEC, 1990.
Amazapta > Ananisapta
Amazonen (griech.: Amazónes), sagenumwobenes, aus der griechischen Mythologie bekanntes Volk kriegerischer Frauen, deren eigentliche Heimat Asien ist. Die im Altertum als reale, sterbliche Personen vorgestellten A. werden antiáneirai, d. h. „männerfeindlich“ oder auch „männergleich“, „Männern gleichwertig“, genannt. Die A.-Fürstin Myrine wird als „vielspringend“ bezeichnet, so wie alle A. für ihre Schnelligkeit und Geschicklichkeit im Springen bekannt sind. Eine thrakische A.-Fürstin ist Penthesileia, weitere A. sind Hippolyte und Antiope. Als Vater aller A., bisweilen auch nur einzelner unter ihnen wie Penthesileia, wird der Kriegsgott > Ares angegeben, während als Mutter die pontische Nymphe Harmonia oder > Athena in Frage kommen.
Die Sage um die oft mit zwei Brüsten dargestellten, berittenen und mit Speer, Bogen, Streitaxt und halbmondförmigem Schild ausgerüsteten A. erzählt, dass sie Ares und > Artemis verehren. Um sich fortzupflanzen, ziehen sie für zwei Monate zu einem Nachbarvolk. Von ihren Kindern behalten sie jedoch nur die Mädchen, die sie zu Kriegerinnen erziehen; die Jungen schicken sie bestenfalls zu ihren Vätern zurück oder verstümmeln sie, andernfalls töten sie ihre Söhne.
Als einer der ältesten Aufenthaltsorte der für ihre Tapferkeit berühmten A. gilt Lykien, dessen Rechtsordnung laut Herodot eine Gynaikokratie (Frauenherrschaft) ist. Männer werden im Weiberstaat der A. nur zur Erhaltung des Geschlechts geduldet. Politik und Kriegsführung liegen in der Hand der Frauen.
Eine irrtümliche antike Auslegung erklärt den Namen A. als die „Brustlosen“ (griech. amazos, ohne Brust) nach dem Brauch, sich die rechte Brust abzuschneiden oder auszubrennen, um bei der Handhabung von Pfeil und Bogen nicht behindert zu sein.
Der Mythos bringt die A. mit mehreren griechischen Nationalhelden in Verbindung: Herakles erkämpft sich den Gürtel der A.-Königin Hippolyte. Bellerophon zieht gegen die A. zu Felde. Im troischen Krieg kommen die A. unter Führung ihrer Königin Penthesileia dem Priamos gegen die Griechen zu Hilfe. Penthesileia fällt von der Hand des > Achilleus. Theseus raubt die A.-Königin Antiope, die ihm den Hippolytos gebiert. Ein Rachefeldzug führt die A. bis nach Attika, wo sie am Areopag von den Athenern unter Führung des Theseus geschlagen werden.
Diese klassische Sage ist allerdings nicht gänzlich in das Reich der Fabel zu verweisen. In mutterrechtlichen Gebieten finden sich gelegentlich kriegerische Frauenorganisationen. In Westafrika gab es Amazonenkorps, deren Angehörige ledig bleiben mussten. In Südsimbabwe galten die Amazonen als die tapfersten Krieger. Berühmt wurde die im 17. Jh. lebende schwarze Amazone Anna Xings, die in Angola erfolgreich Krieg führte, sich als Mann ausgab, Männerkleidung trug und 50 oder 60 „Weiber“ besaß, Männer mit Frauenamen und in Frauenkleidern.
So lässt sich im Lauf der Jahrhunderte ein Funktionswandel des Amazonenmythos be-
obachten. Diente er in der Antike der Stärkung der männlichen Überlegenheit und der staatlichen Ordnung, so fungierte er später als traditionsbildendes, alternatives Frauenbild. An dieser Entwicklung waren vor allem Johann Jacob Bachofens Mutterrecht (1861) und die > Esoterik maßgeblich beteiligt.
Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart 1894 ff., Bd. 1 1894; Bachofen, Johann Jakob: Mutterrecht. Dortmund: Schwalvenberg, 1947; Nölle, Wilfried: Völkerkundliches Lexikon: Sitten, Gebräuche und Kulturbesitz der Naturvölker. München: Goldmann, 1959; DKP = Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Hg. Von Konrad Ziegler und Walther Sontheimer, 5 Bde. Stuttgart: Alfred Druckenmüller, 1964 – 1975; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988; DNP = Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Bd. 1 ff. Stuttgart; Weimar: J. B. Metzler, 1996 ff.; Bd. 2 1997.
Amazonenstein > Amazonit.
Amazonit, abgewandelte Bezeichnung von Amazonenstein bzw. Amazonasstein, eines grünen Minerals (grüner Feldspat), das Alexander von Humboldt bei Indianern am Rio Negro fand. Der A. zählt zu den sog. Durchläufer-Mineralien, die sowohl primärer als auch tertiärer Entstehung sein können. Die bedeutendsten A.-Vorkommen finden sich in Russland, Namibia, Mosambique, Madagaskar, Brasilien und Norwegen. Nach Gienger kommt dem Namen „Amazonenstein“ mehr Glaubwürdigkeit zu, da der Stein einem indianischen Mythos zufolge aus dem „Land der Frauen ohne Männer“ stammt.
Der kupferhaltige A. wird als harmonisierendes Mittel bei Kummer und Stimmungsschwankungen eingesetzt und kann zwischen Verstand und Intuition vermitteln. Auf der physischen Ebene wirkt er ebenfalls entspannend und krampflösend und gilt als das klassische Mittel bei Menstruationsbeschwerden und in der Geburtshilfe. Sogar bei Gehirnerkrankungen kann er hilfreich eingesetzt werden. Bei Schmerzen und Spannungen wird der A. unmittelbar auf die betroffene Stelle aufgelegt.
Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.
Amba, Ambika (sanskr., Mutter), einer der Namen der Hindu-Göttin > Shakti, der Göttlichen Mutter.
Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986; Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.
Ambarvalien, altrömisches Hauptfest zu Ehren der Göttin > Dia mit Opferung von männlichem Schwein, Schafbock und Stier, das alljährlich in der letzten Maihälfte drei Tage lang mit dreimaligem Flurumgang gefeiert wurde. Geleitet wurde das Ritual von den > Fratres Arvales, einem aus 12 Mitgliedern bestehenden Priesterkollegium. 1777 entdeckte man zwei marmorne Tafeln aus dem Jahre 218 n. Chr., auf denen ein Protokoll über eine Zusammenkunft des Kollegiums der > Arvalbruderschaft unter Kaiser Heliogabal nebst einem gesungenen Festlied (Arvalisches Lied) eingemeißelt war.
Lit.: Meyers Konversations-Lexikon. 5. Aufl., 1. Bd. Leipzig: Bibliogr. Inst., 1894; Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen. Stuttgart: Kröner, 1985.
Amber > Ambra.
Ambitendenz, paradoxe seelische Haltung, etwas zu wollen und nicht zu wollen, infolge eines gleichzeitigen Wirksamwerdens von Antrieb und Gegenantrieb, mit der Folge des Ausbleibens entsprechender Handlungen, was sich besonders bei schizophrenen Verhaltensformen abzeichnet. > Ambivalenz.
Lit.: Lexikon der Psychologie: in fünf Bänden. Bd. 1. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2000.
Ambivalenz (lat. ambo, beide, und valentia, Stärke), Doppelwertigkeit, Bipolarität. Von Eugen Bleuler (1857 – 1939) 1910 geprägter Begriff zur Bezeichnung entgegengesetzter Neigungen, Einstellungen und Gefühle, die sich gleichzeitig auf dasselbe Objekt richten (Doppelgerichtetheit). Er nahm A. für die Bereiche Affekt, Intellekt und Wollen an und vertrat die Ansicht, dass ambivalente Gefühlsregungen gegenüber ein und derselben Person, Sachen und Ereignissen zum Entstehen von Schizophrenie führen kann. Freud, der des öfteren von Wunschgegensatz sprach, baute die A. in seine Neurosenlehre ein. Nach G. Bateson kann auch ambivalentes Elternverhalten gegenüber dem Kind zur Entstehung schizophrener Krankheitsbilder führen. Die Analytikerin Melanie Klein und ihre Schüler sehen in jeder menschlichen Triebregung die A. von Liebe und Destruktion.
Nach R. Otto hat auch das > Numinose einen ambivalenten Doppelcharakter, insofern als es eine Zorn- und eine Güteseite beinhaltet.
In der Parapsychologie wird der Sinngehalt paranormaler Phänomene oft als ambivalent beschrieben. Schon die Doppeldeutigkeit griechischer > Orakel ist Ausdruck einer A., die sich nicht in das Entweder / Oder klassischer Logik zwängen lässt.
Lit.: Bleuler, Eugen: Vortrag über Ambivalenz. In: Zentralblatt für Psychiatrie. Bd. 1. Bern. 1910, 266; Bleuler, Eugen: Die Notwendigkeit eines medizinisch-psychologischen Unterrichts. Leipzig: J. A. Barth, 1914; Otto, Rudolf: Aufsätze das Numinose betreffend. Gotha: Klotz, 41929; Freud, Sigmund: Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose. Gesammelte Werke VII. Frankfurt / M.: Fischer; Bleuler, Eugen: Lehrbuch der Psychiatrie. Unter Mitw. von Jules Angst. Sonderaufl., unveränd. Nachdr. der 15. Aufl. Augsburg: Weltbild-Verl., 1985; Bateson, Gregory: Schizophrenie und Familie: Beiträge zu einer neuen Theorie. Übers. von Hans-Werner Sass. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 62002.
Ambix (gr.), in der Alchemie verwendeter Destillierhelm, der über den Kolben gestülpt wird, in dem das Destilliergut erhitzt wird. Es scheint, dass der Neupythagoräer Anaxilos, der als Erfinder der Destillation von „göttlichem Wasser“ (theion hydor), auch Lebenswasser (aqua vitae) genannt, bezeichnet wird, den einfachen Ambix so weit entwickelt hat, dass die Herstellung von Branntwein oder Wacholderschnaps in größeren Mengen möglich war. Aus dem Helm entstand bald der > Alembic.
Lit.: Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste: von d. Spätantike bis zum 19. Jahrhundert; Bd. 1: A – K. 3., verb. u. wesentl. verm. Aufl. Graz: ADEVA, 1986; Priesner, Claus; Figala, Karin (Hg): Alchemie. München: Beck, 1998.
Amboss, harte Unterlage für alle Arbeiten, bei denen Metalle gehämmert werden. Er gehört zu den ältesten technischen Hilfsmitteln des Menschen, weshalb er auch in Mythologie und Symbolik eine große Rolle spielt. So soll > Hephaestus auf dem Amboss die Rüstungen der griechischen Götter und > Thor auf ihm den Gewitterdonner erzeugt haben.
Der A. wird häufig auch als weibliches Pendant zum symbolisch aktiv und männlich empfundenen > Hammer gedeutet. Zudem dient A. als Benennung in verschiedenen Bereichen.
Lit.: Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Hundeshagen, Hermann: Der Schmied am Amboss: ein praktisches Lehrbuch für alle Schmiede. Hannover: Ed. rari, Schäfer, 2001.
Ambra (arab. ambar), auch Amber, eine wohlriechende Essenz, der man große Heilkräfte, besonders eine Haupt, Magen und Herz stärkende Wirkung zusprach. Lange Zeit war man unsicher, ob die auf dem Meer schwimmende, aromatisch duftende Masse von Pflanzen oder Tieren stammte, bis sie als Erzeugnis des Pottwals erkannt wurde.
Vom grauen Amber (ambra grisea) unterschied man den hellgelben Amber (ambra citria), den > Bernstein.
Die ambra grisea, die graue Ambra, die aus den beutelartigen Anschwellungen des Unterleibs des Pottwals präpariert wird oder als Masse an der Meeresoberfläche schwimmt und in Australien, Indien, China, Nord- und Südamerika, Madagaskar und Arabien an Land gespült und eingesammelt wird, besteht aus hellbraunen bis graubraunen wachsartigen Klumpen. Die hellen und spröden Sorten werden wegen ihres feinen Geruchs bevorzugt. Die wachsartige Masse wird schon bei Körperwärme weich und löst sich in ätherische und fette Öle, heißen Alkohol und Äther auf. Ihr Hauptbestandteil ist das dem Cholesterin ähnliche Ambrain. Wie andere tierische Duftstoffe wirkt auch A. auf das menschliche Sexualdrüsensystem. Während Amber in früheren Jahren als Desinfektions- und Schutzmittel gegen Seuchen verwendet wurde, gilt er nun als wirksamer Duftstoff für die Aktivierung des Sexual-Chakras. Die klassische Parfümerie verwendet ihn heute als Fixierungsmittel, das verhindert, dass der Duft anderer Stoffe sich verflüchtigt.
Lit.: Zedlers Großes Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 1 – 64; Suppl. 1 – 4. Halle; Leipzig, 1732 – 1754, Bd. 1; Most, Georg Friedrich: [Enzyklopädie der gesamten Volksmedizin] Encyklopädie der gesammten Volksmedicin. Photomechan., um e. Einl. verm. Nachdr. d. 1843 bei F. A. Brockhaus in Leipzig ersch. Ausg. / Einl. Karl Frick u. Hans Biermann. Graz: ADEVA, 1973; Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995.
Ambrosia, aus der griechischen Mythologie (Homers Dichtung) bekannte, duftende Speise der Götter, die gewöhnlichen Sterblichen nicht zugänglich ist. Es ist die Unsterblichkeit, die die Götter in Form von A. und Nektar als Nahrung zu sich nehmen und die sie nur durch ganz besondere Gunst menschlichen Wesen zuteil werden lassen, welche sich dadurch jeglichem Alterungsprozess entziehen. Die Kraft der Zauberspeise ist so stark, dass sie nicht nur unsterblich macht, sondern auch die Fäulnis von Leichen abhalten kann. Selbst die Götter benötigen A. zu ihrer Belebung und Stärkung. Die Identifizierung der Götterspeise A. mit Honig ist unwahrscheinlich (Paulys Real-Encyclopädie).
A. existierte in der Vorstellung der Griechen in verschiedenen Weisen: als Schönheitsmittel verstand man darunter eine Salbe, als Futter für die ebenfalls unsterblichen Pferde der Götter ein Kraut wie Hauslaub, Veilchen oder Lilie und als handfeste Götterspeise eine Art Brot. Als teilweise identisch mit A. oder auch als Ergänzung zur göttlichen Speise diente der > Nektar, ein Göttertrank, gedacht als eine Art Wein.
Auf symbolischer Ebene steht A. für Wahrheit, Weisheit und Liebe, die Attribute des unsterblichen Lebens, und für die geistige Nahrung, derer die Seele bei ihrer Höherentwicklung bedarf.
A. ist ferner die Bezeichnung für eine ganze Gruppe von Pflanzen, die ihren Namen aus der mythischen Überlieferung mitbringen und z. T. als konkrete Pflanzen botanisch gedeutet wurden, so etwa die A. des > Dioskurides als Traubenkraut (Botrys artemisia L.), als Gänsefußpflanze (Chenopodium botrys L.) oder als Strandambrosie (Ambrosia maritima L.). Auch mit > Soma und > Haoma wird A. oft gleichgesetzt, ebenso mit dem > Fliegenpilz (Amanita muscaria) oder dem > Zauberpilz (Psilocybe spp.) (Müller-Ebeling 154 f.).
Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1 1894; Rohde, Erwin: Psyche. Leipzig: Kröner, 1929; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt / M.: Fischer, 1981; Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1993; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000.
Ambrosius, Aurelius (ca. 339 – 4. 4. 397), heilig (Fest: 7. Dezember), Bischof von Mailand, Kirchenlehrer, gebürtig aus Trier, war in Rhetorik und Recht ausgebildet und galt als Vorkämpfer der Orthodoxie gegen die Arianer. Er protestierte gegen die Hinrichtung der Priscillianer und war ein großer Prediger, Theologe und Seelsorger. Seine zahlreichen Schriften dienten vornehmlich seelsorglichen Zwecken. Er bereicherte die abendländische Liturgie, indem er den Gesang, Hymnen aus dem Osten, einführte und selbst Liedtexte schrieb. Sein Leben ist mit zahlreichen außergewöhnlichen Ereignissen angereichert. Neben anderen Fähigkeiten wird ihm die Gabe der > Bilokation zugeschrieben.
Lit.: Dudden, Frederick Homes: The Life and Times of St. Ambrose. Oxford: Clarendon Press, 1935; Paredi, Angelo: Vita e meriti di S. Ambrogio. Milano: Ceschina, 1964; Dassmann, Ernst: Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand: Quellen und Entfaltung. Münster / Westf.: Aschendorff, 1965.
Amduat („das, was in der Unterwelt ist“), von den Ägyptern „Die Schrift der Verborgenen Kammer“ genannt, ist das wichtigste Werk der ägyptischen Totenliteratur, das die Reise des Sonnengottes durch die 12 Bereiche der Unterwelt beschreibt, die mit den 12 Nachtstunden, nach dem Untergang der Sonne im Westen, gleichgesetzt werden. Ziel des Werkes ist es, Wissen zu erlangen. Jeder, der die geheimen Darstellungen des A. kennt, ist ein wohlausgestatteter > Ach, der die Unterwelt betreten und verlassen kann.
Vollständige Abschriften dieses frühesten Werkes, welches die oben genannte Reise beschreibt, finden sich im Grab von Thutmosis III. und Amenhotep II. aus der 18. Dynastie.
Bei den Königsgräbern (Tal der Könige) ist die Anordnung von Bedeutung. Im Grab von Ramses VI. ist beispielsweise das Pfortenbuch am Eingang zur oberen Ebene angebracht. Anschließend kommt das Höhlenbuch und am weitesten vom Eingang entfernt, auf der unteren Ebene, befindet sich das Buch von dem, was in der Unterwelt ist, das eigentliche A.
Neben der langen Version des A. gibt es auch eine kürzere ohne Abbildungen und Beischriften. In der Spätzeit wurde das A. für Privatleute und Sarkophage auf Papyri geschrieben.
Lit.: Schweizer, Andreas: Seelenführer durch den verborgenen Raum: das ägyptische Unterweltsbuch Amduat. Mit einem Vorw. von Erik Hornung. München: Kösel, 1994.
Amduscias, nach Joh. > Weyer (1515 – 1588) ein Großherzog des > Hades, der meist die Gestalt eines > Einhorns annimmt; wird er jedoch beschworen, so erscheint er als Mensch. Er veranstaltet Konzerte, bei denen alle Instrumente zu hören sind, ohne dass man die Musiker sieht. Er herrscht über 29 Legionen.
Lit.: Weyer, Johann: De praestigiis daemonum. Witches, Devils, and Doctors in the Renaissance / M. e. Vorw. v. John Weber. Tempe, Arizona: Arizona Board of Regents for Arizona State University, 21998.
A.M.E. > Müller-Edler, Alfred.
Amecht, auch Amicht, Erntefeuer in Luxemburg am Kirchweihsonntag nach der Erntezeit, bei dem eine Katze im Korb lebendig verbrannt wurde. Das Wort stammt von ahd. ambaht, mhd. ambet, nhd. amt, und bedeutet ursprünglich eine Art Wald-, Feld- und auch Sittengericht.
Lit.: Gredt, Nikolaus: Das Amecht, eine mythologische Studie. Progr. d. Atheneums zu Luxemburg, 1870 – 71, S. 45 – 63; Pfannenschmid, Heino: Germanische Erntefeste im heidnischen und christlichen Cultus, mit besonderer Beziehung auf Niedersachsen: Beiträge zur germanischen Alterthumskunde und kirchlichen Archäologie. Hannover: Hahn, 1878; Hess, Joseph: Das Amecht: Eine folklorist. Studie. Luxemburg: Selbstverl., 1933.
Ameise (lat. formica), gehört zur Klasse der Insekten und Hautflügler. Ihr wichtigstes Kennzeichen sind das harte Außenskelett aus Chitin, die Dreiteilung des Körpers in Kopf, Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen) und die am Thorax angesetzten 3 Beinpaare.
Sie lebt in großen Ameisen-Staaten, wo sie eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat. Wegen ihrer Emsigkeit und Klugheit, mit der sie die Vorräte speichert, wird sie bereits in der Bibel gerühmt (Spr. 6, 6 – 8; 30, 24). Auf römischen Münzen ist sie als Symbol des Fleißes und des damit verbundenen Wohlstandes mit der Ackerbaugöttin > Ceres verbunden. Der A. wird auch die Eigenschaft zugesprochen, am Geruch des Halmes Gerste von Roggen unterscheiden zu können. Wegen ihrer Wintervorräte gilt sie als Symbol der weisen Voraussicht.
Im Gegensatz zu dieser hohen Bewertung ist sie in Indien wegen ihrer rastlosen Geschäftigkeit ein Symbol für die Nichtigkeit aller Handlungen des irdischen Lebens. Bei afrikanischen Völkern hat die A. kosmogonische Bedeutung als Helfer der Schöpfergottheit bei der Erschaffung der Welt. In der griechischen Mythologie heißen die ersten Bewohner Äginas „Myrmidonen“, Ameisen, weil sie den Boden mit ameisenhaftem Fleiß bearbeiteten. Nach einer thessalischen Legende hat die Nymphe Myrmex, Ameise, den Pflugbau erfunden, weshalb die A. als heilige Tiere verehrt wurden. Nach radiästhetischen Beobachtungen sollen sie den Bau ihres Hauses vornehmlich auf sog. Störungslinien, Wasseradern und Verwerfungen ansetzen. Schließlich ist auch von einer > Ameisenkur die Rede.
Lit.: Huber, Pierre: Recherches sur les moeurs des fourmis indigènes. Paris: Paschoud, 1810; Goetsch, Wilhelm: Zusammenarbeit im Ameisen-Staat. Bremen: Geist, 1936; Wasmann, Erich: Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und der höhern Thiere. Freiburg i. Br. [u. a.]: Herbert, 1979; Strahlende Welt: Beitrag zur Geschichte der Radiästhesie / M. e. Einl. v. Peter Mano; Vorw. v. Olaf Räderer. 2. Aufl. (als Lizenzausg.). St. Gallen: Verlag RGS, 1987.
Ameiseneier werden als besonders hochwertiges und begehrtes Zusatzfutter für alle insektenfressenden Vögel, Reptilien und Zierfische angeboten. A., die man in einem Ameisenhaufen findet, sollen aber auch über die besondere Zauberkraft, unsichtbar zu machen, verfügen.
Lit.: Klingner, Erich: Luther und der deutsche Volksaberglaube. Berlin: Mayer & Müller, 1912, S. 117; Schrödter, Willy: Tiergeheimnisse. Warke-Billerbeck / Hahn: Baumgartner, 1960, S. 160.
Ameisenkur. Den Ameisen wird neben ihrer Emsigkeit auch eine besondere Heilkraft zugesprochen. So wurde in Russland gegen die Lähmung der Glieder folgende Heilmethode für wirksam befunden: Man umhüllt die kranke Körperstelle für zwei bis drei Tage unter Einschluss von großen, roten Waldameisen, was zu heftigem Jucken, Brennen und Schweißausbruch führt. Am vierten und fünften Tag ruht sich der Kranke 24 Stunden lang aus, worauf dann wieder für zwei bis drei Tage frische Ameisen appliziert werden.
Ein weiteres wirksames Heilmittel gegen chronische Gicht und Gelenksteifigkeit ist das Ameisenbad. Man quetscht vier Pfund großer Waldameisen samt den Eiern in einem leinenen Beutel, gießt siedendes Wasser darauf und mischt die durchgeseihte Flüssigkeit in das zwanzig bis dreißig Grad heiße Bad, in dem sich der Kranke ausschwitzt.
Ein Stück Leinen, das man über Nacht in einen Ameisenhaufen gelegt hat, soll gegen Gliedergicht sehr wirksam sein, wenn man die kranke Körperstelle damit umwickelt.
Chirurgen im alten Indien, die sich bereits an komplizierte Darmoperationen wagten, kannten auch wirkungsvolle Techniken, um die dabei entstehenden Wunden zu „vernähen“. Sie hielten Ameisen so an die Darmverletzung, dass sie durch ihren Biss die Wundränder verschlossen. Dabei gaben die Tiere Säure ab, die gleichzeitig die Wunde desinfizierte. War sie auf diese Weise geschlossen, wurden die Köpfe der Ameisen vom Körper abgeschnitten. Während der Heilung lösten sich die an der Wunde verbleibenden Insektenköpfe dann auf.
Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wyssowa u. a. Stuttgart, 1893 ff., I; Jühling, Johannes: Die Tiere in der deutschen Volksmedizin alter und neuer Zeit. Nach den in der Kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden vorhandenen gedruckten und ungedruckten Quellen. Mit einem Geleitworte von Hofrath Dr. med. Höfler, Bad Tölz. Mittweida: Polytechnische Buchhandlung (R. Schulze), 1900; Wuttke, Adolf: Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart. 3. Bearb. / von Elard Hugo Meyer, unveränd. fotomechanischer Nachdr. der Orig.-Ausg. Berlin 1900. Leipzig: Zentralantiquariat der Dt. Demokratischen Republik, 1970, § 140, 494; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987.
Amemet, ägyptische Göttin mit dem Kopf eines Krokodils, dem Vorderteil eines Löwen und der Rückseite eines Nilpferds. Ihr Name wird in einigen Manuskripten als „Verschlingerin“, in anderen als „Verschlingerin der Toten“ bezeichnet. Dabei betritt sie die Szene nur bei der Gewichtung des Herzens, wenn über die verstorbene Person nach ihrem gegen ein Symbol der Gerechtigkeit (Maat) aufgewogenen Herzen gerichtet wird. Enthält das Herz etwas Böses, wird es von Amemet verschlungen, also verdammt.
Lit.: Forman, Werner: Die Macht der Hieroglyphen: das Leben nach dem Leben im Alten Ägypten / Quirke, Stephen; Nora von Mühlendahl [Übers.]. Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer, 1996, S. 122.
Amen (hebr., „wahrlich“, „gewiss“), bedeutet in seiner Grundform „fest sein“ (aman, fest, zuverlässig), wenngleich aus der Form kein sicherer Schluss auf die Bedeutung des Wortes zu ziehen ist. Die häufige Verwendung des Wortes als Reaktion auf einen Fluch (Dtn 27, 15 – 26; Num 5, 22; Neh 5, 13) zeigt, dass A. als Bestätigung des Fluches verwendet wird, in der Bedeutung von „so sei es“. Auch im NT wird A. im Sinne von „bestätigen“ oder „bekräftigen“ verwendet. A. ist somit ein heiliges Wort, das schon die ältesten Ägypter kannten, die sogar einen Gott hatten, der diesen Namen trug (Amen, Amun, Ammon).
Als man entdeckte, dass die griechischen Buchstabenzahlenwerte des Wortes „Amen“ 99 ergeben, bekam A. eine beinahe magische Bedeutung. So kennen wir aus dem Islam die Bedeutung der „Neunundneunzig Namen Allahs“, denen ebenso viele Perlen im islamischen Rosenkranz entsprechen.
A. wird auch am Schluss von Zaubersprüchen verwendet. Häufiger findet sich jedoch das Verbot, bei dieser Gelegenheit A. zu sagen.
Lit.: Scheele, Paul-Werner: Halleluja – Amen: Gebete Israels aus drei Jahrtausenden . Paderborn: Bonifatius, 1996; ders.: Abba – Amen: Urworte Jesu Christi, Grundworte des Christen. Würzburg: Echter, 1998; Theologische Realenzyklopädie / in Gemeinschaft mit Horst Balz … hrsg. von Gerhard Müller. Berlin: de Gruyter – Evang. Verlagswerk, Studienausgabe, Bd. 2, 1978.
Amenhotep > Amenophis.
Amenominakanushi (jap., „Herr der erhabenen Mitte des Himmels“), höchster Himmelsgott im Shintoismus. Wenngleich er im Gegensatz zu > Izanagi und > Izanami in Mythos und Kult kaum eine Rolle spielt, nimmt er im Götter-Pantheon des Shintoismus den höchsten Platz ein. Alle überragend, sitzt er einsam auf einer neunfachen Wolkenschicht, was ein symbolischer Hinweis auf neun Himmel sein soll. Im neuzeitlichen Shintoismus gibt es eine Tendenz zum Monotheismus, wodurch A. größere Bedeutung erhält als früher.
Lit.: Schurhammer, Georg: Shin-Tö: Der Weg d. Götter in Japan; der Shintoismus nach d. gedruckten u. ungedruckten Berichten d. japan. Jesuitenmissionare d. 16. u. 17. Jhs. Bonn; Leipzig: K. Schroeder, 1923; Kitayama, Junyu: Der Shintoismus, die Nationalreligion Japans. Berlin: Limpert, 1943; Numazawa, Franz Kiichi: Die Weltanfänge in der japanischen Mythologie. Freiburg, CH: Paulusdruckerei, 1946.
Amenophis IV. (Echnaton), König von Ägypten (ca. 1350 – 1334). Wie jeder andere ägyptische Herrscher lässt er sich vor dem Reichsgott > Amun darstellen, verehrt aber wie sein Vater Amenophis III. zudem den Gott > Aton und versucht eine Neuordnung ägyptischer Religion im monotheistischen Sinne. Es ist die Ironie des Schicksals, dass A., dessen Namen „Amon ist zufrieden“ bedeutet, den Amonkult zugunsten der Verehrung des Aton (der Sonnenscheibe) ausrotten wollte, nachdem er sich selber Echnaton („der Sonnenscheibe gefällig“) nannte. Vor allem der Name des Reichgottes Amon, aber auch der anderen Götter, ja sogar die Schriftzeichen für das Wort „Götter“ wurden getilgt. Die letzte Fassung seines Namens lautet: „Es lebt Re, der Herrscher der beiden Lichtberge, der frohlockt im Lichtberg in seinem Namen als Vater, der wiedergekommen ist als Aton“. So ist der neue Gott zugleich der alte. Der Atonhymnus, wohl kaum von Echnaton gedichtet, besingt die Allmacht und Allgüte von Aton. Alles was lebt, verdankt sein Dasein der Sonne. Die Schattenseiten des Lebens wie auch der Tod, der jetzt nicht mehr einem Gott (> Osiris) zugeordnet ist, wurden ausgeblendet und der Totenkult mit all seinen Riten abgeschafft. Echnaton fühlte sich vielmehr als Prophet seines Gottes: „Es gibt keinen, der sich kennte, außer deinem Sohne, König A.“ Seine Residenz verlegte er von Theben nach Tell el-Amarna. Bei aller religiösen Radikalität, die den König zum Mittelpunkt von Staat, Gesellschaft und Kult machte, versagte er als Staatsmann. In den Amarnabriefen, die aus dem Archiv des auswärtigen Amtes des Pharao stammen (rund 400 Tontafeln mit Keilschrift beschrieben, meist in akkadischer Sprache), finden sich unzählige Hilferufe der Vasallenfürsten, die beim König kein Gehör fanden.
Bei seinem Tod brach sein monotheistischer Versuch eines ausschließlich sonnigen Lebens jenseits von Leid, Tod und Unrecht zusammen. Der Glaube an einen Lichtgott, der keine dunklen Seiten kennt und duldet, war den Ägyptern, die so sehr in Verbindung mit den Toten standen, geradezu fremdartig.
Lit.: Echnaton <Ägypten, Pharao>: Sonnenhymnus. Nachdichtung von Ralph Günther Mohnnau. Mit drei Orig.-Lithogr. und zwei Papierarbeiten von Wolf Müller. Kommentar von Jan Assmann. Frankfurt / M.: Alpha-Presse, 1991; Hornung, Erik: Echnaton: die Religion des Lichtes. Düsseldorf: Patmos, 2003.
Ame-No-Uzume oder Uzume, shintoistische Göttin der Morgenröte und des Lachens. Sie half, die Sonnengöttin > Amaterasu aus der Höhle zu locken, in die sich jene, erbost über den Sturmgott > Susano-Wo, zurückgezogen hatte. A. tanzte vor der Höhle und riss sich – berauscht vom eigenen Rhythmus – die Kleider vom Leib, worauf die versammelten Götter in Gelächter ausbrachen. Amaterasu blickte neugierig aus der Höhle und brachte so wieder das Licht in die Welt.
Lit.: Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens. Reichelsheim: Edition XXL GmbH, 2000.
Ament, auch Amentet bzw. Imentit, ägyptische Göttin mit der Hieroglyphe für den „Westen“ auf ihrem Haupt. Sie wohnt angeblich in einem Baum am Rande der Wüste, wo sie den Eingang zur Unterwelt bewacht und die ankommenden Verstorbenen mit Brot und Wasser empfängt. Auf einigen Böden von Särgen aus der Spätzeit wird sie gelegentlich nackt dargestellt – ein Beispiel ist im Basler Museum für Völkerkunde zu sehen. Seit dem Neuen Reich wird sie in ihrer Bedeutung zunehmend von > Hathor verdrängt, die nun als „Herrin des schönen Westens“ gilt. Obwohl A. nicht eigentlich verehrt wurde, findet ihr Name in vielen Hymnen und Passagen des > Ägyptischen Totenbuches Erwähnung.
Lit: Davies Macpherson, Nina: The Tomb of Amenemhet: (No. 82) / copied in line and colour by Nina de Garis Davies and with explanatory text by Alan H. Gardiner. London: Egypt Exploration Fund, 1915; Refai, Hosam: Die Göttin des Westens in den thebanischen Gräbern des Neuen Reiches: Darstellung, Bedeutung und Funktion. Berlin: Acht-Verl., 1996; Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. 3., unveränd. Aufl. Berlin: Walter de Gruyter, 2000.
Amenthes (von ägypt. amentet, Westland), die Unterwelt, die vornehmlich im Totenbuch beschrieben und in Vignetten dargestellt ist. Den Hauptort bildet der Gerichtssaal des Totenrichters > Osiris, vor den der Verstorbene von der Göttin der Gerechtigkeit, > Ma’at, geführt wird, während > Horus und > Anubis seine Taten abwägen.
Lit.: Altenmüller, Hartwig: Grab und Totenreich der alten Ägypter. Hamburg: Museum für Völkerkunde, 1976.
Amenti (ägypt.) ist sowohl die Bezeichnung für „Westen“ als auch für das „Land der Toten“, das man ebenfalls in Richtung des Sonnenuntergangs lokalisierte. Nach Kap. 17 des Totenbuches begibt sich die Seele, die den mumifizierten Körper verlassen hat, in den „schönen Westen“, wo > Osiris mit dem Beinamen Chontamenti, „Herr des Westens“, regiert. Das Leben in A. wird unterschiedlich beschrieben. In einem Text drückt die Seele das Bedauern aus: „Der Westen ist eine Erde des Schlafs und der schweren Schatten“, das lebendige Wasser sei tot und es fehle die Brise des Nordens. In der Ptolemäerzeit war A. jedoch für den frommen Petosiris (ca. 300 v. Chr.), den Verwalter der Ibisgemeinschaft am Tempel von Hermopolis, der Wohnort der Gerechten, die ohne Sünde waren: „Glücklich der Mann, der dort ankommt!“ H. P. > Blavatsky baute diese Vorstellungen von Amenti dann in einer eigenen Diktion in ihre theosophische Kosmogenese ein.
Lit.: Blavatsky, H. P.: Kosmogenesis. A. Kosmische Evolution. Den Haag: J. J. Couveur, o. J. (Die Geheimlehre; 1); Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Amerbach, Bonifacius (1495 – 1562), Sohn des Buchdruckers und Verlegers Johannes Amerbach, erhielt nach Studien im Ausland 1524 den Lehrstuhl für Jus an der Universität Basel und förderte sogleich die Herausgabe der nachgelassenen deutschen „Utopia“-Übersetzung seines Amtsvorgängers Claudius Catiuncula. Zu seinem Freundeskreis gehörten u. a. Erasmus von Rotterdam, der ihn zu seinem Erben einsetzte, der Künstler Hans Holbein der Jüngere, von dem das Holbeinsche Paracelsusporträt stammt, und insbesondere > Paracelsus selbst. Diese Freundschaft dauerte die ganze Baseler Zeit Hohenheims. Von seinem Bruder, Basilius Amerbach, der übrigens Schüler des Prof. Theophrast v. Hohenheim war, haben sich Nachschriften Paracelsischer Vorlesungen erhalten.
Lit.: Weimann, Karl-Heinz: Paracelsus und der Baseler Thomas-Morus Kreis. Salzburger Beiträge zur Paracelsusforschung. Salzburg: Selbstverlag der Internat. Paracelsusgesellschaft, 1961.
Ameretat („Nichtsterben“, „Leben“) ist ein Geistwesen, das in der altiranischen Religion zu den sieben Schutzgeistern, > Amesha Spentas, im Gefolge des > Ahura Mazda gehört und die Verkörperung des Lebens und der Unsterblichkeit darstellt. Sie beschützt die Pflanzen, deren Früchte vor dem Tod bewahren. Ihr ständiger Gegner ist der Erzdämon > Zarich. Der Islam kennt A. als > Marut, einen Engel Allahs, der nach dem Fall die Menschen in der Zauberkunst unterrichtete. Der A. ist der fünfte Monat des Jahres gewidmet. Beim endzeitlichen Opfer vereinigt sie sich mit ihrem (irdischen) Symbol, dem Pflanzenreich.
Lit.: The Zend-Avesta: [in 3 vols.] / transl. by James Darmesteter. Richmond: Curzon Press, 2001, Bd. II.
American Institute for Scientific Research, 1906 von James Harvey > Hyslop in New York gegründet, sollte zwei Abteilungen umfassen: die eine sollte sich dem Studium abnormer psychischer Zustände widmen, die andere der Erforschung der Parapsychologie, die Hyslop als „supernormale Psychologie“ bezeichnete. Die Arbeit konnte aber nicht in der vorgesehenen Weise aufgenommen werden und so ging die zweite Abteilung in der > American Society for Psychical Research auf.
Lit.: Berger, Arthur S.: The Encyclopedia of Parapsychology and Psychical Research. New York: Paragon House, 1991.
American Parapsychological Research Foundation, wurde 1971 gegründet, um das Interesse an der Parapsychologie zu fördern und die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben. Sie bietet Kurse für den gesamten Bereich der Parapsychologie unter Einschluss der Grundtheorien und unterhält einen Beratungsdienst.
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower: First Supplement, 1987.
American Society for Psychical Research, kurz ASPR, drei Jahre nach der englischen > Society for Psychical Research 1885 in Boston, Mass., gegründete Gesellschaft für Parapsychologie, die heute in New York lokalisiert ist. Initiator der ASPR war der englische Physiker Sir W. F. > Barrett, erster Präsident der Astronom Prof. Simon Newcomb. Seit 1907 veröffentlicht die Gesellschaft ein Journal, kurz JASPR genannt, sowie Proceedings und seit November 1968 auch Newsletters.
Lit.: Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991.
Amerika. Die Geschichte und der Phänomenbereich der Paranormologie in den Vereinigten Staaten von Amerika ist so umfangreich, dass hier nur ein sehr geraffter Überblick geboten werden kann.
Urbevölkerung
Vor allem unter den verschiedenen Stämmen der Urbevölkerung Amerikas nimmt das Paranormale einen besonderen Stellenwert ein. So steht in den ältesten Berichten über die Indianer Nordamerikas, dass sie sich der Zauberei und magischer Praktiken bedienten und verborgene Kräfte sehr oft dem Teufel zuschrieben. Auch von hypnotischer Suggestion, von Medizinmännern und ihrem Bezug zur Magie sowie von Befragung der Geister ist die Rede. Alles, was den Indianer umgab, ob belebt oder unbelebt, besaß geheimnisvolle magische Kraft. Bei den Irokesen wurde es > Orenda, von den Sioux > Wakonda oder Wakan und bei den Algonkins > Manitou genannt.
Siedler
Die europäischen Siedler, die sich in den Gebieten niederließen, welche heute die Vereinigten Staaten von Amerika bilden, brachten ebenfalls einen starken Glauben an Zauberei und die Hexentradition mit. So gelangte der Hexenwahn auch nach Amerika, wo er sich hauptsächlich auf das ursprünglich von Engländern besiedelte Neuengland beschränkte. Im Bewusstsein der Gefahr erließen mehrere Staaten Gesetze, die eine Reihe von Praktiken der Hexenkunst verboten und jedem, der einen Pakt mit dem Teufel schloss, im Falle seiner Entdeckung die Todesstrafe androhten.
Die erste Hinrichtung fand am 26. Mai 1647 in Connecticut statt, wo Alice Young gehängt wurde. 1692 wurde in der Familie des Ministers von Salem eine Verhexung vermutet. Man beschuldigte das schwarze Dienstpersonal, das vielleicht Voodoo-Praktiken pflegte. Die Angelegenheit verbreitete sich rasch, sodass der neue Gouverneur der Kolonie, Sir William Philipps, die rechtliche Verfolgung anordnete. Die erste suspekte Person, Bridget Bischof, wurde gehängt. Weitere Hinrichtungen resultierten vor allem aus dem Fanatismus und der Brutalität von Increase Mather und seinem Sohn Cotton Mather aus Boston. 1668 wurde eine Mrs. Glover aus Irland bei Goodwin in Boston als Kindermädchen eingestellt. Als sie dann Symptome zeigte, die Cotton als Besessenheit diagnostizierte, wurde sie vor Gericht gebracht, für schuldig befunden und gehängt, während Cotton sein Buch Memorable Providences Relating to Witchcraft und Possessions veröffentlichte, das die Situation noch anheizte. In einem nächsten Buch, Wonders of the Invisible World, vergleicht Cotton die Tätigkeit der Hexen in Salem und New England mit jenen in anderen Teilen der Welt, was den Hexenwahn weiter schürte. Im Zuge dessen wurde auch die Ehefrau von Minister Hale verdächtigt, der ein entschiedener Befürworter der Hexenverfolgung war, nun aber das Unrecht einsah. Im daraufhin entstandenen Streit, ob der Teufel sich neben echter auch unschuldiger Hexen bediene, um sein Ziel zu erreichen, wurde Increase Mather, Präsident von Harvard, mit der Beurteilung beauftragt. Er schrieb das Buch A Further Account of the Trials of the New England Witches, in dem er die dämonische Besessenheit unschuldiger Personen bejaht.
Als schließlich auch die Frau des Gouverneurs Philipps angeklagt wurde, brach die Hetze in sich zusammen. Mathers blieben jedoch bei ihrer Meinung. Als Cotton Mather das Mädchen Margaret Rule, das an Konvulsionen litt, für besessen erklärte, bezeichnete ein gewisser Robert Calif, der das Mädchen ebenfalls untersuchte, das Ganze als Täuschung. Den Bericht seiner Untersuchungen, in dem er auch die Theorien von Mather darlegt, veröffentlichte er in dem Buch More Wonders of the Invisible World. Das Buch wurde von den fanatischen Hexenverfolgern abgelehnt, von der Allgemeinheit aber dankbar aufgenommen, und in Salem kehrte daraufhin Ruhe ein. Cotton Mather verteidigte sich 1700 mit dem Buch Magnalia und 1723 mit The Remarkables. Mathers blieben bei ihrer Überzeugung bis zum Tod, Increase starb 1723, Cotton 1728.
Der Tragödie von Salem folgten in Amerika zwar keine weiteren offiziellen Hinrichtungen wegen Hexerei, doch stieg die Zahl der Menschen, die bei etwa insgesamt 50 Prozessen für derlei Vergehen verurteilt und hingerichtet wurden, auf sechsunddreißig. Vereinzelt gab es auch Ausbrüche von Hexenmanie. So musste sich 1706 Grace Sherwood aus Virginia an ein Gericht wenden, um ihren Ruf wiederherzustellen, nachdem sie von Nachbarn als Hexe bezeichnet worden war.
Mit dem Ende der Prozesse hörte der Hexenglaube aber nicht vollkommen auf. In Missouri, Arkansas und Kansas, wo viele die Auswirkungen des > bösen Blickes fürchteten, schützte man Vieh und Häuser durch vielfältige Zaubersprüche, durch das Anbringen von Hufeisen und das Tragen von Amuletten. Zudem besuchte man, ähnlich wie in Europa, > Hexensabbate, streifte als Haustier verkleidet durch die Gegend, um das Vieh zu behexen und mit > Bildzauber Krankheiten hervorzurufen, wobei völlig eigene Hexenmethoden entwickelt wurden. So bestand z. B. ein Zauber, der einem Feind den Tod bringen sollte, darin, Erde, die man zur Mitternachtsstunde mit dem linken Zeigefinger von einem Grab aufnahm, mit dem Blut eines Raben oder eines anderen schwarzen Vogels zu vermischen, das Ganze in einen Stofffetzen zu wickeln, der zuvor mit einer Leiche in Berührung gekommen war, und dieses Päckchen unter der Türschwelle des Opfers zu vergraben, damit es innerhalb weniger Tage sterbe.
Dieses Erbe der Hexenmagie lebt bis heute vereinzelt weiter. 1956 verbrannten aufgebrachte Dorfbewohner im mexikanischen Ojinga Josephina Arista auf einem Scheiterhaufen, weil sie glaubten, sie sei eine Teufelsanbeterin und habe das Vieh verhext.
Außer diesen Ereignissen hat das koloniale Amerika wenig Paranormologisches aufzuweisen.
USA
Erst die modernen Vereinigten Staaten von Amerika haben eine außerordentlich reichhaltige Paranormologiegeschiche, die vornehmlich mit Einzelpersonen verbunden ist.
Thomas Lake > Harris (1823 – 1906) gründete religiöse Gemeinschaften, deren Mitglieder sich in Verbindung mit spirituellen Welten glaubten, und Andrew Jackson > Davis (1826 – 1910) wurde mit seinem Buch The Principles of Nature, Her Divine Revelations, and a Vocie to Mankind zum führenden Theoretiker des Spiritismus. Hinzu kommen noch eine Reihe von religiösen Gruppierungen, die – wie die Mormonen mit Joseph > Smith Jr. (1805 – 1844), dem Begründer und ersten Propheten, und Brigham Young – zweifellos auch paranormologische Wurzeln haben.
Ins Absurde reichen die Ansichten von John Alexander Dowie, der ab 1890 Medizin und Medikamente als Teufelswerk bezeichnete und die Glaubensheilung verkündete, während die Adventisten in weißen Kleidern auf Friedhöfen den Letzten Tag erwarteten. Durch die Machenschaften von William Quan > Judge und Katharina B. Tingley kam es 1895 zur Gründung der selbständigen Theosophischen Gesellschaft in Amerika.
Die USA werden oft auch als die Brutstätte exzentrischer religiöser Bewegungen und Kulte bezeichnet. Dabei handelt es sich meist um skrupellose Abenteurer, Isis-Verehrer und satanische Gesellschaften.
Okkultismus und Parapsychologie
Im 20. Jh. blühen alte und neue religiöse Kulte gemeinsam mit Zauberei, schwarzer Magie und Satanismus weiter, wie etwa die Christian Science, die Church of Satan, die Church of the Final Judgment, Jehovah’s Witnesses, Mormons, Seventh-Day Adventist Church und Snake-Handling. Hinzu kommen noch die evangelischen Erweckungsbewegungen mit paranormalen Heilungsangeboten.
Ausgehend von der Familie > Fox in Hydesville, einer Ortschaft im Staat New York, verbreitete sich 1848 nach Entwicklung eines Klopfalphabets in Windeseile die spiritistische Bewegung mit dem epidemischen > Tischrücken. Die bereits 1893 gegründete National Spiritualist Association of Churches erreichte über 8.000 Mitglieder.
Diese spiritistischen Bewegungen entfachten auf wissenschaftlicher Seite das Interesse an den sog. „psychischen Phänomenen“, was schon 1885 zur Gründung der > American Society for Psychical Research führte. Wissenschaftler wie William > James, Walter Franklin > Prince, J. H. > Hyslop und Hereward > Carrington schlossen sich an. 1930 wurde J. B. > Rhine Direktor des Parapsychology Laboratory an der Duke-Universität in North Carolina und verlagerte die Forschung aus dem Sitzungsraum der Medien und Sensitiven in das Labor, um die > Außersinnliche Wahrnehmung experimentell zu untersuchen. Weitere Gesellschaften folgten, so die bekannte > Parapsychology Foundation in New York, die von der paranormal begabten Eileen J. > Garrett gegründet wurde, und neuerdings die > Society for Scientific Exploration. Von den zahlreichen Publikationen seien hier nur die Zeitschriften Journal of the American Society for Psychical Research, The Journal of Parapsychology, The Frontiers Perspectives, das Journal of Scientific Exploration und die von Rhea A. White herausgegebene überaus wertvolle Information Exceptional Human Experience über Zeitschriftenartikel und Bücher auf dem Gebiet der außergewöhnlichen menschlichen Erfahrung genannt.
Neben dem wissenschaftlichen Bemühen entfaltete sich auch ein allgemeines Interesse am Paranormalen, wobei vor allem die UFO-Frage und alternative Gesundheitsmethoden hervorstechen. Dieser verbreitet starke Hang zum Außergewöhnlichen rief eine rein materialistisch orientierte Gegenoffensive hervor, die vom Committee for the Scientific Investigation of Clams of the Paranormal (CSICOP) mit der Zeitschrift Zetetic Scholar getragen wird.
Die zunehmend wirtschaftliche und technische Ausrichtung der Wissenschaft hat jedoch auch in den USA das wissenschaftliche Bemühen um paranormologische Themen zurückgedrängt und die Popolarisierung des
Interesses am Paranormalen in das wirtschaftliche Fahrwasser eingespannt.
Lit.: Baschwitz, Kurt: Hexen und Hexenprozesse: die Geschichte eines Massenwahns und seiner Bekämpfung. München: Rütten + Loening, 1963; Handbook of Parapsychology / Benjamin B. Wolman. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977; Grattan-Guinness, Ivor (Hg.): Psychical Research: a Guide to Its History, Principles and Practices; in Celebration of 100 Years of the Society for Psychical Research. Wellingborough, Northamptonshire: The Aquarian Press, 1982; Exceptional Human Experiencie. Hg. Rhea A. White. New Bern: The Exceptional Human Experience Network, seit 1983, 17 Bände; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd; Bonin, Werner F.: Naturvölker und ihre übersinnlichen Fähigkeiten: von Schamanen, Medizinmännern, Hexen und Heilern. München: Goldmann, 1986; Knoblauch, Hubert: Berichte aus dem Jenseits: Mythos und Realität der Nahtod-Erfahrung. Freiburg i. Br.: Herder, 1999.
Amerikanische bruderschaftliche Verbände. Das Beispiel der > Freimaurerei hat das Vereinsleben Amerikas so stark beeinflusst, dass sich dieses – von beruflichen, sportlichen und politischen Vereinigungen abgesehen – fast zur Gänze in derlei bruderschaftlichen Verbänden auslebt, wie die folgende kurze Zusammenstellung zeigt, die sich auf die „Cyclopaedia of Fraternities“ von Albert C. Stevens stützt:
1. Freimaurerische Körperschaften:
a) die Johannismaurerei in Großlogen; der Amerikanische Ritus in Logen, Kapiteln, Councils und Commanderies; der Schottische Ritus in Lodges of Perfection, Councils, Chapters, Consistories und Supreme Councils.
b) die sog. Concordant Orders: Royal Order of Scotland, Knights of the Red Cross of Constantine.
c) Körperschaften, die nicht ausgesprochen freimaurerischer Natur sind, in die aber nur Freimaurer eintreten können: Modern Society of Rosicrucians, Sovereign College of Allied Masonic Degrees, Ancient Arabic Order of Nobles of the Mystic Shrine, Mystic Order Veiled Prophets of the Enchanted Realm, Independent International Order of Owls, Tall Cedars of Libanon.
d) Unregelmäßige (irregular) Orden: Rite of Memphis, Oriental Rite of Memphis and Misraim, Rite of Swedenborg, Order of Martinists.
e) Nicht anerkannte Orden: die Farbigen-Großlogen und Schottischen Hochgrade unter Farbigen.
2. Militärische Orden und Gesellschaften:
Soldiers’ and Sailors’ League, American Legion, Society of Cincinnati, Grand Army of the Republic United Confederate Veterans, Ladies of the Grand Army u. v. a.
3. Patriotische und politische Orden:
Tammany Society, Society of Red Men, Sons of America, Daughters of America, Junior Sons of America, Brotherhood of the Union, Patriotic League, Daughters of Columbia, Silver Knights, True Blues of the World, Loyal Orange Association, National Farmers’ Alliance, American Order United Catholics u. v. a.
4. Studentenverbindungen, sog. Greek Letter Fraternities:
Phi Beta Kappa, Chi Delta Theta (Yae), Chi Pi (Princeton), Zeta Psi (New York) u. v. a. Die Studentenverbindungen umfassen männliche und weibliche Studenten in gesonderten Gruppen. Zum Teil handelt es sich dabei um Berufsvereinigungen, wie Phi Alpha Sigma (Medizin) oder Alpha Chi Omega (Musik), ferner um die aus Freimaurern bestehenden Acacia fraternities.
5. Wohltätige oder sog. “friendly societies”:
Independent Order of Odd Fellows, Ancient Order of Foresters, United Order of Druids, U. O. of Hibernians, Benevolent and Protective Order of Elks, deutsche landsmannschaftliche Verbände, wie die Hermannssöhne und die Harugari, Liga der amerikanischdeutschen Freunde, Order of Moose, Scottish Clans.
6. Abstinentenorden:
Independent Order of Good Templars, Order of Rechabites, Sons of Temperance u. a. m.
7. Konfessionelle Bruderschaften:
a) Jüdische Orden: Independent Order B’nai-B’rith, Free Sons of Israel, Sons of Benjamin, Kheser Shel Barzel, American Star Order, Sons of Abraham u. a. m.
b) Römisch-katholische Orden: Knights of Columbus, St. Patricks’ Alliance of America, Irish Catholic Benevolent Union, Catholic Order of Foresters.
8. Afroamerikanerorden:
United Brethren of Friendship and Sisters of the Mysterious Ten, International Order of Twelve, Knights of Tabor u. a. m.
9. Mystische und theosophische Orden:
Temple of Isis, Brotherhood of the New Life, Christian Science.
10. Revolutionäre Gesellschaften, z. B. der Ku Klux Klan, zahlreiche irische Verbände, die Camorra, die Molly Maguires, White Caps u. a. m.
Die Liste ist unüberschaubar und hier daher nur überblicksartig. Mit welchem Interesse solche Ordensgründungen in nordamerikanischen Mittelstandsschichten aufgenommen werden, beweist am besten die Eroberung der Welt durch einen Stammtisch: den ersten Rotary Club in Chicago.
Lit.: The Cyclopaedia of Fraternities. A Compilation of Existing Authentic Information and the Results of Original Investigation as to the Origin, Derivation, Founders, Development, Aims, Emblems, Character, and Personnel of More than 600 Secret Societies in the United States, Supplemented by Family Trees of Groups of Societies, Comparative Statistics of Membership, Charts, Plates, Maps, and the Names of Many Representative Members / Comp. and ed. by Albert C. Stevens. 2nd ed., rev. to date (Nachdr. d. Ausg.) New York, 1907. Detroit: Gale, 1966; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.
Amerikanischer Ritus, York-Ritus (engl. American Rite, York Rite), Bezeichnung für eine Gruppe von Hochgradriten, deren einzelne Grade in den meisten angelsächsischen Ländern vorkommen, deren Reihung und Gruppierung aber den USA und Kanada eigen ist.
Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.
Amerikanischer Transzendentalismus, philosophisch-poetische Strömung im Osten der USA im 19. Jh., die in erster Linie durch „ozeanisches“ All-Einheitsgefühl und universalistische Moral gekennzeichnet ist. Natur und Moral werden als zusammengehöriger Ausdruck der „Oversoul“, eines universellen göttlichen Prinzips, gesehen, das im Einzelnen wirksam ist. Die Idee von Makro- und Mikrokosmos wird nicht mehr im Sinne der Abbildung des Ersteren in Letzterem verstanden, sondern vermischt die beiden auf eine Weise, die nun gleichsam Gott und Natur im Menschen vereint. Der A. erwuchs auf dem religiösen Hintergrund des Calvinismus, gegen dessen Lehren von Erbsünde und Prädestination er vehement die freie und positive Entwicklungsfähigkeit des Menschen betont. Anstöße dazu empfing er von der Bewegung der Unitarier, die sich vom Calvinismus abgespalten hatten, weil sie die Göttlichkeit Jesu und die Lehre der Dreifaltigkeit ablehnten.
Lit.: Schlicht, Rüdiger C.: Die pädagogischen Ansätze amerikanischer Transzendentalisten: erziehungswissenschaftl. Studien zu Amos Bronson Alcott, Ralph Waldo Emerson u. Henry David Thoreau 1830 – 1840. Frankfurt a. M.; Bern; LasVegas: Lang, 1977; Schulz, Dieter: Amerikanischer Transzendentalismus: Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau, Margaret Fuller. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1997.
Amesha Spentas („Die heiligen Unsterblichen“), Bezeichnung einer kanonischen Siebenzahl von göttlichen Geistern im > Avesta, von Vollstreckern des göttlichen Willens und Vorkämpfern für das Reich des Guten. > Zarathustra nannte eine Anzahl von himmlischen Mächten, Schöpfungen von > Ahura Mazda, die ihm unterstehen und durch die seine Anbeter untereinander verbunden sind. Der siebente Amesha Spenta ist entweder Ahura Mazda selbst oder, besonders später, > Sraoša. In der späteren Tradition bilden sie ein zusammenhängendes System von sieben Wesen. Jeder der Sieben beschützt eine der sieben Schöpfungen, die in den Hauptritualen durch Symbole dargestellt und daher Teil der Liturgie und Theologie sind. Sie sind die Mittler, durch die sich Ahura Mazda den Gläubigen nähert. Deshalb wird jeder, der Ahura beachtet und (Sraoša) gehorcht, die Vollkommenheit und Unsterblichkeit durch die Taten des Guten Geistes erhalten.
Lit.: Geiger, Bernhard: Die Amesa Spentas: ihr Wesen und ihre ursprüngliche Bedeutung: vorgelegt in der Sitzung am 10. Juni 1914. Wien: Hölder, 1916; Kanga, Sorabji Naoroji: A New Interpretation of the Spenta-Mainyu of the Gathas, Ahura Mazda’s Own Holy Spirit, the Progenitor of Fravashis in the Avesta, and of the Christos or the Christ-Concept and of Logos in Christianity. Bombay: The Gatha Society, 1933; Wesendonk, O. G. von: Das Weltbild der Iranier. Nendeln: Kraus Reprint, 1973.
Amethyst, schon in der Antike bekannter Halbedelstein aus einer Quarzgruppe mit violetter Färbung, der heute überwiegend in Brasilien zu finden ist, dessen indische Variante aber die kostbarste sein soll. Je purpurfarbener und ähnlicher der Stein dem ungemischten Wein war, desto mehr schätzte man ihn in der Antike. Griech. amethysios bedeutet „nicht betrunken sein“, und man sah in dem > Dionysos geweihten Stein einen Schutz sowohl vor dem Betrunkensein als auch vor Alkoholismus und trug ihn deshalb als > Amulett. Becher aus A. waren aus diesem Grund angeblich beliebte Weinbecher. Rätsch vermutet jedoch eher andere Gründe für die Beliebtheit dieser Steinbecher: die magischen Kräfte im A. sollten sich mit den magischen Kräften des Weines, dem die Griechen bewusstseinsverändernde Pflanzen wie > Alraune, > Bilsenkraut oder > Mohn (Opium) zusetzten, gegenseitig verstärken (Rätsch, 30). Der Sage nach verwandelte nämlich > Artemis eine > Nymphe des Dionysos aus Eifersucht in einen Stein, eben einen Amethyst. Das entspricht der Verwandlung anderer Nymphen in psychotrope Pflanzen. Zaubersteine und psychoaktive Pflanzen wurden oft zusammen angewendet.
Auch die zauberhafte rötlich-violette Färbung des Steines gab schon in der Antike, so etwa Plinius, Anlass zu Überlegungen für seinen Gebrauch. Bei einigen Kirchenvätern wird die A.-Farbe als Zeichen einer von jeglichem Stolz befreiten und demütig auf die himmlischen Dinge gerichteten Seele angesehen (Forstner, 303). Der A. wurde auch als einer der Grundsteine des himmlischen Jerusalem gedeutet. Generell symbolisieren das Rot und das Blau des A., die sich in dem Stein durchdringen, die Qualitäten von Liebe und Treue.
In Malaysia schätzt man die allgemeine Schutzwirkung des A., der böse Gedanken und Nachtgespinste vertreiben soll, den Menschen mit dem All verbinde und bei vielen Beschwerden, etwa Kopfschmerzen, ausgezeichnet helfe. Für indische Buddhisten ist der A. ein Stein des Buddha und man schnitzt aus ihm kleine Götterfiguren. Generell verstehen die Inder den A. als einen Edelstein des Glücks.
In Deutschland beschreibt > Hildegard von Bingen im 12. Jh. die Funktion des Steines, vor Schlangen und Nattern zu beschützen.
Hebräischen Schriften zufolge soll er auch angenehme Träume hervorrufen. Shepard erwähnt außerdem die ihm zugeschriebene Kraft der Verursachung prägkognitiver (> Präkognition) Träume.
Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1 1894; Ruppenthal, A. (Hg.): Mythologie der Edelsteine. Idar-Oberstein / Georg-Weierbach: Prinz Druck GmbH & Co. KG, 1988; Rätsch, Christian / Guhr, Andreas: Lexikon der Zaubersteine aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1989; Forstner, Dorothea: Neues Lexikon christlicher Symbole. Innsbruck: Tyrolia, 1991; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000.
Ametrin, ein Kristallquarz, der Amethyst- und Citrin-Farbzonen erhält, woraus sich auch der Name erklärt. Der A. gehört zur Mineralklasse der Oxide und ist violett-gelb gefärbt. Seine heilende Wirkung bezieht sich auch auf den geistigen Bereich, indem er ebenso Ruhe und Gelassenheit wie Dynamik vermitteln soll. Der begehrte Schmuckstein wird daher sowohl bei Nervosität als auch bei Antriebslosigkeit eingesetzt. Auf rein körperlicher Ebene soll er Zellen und Gewebe reinigen und auf das vegetative Nervensystem unterstützend wirken.
Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.
Amherst, Ortschaft in Neuschottland, Kanada, wo 1878 / 79 in der Hütte des Schusters Daniel Teed Spukphänomene auftraten. Es begann damit, dass Bettzeug und Möbel in Bewegung gerieten und pistolenähnliches Knallen zu hören war. Die Bezugsperson schien Teeds Schwägerin, Esther Cox, zu sein, die eines Nachts offenbar wie ein Ballon anzuschwellen begann (> Elongation). Als der herbeigerufene Arzt sie untersuchte, bewegte sich ihr Bettzeug im Zimmer, ein Stück Putz kam um die Ecke geflogen und traf den Arzt, an der Wand erschien eine Schrift. Eine > direkte Stimme sagte: „Esther Cox, ich werde dich töten.“
Dr. Caritte beobachtete das Geschehen und konnte mit dem Geist einen Kontakt herstellen, der durch Klopfen an der Schlafzimmerwand (> Klopfalphabet) einfache Fragen beantwortete und im Zuge dessen mitteilte, dass er Esther bis zu ihrem Tod verfolgen werde. Als der Baptistenpfarrer A. Temple eintraf, begann in einem Eimer kaltes Wasser zu brodeln und brennende Zündhölzer fielen von der Decke. Wenn Esther außer Haus war, geschah nichts. Man bat sie daher, auszuziehen. Sie fand Zuflucht bei einem Nachbarn. Bald wurde aber auch er durch Geräusche gestört, und Esther traf eine umherfliegende Scheuerbürste am Kopf. Als im Restaurant, wo Esther eine Stelle angetreten hatte, eines Tages der Fischereiinspektor W. H. Rogers auftauchte, konnte Esther plötzlich die Tür eines Küchenherdes nicht mehr schließen; sie sprang aus den Angeln und fiel zu Boden.
Als Esther für kurze Zeit im Zirkus arbeitete, erhitzten sich lange Eisennägel, die sie in der Hand hielt. Walther Hubbell, Schauspieler und Magier, versuchte sie zu entlarven, was ihm jedoch nicht gelang. 1888 veröffentlichte er das bekannte Buch The Great Amherst Mystery. Esther wurde schließlich als Brandstifterin verurteilt, obwohl sie entschieden bestritt, eine Scheune angezündet zu haben.
Nachuntersuchungen durch Hereward > Carrington (1907) bestätigten die von Hubbell beschriebenen Beobachtungen.
Lit.: Hubbel, Walther: The Great Amherst Mystery. New York: J. W. Lovell Company, 1888; Carrington, Hereward: The Physical Phenomena of Spiritualism, Fraudulent and Genuine. Boston: H. B. Turner & Co., 1907; Prince, Walther Franklin: The Great Amberst Mystery. In: Proc. ASPR Band 13 (1919 / 20), Nr. 23.
A. M. I. (franz. Association Maçonnique Internationale), Internationale maurerische Vereinigung. Es handelt sich dabei um die Vereinigung von symbolischen Großlogen, in der das internationale Büro für freimaurerische Beziehungen, die Weltgeschäftsstelle, aufging. Auf dem Konvent vom 19. bis 23. Oktober 1921 in Genf, dem Bemühungen von holländischer Seite vorausgingen, die Freimaurereien der neutral gebliebenen Staaten gleich nach Kriegsende zur Anbahnung eines Zusammenschlusses zu bewegen, wurde die Gründung der A. M. I. beschlossen. Vertreter folgender Großlogen und Großoriente nahmen an dieser Tagung teil: New York, Wien, Belgien, Bulgarien, Spanien (Großloge), Frankreich (Großorient und Großloge), Italien (Großorient), Niederlande, Portugal, Türkei, Schweiz. Auch ein Abgeordneter des „Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne“ in Nürnberg wurde laut Kongressbeschluss zugelassen. Vorsitzender war der schweizerische Großmeister Prof. J. Reverchon. In sechs Sitzungen wurden die Grundlagen der zu bildenden Vereinigung besprochen sowie eine Prinzipienerklärung und Satzungen aufgestellt. Die Großlogen von England, Schottland, Irland und des nordamerikanischen Kontinents nahmen daran nicht teil, was letztendlich zum Verhängnis wurde. Als die Freimaurerei 1938 / 39 nicht nur in den nationalsozialistischen, sondern auch in nahezu allen faschistischen und semifaschistischen Ländern verboten wurde, nützte die englische Freimaurerei ab 1944 / 45 die konsequente Durchsetzung der Prinzipien in ihrem Sinne und griff in die Reorganisation der europäischen Maurerei auch in ihrem Sinne ein. Aus diesem Grund zog sich die Großloge Alpina aus der A. M. I. zurück, womit diese zu existieren aufhörte.
Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.
Amiant, ein asbestartiger Stein, den Plinius als eine Art Feuerprobe-Stein zur Abwehr von magischer Zauberei empfiehlt.
Lit.: Plinius Secundus, Gaius: Historia naturalis. Ed. Venedig, 1469.
Amida oder Amita (jap., sanskr. Amitabha, unendliches Licht), der Buddha des grenzenlosen Lichts, symbolisiert durch Lotus und Pfau. Im 2. Jh. n. Chr. entstand im nördlichen Mahayana-Buddhismus um Buddha- Amitabha (chin. O-mi-t’o Fo, jap. Amida) ein neues System, das sich durch seine Lehre von einem Paradies (Westliches Paradies, Reines Land) und der gläubigen Anrufung Amitabhas als Mittel der Rettung von allen anderen Systemen absetzt. In drei Sutren des „Buddhismus des Reinen Landes“ aus dem 2. Jh. tritt A. als Erlöser auf. Der in Wirklichkeit fiktive Amitabha soll zu Lebzeiten mit unvergleichlichem Eifer die mönchischen Disziplinen erfüllt und in seiner Weisheit und seinem Mitleid in 48 Gelübden als Mönch Dharmakara (jap. Hozo) vor dem Buddha- Lokeshvararaja geschworen haben, nicht eher die vollkommene Erleuchtung zu erlangen und endgültig in die Freiheit des Nirvana einzugehen, bis er alle, die seinen Namen gläubig anriefen, von dieser unreinen Welt in sein Reines Land geholt habe. Das 18. Gelübde verspricht jedem die Wiedergeburt in > Sukhavati, im Reinen Land des Westens, wo Buddha-Amitabha herrscht. Das 19. Gelübde verspricht, dass A. selber beim Sterben seiner Verehrer erscheinen wird, um sie zum Paradies zu geleiten. Das 20. Gelübde verspricht, dass wer den Namen A.s mit dem Wunsch der Wiedergeburt im Sukhavati anruft, mit Sicherheit dorthin gelangt. A. allein ist Urheber der Erlösung im Geschenk des A.-Glaubens dem kein Verdienst der Menschen vorausgeht.
In China wirkte der A.-Buddhismus seit Huiyüan (4. Jh.) gemeinschaftsbildend und wuchs dort sowie in Japan zu einem Hauptstrom buddhistischer Religiosität neben > Zen und > Lotus-Buddhismus heran.
Unter den Schulen Japans, die dem A. zuzurechnen sind, besitzen die sich auf die Lehren Honens (1133 – 1212) berufende > Jodo-Schule und die sich auf Shinran (1173 – 1261) stützende > Jodo-Shinsu besondere Bedeutung. Mit Shinran, dem Gründer der „Wahren Schule vom Reinen Land“ (Jodoshinshu) und dem konsequentesten Systematiker dieses buddhistischen Gnadenglaubens, erreicht die philosophische Interpretation des A. ihre Vollendung, weshalb der Vergleich Shinran – Luther bzw. Amida – Christus oft Thema des buddhistisch christlichen Dialogs ist. > Amidismus.
Lit.: Butschkus, Horst: Luthers Religion und ihre Entsprechung im japanischen Amida-Buddhismus. Emsdetten: Lechte, 1940; Shinran: Notes on “Essentials of Faith Alone: a Translation of Shinran‘s Yuishinscho-mon‘i. Yoshifumi Ueda [Hg.]. Kyoto: Hongwanji Internat. Center, 1979; Langer-Kaneko, Christiane: Das reine Land: zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum. Leiden: Brill, 1986; Shinran, Shonin: Shinran: an Introduction to His Thought; with Selections from the Shin Buddhism Translation Series / by Yoshifumi Ueda. Kyoto: Hongwanji Internat. Center, 1989.
Amidismus, bezeichnet all jene Schulen des chinesischen und japanischen Buddhismus, die den Buddha-Amitabha (jap. Amida) zum Inhalt ihrer Lehre haben. > Amida.
Amita > Amida.
Amitabha > Amida.
Amm, Mondgott im vorislamischen Südarabien. Im Reich Quataban, dessen Einwohner sich „Kinder des Amm“ nannten, besaß er die Stellung eines Reichsgottes. Auf seinen lunaren Charakter verweist der Beiname „der Zunehmende“. Sein Symbol ist das Blitzbündel, da er auch die Funktion eines Wettergottes innehatte.
Lit.: Gese, Hartmut: Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer / Maria Höfner; Kurt Rudolph. Stuttgart: Kohlhammer, 1970.
Amma. 1. Schöpfergott der Dogon im west-
afrikanischen Mali. Er erschuf das Universum als Weltei, das in zwei Plazentas geteilt war, aus denen die zweigeschlechtliche Welt hervorging. Nach einer anderen Version vergewaltigte er die Erde, deren Geschlechtsorgan ein Ameisenhaufen war.
2. Amma, auch Ahma, ist ferner die Bezeichnung der traditionellen japanischen Massage, die bereits im 9. Jh. entstand und ab dem 17. Jh. in andere Länder verbreitet wurde. Durch rasches Bewegen der Finger werden die Akupunkturpunkte gedrückt und Schulter- und Rückenmuskulatur massiert; ist in den USA mittlerweile als eine besondere Form der Energiemassage bekannt.
Lit.: Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas / M. e. Liste afrikanischer Gottesnamen von John S. Mbiti u. e. Erzählung v. Niitse Akufo Awuku. Graz: Verlag für Sammler, 1979, S. 61 – 70; Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995.
Am(m)am > Ammit.
Ammavaru, Muttergottheit des drawidischen Volkes der Telugu im östlichen Zentralindien. Dem Mythos nach existierte sie schon vor den vier Zeitaltern, also vor der Erschaffung der Welt. Ihr Reittier ist der Schakal. Aus einem von ihr in das Milchmeer gelegten Ei gingen die drei Götter > Brahma, > Vishnu und > Shiva hervor.
Lit.: Vijayavåira, Måalinåi: Ammåavaru. Ratmalåana: Tusita Prakåaâsakayåo, 1996; Götter und Mythen des indischen Subkontinents / [K. V. Zvelebil]. Hg. Hans Wilhelm Haussig. Stuttgart: Klett-Cotta, 1984 (Wörterbuch der Mythologie, Abt. 1, Die alten Kulturvölker; 5).
Ammenbrust. Die Milch einer jungen, kräftigen, neu entbundenen Frau sei ein vorzügliches Hausmittel gegen Darrsucht, die Auszehrung (tabes infantium) ein- und zweijähriger ausgehungerter Kinder mit dickem Bauch und geschwollenen Gekrösdrüsen.
Ein Becher Frauenmilch, warm getrunken, wird bei männlicher Impotenz empfohlen; doch wirkt hier die Assoziation mit einer vitalen Frau vielleicht stärker als die Milch.
Lit.: Most, Georg F.: Encyklopädie der Volksmedizin. Graz: ADEVA, Nachdr. (1843) 1973.
Ammit oder Ammam, Dämonin der ägyptischen Unterwelt, die beim Totengericht die Seelen der nicht gerechtfertigten Toten verschlingt und sie dadurch dem zweiten und endgültigen Tod überantwortet. Dabei wird das Herz des Verstorbenen gegen eine Feder, Symbol von > Ma’at, der Göttin der Gerechtigkeit, aufgewogen. Nur wer frei von Schuld ist, kann in das jenseitige Reich eingehen. Der Schuldige wird hingegen von A., einem Mischwesen mit dem Kopf eines mähnetragenden Krokodils, dem Rumpf einer Raubkatze und dem Hinterteil eines Nilpferdes, das neben der Waage auf das Urteil lauert, verschlungen. Der Zweck der umfangreichen ägyptischen Jenseitsliteratur, die dem Toten als „Reiseführer“ durch das Leben nach dem Tod ins Grab gegeben wird, besteht gerade darin, diese Totenfresserin zu vermeiden.
Lit.: Biedermann, Hans: Dämonen, Geister, dunkle Götter: Lexikon der furchterregenden mythischen Gestalten. Graz; Stuttgart: Leopold Stocker, 1989; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Ammon > Amun.
Ammonios Sakkas (ca. 175 – 242), platonischer Philosoph aus Alexandrien und Lehrer von Plotin, gilt als Begründer des Neuplatonismus, wenngleich sich seine Lehre mangels Quellen kaum rekonstruieren lässt, zumal der Rückschluss von seinen Schülern auf ihn zu unsicher ist. Umstrittenen Quellen zufolge hat A. die Körperlichkeit der Seele widerlegt, eine Theorie der Verbindung von Leib und Seele entwickelt und die Übereinstimmung von Platon und Aristoteles betont. Zudem dürfte er die zentrale Lehre Plotins vom Einen über den Verstand vertreten haben.
Lit.: Schwyzer, Hans-Rudolf: Ammonios Sakkas, der Lehrer Plotins. Opladen: Westdt. Verl, 1983.
Ammoniten, fossile Überreste von schalentragenden Tintenfischen, den Cephalopoda, die mit ihren planspiralig aufgerollten, gleichmäßig gekammerten Gehäusen häufig dem heute noch lebenden Nautilus ähneln. A. entstanden im Erdaltertum, hatten ihre Blütezeit im Jura und starben wie die Dinosaurier am Ende der Kreidezeit aus. Plinius zählt sie zu den heiligsten Steinen Äthiopiens und berichtet von ihrer Kraft, weissagende Träume zu bewirken (Plinius, XXXVII). Seit seiner Beschreibung der, wie man vermutete, A. als Bilder von Widderhörnern ist die Bezeichnung > Ammonshörner für A. geläufig.
Der ägyptische Gott > Amun, der in der griechischen und römischen Literatur „Ammon“ genannt wird und > Zeus bzw. > Jupiter, dem Gott der Weissagung, gleichbedeutend ist, wird mit A. in Verbindung gebracht. Man verehrte den Gott an verschiedenen Orakelstätten, so etwa in > Siwa, das mit > Delphi und > Dodona zu den wichtigsten Orakelorten des Altertums gehörte. Ammonium nannten die Griechen die libysche Wüste, in der sich das Orakel von Siwa befand, und Rätsch vermutet, dass es sich bei dem Steinfetisch im Innern des Orakeltempels um A. gehandelt haben könnte.
Traditionen, die A. als magische Steine anwenden, sind weltweit verbreitet. Den A. wird in Mitteleuropa, England, Nordamerika, Neuguinea, Japan und im Himalaja spirituelle Kraft zugesprochen. In der Fränkischen und Schwäbischen Alb befinden sich A. als Glücksbringer in Hausmauern, während sie im Breisgau im Dachgebälk Blitze abhalten sollen.
Die magische Faszination der A. beruht sicher wesentlich auf ihrer Spiralform, ihrer Strukturiertheit und auf Entwicklung weisenden Ordnung. Nach Rätsch zeigt sie „den Weg aus dem Nichts in die Ewigkeit” (Rätsch, 36).
Lit.: Plinius, C. Secundus: Naturalis historiae libri XXXVII. Hg. v. Lud. Jan und Carol. Mayhoff. Lipsiae, 1892 – 1898; Rätsch, Christian / Guhr, Andreas: Lexikon der Zaubersteine aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1989.
Ammonshörner, Bezeichnung des spiralförmig gewundenen „Seepferdfußes“ des zerebralen Hippocampus durch den französischen Chirurgen René-Jacques Croissant de Garengeot anstelle der 1732 erfolgten Benennung als Cornu arietis, Widderhorn, durch den dänischen Anatom Jacob Winslow in Paris. 1960 kehrten die Nomenklatur-Kommissionen dann wieder zum nüchternen „Pes hippocampi“ zurück.
Auf diese Weise kam der thebanische Schöpfer-, Heil- und Fruchtbarkeitsgott des altägyptischen Götterhimmels, > Amun (Ammon, Amon), auch in der Medizin zu Ehren. Wie bekannt, wurde Amun in klassischer Zeit in einer Landschaft weit westlich des Nils, inmitten der Libyschen Wüste, ein Standbild mit einem männlichen Körper errichtet, der einen Widderkopf mit langen und mächtigen, geschwungenen Ammonshörnern trug.
Lit.: Croissant de Garengeot, René-Jacques: Traité des opérations de chirurgie. Paris: Huart, 1748.
Amnesie (griech. a, ohne, und mnésis, Gedächtnis), zeitlich begrenzter völliger oder teilweiser Verlust des Gedächtnisses. Es wird zwischen anterograder und retrograder Amnesie unterschieden. Anterograde Amnesie bezeichnet die Unfähigkeit zur langfristigen Neueinspeicherung von Informationen, retrograde Amnesie hingegen die Unfähigkeit, bereits gespeicherte Informationen abrufen zu können. Im Einzelnen ist die Amnesie ein sehr komplexes Phänomen. So spricht man von psychischen oder psychogenen, vorübergehenden globalen, posttraumatischen, konfabulatorischen und spezifischen Amnesien ebenso wie von visuellen, verbalen, zeitlichen, Farben-, Formen- und Namen-Amnesien. Mögliche Ursachen sind organische Hirnschädigungen, psychogene Schockerlebnisse, aber auch hypnotische Induktionen und Tranceerlebnisse. Eine A. tritt nämlich sehr häufig bei Medien auf, die sich an die Vorgänge bei einer Séance und die von ihnen im Trancezustand mitgeteilten Botschaften nicht mehr erinnern können.
Die A. stellt sich manchmal nur auf bestimmten Bewusstseinsebenen ein und in Fällen multipler Persönlichkeit nur in Bezug auf eine bestimmte andere. Das verschüttete Material kann das Verhalten steuern und vielleicht sogar von anderen Personen telepathisch erworben werden.
Verschiedene Techniken wie Hypnose und Entspannungsübungen ermöglichen zuweilen eine Wiederherstellung des Bewusstseinszustandes vor der Störung. Anhänger der Reinkarnationstherapie verbinden die A. mit früheren Existenzen, halten aber eine gelegentliche Aufhebung für möglich.
Auf alle Fälle ist das Phänomen der A. so vielschichtig, dass im konkreten Fall nur eine eingehende Differenzialdiagnose eine Aussage ermöglicht.
Lit.: Murphy, Gardiner: Challenge of Physical Research. New York: Harper, 1961; Redlich, Fredrick C.: Theorie und Praxis der Psychiatrie. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1970; Dorsch Psychologisches Wörterbuch / Friedrich Dorsch; Häcker, Hartmut; Stapf, Kurt H. [Hrsg.]. 12., überarb. u. erw. Aufl. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle: Hans Huber, 1994.
Amniant, asbestartiger Stein, der schon bei den Römern zum Bannen von Zauber benutzt wurde.
Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.
Amniomantie (griech. amnion, Embryonalhülle; engl. amniomancy), Weissagung durch die innere Embryonalhülle. Der Name ist nicht antik, sondern taucht wahrscheinlich zuerst bei M. A. Del Rio auf. Allerdings schrieb man schon im Altertum der bisweilen dem neugeborenen Kind noch anhaftenden Hülle besondere Bedeutung zu, wie dies eine Notiz über Antoninus, den Sohn von Kaiser Marcus Opellius Macrinus (217 – 218 n. Chr.), zeigt, dem bei der Geburt das Amnion in Form einer Stirnbinde anhaftete, weshalb er Diadematus, später Diadumenos genannt wurde. Man erblickte im Amnion ein günstiges Omen (das Diadem entsprach im Altertum der Krone). Zudem wird berichtet, dass Hebammen solche Hüllen verkauften, weil sie vor Gericht angeblich Glück brachten. Im Mittelalter weissagten Frauen auch aus der Farbe des Amnion die Zukunft des Kindes, wobei rötliche Färbung Glück, dunkelgraue hingegen Unglück bedeutete. Zur Abwehr des Unglücks mischte man Stücke der Haut in den Trank des Kindes. > Glückshaube.
Lit.: Del Rio, Martin Antoine: Disquisitionum magicarum: libri sex, in tres tomos partiti. Lovanii: Rivius, 1599; Boulenger, Jules César: Julii Caesaris Bulengeri Opusculorum Systema, duobus tomis digestum. Lugduni: Pillehotte, 1621; Lemnius, Levinus: Levini Lemnii Occulta naturae miracula: Das ist / Wunderbarliche Geheimnüsse der Natur in deß Menschen Leibe und Seel / auch in vielen andern natürlichen Dingen / als Steinen / Ertzt / Gewächs und Thieren: So dann auch von den zwölff himmlischen Zeichen … als auch deß Menschlichen Leibe. Franckfurt; Hamburg: Guth, 1672; Die Kaisergeschichte der sechs Schriftsteller: Aelius Spartianus, Iulius Capitolinus, Aelius Lampridius, Vulcatius Gallicanus, Trebellius Pollio, Flavius Vopiscus / übers. und mit Anmerkungen begleitet von C. August Cloß. Stuttgart: Metzler, 1856.
A. M. O., Pseudonym für Adolf Martin Oppel (1840 – 1923), myst.-theosophischer Schriftsteller, der in seinen Werken, die er selbst verlegte, an Emanuel > Swedenborg und > Bô Yin Râ anknüpfte.
W.: Zu „Flita“. Lorch-Württemb.: Renatusverl., 1910; Okkultismus und Mystik. Leipzig: Theos. Verlagsh., 1910; Der Denker. Leipzig: Theosoph. Verlagsh., 1910; Der mystische Mensch. Leipzig: Vollrath, 1919; Das Adeptenbuch. Leipzig: Theosoph. Verlagsh., 1922; Mystische Wertungen. Leipzig: A. M. O. Verl., 1931; Praktische Mystik. Ein erprobtes Schulb. Leipzig: A. M. O. Verl., 1934.
Amodal, von dem belgischen Psychologen Albert Edouard Michotte van den Berck (1881 – 1965) geprägter Ausdruck zur Bezeichnung von Wahrnehmungsformen, denen keine Sinnesreizung zugrunde liegt, wie z. B. der Tunneleffekt.
Lit.: Michotte, Albert: Gesammelte Werke. Bearb. u. hrsg. von Otto Heller u. Winfried Lohr. Bern; Stuttgart; Wien: Huber, 1982.
Amoghasiddhi (sanskr., „der unfehlbar sein Ziel erreicht“), der fünfte > Dhyana- oder Meditationsbuddha. Er repräsentiert die praktische Verwirklichung der übrigen Dhyana-Buddhas und steht, verbunden mit den Tugenden Güte, Selbstlosigkeit und Mitleid, für den Bodhisattva-Weg aus der Mahayana-Tradition. Als irdischer Buddha ist ihm > Maitreiya und als transzendenter > Bodhisattva (bodhi, Erleuchtung; sattva, Wesen) zugeordnet. Bodhisattva ist auf dem Weg der Erleuchtung und setzt sich zum Heil aller Lebewesen ein. A. hält seine rechte Hand mit nach außen gedrehter Handfläche in der Ermutigungsgeste vor der Brust. Diese Haltung, Abhaya > Mudra genannt, ist die Geste der Furchtlosigkeit, der Schutzgewährung und des Friedens. A. wird die Farbe grün und das > Mantra Hum zugeordnet. Er ist der Buddha des Nordens, der Herrscher über das > Karma und hat das > Doppel-Vajra als Emblem.
Lit.: Pandit, Madhav Pundalik: Dhyana: Wege d. Versenkung. Aus d. Engl. übers. von Gertrude Lietz u. Christian Isbert. Zollikon-Zürich: Sri Aurobindo Verl., 1965.
Amok (malai. meng-âmok, in blinder Wut angreifen und töten), eine auf den malaiischen Inseln plötzlich auftretende Bewusstseinsstörung mit absoluter Gewaltbereitschaft. Die Betroffenen laufen meist bewaffnet umher und töten sinnlos. Die Täter, die in einer solchen Ausnahmesituation Straftaten begehen, nennt man Amokläufer oder auch Amokschützen, falls sie Schusswaffen gebrauchen, oder Amokfahrer, wenn sie Fahrzeuge einsetzen.
Das DMS-IV (Diagnostisches Statistisches Manual psychischer Störungen) bezeichnet A. als kulturgebundenes psychiatrisches Krankheitssyndrom. Hierzu gehören neben A.: Latah, das zwangsmäßige Nachahmen von Handlungen bei Malayen, Afrikanern und Lappländern; Koro die vor allem in Asien epidemisch auftretende Angst, der Penis könnte sich in den Körper zurückziehen, was zum Tod führen würde; Pibloko, auch „arktische Hysterie“ genannt, ein- bis zweistündige Anfälle vor allem bei Frauen, mit tierischen Schreien und Zerreißen der eigenen Kleider – nach dem Anfall sind die Personen völlig normal; Witiko, die Angst, in ein Monster verwandelt zu werden; oder gewisse Verhaltensmuster des Voodoo-Rituals. Die Symptome sind charakterisiert durch ein stereotypes Verhalten meist psychotischen Ausmaßes, das kulturell eindeutig als pathologisch bezeichnet wird.
Was die Gemeinsamkeiten speziell der Amoktaten betrifft, so lässt sich folgendes Ablaufbild ausmachen: sozialer Rückzug der Täter mit Verlust des Realitätsbezugs, eruptive, exzessive Gewalthandlungen, depressive und amnestische Zustände bezüglich des Tatausbruches und der einzelnen Tathandlungen. Dabei scheinen folgende Wesensmerkmale der Täter wirksam zu werden: geringe Frustrationstoleranz, Ich-Schwäche, Identitätsunsicherheiten, sexuelle Störungen, passiv-aggressive Neigungen und Impulskontrolldurchbrüche.
Untersuchungen von 488 Volksgruppen weltweit durch E. Bourguignon (1973) haben gezeigt, dass 90% dieser Gruppen den einen oder anderen der angeführten Zustände institutionalisiert haben.
Lit.: Bourguignon, Erika: Religion, Altered States of Consciousness, and Social Change. Columbus: Ohio State Univ. Press, 1973; Knecht, T.: Amok –Transkulturelle Betrachtung über eine Extremform menschlicher Aggression. In: Kriminalistik 53 (1998) 10, 681 – 684; Weilbach, Karl: Aktionsmacht Amok: eine kriminologische Fallstudie. Münster: Lit, 2004; Theisen, Manfred: Amok: die Geschichte eines Amoklaufs. München: cbj-Verl., 2005.
Amon, nach einem alten Zauberbuch ein mächtiger Höllendämon in der Gestalt eines Wolfes mit dem Schwanz einer Schlange. Erscheint A. in Menschengestalt, ähnelt sein Kopf dem einer großen Eule mit dem Gebiss eines Hundes. Er kennt Vergangenheit und Zukunft und ist Herr über 40 Legionen.
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.
Amor ist der römische Liebesgott, der dem griechischen > Eros entspricht. Er symbolisiert die plötzlich aufkeimende Liebe und wird daher vorwiegend als nackter geflügelter Knabe mit Pfeil und Bogen dargestellt. A. schließt nicht nur Menschen, sondern auch Götter in sein Herz und verführt sie dadurch zur Liebe. In der lateinischen Poesie wird A. daher oft auch als „Cupido“ (von cupiditas, Verlangen, Leidenschaft) bezeichnet. Als Sohn des Kriegsgottes > Mars (griech. > Ares) und der > Venus (griech. > Aphrodite) stiftete er soviel Unruhe, dass die Mutter ihn oft maßregeln musste. Im antiken Märchen von Amor und Psyche wird die Hinfälligkeit des irdischen Lebens durch die Psyche symbolisiert, die durch den Kuss von A. verewigt wird.
Lit.: Fliedner, Heinrich: Amor und Cupido: Untersuchungen über den römischen Liebesgott. Meisenheim am Glan: Hain, 1974; Weiland-Pollerberg, Florian: Amor und Psyche in der Renaissance: medienspezifisches Erzählen im Bild. Petersberg: Imhof, 2004.
Amor (geb. im 7. Jh. in Schottland oder Frankreich, gest. wahrscheinlich um 777 in Amorbach), heilig (Fest: 17. August), angeblich ein Schüler Pirmins. Stifter des Klosters Amorbach am Main und Patron der Kirche zu Amorsbrunn. Aus dem Brunnen der dem Heiligen geweihten Kapelle bei Amorbach pflegten unfruchtbare Frauen zu trinken, um Kindersegen zu erlangen. Elisabeth, die Gemahlin Karls VI., und deren Tochter Maria Theresia sollen sich des Wassers mit Erfolg bedient haben.
Lit.: Künstle, Karl: Ikonographie der Heiligen; mit 284 Bildern. Freiburg i. Br.: Herder, 1926; Lammert, Gottfried: Volksmedizin und medizinischer Aberglaube in Bayern und den angrenzenden Bezirken: begründet auf die Geschichte der Medizin und Cultur. Neudr. d. Ausg. Würzburg 1869. Regensburg: Sonntag, 1981.
Amor Dei intellectualis (lat.), die intellektuelle Liebe zu Gott ist ein Grundbegriff bei Benedikt (Baruch) de Spinoza (1632 – 1677): „Die intellektuelle Liebe des Geistes zu Gott ist Gottes Liebe selbst, wonach Gott sich selbst liebt, nicht sofern er unendlich ist, sondern sofern er durch das unter der Form der Ewigkeit (sub specie aeternitatis) betrachtete Wesen des menschlichen Geistes expliziert werden kann, d. h. die intellektuelle Liebe des Geistes zu Gott ist ein Teil der unendlichen Liebe, mit der Gott sich selbst liebt.“
Lit.: Spinoza, Benedictus de: Die Ethik: lateinisch und deutsch. Rev. Übers. von Jakob Stern. Nachw. von Bernhard Lakebrink. [Nachdr.]. Stuttgart: Reclam, 2002, V, Lehrs. 36.
Amor fati (lat., Liebe zum Schicksal), wird von Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) in seinem Werk Ecce Homo als seine innerste Natur bezeichnet: „Meine Formel für die Größe am Menschen ist A. f., dass man nichts anderes haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in alle Ewigkeit nicht. Das Notwendige nicht bloß ertragen, noch weniger verhehlen – aller Idealismus ist Verlogenheit vor dem Notwendigen –, sondern es lieben“. Nietzsche bringt diese Formel in engen Zusammenhang mit seinem Begriff des Dionysischen und seiner Vorstellung von der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Als „dionysisches Ja-sagen zur Welt“ ist A. f. Ausdruck einer sich selbst steigernden, künstlerischen Selbsterschaffung des Menschen, der im Augenblick ihrer Erfüllung die ewige Wiederkehr des Gleichen ausdrücklich will, um so den sinnlosen Leerlauf durch das „Glück des Kreises“ zu ersetzen.
Lit.: Nietzsche, Friedrich: Gesammelte Werke. Musarionausg. München: Musarion-Verl., 21 (1928), S. 275.
AMORC, aus den Anfangsbuchstaben von Antiquus Mysticusque Ordo Rosae Crucis (Ancient and Mystical Order of the Rosy Cross, Alter und Mystischer Orden vom Rosenkreuz) gebildeter Name der vom Amerikaner Dr. Harvey Spencer > Lewis (1883 – 1939) am 1. April 1915 in New York gegründeten Vereinigung, die ihren Ursprung auf die Mysterienschule des ägyptischen Pharaos > Amenhotep IV., Echnaton (um 1350 v. Chr.), zurückführt. Ihre Lehre knüpft an die Traditionen der Rosenkreuzer der Vergangenheit, namentlich des 16. und 17. Jhs., an. Teile des Systems der > Gold- und Rosenkreuzer des 18. Jhs. werden ebenfalls integriert. A.M.O.R.C. versteht sich als eigenständige und unabhängige Vereinigung. Die oberste Großloge hat ihren Sitz in S. José in Kalifornien (USA). Für die deutschen Länder gibt es eine Großloge in Baden-Baden.
Die Unterweisung der Mitglieder erfolgt mittels spezieller Schriften und mündlicher Belehrungen in Form von Seminaren oder Kongressen sowie von Gruppenzusammenkünften mit Studiengesprächen und rosenkreuzerischer Symbol- und Ritualarbeit. A. hat 12 Studiengrade, Tempelgrade genannt. Jedem dieser Grade geht eine feierliche Einweihung, eine Initiation, voraus.
A. führt die Traditionslinie der Vergangenheit fort, wozu auch Meditation, Rituale, psychische Übungen und Initiationen gehören, um den Menschen an das „Erkenne dich selbst!“ heranzuführen, damit er das eigene Leben meistert und sich seiner Aufgaben und des Sinns der Schöpfung bewusst wird.
Lit.: Lewis, Harvey Spencer: Wohnungen der Seele: die kosmische Auffassung. [Die dt. Übers. ist von der Großloge des AMORC für die dt.-sprechenden Länder hrsg. worden. Übers. ins Dt. von Ernst Schweitzer]. [Baden-Baden]: AMORC, 1980; Der Alte Mystische Orden vom Rosenkreuz: AMORC – die Rosenkreuzer: Fragen und Antworten; über ihre Herkunft, ihre Ziele und ihre Philosophie / Hrsg.: AMORC. Baden-Baden: AMORC-Bücher, 2001.
Amorph (griech., formlos, strukturlos). Als amorph werden feste Körper bezeichnet, deren Moleküle nicht regelmäßig angeordnet, daher strukturlos und glasartig sind. In diesem Sinne spricht man auch von amorphen Gestalten, wenn die Konturen sich auflösen oder die Formen nur bruchstückhaft gegeben sind, wie dies bei Erscheinungen meist der Fall ist.
Amort, Eusebius (1692 – 1775), Augustinerchorherr im Kloster Polling bei Weilheim, Deutschland. A. übernimmt in seinen philosophisch-theologischen Betrachtungen einerseits Ansätze der rationalistischen Philosophie, wie sie sich bei Descartes sowie im Leibniz-Wolffschen System finden, und versucht in der Annahme von angeborenen Ideen mit Hilfe der Vernunft die Wege der Weisheit Gottes vor- und nachzuzeichnen. Andererseits nimmt er historisch-kritische Argumentationen, wie er sie bei Le Courayer fand, in seine Arbeiten auf. In diesem Zusammenhang befasste er sich auch mit den sog. > Privatoffenbarungen und > Visionen. In seinem Buch De Revelationibus, Visionibus et Apparitionibus privatis regulae tutae (1744) stellt er 35 Regeln auf, um echte von falschen Offenbarungen, Visionen und Erscheinungen zu unterscheiden. Diese Methoden werden auch als Anfänge der Parapsychologie bezeichnet. Die Arbeiten von A. sollten vor allem der religiösen Echtheit und Vertiefung dienen, wie auch seine Arbeiten über Heiligenverehrung und Offenbarungen zeigen.
W.: Controversia de Revelationibus Agredanis explicata: cum Epicrisi ad ineptas earum Revelationum Vindicias. Editas à P. Didaco Gonzalez Mathéo, [et] à P. Landelino Mayr. Augustae Vind; Herbipoli, 1749; De revelationibus, visionibus, et apparitionibus privatis regulae tutae ex scriptura, Conciliis, SS. Patribus explicatae, & exemplis illustratae a… Eusebio Amort collectae. Venetiis: J. Tybernimum, 1750; Eusebii Amorts Gründliche Abhandlung von Anfruffung derer Heiligen: zu Trost, Stärckung und Aufmunterung aller gut-catholischen Gemüthern. Ulm: Gaum, 1755.
Amorth, Gabriele, Dr., geboren am 1. Mai 1925 in Modena, Italien, war Mitarbeiter der „Azione Cattolica“; studierte Rechtswissenschaften, unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg, an dem er als Hauptmann teilnehmen musste und mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde. Nach dem Krieg half er zusammen mit De Gasperi beim Aufbau der Christlich-Demokratischen Partei (Democrazia Cristiana) in Italien. 1947 promovierte A. in Rechtwissenschaften und trat dann in die Gesellschaft vom Heiligen Paulus („Pia Societá San Paolo“) ein, die sich besonders mit den Medien befasst. So arbeitete er als Journalist und wurde durch seine vielen Artikel in der hauseigenen Zeitschrift Familia Cristiana und vor allem als Herausgeber der marianischen Monatszeitschrift Madre di Dio weithin bekannt. Nach Beendigung des Theologiestudiums folgte 1954 die Priesterweihe. A. wurde Mitglied der Internationalen Päpstlichen Marianischen Akademie und 1986 Exorzist der Diözese Rom. 1990 gründete er die Internationale Vereinigung der Exorzisten, deren Ehrenpräsident er bis 2000 war.
Neben den zahlreichen Artikeln schrieb A. eine Reihe von Büchern, darunter:
W..: Ein Exorzist erzählt. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 1998; Neue Berichte eines Exorzisten. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 2000; Exorzisten und Psychiater. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 2002; Dämonische Mächte unserer Zeit: Exorzisten im Gespräch mit Psychiatern. Fremdingen: Unio-Verl., 2003; Okkultismus, Magie, Spiritismus: die wahre Religion Satans. Fremdingen: Unio-Verl., 2003; Pater Pio: Lebensgeschichte eines Heiligen. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 2003; Wenn Verstorbene nach Befreiung rufen: requiescant in pace; Erfahrungsberichte und Hilfen / Kenneth McAll. [Aus dem Ital. übers. von H. Holzer]. Fremdingen: Unio-Verl., [2004?].
Amos, alttest. Prophet, von Haus aus Viehzüchter und Maulbeerfeigenpflanzer (Amos 1, 1; 7, 14) aus Thekoa, südlich von Jerusalem; wurde durch göttliche Berufung (nach 760 v. Chr.) gegen Ende der Regierungszeit des politisch und wirtschaftlich überaus erfolgreichen Königs Jerobeam II. (787 – 747 v. Chr.) als Prophet in das Nordreich Israel gesandt (Am 3, 3-8; 7, 15), wo er für kurze Zeit bis zu seiner Ausweisung am Reichsheiligtum von Bethel wirkte. Die Hauptanklage dieses ältesten Schriftpropheten richtet sich gegen die des Gottesvolkes unwürdigen Zustände im Staat, in der Verwaltung, im Gerichtswesen und in der Wirtschaft. So trat er an einem Tempelfest mit der unerhörten Verkündigung auf: „Isaaks Kulthöhen werden verwüstet und Israels Heiligtümer zerstört.“
„Die Höhen Isaaks sollen verwüstet und die Heiligtümer zerstört werden… Israel muss sein Land verlassen und in die Verbannung gehen.“ (Am 7, 9.11)
Im Neuen Testament erfährt die Botschaft des Amos ein Echo vor allem in der Rede des Stephanus in Apg 7, 42 f (= Am 5, 25 – 27). Das Vermächtnis des Amos bleibt ein fundamentales Anliegen auch für das Gottesvolk des Neuen Bundes. Das mitmenschliche Ethos gehört zum Wesen gelebter Offenbarungsreligion.
Lit.: Tuschen, Wilhelm: Die historischen Angaben im Buch des Propheten Amos: ein Beitr. zur Geschichte Israels; o. O., [1951]; Bic, Milos: Das Buch Amos. Berlin: Evangelische Verlagsanst., 1969; Frey, Hellmuth: Das Buch des Ringens Gottes um seine Kirche: d. Prophet Amos. Stuttgart: Calwer Verl., 1988.
Amoymon ist in der Dämonologie der Antike einer der vier Könige des > Hades, dem der Ostteil unterstellt ist. Er kann von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr angerufen werden. A. wird auch mit Amaimon oder Amaymon gleichgesetzt.
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.
Ampato, heiliger Berg der Inkas und Vulkan der Coropuna-Gruppe in den westlichen Kordilleren in Peru. Ungefähr 100 km nördlich von Arequipa erheben sich aus der über 4.500 m hoch gelegenen Wüste im Südwesten Perus zwei Sechstausender, der Nevado Ampato (6288 m) und der Nevado Hualca Hualca (6025 m).
A. zählt zu jenen Bergen Südamerikas, an denen Archäologen Beweise für Menschenopfer zur Zeit der Inkas erbrachten. Am 8. September 1995 entdeckten der Anthropologe Johan Reinhard und Miguel Zárate am Gipfel des A. in einem Erdgrab, umgeben von Opfergaben, ein in leuchtende Gewänder gehülltes Inka-Mädchen, das vor ca. 500 Jahren der Gottheit geopfert worden war, um das lebensspendende Wasser und damit gute Ernten zu sichern. Das Besondere an diesem Fund war auch, dass man bis dahin nur männliche Opfer gefunden hatte. Der Leichnam des Mädchens blieb deshalb erhalten, weil er gefroren und bei einem späteren Vulkanausbruch unter der Asche begraben worden war. Nach einem Erdbeben wurde der Körper freigelegt. Das Mädchen, das den Spitznamen Juanita erhielt, trug Kleider aus feiner Lamawolle und über ihrer Brust hielt eine silberne Nadel einen weißen und einen roten Schal zusammen. Eine Computertomographie zeigt, dass es an einer Schläfenverletzung gestorben war. Die Grabbeigaben umfassten u. a. eine Muschelfigur, gleich gekleidet wie Juanita, Maiskolben, Cocablätter und Federn. Man ließ das Mädchen vermutlich als Opfergabe an > Inti oder > Viracocha auf dem Gipfel des A. zurück.
Lit.: Reinhard, Johan: Das eisige Grab: in 6700 Meter Höhe, wo die Inka Menschen opferten. In: National Geographic Magazine: Deutschland. Hamburg , November 1999, S. 78 – 99; Reinhard, Johan: Investigaciones arqueológicas en el volcán Llullaillaco: complejo ceremonial incaico de alta montaña / constanza Ceruti. Universidad Católica de Salta. Salta, Arg.: Eds. Univ. Católica, 2000.
Ampelitis, Terra Ampelitis, auch Terra Pharmacitis, in > Alchemie und > Chemiatrie übliche Bezeichnung für Anthrazit oder auch für gewöhnliche Steinkohle. In Zedlers Lexikon, Bd. 1 (1732), wird A. als eine Gattung Erde beschrieben, „welche steinigt, schwarz und sehr harzigt ist, gleich dem Gagate… sie führet viel Schwefel und Saltz. Wann sie alt wird, zerfället sie von sich selbst zu Staub, und wird Salpeter daraus gelauget. Sie dienet, die Würmer im Leibe zu tödten, und das Haar schwartz zu färben“.
Lit.: Zedler, Johann Heinrich (Hg.): Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste welche bisshero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. Einschl. del Suppl.-Bde. 68 Bde. Hall; Leipzig: Zedler, 1732 – 1754, Nachdruck Graz 1961 – 1964; Biedermann, Hans: Handlexikon d. magischen Künste. Bde 1 – 2, Graz: ADEVA, 1986.
Ampfer (Rumex spp.), Knöterichgewächs, dessen Heilwirkung schon von > Dioskurides angepriesen wurde. So diente es bei Gelbsucht, Blasensteinen und Halserkrankungen, auch bei Schlangenbissen (Schöpf).
Die bekannteste unter den A.-Arten ist der Sauerampfer (Rumex acetosa L. 1753), ein Kosmopolit. Die Effekte der Anwendungen des reichlich Vitamin C enthaltenden Sauerampfers, der auch Sauergras und Gauchampfl genannt wird, sind viel beschrieben worden. Als typische Frühlingsblume kann er bei Hitze, Durst und anderen “sommerliche(n) Schäden” helfen (Müller-Ebeling, 28). Diese feuchte Wiesen und Weiden bevorzugende aromatisch schmeckende A.-Art mit ihren rötlichen und grünen Blüten ist ein echtes Rundum-Hausmittel und kann bei Fieber, Rheuma, Leber- und Gallenerkrankungen dienlich sein. Es eignet sich auch zur Blutreinigung. Das der > Artemis geweihte und mit > Jupiter assoziierte Kraut findet vielerlei magische Anwendungsformen, im > Fruchtbarkeits- wie im > Geldzauber. So soll das aus den blühenden Pflanzen angefertigte Armband, über Nacht getragen, den Ehepartnern Kindersegen bescheren (Magister Botanicus).
Unter dem Namen Sauerampfer beschreibt Most noch die A.-Arten Rumex acutus, den Wilden Sauerampfer, als ein ausgezeichnetes Zahnschmerzmittel und Rumexdigynus L. als ein ideales Antiscorbuticum. Auch der Alpen-Ampfer (Rumex alpinus L. 1753) und der Grind-Ampfer (Rumex obtusifolius L. 1753) sind weitverbreitete A.-Arten.
Lit.: Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 3. Stuttgart: Hirzel; Wiesbaden: Steiner, 1977; Most, Georg F.: Encyklopädie der Volksmedizin. Graz: ADEVA, 1984; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.
Amphiaraos, berühmter griechischer Seher aus Argos, Sohn des Oikles und der Hypermnestra, Gatte der Eriphyle, Schwester des Adrastos, Vater des Alkmaion und des Amphilochos. A. besaß die Gabe der Weissagung und nahm an der Kalydonischen Jagd, der Argonautenfahrt und am Zug der Sieben gegen Theben teil. Da er wusste, dass dieser Zug scheitern würde, wollte er sich entziehen. Doch Polyneikes bestach seine Gattin Eriphyle mit dem Halsband der > Harmonia. Sie gebot daher A., mitzuziehen. Beim zweiten Zug gegen Theben wurde Eriphyle erneut bestochen, diesmal vom Sohn des Polyneikes mit dem Brautkleid der Harmonia. Jetzt mussten auch die beiden Söhne Amphilochos und Alkmaion mitziehen. Als A. sich aus der Katastrophe von Theben zu retten suchte, wurde er mit Pferd und Wagen von einem Erdspalt verschlungen, den Zeus mit einem Blitz verursacht hatte. A. aber stieg durch eine Quelle in > Oropos wieder aus der Unterwelt auf und begründete an diesem Ort sein Orakel. Auf Befehl des Gottes > Apollon rächten die beiden Söhne ihren Vater A. und töteten ihre Mutter Eriphyle. A. gründete auch noch andere Orakel. Diejenigen, die das Orakel befragten, legten sich hernach unter ein Schaffell, um zu träumen. Der Gott der Träume (Oneiros), eine nur selten belegte Personifikation, ist dabei Vermittler zwischen Unter- und Oberwelt und bringt die Träume zu den Menschen; zugleich garantiert die am Tor zur Unterwelt stehende Göttin der Wahrheit (Aletheia) die Wahrhaftigkeit der Träume. So musste A. als Adept der Traumdeutekunst zuerst in die Unterwelt fahren, um ein Traumorakel zu begründen. Wer durch das Orakel von einer Krankheit geheilt wurde, warf als Dank ein Geldstück aus Silber oder Gold in die Amphiaraosquelle – und hatte damit die Möglichkeit, die Gabe dem Gott direkt zukommen zu lassen.
Lit.: Rosenberger, Veit: Griechische Orakel: eine Kulturgeschichte. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2001.
Amphibolie (griech., Wurf von zwei Seiten), Zweideutigkeit, Doppelsinn. So spricht Kant von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe durch die Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem transzendentalen. Denn die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können. Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruht darauf, in welcher Erkenntniskraft die Begriffe subjektiv zueinander gehören, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstande.
Die Zweideutigkeit kommt besonders auch bei Orakeln, beim Witz und durch den Gebrauch mehrdeutiger Wörter zum Tragen. Amphibolisch, zweideutig, doppelsinnig, ist daher ein Grundbestandteil der menschlichen Erfahrung und Kommunikation.
Lit.: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga: Hartknoch, 1781, Anhang; Wörterbuch der philosophischen Begriffe: begründet von Friedrich Kirchner und Carl Michaelis, fortges. von Johannes Hoffmeister, vollständig neu hg. von Arnim Regenbogen u. Uwe Meyer. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1998.
Amphidromie (griech. amphidrómia) ist das „Fest des zehnten Tages“, an dem sich in der antiken griechischen Familie entschied, ob das Kind von seinem Vater als rechtmäßig anerkannt wurde. Die Anerkennung erfolgte in einer Reinigungszeremonie, bei der das Kind mit Öl eingerieben und, vom Großvater gehalten, um das häusliche Feuer getragen wurde, währenddessen man es unter Gebeten mit reinigendem Wasser besprengte. Im Rahmen dieser Zeremonie erhielt das Neugeborene einen Namen und wurde einer bestimmten Anzahl von Personen, vornehmlich Verwandten und Freunden, vorgestellt. Die Unterwerfung des Kindes unter die väterliche Gewalt setzte demnach eine Entscheidung des Vaters voraus. Demzufolge handelte es sich im griechischen Recht um eine juristische Geburt. Mit einem Festessen endete die Zeremonie.
Lit.: Erdmann, Walter: Die Ehe im alten Griechenland. München: C. H. Beck, 1934.
Amphíon und Zethos (griech.), Zwillingssöhne des > Zeus und der > Antiope, die „thebanischen Dioskuren“. Kurz nach ihrer Geburt wurden sie auf Befehl des > Lykos im Kithairon ausgesetzt. Ein Hirte fand sie und zog sie auf. In Charakter und Lebensführung waren beide grundverschieden. Zethos war ein Sportler und Jäger, Amphion hingegen kannte nur seine Lyra, die ihm > Hermes geschenkt hatte. Nach der Beseitigung von Lykos übernahmen A. und Z. die Herrschaft in Theben. Beim Mauerbau konnte Zethos seine physischen Kräfte einsetzen, während sich bei Amphion die Steine beim Klang seiner Lyra von selbst in die Mauer einfügten. Auf diese Weise wurden die beiden zum Symbol des beschaulichen und praktischen Lebens. Amphion heiratete Niobe und wurde von > Apollon getötet. Zethos heiratete wahrscheinlich Aëdon und wurde Vater von Itylos, den Aëdon versehentlich umbrachte. A. u. Z. wurden in Theben in einem Doppelgrab beigesetzt.
Lit.: Naumann, Johann Gottlieb: Amphion: Eine Oper / [von] Johann Leopold Neumann, in Musik gesetzt v. Naumann. Leipzig: Breitkopf, [um 1778]; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.
Amphitrite (griech.), Meeresgöttin, Tochter des > Nereus und der > Doris oder des > Okeanos und der > Thetys, Gemahlin des > Poseidon. A. flieht vor der Verbindung mit Poseidon zu > Atlas. Der Delphin ist der einzige der zahlreichen von Poseidon ausgesandten Spione, der A. ausfindig macht und zur Rückkehr überredet. Er soll daraufhin zu einem Sternbild geworden sein. Die Kinder von A. und Poseidon sind > Triton und > Rhode. Als Herrin der Meere fährt sie begleitet von > Nereiden und den muschelblasenden > Tritonen über das Wasser dahin. Einen eigentlichen Kult genoss sie nur in Verbindung mit Poseidon. > Salacia.
Lit.: Kern, Otto: Die Religion der Griechen. Bd. 1. Berlin: Weidmann, 1926; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.
Amphitryón (griech.), Sohn des Alkaios und der Astydameia, Enkel des > Perseus und Gemahl der > Alkmene, der Tochter des > Elektryon. Als er seinen Schwiegervater versehentlich tötet, flieht er nach Theben und unternimmt einen Feldzug gegen die Taphier. Während seiner Abwesenheit nähert sich Zeus Alkmene, die dem Gatten die Treue hält, in der Gestalt des A. Als A. selbst in der Nacht darauf zurückkehrt und von Alkmene erfährt, dass er bereits in der Nacht zuvor bei ihr gewesen sei, muss er so lange an die Untreue seiner Frau glauben, bis der Seher > Teiresias den Sachverhalt klärt. Alkmene gebiert Zwillinge, von Zeus den Herakles und von A. den Iphikles. A. fällt bei einer kriegerischen Unternehmung des Herakles gegen Orchomenos.
Das Amphytrion-Alkmene-Motiv wurde schon früh und besonders seit Plautus’ Amphitruo zu einem der beliebtesten Stoffe der Weltliteratur.
Lit.: Preller, Ludwig: Die Heroen: Die griechische Heldensage; Buch 2: Die Nationalheroen. 4. Aufl. / erneuert von Carl Robert. Berlin: Weidmann, 1921; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.
Amphora, alter griechischer Name für das Tierkreiszeichen Wassermann, heute > Aquarius.
Amplifikation (lat. amplificatio, Erweiterung), Erweiterung eines Inhaltes, Gegenstandes, Verhaltens oder einer Wirkung. C. G. Jung verwendet den Begriff zur Bezeichnung der Erweiterung („ausspinnen“) des Trauminhaltes durch assoziative Anreicherung und Ergänzung der Traumbilder mit Symbolen der Märchen, Mythen, Religion, Kunst und kulturellen Überlieferungen der Menschheit. In den Kulturwissenschaften kann Amplifikation dem phänomenologischen Nebeneinanderstellen einzelner Elemente aus Kunst, Mythos, Erzählung usw. entsprechen, während in der Biologie mit Gen-Amplifikation das mehrfache Vorkommen von Genen und Genabschnitten in einem Chromosom bezeichnet wird. Solche DNA-Veränderungen können zu Krebs führen.
Lit.: Lexikon der Psychologie, in fünf Bänden, Bd. 1. Heidelberg; Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2001; Hark, Helmut (Hg.): Lexikon Jungscher Grundbegriffe: mit Originaltexten von C. G. Jung. Olten: Walter, 1988; Jung, Carl Gustav: Zur Phänomenlogie des Geistes im Märchen. In: GW 9 / 1, 9. Aufl. Walter: Zürich, 1996, S. 259 – 268.
Amputationseffekt, aus adhärenten gasförmigen Ionen gebildeter Phantomeffekt bei Abtrennen eines Körperteils. Mittels > Elektronographie und > Konvertographie konnte Ioan Florin Dumitrescu den Nachweis erbringen, dass den abgetrennten Teil gasförmige Ionen umgeben, die sich unter der Wirkung von bestimmten kohärenten physikalischen Kräften sammeln, welche die amputierte Struktur zusammenhält.
Lit.: Dumitrescu, Ioan Florin: Elektronographie: elektrographische Methoden in der Biologie. A. Lerner (Hg.). Heidelberg: Verlag f. Medizin Dr. Ewald Fischer, 1983; ders.: Biologische Signale im Bereich des proximalen elektrischen Mediums. In: Andreas Resch: Kosmopathie: der Mensch in den Wirkungsfeldern der Natur. Innsbruck: Resch, 1986 (Imago Mundi; 8).
Amputationstäuschung (lat. amputatio, Abschneiden), subjektives Empfinden, dass amputierte Körperteile noch vorhanden oder dass bestimmte vorhandene Körperteile vom Körper abgetrennt sind. Esoteriker sehen in diesem auch als „Phantomempfinden“ bezeichneten Erleben einen Beweis für die Existenz eines feinstofflichen Körpers oder > Astralleibs. Die Amputationstäuschung wird auch mit dem > Amputationseffekt in Verbindung gebracht, doch handelt es sich dabei nicht um ein subjektives Empfinden, sondern um ein proximales elektrisches Medium.
Lit.: Lexikon der Psychologie, in fünf Bänden, Bd. 1. Heidelberg; Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2001.
Amra, Kunstwort des > AMORC, das durch Umstellung der Buchstaben von Karma unter Weglassung des K gebildet ist. In älteren AMORC-Schriften lautet es noch „Amrak“. Während Karma das Gesetz der Wiedergutmachung des Menschen für sein Tun ist, bedeutet Amra das Gesetz der Wiedervergeltung der vom AMORC erhaltenen Hilfe durch eine geeignete Spende, um keine Rückschläge zu erfahren.
Lit.: Frater Charles Dana Dean: Buch 777, Die Kathedrale der Seele. Baden-Baden: AMORC, 1965.
Amrit (sanskr., Nektar). Der Nektar der Unsterblichkeit. Bei den Sikhs spielt Amrit bei der Initiation und bei der Namenszeremonie eine Rolle. Im Volksgebrauch gilt A. häufig als heiliges Wasser, das heilende Eigenschaften besitze. Amrit wird mit dem Nektar der Griechen und mit > Amrita verglichen.
Lit.: Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Amrita (sanskr., „nicht tot“, „unsterblich“). In den > Veden Bezeichnung für einen Unsterblichkeitstrunk, der aus der > Soma-Pflanze hergestellt wurde, vermutlich aus dem Fliegenpilz. Man vergleicht ihn mit dem Nektar der Griechen und dem Nektar der Unsterblichkeit > Amrit. Auch der Soma wurde oft so bezeichnet (> Umrühren des Ozeans). Der Begriff A. wird vornehmlich in der westlichen Sexualmagie und in der getarnten Literatur über Sexual-Yoga gebraucht.
Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon d. östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986; Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Amritattva (sanskr.), Unsterblichkeit, ewiges Leben, das nur in der Verwirklichung des wahren Selbst (> atman) außerhalb der Körperlichkeit erreicht werden kann, da es als absolutes Bewusstsein identisch ist mit Gott (> Brahman).
Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon d. östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.
Amrum > Oluf, Hark.
Amsel oder Schwarzdrossel (Turdus merula), eine Vogelart in der Gattung der Echten Drosseln, in Europa, Nordwestafrika und Teilen Asiens beheimatet, wurde zusammen mit anderen schwarzgefiederten Vögeln mitunter als Lieblingsgestalt der > Hausgeister von Hexen identifiziert. Nach altem britischen Glauben wurde die Amsel als angeblicher Bote aus der Welt der Toten mit Unheil gleichgesetzt.
> Hildegard von Bingen schrieb dem beliebten Singvogel in dem Abschnitt „De Amsla“ in ihrer Naturkunde besondere Zauberkraft zu: „Die Amsel ist warm, trocken und zahm, lebt gern in reiner Luft und wächst auch von ihr. Gesunden Menschen ist sie bekömmlich, aber kranken schadet sie wegen ihrer Trockenheit. Ihre Leber soll man trocknen und immer bei sich tragen. Sie hält den Teufel ab, der sie wegen ihrer Reinheit hasst“ (Hildegard von Bingen, 115).
Lit.: Hildegard von Bingen: Naturkunde. Das Buch von dem innern Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe. Salzburg: Otto Müller Verlag, 41989; Pickerin, David: Lexikon der Magie und Hexerei. Dt. Erstausgabe. s. l.: Bechtermünz Verlag, 1999.
Amsterdam > Frau aller Völker.
Amtmann. Ein altes Sprichwort lautet: „Amtmänner kommen schwer in den Himmel“. Nach einer oberösterreichischen Sage geben die Teufel einander Nachricht vom Tod eines A. Anderen Überlieferungen zufolge finden schlechte und meineidige A. auch im Grab keine Ruhe, sondern werden zum Umgehen als > Irrwisch verdammt. Ungerechte A. würden um Mitternacht in einer Kutsche von Gespenstern über die Heide gehetzt.
Lit.: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen / ges. von Karl Lynker. 2. Ausg. Cassel [u. a.]: Wigand, 1860; Baumgarten, Amand: Das Jahr und seine Tage in Meinung und Brauch der Heimat. Aus d. Nachlasse hrsg. v. Adalbert Depiny. Linz: Pirngruber, 1927.
Amulett, ein Wort, dessen Etymologie umstritten ist, dessen Bedeutung aber nach antiken Quellen etwas im weitesten Sinn Unheilabwehrendes ist und sowohl prophylaktisch, also vorbeugend, als auch apotropäisch, d. h. zauberabweisend angewandt wurde. Rätsch definiert A.e als „Objekte, denen eine unsichtbare, physikalisch nicht nachweisbare (Zauber-)Kraft innewohnt, die dem Besitzer in gewünschter Weise hilft“ (Rätsch, 21). Eine andere Definition bezeichnet ein A. als einen „Gegenstand aus anorganischem oder organischem Material […], der sichtbar oder unsichtbar, in der Regel aber in Körpernähe bewahrt wird, dem jeweiligen Träger Unglück jeder Art fernhalten und ihm zugleich Kraft und Glück verleihen soll” (Hoops).
Die Bedeutung des Begriffs A. war ursprünglich nicht auf etwas Umzuhängendes beschränkt. Man musste sich in der Antike vor bösen Dämonen schützen, die man sich selbst oder durch den Zorn der Götter eingehandelt hatte, oder auch gegen die ständig auflauernden Kobolde, und man tat dies in akuten Situationen in ganz verschiedener Weise, etwa durch Anrufen der Götter, durch Gebärden oder Spucken oder durch Scheltworte. Langfristig benötigte man allerdings andere, gegenständliche Mittel, wie z. B. anstelle der Götteranrufung Bilder von Göttern, oder abschreckende Figuren, die man Kobolden entgegenstellte. Man trug diese schützenden Dinge ständig bei sich, manchmal auch versteckt. Häufig wurden sie in Schmuck eingearbeitet. Die heute übliche Form, ein A. zu tragen, das Umhängen, gehörte auch damals schon zum Repertoire der Anwendungen. Eine umgebundene tote Spitzmaus sollte etwa vor dem Biss ihrer Kolleginnen bewahren.
Selbst Tiere versah man mit einem A., so z. B. das in der Antike wertvollste Tier, das Pferd, mit Dingen, die man an seinem Gebiss anmontierte.
Wohnungen und Stallungen, auch öffentliche Gebäude, mussten ebenfalls mit A.en geschützt werden. So befanden sich über dem Tor von Alatri drei Phalloi, um Schutz gegen schreckliche Mächte zu gewähren.
Schließlich nahm man seine Schutzmittel, die einem im Leben hilfreich waren, dann mit in sein Grab, wie man den Funden aus antiken Grabstätten entnehmen kann. Es wurden hier aber nicht nur die verstorbenen Personen, sondern auch ihre Behausungen mit A.en reich bestückt. Masken und Tierköpfe auf römischen Sarkophagen weisen später ebenfalls auf diesen Zweck hin.
Es ist wahrscheinlich, dass A.e schon in frühgeschichtlicher Zeit benutzt wurden, und sie sind bis in die heutige Zeit weltweit verbreitet. Generell lässt sich sagen, dass Steine, Zähne, Klauen, Muscheln, Korallen und Symbole, wie etwa Kreuze, zu den beliebtesten A.en gehören; oft sind es auch Pflanzenteile wie Samen, Fruchtschalen und Wurzeln, während in der deutschen Tradition laut Beitl das Horn, sowohl das Tierhorn als auch die Mondsichel, die Schutz und Fruchtbarkeit anzeigen, den ersten Platz einnimmt.
Zu den Pflanzen, die sich weltweit als A.e bewährt haben, gehören vor allem: > Agave, > Allermannsharnisch, > Aloe, > Alraune, Betelnuss, Bohnen, Colorines, Engelstrompeten, > Ginseng, Kolanuss, > Ling-chih, > Lotus, Mandrake, Mais, > Mistel, Muskatnuss, Orchideen, > Peyote, > Stechapfel, > Tabak, Teonanacatl, und > Wacholder (Rätsch, 21).
Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, sollen A.e als Geschenke erhalten oder gefunden, nicht aber einfach nur auf normale Weise erworben werden.
Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1 1894; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde. ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, ²1973 ff.; Beitl, Oswald A. Erich und Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, neu bearbeitet von Richard Beitl unter Mitarbeit von Klaus Beitl. Stuttgart: Alfred Kröner, ³1974; Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988; Shepard, Leslie A. (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., ³1991.
Amulettstein, Bezeichnung für einen sternförmigen > Achat, ein feldspat- und quarzreiches Vulkangestein. Früher nannte man den A. u. a. auch Thunderegg, dem fälschlich der Mythos des heiligen Steins der Aborigines anhaftet (Gienger, 138). Auch die oft in der Literatur versprochene Heilwirkung bei AIDS und Krebs entbehrt einer soliden Grundlage, und Gienger vermutet als Ursprung für diese dem Stein zugeschriebene Wunderwirkung die mittelalterliche Bedeutung von Sternsteinen als Pestschutzsteine (Gienger, 139). Dagegen kann der A., der wegen seines sternförmigen Aussehens die Bedeutung eines > Talismans, eines > Amuletts, gewinnt, als Stabilisator für die seelische und körperliche Konstitution angesehen werden. Der fast in allen Farben vorkommende A. unterstützt das Immunsystem und wirkt anregend auf Leber, Nerven- und Gehirnfunktionen.
Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.
Amun, wörtl. „der Verborgene“, altägyptische Gottheit, der König aller Götter, weshalb er auch Amunresonther genannt wurde. In der griech.-röm. Literatur heißt er Ammon und wird dem griechischen > Zeus bzw. römischen > Jupiter gleichgesetzt. A. ist der Ehemann von > Mut sowie der Vater von > Chons und bildet mit ihnen ein göttliches Dreigestirn. Er ist der Gott der Weissagung, ein Orakelgott, der in den libyschen Oasen verehrt wurde. So suchten etwa Kroisos und Alexander der Große Rat in dem berühmten Orakel von Siwah, einer Oase westlich von Memphis. In der XII. Dynastie der Amenemhets wurde A. zum Reichsgott Ägyptens erklärt, dessen Rang er auch bis zur Spätzeit beibehielt. A. symbolisiert den Lebensodem und ist zudem für Fruchtbarkeit und Ackerbau zuständig. In späterer Zeit stieg A., dessen Schönheit „die Herzen fesselt“, zum Schöpfergott auf, da er die Welt durch die Macht seines Wortes erschuf. Er galt auch als Herr aller Länder, „Herr der Ewigkeit“, als Gott der Gerechtigkeit, des Mitleids und der Güte. Als Sonnengott war er der Erschaffer des Lichts.
Der große Amunhymnus auf einem Papyrus in Kairo wird in die XVIII. Dynastie vor der Regierung Echnatons datiert und beginnt mit den Worten: „Heil Dir, der Du in Frieden ruhst, Herr mit freudigem Herzen, mit mächtigen Erscheinungen.“
A.-Heiligtümer befinden sich vor allem in Theben, aber auch in Luxor und Karnak. > Ammoniten.
Lit.: Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 81988; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
Amurru ist der namengebende Gott für die Nomadenvölker der westlichen Wüstengebiete, die im späten 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien auftauchten und als Amoriter bezeichnet wurden. A. kommt einem Sturmgott nahe und entspricht dem sumerischen > Martu. Er wurde erst relativ spät in das Mesopotamische Pantheon aufgenommen, da er nicht zur Familie von > Enlil gehörte. Sein Symboltier ist der Stier.
Lit.: Bauer, Theo: Die Ostkanaanäer: eine philol.-hist. Untersuchg. über d. Wanderschicht d. sog. „Amoriter“ in Babylonien. [Gedr. mit Unterst. d. Philos. Fakultät., 1. Sekt., d. Univ. München]. Leipzig: Verlag d. Asia Major, 1926; Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD) / Karel van der Toorn; Becking, Bob; Horst, Pieter W. van der (Hg.); 2nd extensively revised edition. Leiden, 1999.
Amy ist nach einem alten Zauberbuch der Großfürst des > Hades und Mitglied der Unterwelt-Monarchie. In der Unterwelt ist er von Flammen umgeben, auf der Erde erscheint er als Mensch. A. lehrt die Geheimnisse der > Astrologie und der freien Künste. Ihm unterstehen 36 Unterweltlegionen. Die gefallenen Engel befolgen seine Befehle und er hofft, nach 200.000 Jahren in den Himmel zurückkehren zu können und den siebten Thron einzunehmen
Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984, 1. Bd.
Amykos (griech.), in der griechischen Überlieferung Sohn des > Poseidon und der Nymphe Bithynis; König der Bebryker. A. pflegt alle Fremden zu einem Boxkampf zu nötigen, in dem er stets Sieger bleibt und seine Partner erschlägt. Als die > Argonauten in das Bebrykerland kommen, findet A. von Polydeukes’ Hand den Tod.
Lit.: Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.
Amymóne, eine der griechischen > Danaiden, Tochter des Danaos und der Europe. Vom Vater auf die Suche nach einer Quelle geschickt (nach einer anderen Version ging sie auf die Jagd), scheucht A. einen > Satyr auf, der sich ihr sofort begehrlich nähert. > Poseidon vertreibt den Satyr und zeugt mit A. den Nauplios. Zur Erinnerung an seine Verbindung mit A. lässt Poseidon an der Stelle ihrer Begegnung den lernäischen Quell entspringen
Lit.: Euripides: Die Troerinnen, Die Phoinikerinnen, Orestes. 2., durchges. u. erw. Aufl. Darmstadt: Wiss. Buchges, 1990; Die griechische Sagenwelt: Apollodors mytholog. Bibliothek / [aus d. Griech. von Christian Gottlob Moser u. Dorothea Vollbach]. Leipzig: Dieterich, 1988; Aischilos Fr. 13 – 15 N.