Begriffe Al

Begriffe Al

A. L. (lat., anno lucis, im Jahre des Lichts). Freimaurerische Zeitrechung, die mit dem angenommenen Tag der Schöpfung der Welt (4000 v. Chr.) beginnt. 2006 wäre demnach also „6006 A. L.“ Derartige Jahresangaben finden sich häufig in der Literatur und auf FM-Diplomen des 18. Jhs.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Al Azif. Kurzbezeichnung des um 730 vom sog. „verrückten Araber“ Abdul Al-Hazred in Damaskus verfassten Buches Kitab Al Azif, das vor allem unter dem Titel der griechischen Übersetzung, Necronomicon (Buch der toten Namen), bekannt wurde. Die erste Erwähnung eines Buches mit dem Titel „Buch der toten Namen“ soll es schon ca. 1000 v. Chr. gegeben haben, doch fehlen dafür jedwede Belege.

Al-Hazred wurde um das Jahr 700 in Sanaa im Jemen geboren, studierte die magischen Künste, Astrologie und Philosophie und soll 738 in Damaskus von einem unsichtbaren Wesen in Stücke gerissen worden sein.

950 übersetzte Theodorus Philetas das Werk in das Griechische und gab ihm den Namen Necronomicon. 1228 wurde das Buch von Olaus Wormius aus dem Griechischen in das Lateinische übertragen und erfuhr daraufhin in eingeweihten Kreisen weite Verbreitung. 1232 wurde es von Papst Gregor IX. auf den „Index Expurgatorius“ gesetzt. Der arabische Originaltext ist verloren und von den lateinischen Abschriften gibt es nur noch wenige Exemplare. Ca. 1455 erfolgte der erste Druck des Wormius Necronomicon in Deutschland, allerdings sind Jahr und Ort umstritten. 1472 wurde in Frankreich erneut die lateinische Version veröffentlicht. Die wichtigste Informationsquelle bezüglich des Necronomicon war in neuerer Zeit bis hin zu den unzähligen Internetinformationen der amerikanische Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft, der es erstmals 1922 in seiner Geschichte „The Hound“ erwähnt und 1927 in „History of the Necronomicon“ beschreibt. Nach seinen Ausführungen handelt es sich beim Necronomicon um eine Sammlung der größten Geheimnisse, die einem den Zugang zur Welt der Verstorbenen ermöglichen. Das Buch enthält jedoch auch zahlreiche Zauberformeln und Rituale.

Lit.: Alhazred, Abdul: Das Necronomicon. Nach d. Aufzeichn. von Gregor A. Gregorius. Berlin: Schikowski, 1980; Das Buch der toten Namen, Necronomicon. Einl. von Colin Wilson. Recherchiert von Robert Turner und David Langford. Mit zusätzlichen Beitr. von Stanislaus Hinterstoisser. Ill. von Gavin Stamp und Robert Turner. Ed. von George Hay. [Ins Dt. übertr. von W. H. Müller]. Bergen / Dumme: Schulze, 1992.

Ala. Erdgöttin der Ibo in Ostnigeria. Sie ist die Gemahlin des Schöpfergottes > Chi, der weit weg im Himmel wohnt. Die machtvolle Ala (Ale, Ani, Ana), die Erde, ist als Muttergöttin und Weltregentin gedacht. Als solche ist sie auch Königin der Unterwelt, Besitzerin der Toten und der Lebenden. Mensch, Tier und Pflanze sind die „Kinder“ von Chi und Ala.

Lit.: Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979.

Alabaster (griech. alábastros, vielleicht zu arab. Al-Basra, Stein aus Basra). Stein, der seit alters medizinisch bedeutsam ist. Seit der Antike sind A.-Salben bekannt, die bei Schmerzen, Fieber und Schlaflosigkeit eingesetzt wurden. Konrad von Megenberg sagt über ihn, dass er zum Sieg verhelfe und Freundschaft unter die Menschen bringe, wobei hier die Identität des A. aber nicht sicher ist; möglicherweise handelt es sich um einen anderen Stein. Weiters empfiehlt Megenberg A. für Salbendöschen, da so die Salbe lange haltbar bleibe. Tatsächlich sind solche pyxides unguentariae in den Apotheken seit ältester Zeit in Gebrauch. Nach > Hildegard von Bingen ist der A. für die medizinische Anwendung jedoch wertlos, da er „lauwarm“ sei und weder die „rechte Wärme noch rechte Kälte“ in sich trage (Hildegard von Bingen, 88).

Lit.: Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Hildegard von Bingen: Naturkunde. Das Buch von dem innern Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe. Salzburg: Otto Müller Verlag, 41989.

Alacoque, Margareta Maria (geb. am 22.7.1647 in Lauthecour / Burgund, Frankreich, gest. am 17.10.1690 in Paray-le-Monial), heilig (13.5.1920, Fest: 16. Oktober), Mystikerin. A. hatte schon als Kind visionäre > Erscheinungen. Mit 8 Jahren verlor sie den Vater, der ein angesehener Richter und Notar war, und musste dann viele Jahre große Entbehrungen erleiden, bis sie 1671 in das Kloster der Heimsuchung in Paray-le-Monial eintrat und sich, auf den Rat von Claude de la Colombière S.J., der Herz Jesu-Verehrung weihte. Als Novizenmeisterin verfasste sie entsprechend asketische Texte. 1673 – 1675 hatte sie, verbunden mit > Stigmatisation, > Visionen des Leidens Christi und insbesondere auch des Dornen umflochtenen Herzens Jesu mit dem Auftrag der Verbreitung und öffentlichen Anerkennung der Herz Jesu-Verehrung, was dann 1765 erfolgte. Mit den Visionen des Leidens Christi war auch die Kundgabe Seiner Liebe verbunden: „Hier enthüllte er mir die Wunder seiner Liebe und die unerklärlichen Geheimnisse seines göttlichen Herzens… und zwar in einer so deutlichen zuversichtlichen Art, dass er mir keine Möglichkeit ließ, daran zu zweifeln“ (Selbstbiografie). A. verfasste eine Selbstbiografie und schrieb aus Gehorsam ihrer Oberin gegenüber zwei längere Berichte über ihr inneres Leben.

Lit.: Francois-León Gauthey (Hg.): Vie et oeuvres de la bienheureuse Marguerite-Marie Alacoque. 3 Bde. Paris: Poussielgue, 51920 (Bd. 2: Alacoque, Marguerite M.: Œuvres); Alacoque, Marguerite M.: Heilige Margareta Maria Alacoque: Leben und Offenbarungen von ihr selbst geschrieben und ergänzt durch Zeitgenossen. 5., unveränd. Aufl. Freiburg, Schweiz: Paulusverl., 1994.

Aladcipi. Paracelsischer Ausdruck für lapis ruber, die rote Tinktur. Die ersten sieben Buchstaben bilden die Anfangsbuchstaben von Wörtern, welche die sieben Metalle bedeuten: Arsiloche, Lentus, Adad, Didmah, Chronos, Ioris, Phosphor. Der letzte Buchstabe bezeichnet den Schwefel (Ignis elementaris). Dies zeigt, wie > Paracelsus seine kunstvollen Wörter aufbaute.

Lit.: Winckelmann, Joachim: ABC der Geheimwissenschaften. Berlin: Schikowski, 1956.

Aladdin, Held des Märchens von der Wunderlampe aus 1001 Nacht. A. heiratet eine Prinzessin und überlistet den Zauberer, der ihm die Wunderlampe entrissen hat.

Lit.: Hinrichs, Manfred: Aladdin und die Wunderlampe: Märchenspiel in sechs Bildern; nach einer Erzählung aus 1001 Nacht. Erstaufl., als Ms. gedr. Verden /Aller: Theaterverl. Mahnke, 1996.

Aladura (Yoruba, „betende Leute“) ist die allgemeine Bezeichnung für eine größere Reihe unabhängiger Kirchen von Prophetenheilern, die sich um 1918 in Westnigeria herausbildeten und zu Teilkirchen und Gruppierungen in verschiedenen Ländern führten.

Lit.: Probst, Peter: The Letter and the Spirit Literacy and Religious Authority in the History of the Aladura Movement in Western Nigeria. Berlin: Das Arab. Buch, 1987; Simon, Benjamin: Afrikanisches Christentum in Deutschland: eine Studie über die Kimbanguisten, die Church of the Lord-Aladura (Worldwide) und die All Christians Believers Fellowship e. V. / vorgelegt von Benjamin Simon. Heidelberg, Univ., Diss., 2003.

Alaexos, Kastilien, Spanien. 1490 soll Maria einer frommen Frau, die auf einem Feld eine Marienstatue gefunden hatte, befohlen haben, dort eine Kapelle mit Einsiedelei zu bauen. Das Gnadenbild trägt den Namen Nuestra Señora de la Casita.

Lit.: Ernst, Robert: Lexikon der Marienerscheinungen. Walhorn (Belgien): Edition Markus, 1984.

Alako (finn. alakuu, abnehmender Mond), Gott bei den norwegischen Zigeunern, Herrscher über das Mondreich. Wenn seine Feinde ihn daraus zu vertreiben suchen, nimmt der Mond ab; schlägt A. zurück, wächst der Mond. Ursprünglich hieß Alako Dundra, wurde jedoch von seinem Vater, dem Großen Gott, in Menschengestalt auf die Erde geschickt, um den Zigeunern ihr geheimes Gesetz zu offenbaren. Darauf kehrte er in sein Reich, den Mond, zurück und heißt seither Alako. Sein Hauptwiderpart ist Beng, der Teufel bei den Zigeunern.

Lit.: Berger, H.: Mythologie der Zigeuner. Stuttgart: Klett-Cotta, 1984 (Wörterbuch der Mythologie; 5); Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Alalu bezeichnet nach der von babylonischen Vorstellungen beeinflussten Götterlehre der in Nordsyrien lebenden Hurriter (Churri) den ersten König im Himmel. Nach neunjähriger Herrschaft wurde dieser von > Anu gestürzt und floh auf die Erde. Von den Griechen wurde Alalu Hypsistos („der Höchste“) genannt.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Alambana (sanskr., Halt, Stütze). Stärkung der Konzentration durch ruhiges, beherrschtes Atmen und eine Körperhaltung, welche die Konzentration nicht stört.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.

Alan. Zauberwort in der Formel zum Schutz der Schweine: alan tabalim fugan, ab omni malo, exaudita est oracio tua. (Franz 2, 139)

Lit: Franz, Adolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. 2 Bde. Freiburg: Herder, 1909.

Alanen, Alani. Bezeichnung indo-iranischer Steppenvölker der skythisch-sarmatischen Gruppe, die seit dem 1. Jh. nördlich des Kaukasus lebten. Sie sind unmittelbare Vorfahren der heute noch dort lebenden Osseten. Eine von den Hunnen nach Westen gedrängte alanische Gruppe unter einem Heerkönig zog 406 über den Rhein und 409 nach Spanien, wo es bis 418 ein alanisches Königreich gab, an das noch heute angeblich die Bezeichnung „(Kat-)alanien“ erinnert. Bei diesen Wanderungen hinterließen die Alanen Spuren in den Personen- und Ortsnamen sowie in der > Artus- und > Gralssage.

Lit.: Gerhardt, Dietrich: Alanen und Osseten: (Bericht über neuere Arbeiten). 1939; Nemeth, Gyula: Eine Wörterliste der Jassen, der ungarländischen Alanen. Berlin: Akademie-Verl, 1959; Bachrach, Bernard: A History of the Alans in the West. From Their First Appearance in the Sources of Classical Antiquity Through the Early Middle Ages. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1973.

Alant, auch Gartenalant (Inula helenium L.), eine wahrscheinlich aus dem Inneren Asiens stammende, über einen Meter hohe, gelb blühende Heilpflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), die schon lange in deutschen Bauerngärten heimisch ist. Der Mythologie nach soll die dem > Hermes bzw. > Merkur und der > Aphrodite bzw. > Venus zugeordnete Pflanze an der Stelle entstanden sein, wo die Tränen der Helena von Troja auf den Boden fielen (Magister Botanicus). Eine andere Variante lautet, Helena habe den A. in der Hand gehalten, als sie von Paris entführt wurde (Schöpf). A. wird auch mit dem geheimnisvollen Zauberkraut > Moly in Verbindung gebracht, das Hermes Odysseus als Abwehrmittel gegen den Zauber der Kirke gab.
Für medizinische Zwecke wird die getrocknete, veilchenähnlich duftende Wurzel, die auch
Glockenwurzel heißt, hauptsächlich als Wurmmittel verwendet, zur Stärkung von Magen und Lunge sowie bei Hauterkrankungen, während in der Antike überwiegend Infektionen der Atemwege, Menstruationsbeschwerden und Anämie mit A. behandelt wurden. Plinius empfahl A.-Wein mit Honig als eine Art Hausmittel (Plinius, XIX, 91; XX, 38). Auch in Deutschland wurde ein A.-Getränk unter dem Namen potio Paulina gerne genossen und noch im Mittelalter in Mengen hergestellt. A. hat antibiotische Wirkung und enthält vor allem Alantolacton bzw. Helenin und Inulin.

Zur magischen Anwendung gehören neben der Wurzel außerdem die Blätter und Blüten des A. So stellte man > Amulette für den > Liebeszauber und den > Abwehrzauber her, oder der A. wurde als > Aphrodisiakum Liebestränken beigemischt. In der angelsächsischen Tradition wurde der A. unter Beschwörungen ausgegraben. In einem altenglischen Kräutersegen aus dem 11. Jh. wird A. gegen verschiedene angezauberte Krankheiten, wie > Hexenschuss, > Alpdrücken und > Besessenheit empfohlen (Rezept s. Schöpf). Auch bei den slawischen Völkern nimmt der A. eine besondere Stellung als Abwehr- und Zaubermittel ein. A. ist weiters für seine gewitterabwehrende Kraft bekannt, was aus dem Namen Dunnerkräut hervorgeht. Einige andere Namen für den A. sind Altwurzel, Galantwurzel, Glockenwurtz, Helenenkraut oder Großer Heinrich. Weidenalant (Inula salicina L.) ist eine Variante der Pflanze, die weidenähnliche Blätter trägt.

Lit.: Plinius, C. Secundus: Naturalis historiae libri XXXVII. Hg. v. Lud. Jan und Carol. Mayhoff. Lipsiae, 1892 – 1898; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 2. Leipzig: Hirzel, 1972; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, 21973 ff.; Most, Georg F.: Encyklopädie der Volksmedizin. Graz: Akadem. Druck- u. Verlagsanstalt, 1984; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: Akadem. Druck- u. Verlagsanstalt, 1986; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, 21995.

Alanus ab Insulis (Alain de Lille od. de Ryssel, 1125 / 30 – 1203), Zisterzienser (OCist), scholastischer Philosoph und Theologe. Sein platonisch-neuplatonisches Gesamtwerk um-
fasst literarische Schriften, Gedichte sowie spezifisch theologische Arbeiten. A. wurden schon frühzeitig fälschlicherweise die alchemistischen Abhandlungen
Dicta de lapide philosophico zugeschrieben. Man vermutet nun, dass Albertus Cranzius das Werk um 1430 verfasst hat.

W.: Lille, Alain de: Dicta de lapide philosophico. Paris, 1588; Alanus, ab Insulis: Alani de Insulis doctoris universalis opera omnia: ad codices mss. et veteres editiones collata. Hg. v. J.-P. Migne. Turnhout: Brepols, 1976.

Alanus de Rupe (1428 – 1475), selig (Fest: 8. September). Der aus der Bretagne stammende Alan de la Roche (weltlicher Name: van den Clip) war Dominikaner, studierte und dozierte in Paris (1461), später in Lille und Douai (1464 / 65), Gent (1468 – 1470), Rostock (1473) und Zwolle (1475); vertrat innerhalb des Ordens die strenge Observanz und führte die heute noch gebräuchliche Form des Rosenkranzgebets sowie die „Bruderschaft des Psalters“ ein. Er hielt die „Rosenkranzvision“ des hl. Dominikus für echt und hatte selbst Marienerscheinungen mit der Aufforderung, den Rosenkranz zu beten und zu predigen. A. führte ein begnadetes Leben und starb am Fest Mariä Geburt 1475 in Zwolle.

W.: Psalterium Marie, quomodo inventum et an. 1464 renovatum per Mag. Alanus de Rupe Ord. Praed. sponsum novellum Marie. Ingenborgh, 1498.

Lit.: Esser, Thomas: Unserer Lieben Frauen Rosenkranz. Paderborn: Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh, 1889.

Al-Araf. Name des islamischen Fegefeuers, zwischen Hölle und Paradies gelegen; nach dem Tod der Aufenthaltsort für diejenigen Seelen, die weder gut noch böse waren, wie der Kinder und Wahnsinnigen. Im Gegensatz zu den Höllenbewohnern leiden sie nicht unter Qualen, dürfen aber Allah nicht anschauen. Die Aufsicht hat eine junge Frau.

Lit.: Marc-Roberts-Team: Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens. Graz: Verlag f. Sammler, 2004.

Alardi. Volkstümlicher Geist bei den Osseten im mittleren Kaukasus, der einerseits angeblich die Pocken verursacht, andererseits aber die Frauen beschützt. In den Gesängen hat er den Beinamen „der Geflügelte.“

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Alästhesie (griech. aisthanomai, mit den Sinnen wahrnehmen), Fremdempfindung. Spontane oder evozierte Übertragung von Wahrnehmungen, Sinnes- und Schmerzempfindungen wie auch der Schmerzlosigkeit in Form von Anästhesie auf einen Perzipienten, der diese als eigene Erfahrung und Reaktion erlebt. Solche Erfahrungen treten vornehmlich bei Somnambulen, in Hypnose, bei bioenergetischen Behandlungen, telepathischen Übertragungen und telästhetischen Wahrnehmungen auf (Moser, 301 – 306). Dabei kann es auch zu negativen Empfindungen und Reaktionen kommen. Das Phänomen ist eine Form der > Telepathie bzw. der > Telästhesie, je nachdem ob der Perzipient passiver oder aktiver Empfänger ist.

Lit.: Moser, Fanny: Der Okkultimus. Täuschungen und Tatsachen. München: Ernst Reinhardt, 1935.

Alastor. Ein grausamer Dämon, der nach Johannes > Weyer der oberste Scharfrichter des > Hades ist. Mit dem Wort A. wird aber auch ganz allgemein ein böser, rachsüchtiger Geist bezeichnet. So ist A. der Name jenes Pferdes des griechischen Hades, mit dem dieser > Persephone in die Unterwelt entführte, wie auch der Name von Sarpedons Waffenträger im Trojanischen Krieg. Schließlich heißt der Vater des Tros Alastor, der im Trojanischen Krieg von > Achilleus getötet wurde.

Lit: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.; Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.

Alatala. Islamisch beeinflusster Name des wichtigsten Gottes der West-Toraja von Sulawesi (Indonesien). A. ist der Weltenherrscher, der Ursprung der Menschheit und ihr Schicksalbestimmer. Er steht im Mittelpunkt des Kultes, häufig zusammen mit Buriro, dem Gott der Fruchtbarkeit und des Feldbaues, den man sich als Riesen mit überdimensionalen Geschlechtsteilen vorstellt.

Lit.: Kruyt, A. C.: De West-Toradja’s op Midden-Celebes. 3 Bde. Amsterdam: Noord-Hollandsche Uitgevers-Maatschappij, 1938.

Alatuir. Weißer Stein, der in vielen russischen Beschwörungsformeln vorkommt und bei der Paradiesesinsel Buyán zu finden sei. Unter dem Weltenbaum sitzt > Utrennyaya, die Göttin der Unterwelt, auf dem „feurigen Stein“ A., aus dem vier heilende Ströme aus der anderen Welt fließen.

A. ist wie griech. elektron (Bernstein) von einer Wurzel abgeleitet, die sich im Sanskrit in der Form ark (Strahlen aussenden, aufblitzen lassen; sanskr. ark-as, Licht, Sonne, Kristall) findet. So sieht man im A. den Bernstein, aber auch den Alabaster.

Lit.: Ralston W. R. S.: The Songs of the Russian People. London: Ellis & Green , 21872.

Alaun (Alumen), gewöhnlich auch Kalialaun, Sammelname für eine Gruppe von Salzen der Schwefelsäure, u. a. für das Doppelsalz von schwefelsaurem Kali und schwefelsaurer Tonerde. In der Antike stand der ägyptische A. in bestem Ruf, dann der A. von der griechischen Insel Melos. Aufgrund seiner stark adstringierenden (zusammenziehenden) Wirkung fand der A. schon damals vielerlei Anwendung als Heilmittel, etwa bei geschwollenen Mandeln (Paulys Real-Encyklopädie). Gegen Gesichtsrose legte man ein Säckchen mit A. um den Hals oder nähte es in das Kleid ein, das man täglich trug (Urquell 3 (1891), 71). Auch in Lateinamerika finden sich zahlreiche Hinweise zum Einsatz von Alaun als Diagnose- und Therapiemittel sowie als Mittel gegen Spinnen-, Bienen- und Wespenstiche. Im Orient und in Nordafrika fungierte der A. vor allem als Schutz gegen den > bösen Blick (Werner) und in der Türkei, Persien und Ägypten wird er Alaun als Abwehrmittel gegen Verzauberung und Geister getragen (Seligmann I, 280).

A. gilt als traditioneller Bestandteil der Hausapotheke und wird bei Durchfall, Halsschmerzen, Heiserkeit und nicht aufgebrochenen Frostbeulen empfohlen, während sich A.-Salbe als schmerzlinderndes Mittel bei Verbrennungen zweiten Grades und A.-Wasser bei Nasenbluten und diversen anderen Beschwerden bewährt hat (Most).

Lit.: Am Urquell. Monatsschrift für Volkskunde 3 (1892); Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1 1894; Most, Georg F.: Encyklopädie der Volksmedizin. Graz: ADEVA, 1984; Seligmann, Siegfried: Der böse Blick und Verwandtes: ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens aller Zeiten und Völker. 2 Bde. Berlin, 1910; Nachdr.: Hildesheim; Zürich; New York: Olms, 1985; Schupp, Johanna M.: Alternative Medizin in Lima / Peru. Münster; Hamburg: Lit, 1991 (Ethnologische Studien; 15); Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Priesner, Claus; Figala, Karin (Hg): Alchemie. München: Beck, 1998.

Alaunus. Keltischer Lokalgott in der Bedeutung des > Mercurius.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Alaya (sanskr., „nicht auflösbar“ oder: „Speicher“), Bezeichnung des Urgrundes, der Wurzel aller Wesen und Dinge einschließlich der Götter. Im Hinduismus und in der > Theosophie steht A. für die universale Seele, aus der alle Dinge ihren Ursprung ableiten. Im philosophischen System des > Yogachara bezeichnet A. in der Verbindung > alaya-vijñana (sanskr., „Speicherbewusstsein“) die „Bewusstseinsvorratskammer“, aus welcher der Geist alle Dinge hervorbringt und ihnen ihre Eigenart (tathata) verleiht. Im weiteren Sinne findet sich die Bedeutung von A. in den Begriffen von > Äther, > Akasha, > Mulaprakriti und > Anima mundi.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986; Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995.

Alaya-vijñana (sanskr., „Speicherbewusstsein“), zentraler Begriff der Yogachara-Schule des > Mahayana zur Bezeichnung des grundlegenden Bewusstseins alles Existierenden, das auf Erkenntnisvermögen und persönlicher Erfahrung durch die Zeit beruht, ohne ein „Selbst“, das die Kontinuität in der Zeit ausfüllt. Diese Vorstellung wurde von Asanga im 4. Jh. als Erweiterung des > Abhidharma-Begriffes von einem Bewusstseinsstrom eingeführt, der die persönliche Kontinuität durch eine Reihe von Leben hindurch darstellt. Dabei unterscheidet Asanga drei Ebenen: 1) das wirkende Bewusstsein der sechs Sinne, 2) den selbstbezogenen Intellekt oder das Ich (Manas) und 3) die Grundlage oder das Speicherbewusstsein (alaya-vijñana).

Im Speicherbewusstsein wird die Erfahrung aufbewahrt, reift dort und wird in den karmischen Kreislauf zurückgeschickt. In den buddhistischen Texten wird das alaya-vijñana daher mit einem weiten Ozean verglichen, der die Fülle und die Ganzheit allen Wassers symbolisiert. Ist doch das Grundbewusstsein der Speicher aller Bewusstseinseindrücke, die über die Sinne und unterscheidendes Denken vermittelt werden. Alle Denkakte des unterscheidenden Denkbewusstseins haben karmische Auswirkungen, die sich im Urgrund einprägen und von dort aus wieder zur „Reifung“ in neue Denkvorgänge gelangen können. Auch das Denken wird vom Gesetz des Karma bestimmt, ist es doch eine Tätigkeit des Bewusstseins vor Ausführung der eigentlichen Handlungen. Bewusstsein ist somit die Grundvoraussetzung für den Erkenntnisprozess, denn alles, was nicht im Bewusstsein erkannt wird, ist dort nicht vorhanden und daher auch nicht existent. Karma, die ursachenbedingte, individuelle Situation des Menschen bewirkt, dass tiefste persönliche und persönlich bisher nicht bekannte oder bewusste Vorstellungen im Bewusstsein auftauchen, da sie alle in der universalen Potenz des Bewusstseins als karmische Samen enthalten sind.

Lit.: Lauf, Detlef-I.: Geheimlehren Tibetischer Totenbücher: Jenseitswelten und Wandlung nach dem Tode; ein west-östlicher Vergleich mit psychologischem Kommentar. M. e. Vorw. v. Frederic Spiegelberg. Freibg. i. Br.: Aurum, 31979; Schmithausen, Lambert: Alayavijnana: on the Origin and the Early Development of a Central Concept of Yogacara Philosophy. Tokyo: International Institute for Buddhist Studies, 1987.

Alb > Alp.

Alban, Märtyrer, Heiliger, gest. etwa 406. Nach dem Martyrologium von Hrabanus Maurus († 856) sei A. zur Zeit von Kaiser Theodosius I. (379 – 395) mit zwei Begleitern, Theonestus und Ursus, von der Insel Namsia (Naxos?) nach Mailand gekommen und von Ambrosius zur Missionspredigt nach Gallien geschickt worden. Ursus habe schon unterwegs in einer Stadt Augusta den Märtyrertod durch Enthauptung gefunden, die beiden anderen bei Mainz. Nach einer späteren Legende sei A. im Gartenfeld bei Mainz enthauptet worden und habe seinen Kopf selbst an die Stätte seines Begräbnisses getragen. Dort wurde später eine Albanskirche gebaut, die Karl der Große seiner 794 verstorbenen dritten Gemahlin, Fastrade, zur Ruhestätte bestimmte. A. ist ein viel verehrter Heiliger der Mainzer Kirche. Im bayerischen Volk wird er bei Unwetter, Kopf- und Halsschmerzen, Leibschaden, Harnleiden und Epilepsie angerufen. „Durch Albans Fürbitte wird geheilt Fraiß, Kopfweh und Gliedersucht.“

Lit.: Büttner, H.: Zur Alban-Verehrung im frühen Mittelalter. In: Zschr. f. Schweizerische Geschichte 29 (1949), 1 – 16; Wimmer, Otto: Handbuch der Namen und Heiligen. Mit e. Geschichte d. christl. Kalenders. Innsbruck; Wien; München: Tyrolia, 1966; Ewig, Eugen: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952 – 1973). Hg. von Hartmut Atsma. Bd. 2. Zürich; München: Artemis, 1979, S. 159.

Albanus, Heiliger, erster Märtyrer Britanniens unter Kaiser Diokletian um 287. Er entstammte angeblich einer römischen Familie aus Verulam (jetzt St. Albans, Gft. Hartford) und soll mit mehreren Gefährten enthauptet worden sein. Bei seinem Grab entstand die Abtei St. Albans.

In den Zunftsagen wird A. wiederholt als Baumeister und Förderer der Baukunst erwähnt, so im Robertsdruck (Freimaurermanuskript) 1722: „Die Baukunst war in England unbekannt, bis der Hlge. Alban nach England kam, der den König in der Baukunst (Masonry) und im Christentum unterrichtete. Er liebte und schätzte die Bauleute sehr und zahlte ihnen regelmäßig ihren Lohn. Er erreichte für sie beim Könige auch einen Schutzbrief (charter) und die Erlaubnis, eine Generalversammlung (General Assembly) und jährliche Zusammenkünfte abzuhalten. Er machte viele Maurer und gab ihnen eine Pflichtensatzung (Charge), wie sie weiter unten ausgeführt ist.“ (Lennhoff, 61) Aus diesem Grunde genießt A. in der > Freimaurerei einen besonderen Stellenwert.

Lit.: Levison, W.: St. Alban and St. Alban’s. In: Antiquity 15 (1941), 337 – 359; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Albdrücken > Alpdrücken.

Albedo (lat. albus, weiß), Weißung, die zweite Stufe des > Opus magnum (Grosses Werk) bei der Herstellung des > Steines der Weisen (lapis philosophorum). Nach der Stufe der Schwärzung (nigredo), bei der die Materie im „Bauch der Erde“ vergraben wurde, verfaulte und sich schwärzte, kommt sie in der 2. Stufe zur Weißung. Damit sei der schwierigste Abschnitt bei der Herstellung von Silber und Lebenselixier erreicht. Die entstandene weiße Flüssigkeit, auch als „Jungfrauenmilch“ oder „weiße Tinktur“ bezeichnet, ermögliche nämlich die Herstellung von Silber. In alchemistischen Abbildungen wird A. als Frau (Königin), die sich in der 1. Stufe, > nigredo, mit dem König vereinigt hat, in einem Kolben dargestellt, aus dem eine weiße Rose herausragt. In der späteren > Alchemie, als man das gesamte christliche Gedankengut zur Erklärung der alchemistischen Vorgänge heranzog, verglich man A. mit 1 Moses 1, 3: „Es werde Licht… “ Das Schwarze ist in der alchemistischen Symbolsprache ein Rabe, der sich in eine Taube verwandelt hat.

Lit.: Biedermann, Hans: Knaurs Lexikon der Symbole. München: Droemer Knaur, 1989.

Alben, Wesen aus der germanischen Mythologie (> Alp), die teils in die Nähe von Göttern, den > Asen, und teils in die Nähe von > Zwergen rücken. Sie werden oft in der > Edda sowie in der Skaldischen Dichtung erwähnt. Charakteristisch ist, dass sie stets im Plural genannt werden und niemals, im Unterschied zu Göttern und Zwergen, Namen oder individuelle Züge tragen. Die Herkunft des Wortes A. ist nicht sicher, vielleicht gehört es zu lat. albus, „weiß“; dann wären die A. ursprünglich lichte Wesen wie die liós-álfar, die „Lichtalben“, die schöner als die Sonne sein sollen. Es wird auch von unterirdischen „Schwarzalben“ berichtet, den svart-álfar, die schwärzer seien als Pech und denen die Sonne den Tod bringe.

Der Glaube an die Existenz der A. ist im germanischen Raum bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.

Lit.: Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 17 Bde ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, ²1973 ff.

Albendorf / Wambierzyce, Polen. In den Vorbergen des Heuscheuergebirges in Schlesien (heute Polen) liegt Albendorf / Wambierzyce, das „schlesische Jerusalem“. Die Geschichte dieses Marienwallfahrtsortes geht in das 13. Jh. zurück. Ein Ritter, der auf Schloss Rathen-Albendorf eine Marienerscheinung hatte, ließ zur Erinnerung eine etwa 27 cm große Statue schnitzen und an einer Linde am Rande einer Schlucht anbringen. Als bald darauf ein Blinder beim Gebet vor der Statue sein Augenlicht wiedererlangte, setzte eine Wallfahrt zu diesem Marienbild ein. Es entstand ein hölzernes Kirchlein; 1512 wurde eine steinerne Kirche gebaut und die Statue von der Linde in die Kirche übertragen. Ritter Daniel Paschasius von Osterberg errichtete 1696 – 1710 eine neue Kirche und 100 Kapellen als „Jerusalem“. 1723 wurde die neue Kirche mit 54 m breiter Front eingeweiht und 1936 zur Basilika erhoben.

Lit.: Moser, Alexius: Die Wallfahrt der Heimatvertriebenen auf dem Schönenberg: Erinnerung an die alte, unvergessene Heimat. Jestetten: Miriam-Verl, 1976; Melchers, Hans: Albendorf, das schlesische Jerusalem im Glatzer Land von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Emsbüren, 1985 (Privatdruck).

Alber > Berggeister, Zwerge.

Alberich, OCist, Heiliger, gründete mit dem hl. Robert von Molesme am 21.3.1098 Citeaux (F), dem er als Abt (1099 – 1108) nachfolgte, als dieser wieder nach Molesme, das Cluny unterstand, zurückgerufen wurde. Als Abt legte A. die wesentlichen Punkte der neuen Ordenssatzung fest, in der es u. a. heißt: Oberste Richtschnur der Reform ist die Reinheit der Benediktinerregel (puritas regulae) und Lebensorientierung nach der Regel (rectitudo regulae). Auch die Mönche sind fortan zur Handarbeit verpflichtet. Zu ihrer Unterstützung werden Laienbrüder in die Klosterfamilie aufgenommen. Schenkungen von kirchlichen Einkünften, Zehnten, Dörfern, Hörigen, kultivierten Liegenschaften, Mühlen und Backöfen sind verboten. Klostergründungen dürfen nur in abgelegenen, unbewohnten Gegenden vorgenommen werden. Auf A. geht auch der Wechsel des Ordenskleides – ein weißes Gewand (Habitat und Kukulle) aus Schafswolle – zurück. Skapulier, Arbeitshabit und Reisekukulle sind jedoch aus grauem Stoff. Diese nicht nur äußerliche Abweichung des neuen Klosters führte in der Folgezeit zu jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit Cluny.

Neben diesen ordensspezifischen Aufgaben berichten die Biographien von A., dass dieser häufig Marienerscheinungen hatte. So habe angeblich Maria darauf hingewiesen, dass das Ordenskleid der Mönche von weißer Farbe sein solle; auch habe sie dem Orden großen Erfolg und dauernden Schutz versprochen, was sich auf das entschiedene Vorgehen von A. bei der Neugestaltung des Ordens niederschlug.

Lit: Schneider, Ambrosius (Hg.): Die Geschichte der Cistercienser. In: Die Cistercienser: Geschichte, Geist, Kunst. Köln: Wienand, 1986.

Alberich, Elberich, Alberon, Auberon oder Oberon, mutiger und listiger Zwergenkönig, der mit > Laurin zu den wichtigsten Zwergenkönigen gehört und angeblich in einem prunkvollen unterirdischen Palast residiert. Um A. kreist eine Sage, die Eingang in verschiedene mhd. Dichtungen gefunden hat. Er ist vor allem als Hüter des Goldhortes aus dem Nibelungenlied sowie aus dem Heldenepos Ortnit bekannt, wo er als alter, graubärtiger Zwergenkönig in der Lombardei vorgestellt wird. A. ist nicht nur, wie von allen > Zwergen behauptet wird, ein ausgezeichneter Schmied, sondern er kann sich auch mit seiner > Tarnkappe unsichtbar machen. Seinem Sohn gewährt er Hilfe durch das Geschenk eines > Zauberringes. A., dessen Name mit dem germ. alf, „Elfe“, verwandt ist, wird auch in Skakespeares Sommernachtstraum und in Wielands Epos Oberon thematisiert.

Lit.: Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter, 4 Bde. Straßburg: Karl J. Trübner, 1911 – 1919; Leach, Maria (Ed.): Funk & Wagnalls Standard Dictionary of Folklore, Mythology, and Legend. San Francisco: Harper & Row, 1972; Petzoldt, Leander: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. München: Beck, 1995.

Alberich von Settefrati, Benediktinermönch von Montecassino, erkrankte zu Beginn seines 10. Lebensjahres schwer. In dieser Zeit blieb A. neun Tage und Nächte wie bewusstlos liegen. Im Verlauf dieses Zustandes hatte er eine Jenseitsvision, die Abt Gerhard von Montecassino (1111 – 1123), unter dem Alberich Mönch wurde, durch den Mönch Guido aufzeichnen ließ. Den bald durch Zusätze entstellten Text überarbeitete Alberich 1127 – 1137 gemeinsam mit Petrus Diaconus und versah ihn mit einem Einleitungsbrief.
In der Kirche seines Heimatdorfes Settefrati bei Montecassino Madonna della Grazia (Mutter der Gnaden) befindet sich ein Gemälde, das die Vision von A. darstellt, die nach einigen Quellen Dante bei seiner
Divina Commedia inspiriert haben soll, was von anderen wiederum verneint wird.

Lit.: Guido, Casinensis: Visio Alberici: die Jenseitswanderung des neunjährigen Alberich in der vom Visionär um 1127 in Monte Cassino revidierten Fassung [vom Mönch Guido aufgezeichnet]. Kritisch ed. und übers. von Paul Gerhard Schmidt. Stuttgart: Steiner, 1997.

Albert, auch „der Kleine Albert“ genannt, ist der Name eines > Zauberbuches, das fälschlicherweise > Albertus Magnus zugeschrieben wird. Es berichtet über Giftmischerrezepte des Mittelalters und über in der Magie verwendete Rezepte der Naturwissenschaften.

Der Große Albert“ hingegen, der ebenfalls nicht von Albertus Magnus stammt, befasst sich mit den Geheimnissen der Frau, den Tugenden, den Kräutern, Steinen, Tieren und den Wunderwerken der Welt.

Lit.: Albertus Magnus: Albertus Magnus de Secretis Mulierum: Item De Virtutibus, Herbarum, Lapidum et Animalium. Amstelodami: Boom, 1669; Albertus Magnus: Von den Geheimnissen derer Weiber: Wie auch Von den Tugenden derer Kräuter, Steine und Thiere; Und den Wunderwercken der Welt; wie Solche Anfangs zu Amsterdam in Latein heraus gegeben, anjetzo aber von einem Liebhaber in die Hochteutsche Sprache übersetzt / Albertus Magnus. Nürnberg: Hoffmann, 1678; Albertus Parvus Lucius, Parvus: [De mirabilibus naturae Arcanis:] Sécrets merveilleux de la magie naturelle et cabalistique du Petit Albert. Trad. exactement sur l‘original latin, intitulé Alberti Parvi Lucii Libellus de mirabilibus naturae arcanis. Nouvelle éd. augm. Lion: Beringos, 1706.

Albertus Magnus, Albert Graf von Bollstädt (geb. wahrscheinlich 1193 in Lauingen, Schwaben / D), heilig (16.12.1931, Fest: 15. Nov.), wurde 1223 in Padua Dominikaner, theologische Ausbildung in Köln. In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass er das Studium der Philosophie als so schwierig empfand, dass er mit dem Gedanken spielte, sein Ordensleben aufzugeben. In dieser Situation habe ihm Maria in einer Schau ihre Hilfe zugesagt, woraufhin er als Dank mehrere einzigartige Werke über Maria verfasste.

Nach kurzer Zeit lehrte A. bereits im Orden, was die früheste Schrift De natura boni bezeugt (1236 / 37). 1245 erwarb er in Paris den Magister der Theologie. Zu dieser Zeit kam auch Thomas von Aquin nach Paris und A. schrieb seine ersten theologischen Traktate sowie den Sentenzenkommentar. 1248 ging er, um ein „Studium generale“ seines Ordens einzuführen, nach Köln, das bis zur Gründung der Prager Karls-Universität das wichtigste deutschsprachige Zentrum des geistigen Lebens blieb. Hier lehrte er bis 1254 und verfasste eine Reihe von Kommentaren zu allen damals vorliegenden Büchern des Aristoteles. Unter seinen Schülern befanden sich auch Thomas von Aquin und Ulrich von Straßburg. 1254 – 57 war er Provinzial der deutschen Ordensprovinz. Von 1257 – 60 lehrte er wiederum in Köln. 1260 – 62 war er Bischof von Regensburg und 1263 / 64 predigte er im Auftrag Urbans IV. in Deutschland und Böhmen den Kreuzzug. Von etwa 1270 bis zu seinem Tod am 15.11.1280 lebte A. in Köln, wo er neben seiner wissenschaftlichen Arbeit oft als Friedensstifter hervortrat. Wegen seines großes Wissens als Philosoph, Theologe und Naturforscher wurde er schon zu Lebzeiten „doctor universalis“ genannt und seit dem 14. Jh. mit dem Titel „Magnus“ belegt. 1931 wurde A. heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben.

Seine eigentliche Leistung liegt nicht primär in der Theologie, sondern vielmehr in der Philosophie und den Naturwissenschaften. A. kannte nicht nur das Wissen seiner Zeit, sondern gab dieses auch weiter, wobei er für die methodische Selbständigkeit der Philosophie eintrat, weshalb sein Werk offen für vielfältige Anregungen aristotelischer, neuplatonischer und arabischer Provenienz ist. Auch in der Geschichte der Biologie und Botanik nimmt A. einen entscheidenden Platz ein. In der Tat hat ihn von den Theologen und Philosophen des Mittelalters keiner an Belesenheit und Fülle des Wissens überragt (Herzog-Hauck, Bd. 1, 291).

Dieses Wissen ist von zahlreichen Legenden umwoben, in welchen A. als kunstreicher Magier auftritt und als Erbauer eines „künstlichen Menschen“ bezeichnet wird. Er verfasste eine große Anzahl von Büchern, von denen folgende zu den Hauptwerken zählen: De natura boni (1236 / 37), Summa de creaturis (nach 1240), Liber de quinque universalibus (nach 1254), De unitate intellectus contra Averroem (1260), Metaphysica (zwischen 1262 und 1270), De causis et processus universitatis (vor 1270), Summa theologiae (nach 1270).

Seit 1951 erscheint unter der Leitung des Albertus Magnus-Instituts in Bonn eine kritische Ausgabe in 40 Bänden, von denen bisher 16 herauskamen. In diesem Gesamtverzeichnis fehlen die folgenden Bücher, da sie A. fälschlicherweise zugeschrieben werden: „Liber secretorum Alberti Magni de virtutis herbarum“, „Historia naturalis“, „De rebus metallicis et mineralibus“, „De secretis mulierum“. Hierin wird u. a. die Ansicht vertreten, dass jeder der Planeten einen Monat lang das Kind im Mutterleib regiere und für Missbildungen ungünstige Konstellationen verantwortlich seien. Auch die Traktate „Compositum de compositis“ und „Libellus de Alchemia“ stammen nicht von Albert. So sagt > Trithemius, dass dieser „frömmste aller heiligen Männer“ sich in der magia naturalis wohl ausgekannt, sie jedoch niemals aktiv ausgeübt habe. (Biedermann, 31)

W.: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), 1951 ff.

Lit.: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche / Begr. von J. J. Herzog. Unter Mitwirkung vieler Theologen u. anderer Gelehrten, 1913. Ndr. Graz 1969 – 1971; Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste: von d. Spätantike bis zum 19. Jahrhundert. Bd. 1: A – K. 3., verb. u. wesentl. verm. Aufl. Graz: Akad. Druck- u. Verl.-Anst., 1986; Albertus Magnus: zum Gedenken nach 800 Jahren: neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven / hrsg. im Auftr. der Dominikanerprovinz Teutonia durch Walter Senner unter Mitarb. von Henryk Anzulewicz. Berlin: Akad.-Verl., 2001.

Albertus von Trapani (degli Abati), gest. 7. 8. 1307 (?) in Messina, heilig (Fest: 7. August), Karmelit. In den Jahren 1280 und 1289 hielt er sich in Trapani auf. 1296 war er Provinzial der karmelitanischen Provinz von Sizilien. Er war der erste Heilige, dem im Orden Kult zuteil wurde. Zudem nannte man ihn den „Engel von Sizilien“. Im 14. Jh. wurde verordnet, dass jede Karmeliterkirche einen Altar zu seinen Ehren habe. Seine weitverbreiteten Reliquien wurden bei der Segnung des Albertuswassers verwendet, dessen Weiheformel auch im deutschen Sprachraum bekannt ist. Das Albertuswasser wirkt angeblich gegen Fieber und hilft bei Geburtsnöten. Von der großen Verehrung des Albertus von Trapani sprechen auch die vielen exzellenten Ikonographien namhafter Künstler.

Lit.: Abati, Lorenzo (sec. 16. – 17.): Vita di S. Alberto carmelitano scritta dal molto R. S. don Lorenzo Abati, cavaliero messinese. Accademico spensierato – In Fiorenza: Stamperia di S.A.S. Firenze, 1607.

Albicerius. In seiner Schrift Contra academicos (Migne 32, 914 ff.) berichtet der hl. Augustinus (354 – 430) von einem Wahrsager namens Albicerius bei Karthago, der „viele Jahre zahllose treffende Antworten gegeben hatte“, die er eigentlich nicht wissen konnte. So nannte er Ort und Besitzer eines vermissten Kastens, fand den Dieb, der eine Geldsumme gestohlen hatte, und als er von einem Mann gefragt wurde, womit er sich gerade beschäftige, erwiderte er, es handle sich um einen Gutskauf, und nannte den merkwürdigen Namen des Gutes. Dabei soll A. ein wüstes Leben geführt haben, weshalb der hl. Augustinus geneigt war, dessen Leistungen auf einen Dämon zurückzuführen.

Lit.: Augustinus, Aurelius: Des Aurelius Augustinus drei Bücher gegen die Akademiker. Neu hrsg. mit Einleitung und Anmerkungen von K. Emmel. Paderborn: Schöningh, 1927.

Albigenser. Bezeichnung der Angehörigen der katharerischen Diözese Albi bei Toulouse in Südfrankreich und als solche oft fälschlich als Synonym für die > Katharer verwendet. Allerdings war die Bezeichnung „Albigenser“ schon im 12. Jh. sowohl für Ketzer schlechthin als auch für die Katharer des Languedoc gebräuchlich. Um 1150 gründeten nämlich Gruppen, die aus > Waldensern und Katharern bestanden, von Nordfrankreich aus bei Albi ein Bistum und fanden wegen ihrer asketischen Reinheit großen Zulauf. Sie folgten zunächst dem gemäßigten Dualismus der gnostischen Gruppen der Altbogomilen (> Bogomilen) und > Paulicianer, die im bulgarischen Teil Thrakiens verbreitet waren. Auf dem Katharer-Konzil von St. Félix-de-Caraman (1167) wurden die Albigenser vom Bogomilen-Bischof Niketas für die radikaldualistische Lehre der Kirche von Dragowista in Thrakien (Bulgarien) gewonnen, der sich auch die neugegründeten katharerischen Bistümer Agen, Carcassonne und Toulouse anschlossen. Neben der dualistischen Glaubensvorstellung der radikalen Katharer vom Kampf eines guten (Gott) und eines bösen (Satan) Prinzips, von der Verführung und dem Sturz der Engel sowie deren Erlösung aus den Banden der Materie (Leib des Menschen) auf den ihnen vom zur Erde herabgestiegenen Engel Jesus aufgezeigten Weg zur Vervollkommnung, deren Verwirklichung auch eine Reihe von Seelenwanderungen erfordern kann, übernahmen die Albigenser auch in Kult, religiöser Praxis und Lebensführung die allgemein-katharerischen Normen, bestanden aber in ihrem Kirchenverständnis auf ihrer Unterschiedlichkeit den anderen Katharer-Gruppen gegenüber.
Ihre öffentlichen Streitgespräche mit der katholischen Kirche führten zur Ermordung des päpstlichen Legaten Peter von Castelnau (1208) und daraufhin zum Albigenser-Kreuzzug (1209 – 1229). Seit 1231 durch die Inquisition in den Hintergrund gedrängt, verloren sie noch im 13. Jh. ihre Bedeutung. Kleine Gruppen retteten sich jedoch in abgelegene Gegenden und trotzten der Inquisition bis in das 14. Jahrhundert.
Neben den oben genannten dualistischen Vorstellungen und der Seelenwanderung vertraten die Albigenser auch die Ansicht, dass eine Erlösung nur möglich sei, wenn in der Todesstunde die Geisttaufe (Consolamentum) vollzogen werde. Die einfachen Anhänger konnten auf diese Gunst hoffen, wenn sie die Vollkommenen (
perfecti) materiell unterstützten.
Die bei der Verfolgung der Albigenser gemachten Erfahrungen trugen dazu bei, dass es zur Verfolgung der > Hexen kam. Schon 1260 gestand Papst Alexander IV. den Inquisitoren zu, sich auch mit den Hexen zu befassen, weil man festgestellt hatte, dass es in den Sekten auch Frauen gab, und man daraus den verhängnisvollen Schluss zog, dass es sich bei den Hexen um eine organisierte Sekte handelte.

Lit.: Borst, Arno: Die Katharer: Geschichte und Glaube der Albigenser oder westlichen Bogomilen: (c. 1000 – 1320 n. Chr.). Göttingen, 1951; Hahn, Christoph Ulrich: Geschichte der Neu-Manichäischen Ketzer: quellengemäß bearbeitet; mit einer Karte über den Schauplatz des Albigenserkriegs. Neudr. der Ausg. Stuttgart 1845. Aalen: Scientia Verl., 1968; Pierre des Vaux-de-Cernay: Kreuzzug gegen die Albigenser: die „Historia Albigensis“ (1212 – 1218). Erstmals aus dem Lat. ins Dt. übertr., hrsg. und mit einem Nachw. vers. von Gerhard E. Sollbach. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1996; Oberste, Jörg: Der „Kreuzzug“ gegen die Albigenser: Ketzerei und Machtpolitik im Mittelalter. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2003.

Albin (auch Albinus, Aubin) von Angers (geb. um 470 in Vannes, Frankreich, †1.3.550 in Angers), heilig (Fest: 1. März); entstammte einer vornehmen Familie, wurde Mönch, 504 Abt von Tincillac (oder Cincillac) und 529 Bischof von Angers, wo er besonders segensreich wirkte. Nach seinem Tod wurde er in der Kirche von St. Pierre d’Angers beerdigt, doch baute man schon 556 ihm zu Ehren eine Kirche, in dessen Krypta seine sterblichen Überreste überführt wurden. Sein Ruf der Heiligkeit verbreitete sich auch in das Ausland. So habe er die Gabe der Wunderheilung besessen und u. a. einen Blinden geheilt. A. ist Schutzpatron von Anger und wird vor allem um den Beistand für kranke Kinder angerufen.

Lit.: ActaSS Mart. I (1735) 57 – 60.

Albinos (lat.) sind gekennzeichnet durch eine mattweiße Haut und sehr feine weiße oder gelbliche Kopfhaare sowie eine rosa bis rote Iris, da aufgrund der fehlenden Pigmente die Blutgefäße durchscheinen. Dieses Aussehen wird auf einen genetischen Defekt zurückgeführt, der die Bildung des für die Pigmentierung erforderlichen schwarzen Hautstoffes (Melanin) unterbindet. Die Haut der A. ist auch extrem lichtempfindlich; schon eine kurzfristige Sonnenstrahlung kann zur Bildung von Bläschen führen. Ein Ersatz des fehlenden Pigmentstoffes auf medikamentösem Weg ist nicht möglich.

Im gesellschaftlichen Raum erfahren die A. weiterhin eine unterschiedliche Bewertung. Bei den Naturvölkern gelten sie einerseits als göttlich begnadete Wesen, die zu verehren sind, andererseits als Besessene, die es zu verfolgen gilt. Die Indianer nennen sie Mondkinder, die bei Sonnen- und Mondfinsternis mit Pfeil und Bogen ausgeschickt werden, um den Drachen zu verjagen, der die Himmelskörper frisst.

Lit.: Nölle, Wilfried: Völkerkundliches Lexikon: Sitten, Gebräuche und Kulturbesitz der Naturvölker. München: Goldmann, 1959.

Albion, wahrscheinlich keltischen Ursprungs, ist ein alter Name für die Britischen Inseln, obwohl der Begriff meist auf England bezogen ist. Die Römer brachten in mit albus (weiß) in Bezug zu den Kalkklippen bei Dover. Unter Berufung auf keltische und englische Sagen erwarten Esoteriker von A. die spirituelle Erneuerung der Welt. Dabei sehen die Propheten des Neuen Zeitalters das Zentrum in Glastonbury, wo durch Joseph von Arimathea, der Christus begraben hat, die erste Kirche Englands errichtet worden sei.

In der griechischen Sage gilt A. als der Sohn des > Poseidon und der > Amphitrite und soll die Astrologie sowie die Kunst des Schiffsbaus in England eingeführt haben.

Lit.: Holder, Alfred: Alt-celtischer [Altkeltischer] Sprachschatz. Nachdr. d. Ausg. Leipzig, Teubner, 1896 – 1907. Graz: Akad. Druck- u. Verl.-Anst, 1961; Newman, Paul: Lost Gods of Albion: the Chalk Hill-Figures of Britain. Thrupp, Gloucestershire: Sutton, 1997; Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.

Albiorix (kelt., „König der Welt“), Beiname, vielleicht auch eine eigene Form des gallischen Kriegsgottes > Teutates. Zudem scheint A. mit einem Bergkult verknüpft gewesen zu sein.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Al-Biruni (Abu Arrayhan Muhammad ibn Ahmad al-Biruni), geb. 15.9.973 bei Kath (heute Usbekistan), gest. 13.12.1048 in Ghazna (heute Afghanistan), arabisch schreibender Iraner, Astronom, Historiker und Geograph, gilt als einer der größten Gelehrten des islamischen Mittelalters. Er verfasste mehrere hundert Schriften zu Geographie, Geschichte, Astronomie, Mathematik und Pharmazie und erfand eine eigene Methode zur Messung des Radius. Al-B. konstruierte das erste Pyknometer, Gefäße in Form einer Birne, mit denen sich das spezifische Gewicht (bzw. die Dichte) von Flüssigkeiten oder festen Körpern bestimmen lässt.

Zu seinen bedeutendsten Werken zählen eine Chronologie orientalischer Völker, eine Beschreibung Indiens (2 Bände) sowie eine Einführung in die Astrologie. In seinem 1934 in London erschienenen Book of Instruction in the Elements of the Art of Astrology führt er eine Reihe von Punkten auf, die vor allem für Stundenhoroskope verwendet werden.

W.: The Book of Instruction in the Elements of the Art of Astrology, translated by R. Ramsey Wright. London: Luzac, 1934; Al-Biruni‘s Book on Pharmacy and Materia Medica. Karachi: Hamdard National Foundation, 1973.

Lit.: Biruni, Muhammad Ibn-Ahmad al: Chronologie orientalischer Völker von Albêrûnî. Hg. von Eduard Sachau. Leipzig: in Commission bei Brockhaus, 1878; Campion, Nicholas: An Introduction to the History of Astrology. London: Institute for the Study of Cycles in World Affairs, 1982; Alberuni: Alberuni’s India: an Account of the Religion, Philosophy, Literature, Chronology, Astronomy, Customs, Laws and Astrology of India about A.D. 1030 / an Engl. ed., with notes and indices by Edward Sachau. Frankfurt a. M.: Inst. for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe Univ., 1993.

Albizzi, Francesco, Diplomat, Kanonist und Inquisitor in Rom. Geb. 1593 in Cesena, südlich von Ravenna, Italien, schlug er zunächst nach dem Studium die Juristenlaufbahn ein. Nach dem frühen Tod seiner Frau, mit der er mehrere Kinder hatte, wurde er Priester und trat in den Dienst der römischen Kurie, mit Aufenthalten an den Höfen von Neapel und Madrid. 1635 wurde er als Assessor mit der Leitung der laufenden Geschäfte des Heiligen Offiziums betraut, musste dieses Amt aber 1636 / 37 für 15 Monate ruhen lassen, da er in diplomatischer Mission nach Köln gesandt wurde. Auf seiner Reise durch Deutschland sah er – für ihn unvergesslich – außerhalb der Mauern mehrerer Dörfer und Städte unzählige Pfähle, an die gefesselt arme und überaus bedauernswerte Frauen als Hexen von den Flammen verzehrt worden waren.

Nach Rom zurückgekehrt, beeinflusste er in seiner Funktion als Assessor die scharfe Ablehnung des Jansenismus durch die Päpste Innozenz X. (1644 – 1655) und Alexander VII. (1655 – 1667). 1654 wurde er Kardinal und vollwertiges Mitglied des Heiligen Offiziums. In dieser Eigenschaft wirkte er an der Entscheidung mit, 15 Kinder, denen im Zuge der Hexenverfolgung durch die weltliche Justiz in Graubünden die Hinrichtung drohte, nach Mailand in Sicherheit zu bringen. Diese und andere Erfahrungen führten zum Beschluss des Heiligen Offiziums, die in dickleibigen Handbüchern abgedruckte Hexeninstruktion 1657 als Broschüre drucken zu lassen und an radikale Hexenverfolger zu versenden.

Albizzi legte seine Auffassung zur Hexenfrage im ersten Band seines umfangreichen kirchenrechtlichen Werkes De Inconstantia in iure admittenda vel non dar, das er kurz vor seinem Tod veröffentlichte (Amsterdam, 1683, bei Jean Antoine Huguetan, Druckort und Verleger sind fingiert). Beim Nachweis des Hexendeliktes war er sehr vorsichtig. Vor der Annahme eines > Schadenzaubers mussten Ärzte erst natürliche Todesursachen eines Menschen ausschließen, zumal die Ärzte bei den zahlreichen unterbreiteten Fällen von Hexenzauber diese fast immer auf Krankheiten zurückführten. Zudem solle den Hexen, die beteuerten, sie hätten am Hexensabbat bestimmte Personen gesehen, nicht zu deren Nachteil geglaubt werden, wie mehrmals, besonders 1594 und 1595, vom Heiligen Offizium festgelegt wurde. Daher ist nach Albizzi die Praxis der weltlichen und der geistlichen Gerichte immer abgelehnt worden, „wonach man eine Hexenverfolgung in Gang setzte, nur weil eine Hexe bezeugte, sie habe andere beim Sabbat gesehen, und dass man sie für überführt hielt, wenn dies zwei Hexen behaupteten, gegen diese Praxis wendet sich Pater Tanner in einem dieser Sache gewidmeten Kommentar und ein unbekannter Verfasser, ein römischer Theologe, in dem Buch Cautio Criminalis […], gedruckt in Rinteln im Jahr 1631“.

Albizzi, dem Kardinal-Inquisitor, war also Friedrich Spees Cautio Criminalis wohl bekannt, und er schätzte sie in der genannten Frage für so bedeutsam wie Adam Tanners Theologia moralis ein, ohne jedoch den Autor zu kennen. Albizzi war zudem der Ansicht, „dass das, was die Hexen [über den Hexensabbat] gestehen, aus weiblichen Affekten (ex affectibus uterinis) oder teuflischen Vorspiegelungen geschieht“.

Die Aussagen Albizzis werden durch die seit der Öffnung des Archivs der Glaubenskongregation zugänglichen Quellen bestätigt und zeigen, dass Rom zur Zeit Albizzis in der dogmatischen und politischen Auseinandersetzung mit konfessionellen Gegnern kompromisslose Härte, in der Hexenfrage aber einen für die damalige Zeit beachtlichen Wirklichkeitssinn bewies.

Albizzi starb am 3. Oktober 1684 in Rom.

W.: De inconstantia in iure admittenda vel non. Opus in varios tractatus divisum … Amstelaedami: Huguetan, 1683.

Albohali (c. 770 – c. 835), arabischer Astrologe und Autor mehrerer Bücher über Astrologie. Sein Buch über die Geburtsastrologie ist stark von dem Araber Dorotheus beeinflusst, der seinen Pentateuch, also fünf Bücher hinterließ, die sich mit den Geburten, den Zeitperioden, dem Herrn der Horoskope, der Berechnung der Geburtsjahre und der Voraussage von Lebensereignissen befassen. Zudem beschäftigte sich A. mit > Geomantie und trieb die Punktierkunst erheblich voran.

Lit.: Albohali (Abû Ali al-Hayyat), Albohali Arabis Astrologi antiquissimi, ac clarissimi de iudiciis Nativitatum liber unus, antehac non editus. Epistula nuncupatoria Ioachimi Helleri Leucopetræi, ad clarissimum virum Philippum Melanchtonem. Impressus Norimbergæ, in officina Ioannis Montani, et Ulrici Neuber, Anno Domini 1549.

Albohazen Haly, Haly Abenragel (um 1016 – 1062), arabischer Philosoph, Astronom und Astrologe, arbeitete am Hof von Tunis und war einer der meistbenutzten arabischen Astrologen, was ihm den Ehrentitel summus astrologus sowie Ptolemaeus alter eintrug. Das große Planeten Buch wurde zunächst in das Spanische und dann oft in das Lateinische und andere Sprachen übersetzt. Seine astrologischen Darlegungen wurden von Rudolf > Goclenius d. J. (1572 – 1621), Arzt und Professor in Marburg, verteidigt.

W.: Libri de judiciis astrorum. Cura et studio de extrema barbarie vindicati ac latinitati donati per Anton Stupam, Rhoetum Praegalliensem. Additus Ind. Capitum. Bas.: [s. n.], 1551; Das große Planeten Buch: Darinn das Erst Theil sagt, von natur, eingenthumb vnd würckung der sieben Planeten … Das Ander Theil helt inn, die Geomanci … Das Dritt Theil, Complexion der Mensche zuerkennen, auß den zwölff Zeichen … Das Vierdt Theil, Die Complexion der Menschn ererkennenm auß eim jeden Monat / Alles auß Platone, Ptolomeo, Hali Albumasar, und Johanne Künigßberger, auffs kürtzst gezogen … vnnd das guth anzunemmen. Leipzig: Zentrum für Bucherhaltung, 2001.

Lit.: Goclenius, Rod.: Apologeticus pro astromantia discursus … in quo divinatio ex astris defenditur. Marpurgi Hessorum: Egenolph, 1611; Ragel, Aly Aben: El libro conplido en los iudizios de las estrellas: partes 6 a 8; traducción hecha en la corte de Alfonso el Sabio / introd. y ed. de Gerold Hilty. Zaragoza: Inst. de Estudios Islámicos y del Oriente Próximo, 2005.

Albruna, von Tacitus (Germania, 8) erwähnte germanische Seherin aus der Zeit vor der Seherin und Priesterin > Veleda (um 69). > Aurinia.

Lit.: Tacitus, Cornelius: Germania: lateinisch und deutsch. Übers., erl. und mit einem Nachw. hrsg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclam, 2000.

Albumasar (ca. 805 – 885), auch Aboazar, Abumassar, Alboassar, Albumazar, Apomazor, der lat. Name von Abu Maschar Dschafar. Wurde ca. 805 in Balkh, Khorassan (heute Afghanistan), geboren, wo er an der Sternwarte und Astrologenschule Schüler von > Al-Kindi war. Als er seinen Lehrer ermorden wollte, prophezeite ihm dieser, er werde einer der größten Astrologen werden, doch müsse er zuvor sein Vorhaben aufgeben.

Neben Arbeiten auf dem Gebiet der Traumdeutung (Apotelesmata) befasste sich A. insbesondere mit astrologischen Themen und galt bald als der berühmteste arabische Astrologe, weshalb er zum Leiter der 777 in Bagdad gegründeten Astrologenschule berufen wurde. Diese Schule griff auf alle in griechischer, syrischer, persischer und indischer Sprache geschriebenen Werke zurück und übersetzte viele davon – z. B. Ptolemäus – in das Arabische. Aus dem Arabischen wurden sie dann von westlichen Gelehrten in das Lateinische übertragen.

Als Astrologe wurde A. vor allem durch seine Theorie bekannt, dass die Erschaffung der Welt während einer Konjunktion aller 7 Planeten im 1. Grad des Widders stattgefunden habe und dass diese in der Konjunktion aller Planeten im letzten Grad der Fische zu Ende gehen werde. Zudem vertrat er die Ansicht, dass die verschiedenen Wissenschaftssysteme der Völker letztlich auf eine einzige Offenbarung zurückzuführen seien, deren Emanationen sie wären. Als Philosoph vertrat er einen durch die orientalische Überlieferung geprägten neuplatonischen Aristotelismus und kam so zu einem eklektischen Weltsystem, das drei Seinsweisen – das Göttliche, das Ätherische und das Stoffliche – unterscheidet. Bei der Erstellung der astronomischen Tabellen verwendete er die persischen Jahresberechnungen und betonte, dass diese die jüdische Zeitrechnung nicht beachten würden.

Zu seinen Hauptwerken gehören: De Magnis Conjunctionibus, Introductorium in Astronomiam und Flores Astrologici. Er starb 885 in Wasit im Irak. (Die in der Encycl. Britannica angegebenen Lebensdaten – geboren am 10. August 787, gestorben am 9. März 886 – konnten nicht bestätigt werden.)

W.: Flores astrologiae. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1488; Abu-Masar Gafar Ibn-Muhammad: Introductorium in astronomiam Albumasaris Abalachi octo continens libros partiales / Hermannus Dalmata [Übers.]. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1489; Albumasar de magnis coniunctionibus: annorum revolutionibus: ac eorum profectionibus: octo continens tractatus / [magistri iohannis angeli … correctione]. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1489; The Arabic Original. Leiden [u. a.]: Brill, 2000.

Albtraum > Alptraum.

Alcántara, Petrus > Petrus von Alcántara.

Alcavicca, Gott des Cuzco-Tales in Südperu. Er wurde von > Viracocha an jener Stelle im Cuzco-Tal als Gottheit erschaffen, an der einmal die Hauptstadt entstehen sollte.

A. wurde zum Herrscher über das gleichnamige Volk, das einen Teil des Tales beherrschte, bevor sich die > Inka dort ansiedelten.

Lit.: Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt: die Enzyklopädie über Götter, Geister und mythische Stätten in Nord-, Meso- und Südamerika. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Alchabitius (lat.), Abû al-Saqr al-Qabîsî’Abd al-’Azîz ibn ’Uthmân Ibn-Ali, auch Alcabitius, Al Ghabit oder Abdelazys genannt, bekannter arabischer Astrologe (* 916, † 967 in Saragossa, Spanien), lebte lange Zeit in Mosul und am Hof des Sultans Sayf al-Dawlah. Im Westen wurde er zu einem der meist gelesenen Astrologen. Die 1142 erfolgte Übersetzung seines Lehrbuches in das Lateinische durch Johannes von Sevilla, Alchabitii Abdilazi liber introductorius ad magisterium judiciorum astrorum ( Einleitung in die Kunst der Sterndeutung) wurde mehrmals herausgegeben (Venedig 1485, Basel 1551). Seine Darstellungen entsprachen am besten den Lehren des Ptolemäus und enthalten eine ausführliche Beschreibung der astrologischen Praxis mit Definitionen und Vorschriften über die Berechnung des > Horoskops und der > Direktionen, die heute noch benutzt werden. Wenngleich die von ihm gemachte Einteilung der Häuser schon 428 von Rhetorius dem Ägypter aufgestellt und von anderen arabischen Autoren beschrieben wurde, wird A. wegen des großen Bekanntheitsgrades im Westen das Häuser-System zugeschrieben.

Lit.: Qabisi, Abd-al-Aziz Ibn-Uthman Ibn-Ali Abu-s-Saqr al-: Libellus isagogicus Abdilazi qui dicitur Alchabitius ad magisterium iudiciorum astrorum interpretatus a Joanne Hispalensi. Venedig: Ratdolt, 1485; Alchabitius Liber introductorius <lat.> Aus dem Arabischen übersetzt von Johannes Hispaliensis. Daran: Johannes <de Saxonia>: Commentum super textu Alchabitii Venedig 1491. 07. 26. Johannes et Gregorius de Gregoriis; Alchabitius: Alchabitij Opus ad scrutanda Stellarum magisteria isagogicum pristino Candori nuperrime restitutum ab Excellentissimo Doctore Antonio de Fantis Tarvisino qui notabilem eiusdem Auctoris Libellum de Planetarum Coniunctionibus (Tractatus de coniunctionibus planetarum) add. … cum Ioannis de Saxonia Commentario. Venetiis per Melchionis Sessam et Petrum de Ravanis socios 1521.

Alchemie, auch Alchimie bzw. Alchymie, gebildet aus dem arabischen Artikel al- und dem griechischen Wort , das vom altsemitischen bzw. ägyptischen kemi, das Schwarze (= Ägypten) stamme, besage somit „ägyptische Kunst“ bzw. „Schwarze Kunst“.  wird aber auch vom griechischen  (Saft, Feuchtigkeit) abgeleitet, weshalb Alchemie die Lehre von den inneren Zusammenhängen der Stoffe, nämlich die Chemie, bezeichne. Die Alchemisten selbst nennen ihr Tun eine Kunst, auch eine göttliche oder heilige Kunst. In den Schriften kommen aber gelegentlich die Ausdrücke „chymia“ oder „chemeia“ vor, was mit „chyma“ (Metallguss) in Zusammenhang gebracht wird, woraus sich im Arabischen „kymia“ bzw. „al-kimiya“ und daraus im Lateinischen „alchemia“ oder „alchimia“ bildeten. Als sich im 17. Jh. die Chemie von der Alchemie abtrennte, fiel das arabische Präfix zur Unterscheidung weg.

Sicher ist jedenfalls, dass die Alchemie im 1. Jh. n. Chr. in Ägypten entstand, das damals kulturell dem Einfluss des Hellenismus unterlag. Zentren waren wahrscheinlich Alexandria und andere unterägyptische Städte, wo man Alchemie in den Tempelwerkstätten praktizierte, da nur bei der hellenistisch gebildeten Priesterschaft die für die Entstehung der Alchemie notwendigen Voraussetzungen gegeben waren. So weist die Alchemie neben einem chemisch-technischen auch einen spirituellen Aspekt auf, die beide miteinander verwoben sind. Das technische Ziel bestand in der Umwandlung (> Transmutation) der unedlen Metalle in Gold oder Silber, während das spirituelle Ziel der Läuterung und Vervollkommnung der Seele des Alchemisten diente.

Die Quellen, aus denen die Alchemie hervorging, sind die praktische Chemie der Tempelpriester, die aristotelische und die stoische Materietheorie, die > Gnosis, babylonische Astrologie und ägyptische Mythologie. Die Zeugnisse dieses Tempelhandwerks sind der > Papyrus Leiden und der > Papyrus Stockholm. Die Schriften der A. sind in der Regel in griechischer Sprache verfasst, sodass man auch von „griechischer Alchemie“ spricht.

Zur Klärung der Entstehung und des Aufbaus des Kosmos entnahm man der aristotelischen Materietheorie die Vorstellung vom Aufbau der Stoffe aus „Materie“ und „Form“ und die Existenz der Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde sowie die Möglichkeit ihrer Umwandlung, während man von der stoischen Materietheorie das die Form ersetzende Pneuma übernahm, was sich in der Dualität von Körper und Geist widerspiegelt. Die Anschauung von der Erlösung der Materie oder des Geistes in der Materie geht hingegen auf die > Gnosis zurück, die ihre Blütezeit im 2. Jh. erlebte. Zur Gnosis gehören auch die „hermetischen Texte“, die > Hermes Trismegistos, dem sagenhaften Begründer der Alchemie, zugeschrieben werden.

Um das 7. Jh. wurde die griechisch-ägyptische Alchemie von der arabischen Alchemie abgelöst, wobei die Araber vornehmlich die technischen Aspekte der Alchemie aufgriffen. Zunächst bediente man sich der Übersetzung alchemistischer Schriften in das Arabische, doch verfassten im späten 9. und im frühen 10. Jh. arabische Autoren selbst bedeutende eigenständige Texte. Die wichtigsten Textkorpora wurden > Jabir ibn Hayyan (> Geber) und Muhammad ibn Zakariyya al-Razi (> Rhazes) zugeschrieben, wenngleich die meisten der etwa 3.000 Texte nicht aus der Zeit der angeführten Autoren stammen. Jabir soll um 812 gestorben sein und nur das „Buch der Gnade“ (Kitab al-rahma) könnte aus dieser Zeit stammen.

Die Jabir zugeschriebenen Texte entwickelten eine komplexe „Lehre von Gleichgewichten“, welche besagt, dass alle Körper aus den vier „Naturen“ (heiß, kalt, trocken, feucht) aufgebaut seien, wobei auch Angaben zu deren zahlenmäßigen Verhältnissen in den einzelnen Stoffen gemacht werden. Durch Veränderung dieses Verhältnisses ließen sich die Körper umwandeln. Dieser Gedanke hatte großen Einfluss auf die abendländische Alchemie, so auf > Johannes von Rupescissa und > Paracelsus.

Im mittelalterlichen Europa war die Alchemie bis zur Übersetzung von „De compositione alchimiae“ des > Morienus von 1144 völlig unbekannt. Es folgten die Übersetzungen der Jabir zugeschriebenen „Siebzig Bücher“ als „Liber septuaginta“ durch Gerhard von Cremona, dem bald das „Buch der Geheimnisse“ des al-Razi als „Liber secretorum de voce Bubacaris“ folgte. Diese Werke verschafften den Europäern zusammen mit weiteren Werken, die namhaften Autoren wie Avicenna und Aristoteles untergeschobenen wurden, fundamentale Kenntnisse in Mineralogie, Botanik, Metallurgie und der Destillation mannigfaltiger Stoffe. Einen letzen Beitrag der arabischen Astrologie stellt die Eingliederung der Alchemie in das fälschlicherweise Aristoteles zugeschriebene Buch „Secretum secretorum“ (Geheimnis de Geheimnisse) dar, welches die Alchemie an vielen gelehrten Fürstenhöfen einführte und eine Fassung der > Tabula Smaragdina des Hermes Trismegistos enthält.

Zur eigentlichen Verbreitung der Alchemie kam es in Europa um 1250, als > Albertus Magnus sein Werk „De mineralibus“ veröffentliche, in dem er die Alchemie mit seinen Vorstellungen von der Bildung von Metallen und Salzen im Erdinnern zu verbinden sucht. Das Werk führte zur Entstehung eines Corpus pseudonymer Texte und diente wahrscheinlich als Quelle für Gebers „Summa perfectionis“ Ende des 13. Jhs. mit seiner einflussreichen Korpuskularlehre. Roger > Bacon (1214 – 1292) versucht in seinen drei großen Werken „Opera“ die Alchemie sogar in den Dienst einer Reform der scholastischen Wissenschaft und der Lebensverlängerung zu stellen.

Diese überaus großen Erwartungen in die Alchemie stießen jedoch bereits im späten 13. Jh. auf den entschiedenen Wiederstand verschiedener Orden, vor allem der Dominikaner und Franziskaner, der 1317 zur Bulle „Spondent quas non exhibent“ durch Papst Johannes XXII. führte, die sich gegen die unlauteren Geschäfte mit der Alchemie wandte, ohne damit das Interesse brechen zu können. So erlebte im 14. Jh. der „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ (Buch der Betrachtung der Quintessenz aller Dinge), das Johannes von Rupescissa um 1350 in franziskanischer Klosterhaft schrieb, einen erstaunlichen Erfolg. Rupescissa spricht von einer Isolierung der > Quintessenz aus gewöhnlicher Materie mittels Lösen in Säuren, Extraktion mit Alkohol und nachfolgender Destillation und Cohabitation.

Der große Symbolreichtum der Alchemie, in den bereits im Mittelalter christliche Symbole einflossen, hatte auch auf die Reformation seine Wirkung. > Luther (1483 – 1546) und die Calvinisten schätzten die Alchemie, während sie Erasmus von Rotterdam ablehnte.

Paracelsus (1493 – 1541) entfaltet in seiner „Philosophia Atheniensis“ eine alchemistische Interpretation der biblischen Genesis. Die Schöpfung wird als Abscheidungsvorgang im Sinne einer Trennung des Oben und Unten, des Guten und Bösen, des Männlichen und Weiblichen verstanden – eine Vorstellung, die großen Anklang fand. So erfuhren die Alchemie und der Paracelsismus während der englischen Glorious Revolution (1688), wie überhaupt in der Renaissance und der frühen Neuzeit, eine außerordentliche Verbreitung. Die Florentiner Medici hielten sich Alchemisten an ihrem Hof und die Fürstenhöfe förderten sie. Heinrich IV. (1589 – 1610) drängte die Gelehrten seines Landes sogar, sich der Alchemie zuzuwenden, um durch die Entdeckung des Steins der Weisen und die dadurch erhoffte Goldflut die Schulden des Landes abbezahlen zu können.

Die Möglichkeit der Metalltransmutation wurde noch im 17. Jh. nicht ausgeschlossen, doch bewegte sich die Alchemie mit Paracelsus und seiner Anhängern bereits von der Golderzeugung weg hin zur Reform der Medizin, nämlich zur > Chemiatrie und > Iatrochemie. Schließlich verlor die Alchemie mit dem Triumph der von Antoine Laurent Lavoisier (1743 – 1794) entwickelten quantitativen naturwissenschaftlichen Chemie endgültig den wissenschaftlichen Status. Ihr technisches und spirituelles Gedankengut wurde daraufhin von Theosophen und Naturphilosophen wie Franz > Baader (1765 – 1841), Friedrich Wilhelm > Schelling (1775 – 1854), dem Orden der > Rosenkreuzer, den Swedenborgianern, den Okkultisten sowie von esoterischen Vereinigungen fortgeführt und findet in der Gegenwart in vielfältigen alternativen religiösen Gruppierungen, medizinischen Anwendungen, Lebensberatungen, Gesundheitstheorien und Unsterblichkeitsangeboten von > UFO-Entführungen bis zu Science Fiction-Produktionen in Film und Schrifttum reichen Anklang. Dabei wird alles aufgegriffen, was Alchemisten in ihrem Bemühen um > Sublimation erdacht haben: Den Ausgangspunkt bildet bekanntlich die > materia prima (Urmaterie), das Grob- und Feinstoffliche, das Samenhafte und Potentielle, dem in den Wissenschaftstheorien das Chaos, in der Psychologie das Unbewusste (C. G. > Jung) und in der modernen Biologie die Stammzellen entsprechen.

In diesem potentiellen Urgrund sieht man alle Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zur Unsterblichkeit, den > lapis philosophorum, das Lebenselexier, die > quinta essentia. Dazwischen liegt das Auf und Ab der Sublimationsprozesse: Mischung (mixtura), Trennung (separatio), Vereinigung (coniunctio), Tod (mortificatio), Faulung (putrefacio), Verkalkung (calcinatio), Lösung (solutio), Bindung (coagulatio), Scheidung (destillatio), Läuterung (sublimatio). Dabei spielen die fünf Elemente Feuer, Wasser Luft, Erde und Äther (sanskr. akasha), die Zweiheit oder Dreiheit der kosmischen Prinzipien eine Rolle: Schwefel (sulphur) und Quecksilber (mercurius), bei Jabir durch Arsenik, bei Paracelsus durch Salz (sal) ergänzt, worin die 2 archai der Stoa, das chinesische yin und yan, und die indische Dreiheit sattva, rajas, tamas anklingen. Hinzu kommt noch der Einfluss der 5 bzw. 7 (mit Sonne und Mond) Planeten.

Lit.: Ruska, L. J.: Übersetzung und Bearbeitungen von al-Razi‘s Buch „Geheimnis der Geheimnisse“. In: Quellen und Studien 4 (1935) 3, 1 – 87; Kraus, Paul: Ibn Hayyan, Jabir. Contribution à l‘histoire des idées scientifiques dans l‘Islam, 2 Bde., Kairo 1942 / 43; Jaffé, Aniela: Aus Leben und Werkstatt von C. G. Jung: Parapsychologie, Alchemie, Nationalsozialismus, Erinnerungen aus den letzten Jahren. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968; Jung, C. G.: Mysterium Coniunctionis: Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968 (C. G. Jung Gesammelte Werke; 14 / 1); Biedermann, Hans: Materia Prima: eine Bildersammlung zur Ideengeschichte der Alchemie. Graz: Verlag für Sammler, 1973; Newman, William R.: The „Summa perfectionis“ of Pseudo-Geber. A Critical Edition, Translation and Study. Leiden: E. J. Brill, 1991; Burckhardt, Titus: Alchemie: Sinn und Weltbild. Andechs: Dingfelder, 21992 (Edition Ambra). Zeittafel d. i. Text zitierten hermetischen u. mystischen Verfasser; Grundlegende Werke über Alchemie; Autorenkurzbiographie; Roberts, Gareth: The Mirror of Alchemy: Alchemical Ideas and Images in Manuscripts and Books; From Antiquity to the Seventeenth Century. Toronto: University of Toronto Press, 1994; Jung, C. G.: Psychologie und Alchemie. Solothurn; Düsseldorf: Walter, 71994 (C. G. Jung Gesammelte Werke; 12); Reyo, Zulma: Innere Alchemie: der Weg der Meisterschaft. Freiburg / Br..: Hermann Bauer, 1995; Claus Priesner; Karin Figala (Hrsg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998; Schütt, Hans-Werner: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen: die Geschichte der Alchemie. München: C. H. Beck, 2000; Alchemie, Rosenkreuzer, Freimaurer, Magie, Kabbala / H. T. Hakl (Mitarb.). Sinzheim: AAGW, 2001; Kistemann, Wolfgang: Alchemie – Astrologie – Magie – Freimaurer – Rosenkreuzer – Östliche Weisheit. Berlin: Antiquariat f. Occulta & Masonica.

Alchemist (mlat. alchemista), eine Person, die sich technisch und spirituell oder aber nur technisch bzw. spirituell mit Alchemie befasst (hat). Seit der Abtrennung der Chemie von der Alchemie im 17. Jh. hat die Bezeichnung den Beigeschmack des Unwissenschaftlichen und Unseriösen und kippt zuweilen in die abwertende Bezeichnung Schwarzkünstler und Scharlatan um.

Lit.: Levi, Eliphas: La storia della magia: con una esposizione chiara e precisa delle sue regole, dei suoi riti e dei suoi misteri; e sedici tavole fuori testo. C. Giacomelli [Uebers.]. Todi: Atanòr, 1922; Biedermann, Hans: Das verlorene Meisterwort: Bausteine zu einer Kultur- und Geistesgeschichte des Freimaurertums. Wien, 1986; König, Ditte: Die Alchimisten. Time-Life Books Inc., 1991; Latz, Gottlieb: Die Alchemie: das ist die Lehre von den großen Geheim-Mitteln der Alchemisten und den Spekulationen, welche man an sie knüpfte; ein Buch, welches zunächst für Ärzte geschrieben ist, zugleich aber auch jedem gebildeten Denker geboten wird. Köln: Komet, (2003).

Alchemistische Symbole zieren zahlreiche Bücher, besonders des 16. und 17. Jhs., mit einer Bilderwelt aus dem technischen und spirituellen Bereich der > Alchemie, die ihre Arbeit und Ziele oft in einer sehr plastischen und kosmologischen Form darstellt. Sie umschreibt den „alchemistischen Prozess“, der die materia prima in den > Stein der Weisen umwandelt, in den Stadien von Mischung (mixtura), Trennung (separatio), Vereinigung (coniunctio), Tod (mortificatio), Faulung (putrefactio), Verkalkung (calcinatio), Lösung (solutio), Bindung (coagulatio), Scheidung (destillatio) und Läuterung (sublimatio) in Verbindung mit den fünf Elementen Feuer, Wasser Luft, Erde und Äther sowie den kosmischen Prinzipien Schwefel (sulphur) und Quecksilber (mercurius) unter dem Einfluss der 5 bzw. 7 (mit Sonne und Mond) Planeten. All diese Zusammenhänge sind zudem noch eingebettet in eine philosophisch-religiöse Deutung von Natur, Tier, Mensch, Welt und Leben. Als die am häufigsten verwendeten Symbole zur Darstellung des alchemistischen Weltbildes lassen sich, alphabetisch gereiht, folgende nennen: Adler, Androgyn, Baum, Blei, Caduceus, Drachen, Einhorn, Fuchs, Gold, Hexagramm, Korallen, Kröten, Löwe, Mercurius, Mond, Ouroboros, Pelikan, Pentagramm, Pfau, Phönix, Quintessenz, Raabe, Saturn, Schlange, Schwert, Silber, Sonne, Sulphur, Taube, Trinität, Weintraube usw.
Diese vielfältigen Symbole fanden bis zur Trennung der Chemie von der Alchemie im 17. Jh. sogar Einzug in den kirchlichen Raum. Dann wurden sie von der Wissenschaft verpönt und nur mehr in okkultistischen Kreisen beachtet, bis im 20. Jh. die Psychologie, insonderheit jene C. G. Jungs, auf ihre psychologische Bedeutung aufmerksam machte.

Lit.: Jung, C. G.: Mysterium Coniunctionis: Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie / Marie-Louise von Franz [Mitarb.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968 (C. G. Jung, Gesammelte Werke; 14 / 1); Musaeum Hermeticum Reformatum et Amplificatum / Einführung von Karl R. H. Frick, M. D. Graz: Akadem. Druck- u. Verlagsanstalt, 1970; Biedermann, Hans: Medicina magica: metaphysische Heilmethoden in spätantiken und mittelalterlichen Handschriften. Graz: ADEVA, 1972; Biedermann, Hans: Materia Prima: eine Bildersammlung zur Ideengeschichte der Alchemie. Graz: Verlag für Sammler, 1973; Savickas, Alfonsas: The Concept of Symbol in the Psychology of C. G. Jung. Innsbruck: Resch, 1979; Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste: von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert; Bd. 1 – 2. 3., verb. u. wesentl. verm. Aufl. Graz: ADEVA, 1986; König, Ditte: Die Alchimisten. Time-Life Books Inc., 1991; Wörterbuch der Symbolik / Unter Mitarbeit zahlr. Fachwissenschaftler hg. von Manfred Lurker. 5., durchges. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1991.

Alchemistisches Werk, das Opus, besteht aus dem „praktischen“ Teil, der Operatio, und dem theoretischen Teil, der Amplificatio, und wird in folgende 12 Epochen gegliedert, deren zwölf „Arbeiten“ den 12 Tierkreiszeichen zugeteilt werden:

Widder Calcinatio

Stier Congelatio

Zwillinge Fixatio

Krebs Solutio

Löwe Disgestio

Jungfrau Distillatio

Waage Sublimatio

Skorpion Separatio

Schütze Ceratio

Steinbock Fermentatio

Wassermann Multiplicatio

Fische Projectio

Diese Zuteilung spiegelt den Kreislauf der Zeit wider. Ursprünglicher als die 12er-Teilung ist die 7er-Teilung mit den Operationen Calcinatio, Sublimatio, Solutio, Putrefactio, Distillatio, Congelatio und Tinctura. Diese sieben Planetenmetalle begleiten das Werk von außen.

Lit.: Becker, Udo: Lexikon der Symbole. Mit über 900 Abbildungen. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 1998.

Alcheringa > Australien > Traumzeit.

Alchimie, Alchymie > Alchemie.

Alciati, Andrea (1492 – 1550), berühmter italienischer Jurist, der in Mailand tätig war und sich entschieden gegen die Vorstellung von > Hexenflug und > Hexentanz wandte. Er stützte sich auf eigene Erfahrungen mit der Inquisition in Oberitalien, wo die Inquisitoren so verhasst waren, dass die Bauern zu den Waffen griffen.

In seinem Werk Parerga iuris versucht er den Hexenflug in Übereinstimmung mit dem > Canon Episcopi als bloße Einbildung zu widerlegen. Er verwies darauf, dass die Ehemänner der geständigen Hexen behaupteten, ihre Ehefrauen hätten das Haus zur Teilnahme an den > Hexensabbaten, meist in der Nacht vom Donnerstag auf den Feitag, nicht verlassen. Zudem habe man nie eine Frau beim Flug durch die Luft beobachtet. Die Hexenrichter betonten diesen Einwänden gegenüber, dass der Teufel einen Scheinleib aus Stroh ins Bett legen würde.

W.: Parergon iuris libri VII posteriores. Lugduni: Gryphius, 1554.

Alcis, göttliches Brüderpaar beim ostgermanischen Stamm der Naharnavalen, die allgemein als Helfer und Retter gelten. Nach dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus (Tac. Germ. 43, 4) wurden die Götter in einem heiligen Wald verehrt; es gab von ihnen keine Bilder. In der interpretatio romana werden sie mit den Dioskuren > Castor und Pollux identifiziert. Die etymologische Erklärung ist unsicher. Wahrscheinlich hängt der Name mit dem von Caesar überlieferten Wort alces für „Elche“ zusammen, was an einen Elchkult denken lässt. Wichtigster Kultort der A. war der Zobtenberg in Schlesien. > Alken.

Lit.: Kuhn, Hans: Alci. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde 1 / Unter Mitw. zahlr. Fachgelehrter hg. von Johannes Hoops. Strassburg: Trübner, 21973; Cornelius Tacitus: Germania. Hg. und übers. von Alfons Städele. Düsseldorf; Zürich: Artemis und Winkler, 2001.

Alcyon (griech.), auch Alkyon, Alcyoneus, einer der tapfersten > Giganten aus dem von der > Gaia gezeugten Riesengeschlecht. Als er beim Kampf der Giganten gegen die olympischen Götter die himmlische Götterwohnung zu stürmen versuchte, wurde er von > Herakles mit dem Pfeil verwundet und stürzte auf die Erde herab. Dabei gewann er durch die Berührung mit seiner Mutter neue Kraft und ging von neuem gegen die Götter vor. Herakles traf ihn wieder mit dem Pfeil, packte ihn aber auf Anraten der > Athene gleich nach dem erneuten Sturz, zog ihn aus seiner Heimatstadt heraus und entzog ihm so die Quelle der Kraft.

Bevor A. jedoch sein Leben ließ, zeugte er noch eine Reihe von Töchtern, die sich aus Trauer über den Tod des Vaters vom kanasträischen Vorgebirge ins Meer stürzten. > Amphitrite rettete ihnen aber das Leben und verwandelte sie in Vögel, die nach ihrem Vater Alcyones (Eisvögel bzw. Alken) genannt wurden.

Ein anderer Alcyoneus, ebenfalls ein Riese, griff Herakles an, als dieser die Rinder des Geryon über den Isthmus von Korinth trieb, zerstörte 12 Wagen und tötete 24 Leute seiner Karawane. Als er Herakles mit einem Steinwurf zu Tode bringen wollte, schlug dieser das Geschoß mit seiner Keule zurück und traf den Angreifer tödlich.

Lit.: Lukianos, Samosatensis: Lukianu Alkyon, e peri metamorphoseos. Prometheus e Kaukasos. Alcyon sive de transformatione. Prometheus sive Caucasus. Paris, 1540.

Alcyone > Halcyone.

Alda von Siena > Aldobrandesca von Siena.

Aldebaran. Aldebaran ist mit Abstand der hellste Stern im Sternbild Stier (Taurus) und wird deshalb der Alpha-Stern des Sternbildes genannt. Er ist 65 Lichtjahre von der Erde entfernt, befindet sich in der Nähe des Hyades-Sternclusters, ist ein Klasse-K-Stern und der dreizehnthellste Stern am Himmel. A. ist ein niedrig irregulärer Stern, der unregelmäßig fluktuiert, was aber vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen wird. Er besitzt eine Oberflächentemperatur von 4.000° Kelvin, ist 350-mal heller als unsere Sonne und hat sich zum vierzigfachen Radius unserer Sonne aufgebläht. Durch diese enorme Größe braucht er fast zwei Jahre für eine Umdrehung. Wäre A. anstelle unserer Sonne, würde Leben auf der Erde unmöglich werden. In seinem System vermutete man einen Planeten oder einen Zwergstern.

Die Bezeichnung A. wird dem Arabischen zugeschrieben und bedeutet „der Verfolger“, da es so aussieht, als verfolge er die > Plejaden. In der Bibel wird A. in Ijob 38,  32 mit ‛ayiš bezeichnet. Astrologisch steht A. für militärische Ehren und Mut.

Lit.: Sahihi, Arman: Das neue Lexikon der Astrologie: 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf; München: Ariston, 1991; Van der Toorn, Karel / Becking, Bob / Van der Horst, Pieter W. (Hg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD). 2nd extens. rev. Ed. Leiden; Boston; Köln: Eerdmans; Brill, 1999.

Aldenhoven. Als sich der Bauer Dietrich Mülfahrt aus Aldenhofen in Deutschland im Mai 1654 auf der Vogeljagd befand, entdeckte er in der Höhlung eines Lindenbaums nahe der Pfarrkirche ein Bild der Mutter Gottes. Dieses war etwa 11 cm hoch und stellte Maria „umgeben von einem Strahlenkranz“ dar; in ihrer Rechten hielt sie ein Zepter, links das Jesuskind im Arm. Sowohl Maria als auch das Jesuskind trugen Kronen auf ihren Häuptern. Die Marienstatue soll aus einer Antwerpener Schnitzschule stammen und etwa im 14. Jh. entstanden sein.

Dietrich Mülfahrt holte daraufhin seine Freunde Johann Gatzweiler und Martin Lennartz. Die drei sahen in der Statue ein „Zeichen des Himmels“ und hielten fortan jeden Abend eine Andacht beim Marienbild im Lindenbaum. Eines Abends sahen sie ein „wunderbares Leuchten, als ob Kerzen gebrannt hätten“. Dies veranlasste sie, an der Stelle des Lichtscheins ein „Heiligenhäuschen“ zu errichten und das Bildnis hineinzustellen. Als der Zustrom der Pilger immer größer wurde, baute der Herzog von Jülich im Jahre 1659 eine Gnadenkapelle, die jener von Altötting nachgestaltet ist.

Lit.: Bers, Günter: Das miraculoess Mariae Bildlein zu Aldenhoven: Geschichte e. rhein. Wallfahrt 1655 – 1985. Köln: Gondrom, 1986.

Aldinach. Ägyptischer Dämon, der Erdbeben, Hagel- und Gewitterstürme verursachen und Schiffe versenken soll. Wenn er in Erscheinung tritt, zeigt er sich angeblich als Frau.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology: Three Volumes. Second Edition. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.

Aldobrandesca von Siena, auch Alda genannt, Selige, wurde am 28. Februar 1245 als Tochter des Adeligen Pietro Francesco Ponzi und der Agnese Bulgarini in Siena geboren. Nach sorgfältiger Erziehung und Ausbildung heiratete sie den Bürger Bindo Bellanti. Nach dessen frühzeitigem Tod und kinderlos geblieben wurde sie Tertiarin der Humiliaten und ließ sich auf einem kleinen Gutsbesitz in der Nähe von Siena nieder. Dort führte sie ein Leben der Buße und Innerlichkeit, begleitet von Ekstasen, Visionen und außergewöhnlichen Ereignissen. Später kehrte sie nach Siena zurück, schenkte ihr Vermögen der Gemeinschaft der Humiliaten und verbrachte die letzten Jahre im Spital zum hl. Andreas, das später zum hl. Onofrius umbenannt wurde, um sich den Armen, Kranken und Pilgern zu widmen. Hier erhielt sie die Voraussage ihres Todes, der sie am 26. April 1309 ereilte. Alda wurde in der Kirche der Humiliaten zum Hl. Thomas in Siena begraben. Ihre Verehrung verbreitete sich über Siena hinaus in andere Städte und hatte auch einen großen Stellenwert im Orden der Humiliaten.

Lit.: AA. SS., 3. April 1675, 466. 472; Bargellini, Piero: Mille Santi del giorno. Valecchi editore, 1977.

Aldworth, Elizabeth, geb. 1693 als Tochter von Lord Doneraile in Cork / Irland, verehelichte sich 1713 mit Richard Aldworth und wurde als erste Frau in eine Freimaurer-Loge aufgenommen. Sie starb 1773. Seit der Gründung des Freimaurerordens Le Droit Humain von 1893 werden Frauen mit gleichen Rechten wie Männer in die Logen aufgenommen.

Lit.: Du Laurans, Edwin: Masonic Sketch Book And Gleanings From the Harvest Field of Masonic Literature. New York: Macoy Publishing, 1905.

Alectorius, auch Alectoria, ist ein magischer Stein in der Größe einer Bohne, normalerweise kristallklar, manchmal aber auch mit rosiger, fleischfarbener Äderung. Nach alten Vorstellungen soll er dem Magen des Hahns entstammen und die magische Eigenschaft haben, seinen Besitzer mutig und unbesiegbar zu machen und ihm Ruhm und Liebe einzubringen. Seine besondere Kraft komme jedoch bei der Rückgewinnung eines verlorenen bzw. der Aneignung eines fremden Reiches zum Tragen.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Three Volumes. Second Edition. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.

Aleister Crowley > Crowley, Aleister.

Alektoromantie > Alektryomantie.

Alektryomantie (griech. alektriomanteia, Hahnweissagung; engl. alectromancy, alectryomancy), auch Alektoromantie, ist eine Unterart der Ornithomantie und besteht in der Weissagung durch Deutung des Verhaltens von Hähnen und Hühnern bei der Fütterung. Fressen sie gierig, so ist dies ein gutes Zeichen; fressen sie langsam und zeigen Appetitlosigkeit, ist es ein schlechtes Zeichen. Oder man zeichnet einen Kreis und teilt diesen in 24 Unterbereiche ein. In jeden davon wird ein Buchstabe geschrieben und ein Korn, z. B. Weizen, gelegt und dann beobachtet, wie sich der Hahn bzw. das Huhn den Weg durch die Segmente pickt. Die Abfolge der gewählten Buchstaben bildet die Antwort auf die Frage an das Orakel. Wenn man auf eine Frage ein Ja oder Nein erwartet, werden zwei Körner in das jeweilige Feld gegeben, die so markiert werden, dass rechts Bejahung und links Verneinung bedeutet. Wenn der Hahn oder das Huhn zu picken aufhört, interpretiert der Mantiker auch das Muster der übrig gebliebenen Körner.

Diese Orakelform kommt wahrscheinlich aus Syrien. So berichten mehrere Autoren des ausgehenden Altertums, dass die Sophisten Libanios und Iamblichos, beide Syrer, zur Feststellung, wer der voraussichtliche Nachfolger von Kaiser Valens (364 – 378) werde, die 24 Buchstaben des Alphabets in den Sand schrieben, auf jeden ein Getreidekorn legten und unter Beschwörung einen Hahn davor setzten. Dabei beobachteten sie, in welcher Reihenfolge dieser die Körner aufpickte. Die ersten vier Körner ergaben „Theos“, worauf der Kaiser angeblich zahlreiche Träger von so beginnenden Namen ermorden und die Initiatoren verhaften ließ; Libanios nahm sich daraufhin mit Gift das Leben.

Lit.: Baethgen, Ernst: De vi ac significatione Galli in religionibus et artibus Graecorum et Romanorum. Gottingae: Huth, 1887; Hopf, Ludwig: Thierorakel und Orakelthiere in alter und neuer Zeit: eine ethnologisch-zoologische Studie. Stuttgart: Kohlhammer, 1888; Hopfner, Theodor: Griechisch-ägyptischer Offenbarungszauber. 2 Bde. Leipzig: Haessel, 1922 – 1924.

Alembic, Alembicus, Alambik (arab. al-anbiq), auch „Caput Mauri“ genannt, ist in der Alchemie die Bezeichnung für ein Destilliergefäß, das eine Vorstufe der Retorte bildet und auch den Namen Galea, Capitellum trägt.

Lit.: Schmitz, Rudolf: Mörser, Kolben und Phiolen: aus der Welt d. Pharmazie. 2. unveränd. Aufl. Graz: Akademische Druck- u. Verl.-Anst., 1978.

Alembroth, alchemistische Bezeichnung für Quecksilberchlorid (Sublimat) mit Ammoniumchlorid (Salmiak).

Lit.:  Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Priesner, Claus / Figala, Karin (Hg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998.

Aleph, der erste Buchstabe im hebräischen wie im phönizischen Alphabet, wird auf einen ursprünglich gehauchten Laut zurückgeführt, der zwischen einem Vokal und einem Konsonanten angesiedelt war und soviel bedeutete wie „Ochse“ oder „Stier“, d. h., eine der wichtigsten Nahrungsquellen und Lebensgrundlagen der damaligen Zeit repräsentierte.

Nach einer anderen Theorie entstand das Ochsenzeichen des Aleph während des Zeitalters des Stiers (4000 – 2000 v. Chr.), als die Sonne während des Frühlingsäquinoktiums im Zeichen des Stiers stand. In dieser Epoche entstanden die Protoalphabete vieler Kulturen, die von der Form oder astrologischen Bedeutung der Himmelskonstellationen abgeleitet wurden. Tatsächlich fanden sich bei den Ägyptern, Sumerern und Chinesen ähnliche astrologische Konzepte und sie alle hielten den Stier für ein heiliges Tier. „Aleph“ besitzt dieselben etymologischen Wurzeln wie „alpu“ oder das sumerische „alam“, was beides „Stier / Ochse“ bedeutete und denselben Stamm hatte wie Bezeichnungen von Gottheiten, z. B. sumerisch „Alam“ oder hebräisch „Elohim“.

So sagen die Kabbalisten, Aleph entspreche dem ersten göttlichen Namen und bedeute Den, der ob seiner Hoheit von keinem Auge gesehen werden kann. Das hebräische Alphabet gilt ihnen als heilig, da jeder Buchstabe Korrespondenzen und Bedeutungen in sich trage, die das Verständnis des Universums und seiner Gesetze ermöglichten. Aleph hat den Zahlenwert 1, die Bedeutung „Ochse“, das Zeichen Luft, im Tarot das Symbol „Der Narr“, den Pfad 11 und als Farbe ein helles, blasses Gelb.

Lit.: Mystische Fibel: ein Handbuch für die Schüler der praktischen Mystik; erster Band. Dt. Bearb. v. Erich Sopp. Sersheim / Wttbg.: Osiris Verlag, 1954; Crowley, Aleister: Liber Aleph vel CXI: das Buch von Weisheit und Narrheit; in Form einer Epistel von 666 dem großen wilden Tier an seinen Sohn 777. Aus dem Engl. von Martha Küntzel. München: Ansata, 2003.

Alessandri, Alessandro (ALEXANDER AB ALEXANDRO), italienischer Rechtsanwalt, wurde um 1461 in Neapel geboren, studierte Jus in Neapel und Rom, betätigte sich als Advokat und war um 1490 Protonotar in Neapel. Der Juristerei überdrüssig, wandte er sich der Schriftstellerei zu und übersiedelte nach Rom, wo er am 2. Oktober 1523 starb. Er ist Autor der Monographie mit dem Titel Dissertationes quatuor de rebus admirandis, in der er über paranormale Phänomene in Italien, über Wahrträume und Erscheinungen berichtet. 1522 veröffentliche er in Rom sein bekannteres Werk „Genialium dierum“, in dem er sich mit verschiedenen Fragen der Philologie, des Altertums, des Rechtswesens, der Träume, der Geistererscheinungen, des Spuks und mit den näheren Umständen paranormaler Erscheinungen befasst.

W.: Dissertationes quatuor de rebus admirandis, quae in Italia nuper contigere. Roma: Calvo, Francesco Minizio, 1524; Genialium dierum: Libri 6 varia ac recondita eruditione referti. Accuratius quàm antehac excusi cum duplici indice. Parisiis: Jean Pierre, 1532.

Alethophilen (Societas Alethophilorum), „Freunde der Wahrheit“, ist ein vom Grafen von Manteuffel 1736 in Berlin nach Vorbild des Freimaurerbundes gegründeter Orden der Verehrer des Philosophen und Freimaurers Christian Wolff. Ordenszeichen: Münze mit Umschrift: „Sapere aude“ (Wage zu wissen) und dem Brustbild der Minerva, deren Helm die Köpfe von Leibniz und Wolff (der Leibniz’ Grundgedanken zum System entwickelt hatte) aufwies. Zudem trugen die Mitglieder am ziegelfarbenen Band eine Maurerkelle mit der Inschrift „La confrérie de francmaçons“ und einem Spruch Senecas.

Lit.: Schuster, Georg: Geheime Gesellschaften, Verbindungen und Orden. Wiesbaden: Fourier, o. J.

Aleuromantie (griech. aleuron, feines Mehl, besonders Weizenmehl, und manteia, Weissagung; engl. aleuromancy), die Weissagung durch Mehl. Diese Zukunftsdeutung wird zuerst von Clemens von Alexandrien (2. Jh. n. Chr.) erwähnt. Man gibt Mehl in ein Gefäß mit Wasser und schüttelt es durch. Gießt man das Wasser aus, so kann man die nassen Mehlflocken an der Gefäßwand deuten. Eine andere Form besteht darin, dass man alle erdenkbaren Antworten auf kleine Zettel schreibt, die zusammengerollt in kleinen Teigkugeln gebacken werden. Der Fragende wählt dann eine der gebackenen Kugeln aus, um auf dem darin eingehüllten Zettel die zukunftsweisende Antwort zu finden. Diese Wahrsageform wird kaum noch praktiziert, findet aber eine Fortsetzung in den „Glückskeksen“, die man in manchen chinesischen Restaurants erhält. Der Gast sucht sich einen der innen hohlen Kekse aus, bricht diesen auf und liest die auf dem nun zum Vorschein kommenden Zettel geschriebene Zukunftsaussage.

Lit.: Clemens, Alexandrinus: Protrepticus und Pae-
dagogus. Hrsg. von Otto Stählin. Leipzig [u. a.]: Hinrichs [u. a.], 1905, cap. 2, 10; Das große Handbuch der Magie: Handlesen, Wünschelrute, Biorhythmus, Graphologie, Hellsehen; Kartenlegen. München: Wilhelm Heyne,
31990.

Aleviten, islamische Religionsgemeinschaft, die im 13. Jh. in Anatolien als Volksreligion aus einer Verschmelzung mit Elementen des Christentum, der Gnosis, dem türkischen Schamanismus und der Schia in Gestalt der Verehrung von Ali (vierter Kalif der Sunniten und erster Imam der Schiiten) hervorging. Eine besondere Rolle spielten dabei die mystischen Bruderschaften, insbesondere Beziehungen zu den iranischen Safawiden.

Unter den Osmanen wurden die A. als Häretiker verfolgt. Erst in der modernen Türkei genießen sie Glaubensfreiheit. Sie sehen im Koran kein verbalinspiriertes Buch, sondern interpretieren ihn mystisch nach einem von ihnen entwickelten Modell der Trinität in Gestalt von Allah, Mohammed und Ali. Die Scharia lehnen sie ab. Zum Beten brauchen sie keinen besonderen Raum und keine besondere Zeit. Zu Kulthandlungen versammeln sie sich in einem Cemevi (Versammlungshaus) zur Rezitation von Gedichten und zum rituellen Tanz (Semah) von Frauen und Männern unter der Aufsicht des Dede („Großvater“) oder Ana („Großmutter“). Frauen und Männer sind nach der Lehre der A. gleichgestellt.

In der Türkei machen die A. ca. 25% der Bevölkerung aus. Nach wie vor gibt es Spannungen zwischen ihnen und den konservativen Sunniten.

Lit.: Gümüs, Burak: Türkische Aleviten: vom Osmanischen Reich bis zur heutigen Türkei. Konstanz: Hartung-Gorre, 2001; Migration und Ritualtransfer: religiöse Praxis der Aleviten, Jesiden und Nusairier zwischen Vorderem Orient und Westeuropa / Robert Langer … (Hrsg.). Frankfurt a. M.: Lang, 2005.

Alexander de Rhodes, S. J. (1591 – 1660), der „Apostel von Vietnam“, kam 1624 nach Vietnam und ließ sich 1627 in Hanoi, der Hauptstadt von Tonkin, dem heutigen Nordvietnam, nieder, wo er außerordentlich erfolgreich wirkte. 1630 wurde er vertrieben, ging aber 1639 nochmals nach Vietnam, um 1645 erneut vertrieben zu werden. Er kehrte daraufhin nach Frankreich zurück, wo er in Paris die sehr erfolgreiche Auslandsmission gründete. De Rhodes gab Vietnam seine romanisierte Sprache und von seinem Wirken werden zahlreiche Wunder berichtet.

Lit.: Des Pater Alexander von Rhodes aus der Gesellschaft Jesu Missionsreisen in China, Tonkin, Cochinchina und anderen asiatischen Reichen. Freiburg i. Br.: Herder, 1858; Resch: Andreas: I Beati di Giovanni Paolo II. Volume IV: 1996 – 2000. Città del Vaticano: Libreria Editrice Vaticana, 2004, S. 286 – 288.

Alexander der Große (356 – 323). Der Makedonierkönig Alexandros III. gilt vornehmlich im Orient als Symbolfigur des kühnen Heerführers. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung und hatte Aristoteles selbst zum Lehrmeister. Im Alter von 16 Jahren legte sein Vater ihm die Regentschaft über sein Königreich in die Hände. 336 trat er die Nachfolge seines ermordeten Vaters an, eroberte Persien, gründete 331 die Stadt Alexandria in Ägypten, besuchte das Heiligtum des Zeus Ammon bei Memphis und drang bis zur Donau (335) und zum Indus (326) vor, nachdem er den > Gordischen Knoten durchtrennt hatte. Zudem gründete er an die 60 Städte; dabei wollte er Babylon zur Hauptstadt seines Reiches machen. In Vorbereitung gigantischer Welteroberungspläne ereilte ihn im Sommer 323 der Tod – ob an Malaria oder durch Vergiftung, bleibt offen.

A.s fast übermenschliche Leistungen füllten die Phantasie der Mythographen von Orient und Okzident. Im 2. Jh. v. Chr. entstand in Griechenland der noch im Mittelalter populäre Alexanderroman, der im mittelalterlichen Byzanz im „Alexanderlied“ poetisch erweitert wurde. Münzen mit seinem Bildnis galten im Altertum als glückbringendes Amulett und verschiedene römische Kaiser erklärten sich als wiedergeborener Alexander.

Im Koran wird Alexander (arab. Iskandar) als Persönlichkeit mit einer eschatologischen Mission erwähnt, zumal er für die Muslime derjenige ist, der – von der Vorsehung gesandt – durch seine immensen Gebietseroberungen den Weg für die Ausbreitung des Islams als Weltreligion ebnete.

Lit.: Biedermann, Hans: Knaurs Lexikon der Symbole. Augsburg: Weltbild-Verlag, 2000; Lauffer, Siegfried: Alexander der Große. Orig.-Ausg. München: Dt.Taschenbuch-Verl., 42004.

Alexander v. Abonuteichos (ca. 105 – 175) war ein Seher und Orakelpriester am Südufer des Schwarzen Meeres. Er wanderte nach Pella, wo der Kult des > Asklepios blühte, und fand dort eine wunderschöne Schlange, die er als Inkarnation des Gottes Asklepios in seine Vaterstadt mitnahm, um einen Schrein zu errichten. Gut aussehend und mit angenehmer Stimme ausgestattet, verkündete er, dass sich in seinem Schrein Apollo und Asklepios, der Gott der Heilkunde, manifestierten und er ihr Prophet sei. Er erteilte im Namen des Gottes Orakel und betätigte sich als Heiler. Seine Kuren und Wahrsagungen wurden bald so bekannt, dass ihm ungeheure Volksmassen und mit ihnen ebensolche Geldsummen zuströmten. Ein besonders gläubiger Mann holte ihn schließlich nach Rom und es kam so weit, dass die Stadt Abonuteichos das Bild der heiligen Schlange auf ihren Münzen anbrachte. Einer Legende zufolge soll sogar Kaiser Marc Aurel den Seher einmal vor einer militärischen Operation konsultiert haben.

Alexander ließ auch das Symbol der Verbindung der Schlange mit dem Ei erscheinen, das sich in syrischen Mysterienreligionen findet, deren Götter ebenfalls häufig mit der Schlange in Verbindung auftraten. Nach den satyrischen Bemerkungen von Lukian von Samosata war Alexander von Abonuteichos im nordasiatischen Paphlagonien hingegen lediglich einer von vielen Betrügern, der durch sein bloßes Auftreten eine große Menschenmenge zu faszinieren vermochte. Dennoch blieb Glykon, die Schlange mit künstlichem Menschenkopf, als angebliche Inkarnation des Asklepios bis in das 3. Jh. Gegenstand kultischer Verehrung.

Lit.: Lukian von Samosata: Alexandros oder der Lügenprophet. Eingel., hrsg., übers. und erklärt von Ulrich Victor. Leiden; New York; Köln: Brill, 1997.

Alexander von Hales OFM (geb. um 1185 in Hales Owen, Shropshire, England, † 21.8.1245 in Paris), einer der größten Scholastiker, studierte in Paris und wurde noch vor 1210 Magister Artium. 1212 begann er das Studium der Theologie und unterrichtete von 1220 – 1222 als Professor an der dortigen Theologischen Fakultät. Beim großen Privilegienstreit zwischen Universität und König 1229 – 1231 gesellte er sich zu jener Gruppe, die nach Angers auszog. Im August 1230 wurde er in dieser Angelegenheit an die päpstliche Kurie in Rom berufen, wo er bis 1231 blieb. Dann kehrte er nach England zurück, um schließlich 1232 erneut seine Lehrtätigkeit in Paris aufzunehmen. 1236 trat er in den Franziskanerorden ein, dem er damit dessen ersten Lehrstuhl an der Pariser Universität, dem berühmtesten theologischen „Studium“ seiner Zeit, einbrachte. A. gilt als Gründer der Franziskanerschule. Seine Schüler waren Johannes de Rupella, Odo Rigaldis und der hl. Bonaventura. 1245 nahm er am Lyoner Konzil teil. Nach Paris zurückgekehrt, starb er am 21. August 1245.
Seine Hauptwerke sind:
Sentenzenkommentar (entst. ca. 1223 – 1227); Questiones disputate (entst. um 1236); Summa theologica (Summa Halensis, 3 Bücher, entst. 1235 – 1243, mit späteren Ergänzungen).

In seiner Summa geht A. auch auf Grenzfragen ein. So versteht er die > Divinatio, die Weissagung, nicht nur als Erforschung der Zukunft, sondern auch als Beeinflussung derselben im positiven wie im negativen Sinn und gliedert sie daher in die Unterbegriffe: Mantik (Weissagung), Sortilegium (Wahrsagen), Augurium (Zeichendeutung), Praestigium (Gaukelei), Mathesis (Astrologie) und Maleficium (Verfluchung).

Diese Offenheit dem Unergründlichen gegenüber schlägt sich auch in seinem Verständnis der Philosophie nieder, deren Beitrag für A. nur eine Hilfe für die spekulative Wahrheitsfindung ist; die Wahrheit selbst werde dem Gläubigen jedoch durch die Offenbarung gegeben.

W.: Summa theologica seu sic ab origine dicta summa fratris Alexandri , Bde 1 – 4 (li.I-III). Ad Claras Aquas prope Florentiam Quaracchi, 1924-1948.

Alexander von Tralles (geb. um 525 in Tralles, Kleinasien), byzantinischer Arzt, wirkte lange Zeit in Rom und bediente sich auch alternativer Heilmethoden. So verschrieb er den Patienten Amulette und Zaubersprüche und schreibt, dass wenn man die Gestalt des Herkules, der den Nemeischen Löwen erwürgt, in einen Stein graviert und in einen Ring setzt, dieser einen außerordentlichen Heileffekt bei Koliken habe. Zudem vertrat er die Ansicht, dass Zaubersprüche und Gebetsformeln ein ausgezeichnetes Mittel gegen Gicht und Fieber seien.

W.: Alexandri Tralliani De Arte Medica Libri XII: una cum Rhazei libro et fragmentis variis de variolis et morbillis; juxta novissimam et optimam C. Channingi Editionem; porro ejusdem Alexandri de lumbricis epistola / recudi fecit et praefatus est Albertus de Haller. Jo. Guinter interprete. Lausannae: Grasset, 1772; Alexander von Tralles: Originaltext und Uebersetzung nebst einer einleitenden Abhandlung: Ein Beitrag zur Geschichte der Medicin  / von Dr. Theodor Puschmann. Wien: Braumüller, 1878; Les 12 livres de médicine: (suite et fin). Paris: Guenthner, 1937.

Alexanderlied. Seit dem Besuch Alexanders des Großen im Ammoneion in Ägypten hielten ihn Zeitgenossen für einen Sohn des Gottes Ammon. So berichtet der Alexanderroman, dass ihn der ägyptische König Nectanebos, der auf seiner Flucht nach Makedonien gelangte, in der Gestalt des Gottes zeugte und dann sein Lehrer wurde. Im Alter von zwölf Jahren führte er ihn in die Kunst der Astrologie ein. Die Übersetzungen ins Lateinische des Valerius (320 n. Chr.) und des Archipresbyters Leo von Neapel (951 – 968) bildeten die Grundlage der mittelalterlichen Alexanderdichtung. Im ersten Drittel des 12. Jhs. verfasste Alberich von Pisançcon die erste volkssprachliche Bearbeitung in franko-provenzalischer Sprache. An Alberich schließt sich das älteste deutsche Alexanderlied von Lambrecht an, und Ulrich von Etzenbach (1271 – 1286) schrieb zu Ehren König Ottokars II. von Böhmen mit 28.000 Versen die umfangreichste Alexanderdichtung.

Lit.: Ulrich von Eschenbach: Alexander. Hrsg. von Wendelin Troischer. Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Stuttgart u. Tübingen, 1888. Hildesheim; New York: Olms, 1974; Christa Habiger-Tuczay: Magie und Magier im Mittelalter. München: Eugen Diederichs, 1992.

Alexander-Technik. Nach dem australischen Schauspieler Frederick Matthias Alexander (1869 – 1955) benannte Technik sanfter Körpertherapie. Als sich Alexander gegen Ende des 19. Jhs. allmählich einen Namen machte, wurde er bei seinen Auftritten von einem unerklärlichen Stimmverlust gequält, den die Ärzte nicht beheben konnten, bis er selbst mit Hilfe eines Spiegels die Ursache fand. Er entdeckte, dass seine Angewohnheit, beim Rezitieren den Kopf zurückzulegen und das Kinn zu senken, die Ursache des Problems war. Er war von dieser Entdeckung so angetan, dass er die Bühne aufgab und sich der Lehre des richtigen Selbstausdruckes widmete. Dabei kam er zur Auffassung, dass die Haltung von Rückgrat, Nacken und Kopf eine Schlüsselbedeutung hat. Eine Beseitigung von Fehlhaltungen sei nur durch Beobachtung, sanfte Massage und das Lernen der „richtigen“ Körperhaltung durch ein neues Körpergefühl möglich. Er nannte dieses Verfahren „psycho-physiologisch“, da die Therapie in Belehrungen und in einer sanften Korrektur der körperlichen Fehlhaltungen bestehe, wie er dies in seinem Buch The Use of the Self beschreibt. Nach dem 2. Weltkrieg errichtete Alexander ein Schulzentrum in London. Experimentelle Überprüfungen lehnte er ab, weil er befürchtete, dass die Wissenschaftler die Feinheiten seiner Arbeit nicht zu begreifen vermochten. Er selbst war dazu aber nicht in der Lage. Dies übernahm Frank Jones, der in seinem Buch Body Awareness in Action eine detaillierte Schilderung der Ergebnisse gibt.

W.: Alexander, Frederick Matthias: Der Gebrauch des Selbst: die bewusste Steuerung des Gebrauchs im Bezug auf Diagnose, Funktionieren und Reaktionskontrolle. Mit einer Einf. von John Dewey. Aus dem Engl. übers. von Ruth Krügel. Basel: Karger, 2001.

Lit.: Jones, Frank Pierce: Body Awareness in Action: a Study of the Alexander Technique. New York: Schocken Books, 1976, 1979; Jones, F. M.: Die universelle Konstante im Leben: [Originaltexte der Alexander-Technik] Mit einem Vorw. von Ernst P. Fischer. Aus dem Engl. übers. von Ruth Krügel. Basel: Karger, 2000.

Alexandria (arab. El-Iskandarija), zweitgrößte Stadt Ägyptens, 331 v. Chr. durch Alexander d. Gr. gegründet; war damals die griechische Hauptstadt Ägyptens mit über 600.000 Einwohnern. Getreu Alexanders Devise von der Vereinigung von Orient und Okzident wies die Stadt von Anfang an eine gemischte Bevölkerung auf. Die Hauptgruppe bildeten die Griechen, es folgten die Ägypter und Fremdlinge wie Juden oder Syrer. Unter den Ptolemäern, die Alexandria zum Königssitz und Mittelpunkt der griechischen Geistesbildung machten, erreichte die Stadt ihre Blütezeit. 30 v. Chr. fiel sie an die Römer und war im 1. Jh. die zweitgrößte Stadt des römischen Reiches.

Alexandria war aber nicht nur das Sammelbecken verschiedener Volksgruppen, sondern auch verschiedener Kulturen und geistiger Bewegungen. Im 1. Jh. hielt dort auch das Christentum Einzug. Als großer Missionar Ägyptens gilt seit alter Zeit der Evangelist Markus. Im 2. Jh. wurde A. zum Sitz eines Patriarchen und die Alexandrinische Theologenschule hatte maßgeblichen Einfluss auf die Kirche, in der u. a. auch Klemens von Alexandrien (140 / 150 - 215 / 16) und Origenes (185-253/54) wirkten.

Zudem kam es in dieser Zeit zur Bildung von Gruppen, die gnostische Ideen aller Art vertraten, und zu einer Reihe von Schriften, wie dem Ägypterevangelium (enkratitisch-gnostisch, heidnisch) und dem Hebräerevangelium (synchretistisch-gnostisch, judenchristlich). Es ist weiters anzunehmen, dass auch das Evangelium nach Maria, das Thomasevangelium, das Philipposevangelium und andere Schriften des koptischen Corpus gnostischer Texte in Alexandrien bekannt waren. Dies besagt, dass in Alexandrien schon früh Vertreter des Gnostizismus Fuß fassten. Bereits unter Kaiser Hadrian (117 – 138) und Antoninus Pius (138 – 161) tauchte > Basilides von Alexandrien auf, der zahlreiche Anhänger fand.

Alexandria war vor allem auch ein Zentrum der > Alchemie, die im 1. Jh. n. Chr. in Ägypten entstand, wo man Alchemie in den Tempelwerkstätten praktizierte, da nur bei der hellenistisch gebildeten Priesterschaft die notwendigen Voraussetzungen für die Entstehung der Alchemie mit ihrer technischen und spirituellen Ausrichtung gegeben waren.

Lit.: Theologische Realenzyklopädie / in Gemeinschaft mit Horst Balz … hrsg. von Gerhard Müller. Berlin; New York: de Gruyter. Bd. 2: Studienausgabe, 1993; Schütt, Hans-Werner: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen: die Geschichte der Alchemie. München: C. H. Beck, 2000.

Alexandrit, Lieblingsstein des Zaren Alexander II., weshalb er auch nach ihm benannt wurde. Der chromhaltige Chrysoberyll aus der Mineralklasse der Oxide wirkt im Sonnenlicht grün, im Kunstlicht rot bis violett. Der Stein soll heilend auf Psyche und Körper wirken, Intuition und Kreativität unterstützen, den Menschen für neue Wege öffnen und ihn risikofreudig machen. So ist der A. eine Hilfe in schwierigen Lebenssituationen, quasi ein Krisenstein. Auf körperlichen Niveau hilft der chromhaltige Stein angeblich bei Entzündungen verschiedenster Art und fördert generell die Selbstheilungskräfte.

Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.

Alexius von Edessa, einer Legende aus dem 5. Jh. zufolge der Sohn des römischen Senators Euphemius und der Aglaja, verließ nach seiner Hochzeit die Eltern und die ihm angetraute Frau und floh nach Edessa, dem heutigen Urfa in der Türkei, wo er als Einsiedler in Armut lebte und schon bald hohe Verehrung genoss.

Nach einer Legende aus dem 10. Jh. lebte Alexius 17 Jahre als Bettler vor einer Kirche in Edessa. Als dem Küster durch ein Gesicht kundgetan wurde, dass dieser Bettler ein heiliger Mann sei, veranlasste er dessen Verehrung. Alexius floh jedoch und wurde durch einen Sturm nach Rom verschlagen, wo sein Vater den als Pilger Bettelnden nicht erkannte, ihn aber mildtätig in sein Haus aufnahm. 17 Jahre lebte er daraufhin geduldig und gottergeben unter der Treppe des Elternhauses, vom Gesinde mit Spülwasser übergossen. Sterbend gab er sich durch ein Schreiben zu erkennen. Zur größten Bestürzung und Betrübnis von Ehefrau und Eltern entzifferte der herbeigerufene römische Bischof das Schriftstück im Beisein der Kaiser Honorius und Arcadius. Alexius soll am 17.7.417 in Rom gestorben sein.

Die aus dem 4. oder 5. Jh. stammende syrische Version der Legende kennt den Namen A. nicht, sondern nennt ihn einfach „Gottesmann“ und lässt ihn in Edessa sterben.

Jedenfalls gehört Alexius seit jeher zu den meistverehrten Heiligen. Reliquien finden sich in Rom, in Prag-Brevnov und an anderen Orten. Im 17. Jh. wurde von Stefano Landi (1587 – 1639) zu einem vom späteren Papst Clemens IX. verfassten Libretto die Oper „Der heilige Alexius“ komponiert, die 1978 sogar bei den Salzburger Festspielen zur Aufführung kam.

Alexius ist Patron von Innsbruck und Schirmherr der Pilger, Bettler, Vagabunden und Kranken. Er soll vor Erdbeben, Blitz, Unwetter, Pest und Seuchen schützen. Die Bauernregel lautet: „Wenn Alexius verregnet heuer / werden Korn und Früchte teuer!“ Fest: 17. Juli, bei den Griechen 17. März, bei den Monophysiten in Syrien 12. März.

Lit.: Amiaud, A.: La légende syriaque de Saint Alexis, 1889; Konrad v. Würzburg : Das Leben des hl. A., hrsg. v. R. Henczynski, 1898; Lutsch, Erich: Die altfranz. Prosaversion der A.-Legende (Vie de Saint Alexis), krit. hrsg. mit Einl., 1913; Landi, S.: Il Sant’Alessio; Maryseult Wieczorek, Nicolas Rivenq, Christopher Josey, Patricia Petibon, Mhairi Lawson u. a., Les Arts Florissants, William Christie (1995). Erato / Warner 2 CD 0630-14340-2 (129’13”).

Alf > Alben, > Alp.

Alfarabi (870 – 950), Kurzname des legendären arabischen Musikers, Philosophen und spirituellen Lehrers Abu-Nasr-Mohammed-Ibn-Tarkan. A. wurde in Othrar in Kleinasien geboren und erhielt von seinem Geburtsort die besser bekannten Bezeichnungen Farabi oder Alfarabi. Obwohl er türkischer Abstammung war, zog er zur besseren Kenntnis des Arabischen nach Bagdad, wo er sich eingehend mit den griechischen Philosophen befasste, und später nach Ägypten. Während seiner Wanderungen kam er mit den wichtigsten Philosophen seiner Zeit in Kontakt und schrieb selbst Bücher zu Philosophie, Mathematik, Astronomie und anderen Wissensgebieten, wobei er gleichzeitig sieben Sprachen lernte. Seine Abhandlung über Musik, in der er den Zusammenhang von Klang und atmosphärischer Vibration aufzeigte und die pythagoreische Theorie der Sphärenmusik kritisierte, erlangte einige Bedeutung.

Amüsant ist die Begebenheit, wie er die Gunst des Sultans von Syrien gewann. Dieser hatte gerade eine Gruppe von Wissenschaftern und Astrologen bei sich, als A. sich ihm vorstellte. Ohne Kenntnis der höfischen Gepflogenheiten setzte er sich einfach auf das königliche Sofa, worauf der Sultan einem seiner Höflinge in einer wenig bekannten Sprache gebot, den Sonderling fortzuschaffen. A. aber erwiderte in eben derselben Sprache: „Mein Herr, wer überstürzt handelt, bereut auch schnell!“ Der Sultan war überrascht und informierte sich nun über seine Kenntnisse. Als er etwas Musik wünschte, griff A. zur Laute und spielte so einfühlend, dass alle zu Tränen gerührt waren. Schließlich versetzte er mit einem Schlummerlied den gesamten Hof in Schlaf. Der Sultan ersuchte ihn, zu bleiben. Nach einigen Quellen soll A. das Angebot angenommen haben und in Syrien gestorben sein.

Die lateinische Übersetzung von De scientiis des A. durch Gerhard von Cremona wurde für die lateinische Philosophie des Mittelalters maßgebend für alle Fragen der Einteilung der Wissenschaften. A. hatte großen Einfluss auf > Avicenna. In seinen islamisch-idealistischen Spiritualismus nahm er platonische ebenso wie aristotelische Elemente auf.

Lit.: Farmer, Henry George: Al-Farabi‘: Arabic-Latin Writings on Music: in the Ihsa‘al-ulum (Escorial Library, Madrid, No. 646), De scientiis (British Museum, Cott. Ms. Vesp. B.X., and Bibl. Nat., Paris, No. 9335), and De ortu scientiarum (Bibl. Nat., Paris, No. 6298, and Bodleian Library, Oxford, No. 3623), etc. / the texts ed., with transl. and commentaries by Henry George Farmer. New York; London; Frankfurt / M.: Hinrichsen, 1965; Steinschneider, Moritz: Al-Farabi (Alfarabius), des arabischen Philosophen Leben und Schriften, mit besonderer Rücksicht auf die Geschichte der griechischen Wissenschaft unter den Arabern. St. Petersburg, 1869. Repr. 1999 (Islamic Philosophy; 6).

Alfheim (Albenheim, Elfenheim) bezeichnet in der germanischen Mythologie eine der Neun Welten. Sie liegt auf der höchsten Ebene des nordischen Universums, wo sich auch > Asgard, > Vanaheim und > Midgard befinden. Herrscher über Alfheim ist der Gott > Freyr, der Gott der Fruchtbarkeit, der körperlichen Liebe, des Friedens, des Reichtums und des Wachstums. Alfheim ist der lichtglänzende Wohnort der Alfen (Lichtalfen, gute Geister), der Feen und Elfen.

Lit.: Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheiten und Heldengesänge der Germanen. Hg. Felix Genzmer. München: Hugendubel, 2004.

Alfons de Navarrete (geb. 21.9.1571 zu Logroño, Spanien, Tod durch Enthauptung auf der japanischen Insel Takushima am 1.6.1617), selig (7. Juli 1867, Fest: 6. Nov.), Dominikaner. Beim Kanonisationsverfahren gab Kapitän Balthassar Martinez de Figueredo folgende Begebenheit zu Protokoll (Summarium additionale S. 1 in der Positio super martyrio, Rom 1690):

P. de Navarrete befand sich am Fronleichnamstag, den 15.5.1617, im Haus des Zeugen, der damals in Nagasaki wohnte. Dieser ging am frühen Morgen in das Zimmer des Paters, den er sitzend vorfand; mit der rechten Hand stützte er das Kinn ab, seine Augen waren auf das im Zimmer befindliche Marienbild gerichtet. Sein Angesicht glühte wie Feuer und strahlte einen solchen Glanz aus, dass sich der Kapitän fürchtete. Kalter Schweiß überkam ihn, weil er dachte, dass die Gnade Gottes den Pater erfülle, weshalb er ihn nicht anzusprechen wagte, sich zurückzog, bis sich der Pater erhob und mit ihm zu reden begann. Der Kapitän sagte zu ihm: „Sie waren so schön, dass ich nicht den Mut hatte, Sie anzusprechen“, worauf der Pater lächelte. Dieses Erlebnis des Kapitäns bestätigten zwei Zeugen, die es aus dessen Munde gehört hatten.

Lit.: Schamoni, Wilhelm:  Wunder sind Tatsachen. M. e. Geleitw. v. Kard. Dr. Lorenz Jaeger. Würzburg; Stein am Rhein; Linz: Johann Wilhelm Naumann; Christiana; Veritas, 31976, S. 236 – 237.

Alfons de Spina († 1491), spanischer Theologe jüdischer Herkunft, Franziskaner, lehrte Theologie in Salamanca und wurde 1491 Titular-Erzbischof von Thermopolis in Griechenland. 1459 verfasste er sein Werk Fortalitium Fidei (Festung des Glaubens), das erstmals um 1464 – 76 veröffentlicht wurde. Die Nürnberger Ausgabe von 1485 beginnt mit: „Incipit prohemium Fortalitium Fidei conscriptum per quendam Doctorem eximium ordinis minorum anno MCCCCLIX in partibus occidentis“. Obwohl anonym veröffentlicht, wird sie allgemein Alfons de Spina zugeschrieben. Es ist die erste Publikation, die in einem eigenen Buch das Thema der Hexerei aufgreift. Das Werk gibt insgesamt Anleitungen zu Maßnahmen gegen die Feinde der christlichen Religion und ist in fünf Bücher gegliedert. Das erste ist gegen die Leugner der Gottheit Christi, das zweite gegen die Häretiker, das dritte gegen die Juden, das vierte gehen die Muslime gerichtet, während sich das fünfte mit den Machenschaften des Teufels und den Gegenmaßnahmen befasst. Am Ende siegt Christus. De Spina schrieb noch weitere Werke, so z. B. Sermones de Nomine Jesu Vigintiduos (1454) und Sermones plures de excellentia nostrae fidei (1459).

W.: Fortalitium fidei in universos christiane religionis hostes Iudeorum & Saracenorum non invalido brevis nec minus lucidi compendij vallo rabiem cohibens fortitudinis turris non ab se appellatum quinque turrium inexpugnabilium minime radians – succinte admodum quinque partium librorum farragine absolutum. [Lione] Impressum Lugduni per Joannem Moylin Aels de Chambiay: Moylin, Jean-Gueynard, Etienne, 1525.

Lit.: Alfons de Spina. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1. Freiburg: Herder, 21957, S. 333.

Alfons X. von Kastilien (A. der Weise, span. el Sabio, 1221 – 1284), Sohn Ferdinands III. des Heiligen und der Beatrix von Schwaben, König von Kastilien von 1252 – 1284, gilt als großer Förderer von Wissenschaft und Kunst. Neben der Eroberung großer Teile Spaniens und der Kodifizierung von Verfassungs-, Zivil- und Strafrecht führten ihn seine geheimwissenschaftlichen Neigungen zu häufigem Umgang mit jüdischen und orientalischen Gelehrten. Die Planetentafeln des Ptolemäus ließ er durch die von 50 Astronomen ausgearbeiteten „Alfonsinischen Tafeln“ ersetzen, die bis in die Zeit Keplers der Kanon der Astronomie waren. Ferner schrieb er religiöse Lyrik, veranlasste die Sammlung von Gesetzen, besonders die Siete Partidas, das bedeutendste juristische Werk dieser Zeit, ließ die erste allgemeine Geschichte Spaniens und eine (unvollendet gebliebene) Weltgeschichte schreiben. Er gilt auch als der Verfasser von Libros del saber de astronomia, Lapidario, Libro conplido sowie Libro de las Cruzes. Sein Hauptwerk, Cantigas de Santa Maria, ist die größte und wichtigste Sammlung marianischer Gesänge des Mittelalters. Zudem sorgte er für die Übersetzung wissenschaftlicher Literatur aus dem Arabischen, wie des arabischen Magiebuches Ghâjat al-hakîm (Das Ziel der Weisen), das unter dem Namen Picatrix eine große Rolle in der Magie des Mittelalters spielte.

Politisch hingegen war A. wenig erfolgreich. Seinem Versuch, deutscher König und römischer Kaiser zu werden, versagte Papst Gregor X. die Anerkennung. Die Regierungsgeschäfte lagen ihm nicht. Es machte sich Misswirtschaft breit, der Plan eines Kreuzzugs nach Nordafrika scheiterte, und schließlich wurde A. in Kastilien von seinem Sohn Sancho IV. entmachtet. Seit 1282 de facto auf die Herrschaft in Andalusien beschränkt, starb Alfons am 4. April 1284 in Sevilla.

Lit.: Ribera y Tarragó, Julian: La musica de las cantigas. Madrid: Tip. de la Revista de Archivos, 1922; Codex 2352 der Österreichischen Nationalbibliothek; Picatrix: das Ziel des Weisen von Pseudo-Magriti / transl. into German from the Arabic by Hellmut Ritter and Martin Plessner. London: Warburg Inst., Univ. of London, 1962; Magriti, Abu-’l-Qasim Maslama Ibn-Ahmad al: Picatrix: the Latin Version of the Ghayat al-Hakim; text, introduction, appendices, indices . Ed. by David [Edwin] Pingree. London: Warburg Inst., Univ. of London, 1986; Biedermann, Hans:  Handlexikon der magischen Künste: von d. Spätantike bis zum 19. Jahrhundert; Bd. 1: A – L. 3., verb. u. wesentl. verm. Aufl. Graz: ADEVA, 1986.

Alfonsa von der Unbefleckten Empfängnis, Anna Muttathupadathu (1910 – 1946), selig (8. Feb. 1986, Fest: 28. Juli), Klarissin; wurde am 19. August 1910 in Kudamaloor in der Region Apookara, Diözese Changanacherry (Indien), als Tochter einer alten vornehmen Familie geboren, trat 1935 in die Kongregation der Klarissen des Dritten Ordens des hl. Franziskus ein und starb am 28. Juli 1946 im Konvent der Klarissen in Bharananganam. Am 8. Februar 1986 wurde sie von Papst Johannes Paul II. in Kottayam in Indien selig gesprochen, nachdem ihrer Fürbitte das Wunder der Heilung von Thomas Abraham Athialil zuerkannt worden war.

Thomas kam am 1. Oktober 1936 in einer normalen Entbindung zur Welt, wies jedoch an beiden Beinen kongenital verdrehte Füße auf. Als er zu gehen begann, berührte er den Boden jeweils mit dem Fußrücken. Die Ärzte, die den Kleinen untersuchten, bestätigten, dass die Missbildung hochgradig, bilateral und von Geburt an gegeben war. Es wurde jedoch keine chirurgisch-orthopädische Behandlung vorgenommen (man beschränkte sich auf das Auflegen von Pfauenfett.) Da man die Krankheit sich selbst überließ, wurden die angeborenen Anomalien durch das Gehen schließlich irreversibel.
Am 27. 1. 1947 organisierten die Familienmitglieder des verkrüppelten Jungen eine Pilgerreise zum Grab der Dienerin Gottes Alfonsa von der Unbefleckten Empfängnis. In der Nacht vom 29. zum 30. Jänner 1947 verschwand die Deformation und der Bub konnte normal zur Schule gehen.

Lit.:  Alfonsa ab Immaculata Conceptione. Positio super Miraculo, Rom, 1983; Resch, Andreas: Wunder der Seligen 1983 – 1990. Innsbruck: Resch, 1999 (Wunder von Seligen und Heiligen; 1).

Alfonsinische Tafeln. Die im Auftrag > Alfons’ X. von Kastilien von 50 Astronomen erstellten Planetentafeln, welche jene des Ptolemäus ersetzten und bis in die Zeit Keplers der Kanon der Astronomie waren.

Lit.: Codex 2352 der Österreichischen Nationalbibliothek.

Alfrauen (wohl Alf-Frauen) sind in Kärnten Berggeister, die angeblich in den Felsen wehklagen. Dargebrachte Speisen belohnen sie, indem sie die Schüssel mit Gold und Silber füllen; hingegen wird Betrug in diesem Punkt von ihnen bestraft.

Lit.: Graber, Georg: Sagen aus Kärnten. Graz: Leykam-Verl., 1944.

Alfridarya ist eine Form der Astrologie, nach der jeder Planet das Leben eines Menschen eine bestimmte Zahl von Jahren beeinflusst.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Volume One. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 1984.

Algenie (engl. algeny), vom Nobelpreisträger Joshua Lederberg (* 1925) verwendeter Begriff zur metaphorischen Bezeichnung der Ziele und Aufgaben der neuen Epoche der Biotechnologie. Zum Zeitpunkt seiner Einführung 1983 war Algenie ein Kunstwort, das Alchemie und Genetik in Zusammenhang brachte. Der Begriff wurde von dem US-Umweltaktivisten Jeremy Rifkin in seinem Buch Algeny (1984) als das „Verbessern von existierenden und den Entwurf neuer Organismen mit dem Ziel, ihre Leistung zu vervollkommnen“ neu definiert. Der New Age-Denker Rifkin will, dass die Arten, die sich in einem Evolutionsprozess entwickelt haben, als Einheiten bestehen bleiben, und tritt daher für die Abschaffung der Gentechnik und das Verbot des Klonens ein. So verbindet Rifkin mit dem Begriff Algenie die Vorstellung der modernen „Algenisten“, durch Genmanipulation den perfekten Organismus herzustellen. Darin liege eine der größten Gefahren und Verirrungen auf dem Weg in eine humanere Zukunft.

Lit.: Rifikin, Jeremy: Algeny. New York: Viking, 1983; ders: Algeny. New York: Penguin Books, 1984; dt.: Rifkin, Jeremy: Genesis zwei: Biotechnik Schöpfung nach Maß. In Zusammenarbeit mit Nicanor Perlas. Dt. von Hainer Kober. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1986.

Al-Ghazali, Abu Hamid, arabischer Philosoph und Theologe, der größte Denker des Islam, 1059 in Tus in Chorasan (Persien) geboren, studierte in seiner Heimatstadt und in Nischapur und wurde 1091 theologischer Lehrer an der Nizami-Universität in Bagdad. 1095 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Mekka und führte dann als > Sufi (islamischer Mystiker) Jahre hindurch ein mystisch-beschauliches Wanderleben in Damaskus, Jerusalem und Alexandrien. Eine Zeit lang weilte er als Sufi in Tus und schrieb eine Reihe von Werken. Nach kurzem Wirken als Lehrer in Nischapur kehrte er nach Tus zurück, wo er ein Kloster für Sufis und eine Schule für Gesetzesstudien gründete und sich ansonsten mystischen Betrachtungen widmete. In seiner Selbstbiographie „Die Rettung aus dem Irrtum“ (al-munkidh min al-dalal) bekennt A., dass er nach dem Studium der verschiedenen philosophischen Systeme zum Skeptizismus an aller Philosophie gekommen sei. Seine philosophischen Kenntnisse verwerte er zum Beweis dafür, dass der Islam den übrigen Religionen und auch allen philosophischen Systemen überlegen sei. Er gilt als geistiger Erneuerer des Islam. Seine „Neubelebung der Religionswissenschaften“ (Ihya ‚ulum al-din) gilt als das klassische Werk der islamischen Theologie. Es ist in vier Teile gegliedert, wovon sich der erste Teil mit dem Glauben, der zweite mit Volk und Gesellschaft, der dritte und vierte mit dem Innenleben der Seele und mit dem Gedanken an Tod und Fortleben befassen.

In „Ziele der Philosophen“ (Makasid al-falasifa) stellt A. die arabisch-aristotelische Philosophie dar und bekämpft in seiner „Widerlegung der Philosophen“ (Tahafut al-falasifa) die Richtung des > Alfarabi und des > Avicenna, die dann Averroës in seinem Hauptwerk „Destructio destructionis“ (Tahafut al-tahafut) gegen Al-Ghazali und dessen Schrift verteidigt. Von A.s Werken seien noch erwähnt: „Die kostbare Perle“ (Ad durra‘l fahira), eine Darstellung der mohammedanischen Eschatologie, sowie die populär-ethische Schrift „Das Elixier der Glückseligkeit“ (Kimiya‘ al-sa‘ada).
Ghazali untersuchte die Philosophie letztlich mit dem Ziel, ihr Lehrsystem zurückzuweisen, da es sich an verschiedenen Punkten mit der Offenbarung im Widerspruch befand und von daher ein gefährlicher Einfluss auf die Muslime angenommen werden musste, was er vor allem in folgenden drei Punkten bemängelt:

1. ihre Lehre von der Ewigkeit der Welt: Gott sei in der Welt immanent. Daher kenne auch die Welt – wie Gott – keinen Anfang und kein Ende;

2. ihre Ablehnung der leiblichen Auferstehung: Nur die Seele, nicht aber der Körper nehme an der Auferstehung teil;

3. ihre These, dass Gott nur die Universalia, nicht aber die Partikularia kenne.

Dieser schonungslosen Kritik hielt nur das kontemplative Leben des Mystikers stand. So verließ er 1095 seinen Lehrstuhl in Bagdad, besuchte Mekka und zog sich anschließend in einen sufischen Konvent seiner Heimatstadt Tus zurück; er starb am 18.12.1111 nach einem kurzen Lehraufenthalt in Nischapur.

Gleich Avicenna und Alfarabi war er zudem der Meinung, dass die Fernwirkung der Seele nicht nur rein seelisch erfolge, sondern dass die Gedanken auch einen entfernten materiellen Körper allein durch die Einbildungskraft bewegen könnten. Da die Seele ein Teil der Weltseele sei und diese verändernd und bewegend auf Gegenstände wirken könne, müsse dies auch die Einzelseele vermögen. So meint Al-Ghazali auf die Frage, was das Prophetentum sei, dies sei der vierte Zustand der intellektuellen Entwicklung … wenn ein anderes Auge geöffnet sei, durch das ein Mensch Dinge wahrnehme, die anderen verborgen sind, und alles das erfahre, was sein werde, und Dinge wahrnehme, die dem Verstand entgehen.

W.: Das Elixier der Glückseligkeit. Aus dem Pers. und Arab. übertr. von Hellmut Ritter. M. e. Vorw. von Annemarie Schimmel. München: Diederichs, 1993; Über Rechtgläubigkeit und religiöse Toleranz: eine Übersetzung der Schrift „Das Kriterium der Unterscheidung zwischen Islam und Gottlosigkeit“ (Faysal at-tafriqa bayn al-Islam wa-z-zandaqa). Eingeleitet, übers. und mit Erl. vers. von Frank Griffel. Zürich: Spur-Verl., 1998; Die kostbare Perle im Wissen des Jenseits. Aus dem Arab. übers. von Mohamed Brugsch. Köln: GMSG, 2002.

Lit.: Azkoul, Karim: Glaube und Vernunft im Mohammedanismus, dargest. nach dem größten Denker des Islam, Al-Ghazali. München: Hueber, 1938; Volpi, Franco (Hg.): Großes Werklexikon der Philosophie. Bd. 1. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Algol, Beta Persei – 25°28’ Stier, heller veränderlicher Fixstern im Sternbild Perseus, im Sternzeichen Stier gelegen. Von Saturn und Jupiter beeinflusst, weist er auf Mord und Untergang hin. So wurde er bei den Arabern als Dämonenhaupt bezeichnet, bei den Juden stand er für den „Kopf des Satan“ oder > Lilith, die erste Frau Adams, die zu einem Vampir wurde, und bei den Griechen wurde er als Medusenhaupt bezeichnet. Die Ursache für diese Deutung dürfte darin zu suchen sein, dass ein dunkler Stern um ihn kreist und ihn von Zeit zu Zeit verdeckt, sodass der Eindruck entsteht, er sei ein böses blinzelndes Auge.

Lit.: Sahihi, Arman:  Das neue Lexikon der Astrologie: 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf; München: Ariston, 1991; Stelzer, Beate: Rotational Modulation of X-ray Flares on Late-type Stars: T Tauri Stars and Algol. Garching: Max-Planck-Inst. für Extraterrestrische Physik, 1999.

Algonkin ist die größte und am weitesten verbreitete Sprachfamilie der nordamerikanischen Ureinwohner. Ihr gehörten ursprünglich mehrere hundert Stämme mit nahezu 50 miteinander verwandten Sprachen an. Die Algonkin-Stämme bewohnten den größten Teil Kanadas südlich der Hudsonbai zwischen den Rocky Mountains und dem Atlantischen Ozean. Nach Süden hin erstreckte sich ihr Siedlungsgebiet, mit Ausnahme der Territorien der Sioux und Irokesen, bis zum nördlichen Rand der US-Bundesstaaten North Carolina und Tennessee. Verschiedene Stämme siedelten auch in isolierten Gebieten weiter südlich oder westlich, etwa in Teilen der heutigen US-Bundesstaaten South Carolina, Iowa, Wyoming und Montana. Viele Algonkin-Sprachen sind bereits ausgestorben oder extrem im Schwinden begriffen.

Ihre Geschichte und ihr Leben ist von zahlreichen Mythen und Legenden durchwoben, wobei sich die einzelnen Stämme in ihrem Glauben wenig unterscheiden. Fast alle ihre Erzählungen lassen auf einen gemeinsamen Ursprung schließen. Werden Sitten offenkundig ignoriert, wird der Übeltäter durch das Eingreifen eines Geistes bestraft. Wer hingegen mutig und gut ist, kann mit der Hilfe der Geister, auch der Tiergeister, rechnen. Dies hängt damit zusammen, dass die Nordamerikaner glaubten, die Tiere seien die ursprünglichen Einwohner des Kontinents und stünden den Menschen durchaus nicht nach. So gibt es auch böse Geister. > Kajote ist das krasse Gegenteil zum Schöpfergott > Maidu und die beiden Zwillingswölfe Malsun und Glooskap stehen sich in Rivalität gegenüber. Glooskap tötete seinen Bruder Malsun und kämpfte dann gegen die furchtbaren Monster, die nach dem Tod seines Bruders folgten. Er zog sich daher in die „Oberwelt“ zurück. Als er den Blicken der versammelten Tiere entschwand, mussten sie feststellen, dass sie nicht mehr miteinander kommunizieren konnten.

Zu den bekanntesten Algonkin-Stämmen gehören zunächst die Algonkin selbst, die der Sprachfamilie den Namen gaben; weiters die Amalecite, Arapaho, Schwarzfuß-Indianer, Cheyenne, Conoy, Cree, Delaware, Fox, Gros Ventre, Kickapoo, Massachuset, Miami, Micmac, Mohikaner, Montagnais, Musi, Narragansett, Naskapi, Nipmuc, Ojibwa, Ottawa, Pequot, Potawatomi, Sauk (oder Fox), Shawnee, Tête de Boule und die Wampanoag. Zu den wichtigsten Algonkin-Konföderationen zählen die Abnaki, die Pennacook und die Illinois.

Lit.: Dräger, Lothar: Formen der lokalen Organisation bei den Stämmen der Zentral-Algonkin von der Zeit ihrer Entdeckung bis zur Gegenwart: eine ethnohistor. Studie. Berlin: Akademie-Verl., 1968; Spence, Lewis: Mythen der Indianer. Mit einer Einführung von Arthur Cotterell. Augsburg: Pattloch, 1995.

Alhajoth, der Fixstern > Capella.

Al-Hallaj, Hussein ibn Mansur (858 – 922), sufischer Mystiker, geb. in al-Baida im Iran, war ein eigenwilliger und unabhängiger Geist. Zunächst Schüler des Mystikers Sahl al-Tustari, ging er nach Bagdad, wo er mit 18 Jahren Schüler der beiden bedeutenden Mystiker al-Makki und al-Junayd wurde. Bagdad war damals das Zentrum des > Sufismus. Unter den Sufis und auch der Bevölkerung Bagdads fiel al-Hallaj durch seine radikalen und schockierenden Äußerungen auf. Seine absolute Gottesliebe und seine Lehre von der liebenden Einigung des geschaffenen menschlichen und des ungeschaffenen göttlichen Geistes, die der Mensch in seltenen Augenblicken der Ekstase erfahren könne, erschien den Theologen und Gelehrten unerlaubt bis unmöglich. Hinzu kamen Berichte über angebliche Wundertaten. Man warf ihm vor, er sei Alchemist und Christ, weil er die Behauptung aufstellte, der Sufismus sei die Wahrheit aller Religionen, Jesus Christus habe den Rang eines Sufilehrers und die Pilgerfahrt nach Mekka könne man an jedem Ort vollziehen, wenn man nur die Rituale beachte. In einem Zustand höchster Verzückung (> Baqa) soll er ausgerufen haben: „Ana al-Haqq“ („Ich bin die Wahrheit“). 912 wurde er verhaftet und am 26. März 922 trotz der Fürsprache hochgestellter Persönlichkeiten hingerichtet.

Auf dem Weg zur Hinrichtung lachte und tanzte er in seinen Fesseln. Als man ihm die Zunge abschneiden wollte, so berichtet Fariduddin’Attar, erbat er Zeit für ein Wort und betete: „O Gott“, schrie er gen Himmel, „verstoße sie nicht wegen der Leiden, die sie mir um Deinetwillen antun, noch entziehe ihnen die Glückseligkeit. Gelobt sei Gott, denn sie haben meine Füße abgehackt, als ich auf dem Wege zu Dir war. Und wenn sie mir den Kopf abschlagen, so haben sie mich doch auf die Höhe des Galgens gebracht, wo ich Deine Majestät betrachte.“ Dann schnitten sie ihm Nase, Ohren und Zunge ab und enthaupteten ihn.

Lit.: Dahdal, Naser M.: Al-Husayn Ibn Mansur Al-Hallag: vom Missgeschick d. „einfachen“ Sufi zum Mythos vom Märtyrer Al-Hallag. Erlangen: Lehrstuhl für Geschichte u. Theologie d. christl. Ostens, 1983; Schimmel, Annemarie: Hallag, al-Husain Ibn-Mansur al-: „O Leute, rettet mich vor Gott“: Texte islamischer Mystik. Freiburg i. Br.: Herder, 1995.

Ali, Sohn des Abu Tailib und ein leiblicher Vetter Muhammads, der ihn adoptierte. Er heiratete Fatima, Muhammads Tochter, und hatte drei Söhne von ihr, Hasan, Husain und Muhassin. Ali war der vierte und letzte der vier „rechtgeleiteten“ Kalifen (656 – 661). Nach dem Tod Muhammads weigerte er sich, die Wahl Abu Bakrs zum Kalifen und dessen Nachfolger Umar und Utman anzuerkennen. Vor allem soll er ihnen gegenüber seine Abneigung gegen jede Art politischer Praxis geäußert haben, die nicht seiner Auffassung von den Geboten des Korans und der Sunna des Propheten entsprach. In diesen Auseinandersetzungen um das Kalifat verlor Ali jedoch zusehends an Ansehen und Macht und fiel schließlich in Kufa im Alter von 59 Jahren dem Dolch des Charidschiten Ibn Muldscham zum Opfer; er starb am 21. 1. 661.

Um seine Grabstädte nahe Kufa ist später die Stadt Nagaf entstanden, die einen der bedeutendsten schiitischen Wallfahrtsorte darstellt und wo sich bis heute fromme Schiiten begraben lassen. Für die Schiiten ist Ali nämlich der durch Koran und Hadith legitimierte rechtmäßige Nachfolger des Propheten, also der erste Imam, und somit der bedeutendste Muslim nach Muhammad. Die Sunniten weigern sich hingegen, Abu Bakr, Umar und Utman als Usurpatoren anzusehen, verehren Ali jedoch als hervorragenden Prophetengefährten und rechtmäßig gewählten Kalifen.

In der Schi’a und im Sufismus wird kein Mensch höher verehrt als Ali, da er als Träger der geheimen Offenbarung des Propheten als erster „Imam“ erscheint. Wie Jesus ist er in den Himmel aufgefahren, von wo er wieder erwartet wird.

Lit.: Enkiri, Gabriel: Les deux hâeros de l‘Islam: Ali–Hussein. Beyrouth: Editions Dar al-Kitab Allubnani, 1969.

ALI PULI, auch alipuli, alipili u. Ä., Pseudonym des Autors von Centrum naturæ concentratum: oder ein Tractat von dem wiedergebohrnen Saltze der Natur, insgemein uneigentlich genennet Der Weisen Stein. Der Traktat wurde von einem Alchemisten in Arabisch unter dem Decknamen Ali Puli geschrieben, „einem Asiatischen Mohren“, der vom moslemischen zum christlichen Glauben konvertierte. Die Arbeit ist an die gelehrten Freunde und Kollegen der Forschung in der Welt der Natur gerichtet und beruht auf der Idee der inneren Transmutation des Körpers parallel zur äußeren und der Erforschung des Pharmakons in Zusammenhang mit einer zweideutigen okkulten Medizin, welche die Erhabenheit der Natur wiederherstellt. Das Werk wurde danach angeblich aus dem Arabischen in das Portugiesische und anschließend in das Hochdeutsche übersetzt und von Johann Otto Helbig, Dr. der Philosophie und Medizin, 1682 herausgegeben. Die englische Übersetzung erfolgte 1696. Das Werk hatte großen Einfluss auf das alchemistische Denken.

W.: Centrum Naturae Concentratum: oder ein Tractat von dem wiedergebohrnen Saltze der Natur, insgemein uneigentlich genennet Der Weisen Stein / in Arab. geschrieben von Ali Puli … Darnach in portugallische Sprache durch … und ins Hoch-Teutsche versetzet u. hrsg. von Johann Otto Helbig, Rittern. [S.l.], 1682.

Alienation (lat., Entfremdung), 1. das Anderswerden von Personen, Gegenständen und Umständen für den Wahrnehmenden; 2. die entwicklungs- und sozialpsychologische Entfremdung, das Entfremden bei Perversionen, paranormalen Phänomenen und in psychotischen Zuständen.

Lit.: Geyer, Rudolf Felix: Alienation Theories: a General Systems Approach. Oxford u. a.: Pergamon Press, 1980; Khan, Mohammed Masud R.: Entfremdung bei Perversionen. Übers. von Waltrud Klüwer. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1989; Dettwiler-Bienz, Susanne: Die Entfremdung des Kindes von einem Elternteil in Scheidungssituationen: Parental-Alienation-Syndrome – Entstehung und Auswirkung der Entfremdung und Interventionsmöglichkeiten. – Bern: Ed. Soziothek, 2003.

Aliens > Außerirdische.

Alis de Telieux wurde als der > Poltergeist in der Abtei von Saint Pierre in Lyon identifiziert. Am 16. Februar 1525 wurde Adrien de Montalembert, Prediger am Hof von Franz I. von Frankreich, um Rat zu einem Poltergeistphänomen in der Abtei von Saint Pierre befragt. Die Ereignisse begannen, als die 18-jährige Nonne Antoinette de Grollee in der Überzeugung aufwachte, dass ihr jemand den Schleier genommen, das Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht und sie auf den Mund geküsst habe. Die Schwester dachte zunächst an einen Traum, doch hörte sie einige Tage später Klopfzeichen, die von unter der Erde kamen und sie überallhin verfolgten. Schließlich erkannte man, dass die Klopfgeräusche vom Geist der Alis de Telieux verursacht wurden, die 1513 im Kloster gelebt, liturgische Gefäße vom Altar entwendet, diese nach Verlassen des Klosters verkauft und ein ausschweifendes Leben geführt hatte. Vor ihrem Tod 1524 hatte sie sich auf die Fürbitte der Mutter Gottes hin bekehrt, war aber ohne jedes Gebet beerdigt worden.

Die Nonnen ließen den Leichnam exhumieren und in den Konvent überführen, doch die Klopflaute wurden häufiger. Bei der Befragung antwortete der Geist nach der vorher festgelegten Anzahl der Geräusche mit Ja oder Nein. Adrien de Montalembert empfahl daraufhin den Exorzismus. Dann schrieb er: „Ich hörte die Klopflaute öfters und auf meine Fragen hin wurden so viele gegeben, wie ich verlangte.“

Lit.: La merveilleuse histoire de l’esprit, qui depuis naguère, s’est apparu au monastère de religieuse de Saint Pierre de Lyon, laquelle est pleine de grande admiration, comme on pourra vois par la lecture de se prèsent livre, par Adrienne de Montalembert, aumonier du roi François Ier. Paris, 1528.

Alisanos (griech.), auch in der Form deus Alisanus (lat.), ist ein gallischer Lokalgott, nach Inschriften für die Gegend der Côte d’Or belegt. Der Ortsname Alesia dürfte direkt mit diesem Gott in Verbindung stehen. Es wurde versucht, ihn als Hauseberesche-Gott näher zu bestimmen.

Lit.: Lurker, Manfred:  Lexikon der Götter und Dämonen: Namen, Funktionen, Symbole / Attribute. 2., erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1989.

Aliyan, allgemein mit „Allmächtiger“, „Sieger“ und „Machthaber“ übersetzt, wird oft als Attribut in der Mythologie des Baal von Ugarit verwendet. A. war ursprünglich aber wohl der ältere Gott. Er ist der Hüter der Quellen, der Brunnen und der unterirdischen Wasserläufe. Er lässt das Korn wachsen, kann aber auch Überschwemmungen verursachen. Seine Wohnung „Zebul“ befand sich anfänglich in den Tiefen der Erde. Als Quellengott ist er zugleich auch Meeresgott.

In der Götterwelt der Kanaaniter ist die kriegerische Jungfrau Anath die Schwester, manchmal auch die Geliebte des A., wohl eine Erscheinungsform der > Astarte, die als Fruchtbarkeits- und Liebesgöttin der babylonischen > Ischtar oder der sumerischen > Inanna entspricht, welche in Babylonien und auch in Phönizien hohes Ansehen genoss.

Die Stadt Inannas ist Uruk und der Feind und Gegenspieler des > Baal und des Aliyan Baal ist > Mot oder, wie er später genannt wird, Molk, der über die ausgetrocknete Erde und das Reich des Todes regiert und zudem auch die Personifikation des Sommers und der Ernte ist.

Lit.: Dussaud, Renée: Les dâecouvertes de Ras Shamra (Ugarit) et l‘Ancien Testament. Paris: P. Geuthner, 1941; Van der Toom , Karel / Becking, Bob / Van der Horst, Pieter W. (Hg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD). Second extensively revised edition. Leiden; Boston; Köln: Eerdmans; Brill, 1999, S. 18 – 20.

Alkabetz, Rabbi Schlomo HaLevi, Kabbalist und Dichter, wurde um 1500 in Saloniki geboren, ging nach seiner Heirat nach Adrianopel (heute Edirne) in der Türkei, wo er Unterricht gab und die Bücher Beit Hashem, Avotot, Ahava, Ayelet, Ahavim und Brit HaLevi schrieb. Letzteres widmete er seinen Verehrern in Adrianopel. 1536 ließ er sich in Safed nieder, wo er 1580 starb. Sein bekanntestes Werk ist der Hymnus Lecha Dodi, der einen solchen Anklang fand, dass er in die Sabbat-Liturgie aufgenommen wurde.

Lit.: Shaarei shabbat: [songs and blessings for your Jewish home]. New York, NY: Transcontinental Music Publications, 1992.

Alkahest oder Menstruum universale, wörtlich „universales Lösungsmittel“, eines der größten Geheimnisse der > Alchemie, das der Bereitung des Steins der Weisen, des > Lapis philosophorum und des Trinkgoldes, des > Aurum potabile, gleichkommt. Die Wortbedeutung des Begriffs „Alkahest“ ist ungeklärt. Diesbezügliche Spekulationen führten zu alcaliest, „alles ist“, und zu „allgeist“. Wahrscheinlich ist A. jedoch ein von > Paracelsus erfundenes Wort zur Bezeichnung eines Leberheilmittels. In der Alchemie wurde A. dann zur Benennung des universalen Lösungs- bzw. Trennungsmittels verwendet, mit dem tierische, pflanzliche und mineralische Körper in ihre Grundbestandteile zerlegt werden können.

Baptist > van Helmont (1577 – 1644) setzt es dem paracelsischen sal circulatum gleich, das Substanzen in ihre Bestandteile zerlegen kann. Nach dieser Zerlegung der Körper könnten diese dann zur > Materia prima, zum Urwasser, zurückgeführt werden. Seiner Meinung nach wohnt dem A. nicht nur die Kraft des Zerlegens inne, sondern auch des Reinigens, etwa des Höllenfeuers. Über die Zubereitung des A. finden sich bei ihm jedoch keine exakten Angaben. Die Suche nach dem A. lebte vor allem im ausgehenden 17. Jh. auf. Man versuchte sich in der Herstellung des A. unter Anwendung von Weinstein, Urin, Essig, offaalba, d. h. mit Weingeist ausgefälltem Ammoniumcarbonat, sowie Vitriol.

Dem A. wurde auch die Fähigkeit zugeschrieben, gewöhnliches Glas formbar und schmiedbar zu machen.

Im mystischen Bereich bedeutet A. auch das geistige Ich, das Göttliche im Menschen.

Nach H. P. > Blavatsky ist A. eine primordiale Erde, die sämtliche irdische Körper mit Ausnahme von Wasser auflösen und verändern kann.

Lit.: Tachenius, Otto: Epistola de famoso liquore alkahest. Venedig, 1655; Principe, Lawrence M.: Alkahest. In: Claus Priesner / Karin Figala: Alchemie (Hg.): Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998; Starkey, George: Liquor Alkahest. London, 1675; Blavatsky, H. P.: Isis entschleiert: ein Meisterschlüssel zu den Geheimnissen alter und neuer Wissenschaft und Theologie. Erster Band: Wissenschaft. – s. l.

Alkalien, Bezeichnung für die basisch reagierenden Oxide bzw. Hydroxide der Alkali- und Erdalkalimetalle sowie deren wässrige Lösungen. In der > Alchemie wird der Begriff auch für deren Carbonate bzw. Hydrogencarbonate und später für die entsprechenden Ammoniumverbindungen verwendet. Die älteren Alchemisten kannten nur das Alkali schlechthin, zudem gingen sie von der Existenz einer einzigen Säure „an sich“ aus.

Lit.: Priesner, Claus / Figala, Karin (Hg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998.

Alke, Name eines Spukgeistes im „Alkenkrug“, einem Wassertümpel in Alfhausen in Westfalen. Er gilt als Geist eines Krugwirtes gleichen Namens, der dort wegen seiner Gottlosigkeit samt seinem Krug versunken sein soll.

Lit.: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen anderen, besonders der angrenzenden Gegenden Norddeutschlands: 2 Bde. in 1 Bd. / von Adalbert Kuhn. Hildesheim; New York: Olms, 1973, Bd. 1. Nr. 33b.

Alken (lat. Alcis). Für den römischen Schriftsteller Tacitus sind > Castor und Pollux das urzeitliche nordische Götterpaar namens > Alcis. Der Name Alcis wird mit dem urgermanischen und gotischen Wort Ahls identifiziert, welches „Heiligtum“ bedeutet – jener Ort, an dem laut dem Gedicht Grimnismal der Sonnengott > Heimdall regierte. Alcis kann aber auch mit dem angelsächsischen Verb „ealzian“ (ealgian), was „schützen“ bedeutet, in Verbindung stehen. Diese Deutung stimmt mit der Vorstellung überein, wonach zwei schutzgebende Lichtgottheiten, die Söhne des Sonnengottes > Dyaus, über ihre jeweilige Hälfte des Sonnenjahres herrschten: den hellen Sommer bzw. den dunklen Winter.

Lit.: Sñmund Sigfússon, hinn fróói: Le message de Skirnir et les dits de Grimnir (Skirnisför – Grimnismál): poèmes tirés de l’Edda de Saemund / publ. avec des notes philologiques, une traduction et un commentaire perpétuel par F. G. Bergmann. Strasbourg; Paris, 1871; Tacitus, Cornelius: Germania: lateinisch und deutsch. Übers., erl. und mit einem Nachw. hrsg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclam, 2000.

Alkestis ist in der griechischen Mythologie die Tochter des Pelias und der Anaxibia, Gemahlin des Admetos, des Königs von Thessalien. > Apollon, der die > Kyklopen ermordete, musste ein Jahr lang als Hirte bei Admetos dienen. Er wurde ein Freund des Königs und verhalf ihm zum Besitz der viel umworbenen Alkestis. Da Admetos das vorhochzeitliche Opfer an > Artemis vergaß, schickte ihm die Göttin Schlangen in das Brautgemach. Und da noch weitere Rache zu befürchten war, nahm Apollon den > Moiren, den Schicksalsgöttinnen, die den Menschen den Anteil am Leben zuteilen, das Versprechen ab, dass Admetos weiterleben dürfe, wenn ein anderer freiwillig für ihn in den Tod ginge. Seine Eltern lehnten dieses Opfer ab, seine Frau Alkestis aber war zum Tod bereit. Wegen ihrer Liebe und ehelichen Treue wurde sie von > Herakles dem > Thanatos im Kampf entrissen und ihrer Familie zurückgegeben.

Diese Geschichte wurde Thema zahlreicher literarischer Arbeiten, künstlerischer Darstellungen und musikalischer Gestaltungen.

Lit.: Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988; Fühmann, Franz: Alkestis: Stück mit Musik in einem ersten Akt, einem zweiten Akt, zwei dritten Akten und einem Vorspiel; dazu 327 deliziös-verklärte Varianten zur Hintergrundforschung mythologisch bedingter Träume bzw. Landschaften im Weltbild antiker Dramen… 5 Ostraka-Palimpseste aus d. Kramladen d. Antike (in Aquatintamanier) von Heiner Ulrich. [Hrsg. u. mit e. Nachw. versehen von Ingrid Prignitz]. Rostock: Hinstorff, 1989; Euripides: Alkestis: griechisch / deutsch. Übers. und hrsg. von Kurt Steinmann. Stuttgart: Reclam, 2002.

Al-Kindi, Abu Yusuf Yaqub Ibn-Ishaq al-Kindi (ca. 800 – 866), auch Alkindus genannt, war einer der berühmtesten arabischen Gelehrten seiner Zeit. Als Arzt und Philosoph übersetzte er Schriften des Aristoteles und anderer griechischer Philosophen in das Arabische. Er befasste sich mit allen ihm zugänglichen Wissensgebieten und legte die Ergebnisse seiner Forschungen in schriftlicher Form nieder. 200 Schriften nennen ihn als Autor. Al-Kindi versuchte vor allem die > Magie als Wissenschaft zu begründen. Er war nämlich der Ansicht, dass die menschliche Vorstellungskraft Strahlen auf Gegenstände aussenden und durch Bewegung und Sprache ihre reale Form entsprechend verwandeln könne. Er bezieht sich dabei auf die Macht der Zaubersprüche, deren Wirkung durch bestimmte astrologische Konstellationen noch gesteigert werde. Nicht nur Worte hätten eine solche magische Kraft, sondern auch Figuren, Schriftzeichen, Idole und Opfergaben. Sie alle würden Strahlen aussenden, die ihrerseits aufgrund der herrschenden Sternenkonstellationen ihre Wirkungen entfalteten. So beschäftigt sich auch die Mehrheit seiner Schriften mit Astrologie, von denen > Gerhard von Cremona einige in das Lateinische übersetzte. Aus diesem Grunde wird Al-Kindi als einer der geistigen Väter der arabischen > Astrologie bezeichnet. Sein Werk wurde durch die Überlieferung seines Schülers > Albumasar bekannt.

W.: Astrorum iudices Alkindus Gaphar de pluviis imbribus et ventis ac aeris mutatione. Venetiis: Petrus Liechtenstein, 1507; Alchidi medicorum perspicacissimi de medicinaru compositarum gradibus iuestigadis libellus. 1538; Métaphysique et cosmologie. Leiden [u. a.]: Brill, 1998.

Lit.: Fluegel, Gustav: Al-Kindî, genannt „der Philosoph der Araber“, ein Vorbild seiner Zeit und seines Volkes. Leipzig: Brockhaus, 1857; Die philosophischen Abhandlungen des Jaqub Ben Ishag al-Kindi / zum ersten Male hrsg. von Albino Nagy. Münster: Aschendorff, 1897; Gierer, Alfred: Eriugena, al-Kindi, Nikolaus von Kues – Protagonisten einer wissenschaftsfreundlichen Wende im philosophischen und theologischen Denken: with summarizing English version: Eriugena, al-Kindi, Nicholas of Cusa – Protagonists of Pro-scientific Change in Philosophical and Theological Thought. Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (Saale). Leipzig: Barth, 1999.

Alkmaar, die Märtyrer von. Nachdem sich die holländische Stadt Alkmaar während des Aufstandes der Niederlande gegen die spanische Fremdherrschaft 1572 auf die Seite der Aufständischen geschlagen hatte, wurden bei einem Überfall auf das Franziskanerkloster die Patres Daniel von Arendonck, Cornelius von Diest, Johannes von Naarden, Ludovicus Voets und Bruder Adrianus von Gouda von den Geusen nach Enkhuizen gebracht und dort am 24. 6. 1572 wegen ihres Glaubens an die Gegenwart Christi im Altarsakrament erhängt. Ihre Leichen warf man an die Meeresküste, wo nach Zeugnissen von Zeitgenossen nachts fünf Lichter zu sehen waren.

Lit.: Lampen, W.: Der martelaren van Alkmaar en hunt tijd. Alkmar, 1922.

Alkmaíon (att. Alkmeon), Sohn des Amphiaraos und der Eriphyle, die sich von Polyneikes mit dem Halsband der > Harmonia bestechen lässt und das Versteck ihres Gatten verrät, sodass dieser am Zug der Sieben gegen Theben teilnehmen muss, obwohl er dessen unglücklichen Ausgang voraussieht. Der Vater beauftragt Alkmaíon, ihn an der Mutter zu rächen, die ihre beiden Söhne überredete, an dem Feldzug teilzunehmen. Nach der Rückkehr aus Theben tötet Alkmaíon seine Mutter. In Psophis heiratet er dann Arsinoe, die Tochter des Phegeus, und schenkt ihr den schicksalhaften Schmuck seiner Mutter. Das Thema fand Eingang in Literatur (Voltaire, 1732) und Oper (Erifile, 1697, 1777, 1785; Galliroe, 1770; Alcmeone, 1782).

Lit.: Herzog-Hauser, Gertrud: Harmonias Halsband. In: Wiener Studien 43 (1922 / 23), 7 – 35; Schadewaldt, Wolfgang: Zu einem Florentiner Papyrusstück aus dem ,Alkmeon in Psophis‘ des Euripides. In: Hermes 80 (1952), 46 – 66; Hunger, Herbert:  Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.

Alkmene, auch Tirynthia, „Frau aus Tiryns“, nach der Stadt Tiryns (Ovid: Metamorphosen, VI, 112), ist die Tochter der Anaxo und des Elektryon, König von Mykene. Nach Hesiod war sie eine Geliebte des Zeus: „Alkmene gebar den starken Herakles, mit Zeus, dem Wolkenversammler, in Liebe vereint“ (Theogonie, 943 – 944).

Ehemann der A. soll ihr Onkel > Amphitryón geworden sein, der versehentlich ihren Vater tötete, sodass beide nach Theben flüchten mussten. Zeus näherte sich A., als Amphitryón auszog, um ihre Brüder zu rächen, die von den Söhnen des Pterelaos getötet worden waren. Nach neun Monaten gebar A. zwei Knaben, > Herakles, der von Zeus stammte, und Iphikles, den Sohn des Amphitryón, von dem sie auch noch einen weiteren Sohn, den Polyphem, hatte. Dieser kämpfte gegen die Kentauren und nahm an der Fahrt der > Argonauten teil.

A. wurde in Theben, Attika und Megara kultisch verehrt. Ihr Schicksal besangen Aischylos und Euripides, doch gelten die Tragödien beider als verschollen. Auch Heinrich Kleist befasste sich mit dem Thema.

Lit.: Klebe, Giselher: Alkmene: Oper in drei Akten; op. 36; [Textbuch]. Libretto nach Heinrich von Kleist. Berlin; Wiesbaden: Bote u. Bock, 1961; Hesiodus: Theogonie. Hrsg., übers. und erl. von Karl Albert. Sankt Augustin: Academia-Verl., 2005.

Al Kochodan (arab., „Herrscher der Jahre“), dasjenige Gestirn, das sich in der Position des > Almutin bzw. des > Hyleg befindet und die größte Macht hat, wenn es das Gestirn Almutin / Hyleg in einem Aspekt ansieht.

Lit.: Sahihi, Arman:  Das neue Lexikon der Astrologie: 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf; München: Ariston, 1991.

Alkohol, Trivialname für Ethylalkohol, Ethanol, CH3CH2OH. Farblose Flüssigkeit, in jedem Verhältnis mischbar. Weitere Bezeichnungen: Weingeist, spiritus, spiritus vini, acqua ardens, acqua vitae. Die Bezeichnung „Alkohol“ hat im Laufe der Zeit mehrfachen Bedeutungswandel erfahren. Ursprünglich bezeichneten die Araber mit al-kuhl den Stibnit, das häufigste Antimonmineral, das bereits in der Antike in Ägypten als Augenschminke weit verbreitet war. Die arabischen Alchemisten des Mittelalters verwendeten kuhl in ihren Operationen und zur Bezeichnung aller feinpulverigen Substanzen. Schließlich verband man mit kuhl den Begriff des Feinen, Subtilen, Essentiellen. Das spätlateinische Verb alcoolizare und seine landesprachlichen Äquivalente bezeichnen die Umwandlung einer Substanz in ein sehr feines Pulver. > Paracelsus (1493 – 1541) verwendet den Ausdruck alcool vini zur Bezeichnung der subtilen Essenz, die bei der Destillation von Wein gewonnen wird, also für Ethanol.

Die Alchemisten faszinierte der Alkohol wegen zweierlei Eigenschaften, die nach der alchemischen Elementenlehre nicht vereinbar waren: seine Flüssigkeit, womit er zum Element Wasser, und seine Brennbarkeit, womit er zum Element Feuer gehört.

Schon früh wurde Alkohol als Arznei verwendet, wie der Ausdruck aqua vitae, Lebenswasser, verdeutlicht, aber auch als Kulturdroge mit unzähligen literarischen und psychiatrischen Beschreibungen.

Lit.: Paracelsus: Liber praeparationum. In: K. Suddhoff / W. Matthiesen (Hg.): Sämtliche Werke /Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus. München; Berlin, 1930, Bd. 1, Tl. 2. S. 339; Bd. 1, Tl. 3, S. 312; Linde, Otfried K.: Am Anfang war der Alkohol: eine Einführung in die Geschichte der Psychopharmaka. Klingenmünster: Tilia-Verl. Mensch und Medizin, 1991; Vannini, Claudio:  Halluzinogene: Entwicklung der Forschung, 1938 bis in die Gegenwart, Schwerpunkt Schweiz / M. e. Geleitwort v. Christian Scharfetter. Berlin: VWB, Verl. für Wiss. und Bildung, 1999, S. 54 – 69.

Alkoyl, Eucharistiewunder. Aus der Pfarrkirche von Alkoyl wurde ein silberner Kelch mit Hostien gestohlen. Alles Suchen blieb erfolglos. Die Witwe Maria Miralles, deren Wohnung bei einem Stall lag, in dem der später als Dieb entlarvte Juan Prats seine Färberei und seine Zuchttiere untergebracht hatte, betete nun vor einer Statue des Jesuskindes, die sich in ihrer Wohnung befand und in Zeiten der Not schon des öfteren auf einem öffentlichen Platz im Dorf aufgestellt worden war, und bat inständig darum, dass man die Hostien wieder finden möge. Plötzlich bemerkte sie, dass das rechte Händchen der Statute auf den Fußboten zeigte. Beim Suchen im Stall unter der Wohnung fand man dann am 31. Januar 1568 den Silberkelch und die kleine Truhe mit den drei Hostien. Das Ereignis ist durch mehrere amtliche Akten aus jener Zeit belegt und wurde in Darstellungen verschiedenster Art verewigt.

Lit.: Haesele, Maria: Eucharistische Wunder aus aller Welt [Hrsg.: Arnold Guillet]. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 1995.

Alkyone (griech.), Gestalt der griechischen Mythologie, derzufolge sich Alkyone, Tochter des Aiolos und der Enarete (Apollod. 1, 7, 3 f.), und ihr Gatte, König Keyx, für so glücklich hielten, dass sie sich Hera und Zeus nannten, weshalb Alkyone zur Strafe in einen Eisvogel und Keyx in einen Tauchervogel verwandelt wurde. Um die Eier des Eisvogels während der Brutzeit zu schützen, ließ Zeus eine 14-tägige Windstille eintreten, die als „Alkyonische Tage“ eine unbeschwerte, glückliche Ruhe bezeichnen (Ovid, Metamorphosen 11.410 – 750).

Alkyone ist auch die Bezeichnung einer Nymphe der > Plejaden und weiterer mythologischer Gestalten.

Lit.: Die griechische Sagenwelt: Apollodors mythologische Bibliothek / [aus dem Griech. von Christian Gottlob Moser und Dorothea Vollbach]. Köln: Parkland-Verl., 1997; Ovidius Naso, Publius: Metamorphosen. Hrsg. und übers. von Gerhard Fink. Düsseldorf; Zürich: Artemis und Winkler, 2004.

Al-Lat (arab., „die Göttin“), in vorislamischer Zeit in Zentral- und Nordarabien verehrte Göttin. Sie galt als eine der drei Töchter Allahs und wurde mit dem Planeten Venus in Verbindung gebracht. Ihr Heiligtum war ein in Ta’if bei Mekka verehrter weißer Granitblock, der an die spätere Kaaba von Mekka erinnert, wo A. ursprünglich als Mondgöttin verehrt wurde. Ihr Symbol ist der Halbmond, der heute auf islamischen Flaggen zu sehen ist. Im Koran wird al-Lat in Sure 53, 19 – 23 gemeinsam mit zwei weiteren vorislamischen Göttinnen, > al-Uzza und > Manat, als heidnische Göttin erwähnt.

Lit.: Krone, Susanne: Die altarabische Gottheit al-Lat. Frankfurt / M. u. a.: Lang, 1992 (Heidelberger orientalistische Studien; 23).

All (griech. pan, lat. universum) bezeichnet das umfassende Ganze des Wirklichen, die Welt im Ganzen (Weltall). In der Sprache der Bibel bezeichnet es Himmel, Erde, Vergangenes Gegenwärtiges und Zukünftiges. Der Schöpfer wird gepriesen, weil das All aus ihm kommt, in ihm besteht, auf ihn hingeordnet ist und in ihm die Einheit findet (Röm 11, 36). Das All umfasst zudem die „Mächte und Gewalten“, die weltlichen Kräfte, die Christus seiner Herrschaft unterstellt (1 Kor 15, 25).

Mit den Sinnen ist das All nur zum Teil erfassbar. Hingegen kann es in veränderten Bewusstseinszuständen, wie in Träumen und ekstatischer Schau, zu All-Erlebnissen und All-Gefühlen kommen, die sowohl kosmische Angst als auch kosmische Geborgenheit beinhalten können. Daher wird das All oft mit dem Absoluten, dem Undurchschaubaren und dem Ewigen in Verbindung gebracht. Dabei kommt die Frage nach außerirdischem Leben zum Tragen, die außer von Ufologen auch von offizieller wissenschaftlicher Seite zunehmend aufgegriffen wird, wie etwa bei der Marsforschung. Über Entstehung und Größe des Weltalls liegen letztlich nur Annahmen vor.

Lit.: Upanishaden: die Geheimlehre der Inder. Übertr. u. eingel. v. Alfred Hillebrandt; m. e. Vorw. v. Helmuth v. Glasenapp. München: Diederichs, 101977; Alien Discussions: von Außerirdischen entführt; Forschungsberichte und Diskussionsbeiträge zur Konferenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, über das Abduktionsphänomen  / Geleitwort von David E. Pritchard und John E. Mack. Frankfurt / M.: Zweitausendeins, 1996; Reeken, Dieter von: Bibliographie der selbständigen deutschsprachigen Literatur über außerirdisches Leben, UFOs und Prä-Astronautik: Zeitraum 1703 – 1995. Lüdenscheid: Ges. zur Erforschung des UFO-Phänomens, 1996.

All Hallow’s Eve > Halloween.

Allachästhesie (griech. allache: woanders, aisthesis: Sinneswahrnehmung), Unfähigkeit zur richtigen räumlichen Einordnung von Berührungs-, Schmerz -und Temperaturreizen.

Handelt es sich um Störungen des Richtungshörens durch Hördauer oder Tondifferenzen zwischen linkem und rechtem Ohr, so spricht man von akustischer Allachästhesie.

Das Phänomen der Allachästhesie wird auch mit der > Sinnestransposition in Verbindung gesetzt.

Lit.: Bonin, Werner: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete: mit 3000 Stichwort-Artikeln und zahlreichen Fallbeispielen. Sonderausgabe. Bern; München: Scherz, 1988; Roche-Lexikon Medizin, hrsg. von der Hofmann-La Roche AG und Urban & Fischer. München: Urban und Fischer, 2003.

Allah (arab. al-ilah, „der Gott“), in vorislamischer Zeit oberste Gottheit, Schöpfer der Erde und Spender des Wassers. Das Wort „Allah“ steht mit der dem alten Semitismus gemeinsamen Bezeichnung der Gottheit (hebr. Eloah, Elohim) in Zusammenhang. In der monotheistischen Lehre Muhammads ist A. der einzige, allmächtige, allwissende Gott, dem von Seiten der Menschen Ergebung (islam) gebührt. Für arabische Christen und Muslime ist A. einfach die Bezeichnung für „Gott“. Es wäre daher falsch, in nicht-arabischen Sprachen von Allah als dem Gott der Muslime zu sprechen, wenngleich die islamische Gottesidee sich von der christlichen unterscheidet. So lehnen die Moslems den Dreifaltigkeitsgedanken des christlichen Gottesbegriffes ab. Das Wesen Allahs wird durch den ersten Satz des muslimischen Glaubensbekenntnisses (Kalimah) – „la ilaha illa ’llahu“ – (es gibt nichts außer Gott) ausgedrückt und durch die „99 schönsten Namen“ (daher die 99 Perlen des islamischen Rosenkranzes) beschrieben, die von den Gläubigen rezitiert werden.

Da A. einzig und ganz anders als alles Erschaffene ist, ist auch jede bildliche Darstellung verboten; allerdings ist es moslemischen Künstlern erlaubt, Kalligraphien mit seinem Namen zu schaffen.

Lit.: Bey, Essad: ,Allah ist groß‘: Niedergang und Aufstieg der islamischen Welt. München: Matthes & Seitz Verlag GmbH, 2004; Khawaldeh, Samira F.: Allah: Seine schönsten Namen / The Most Beautiful Names of Allah: Text in English. Wettenberg, Hess: VVB Laufersweiler, 2004.

Allbeseelungslehre > Panpsychismus.

Allegorese (griech. allegorein, bildlich oder anders reden), Auslegung und Deutung von Texten und Mythen durch die > Allegorie, denen man hinter dem Wortlauf einen verborgenen Sinn unterstellt. Gleiches gilt für die Aktualisierung von Formulierungen, die unzeitgemäß sind, an deren Ausdrucksform man jedoch festhalten will. So hat der > Babismus das Paradies des Korans umgedeutet in „geistliche Vollendung“, die Hölle in „Ungewissheit derer, die die mystische Vereinigung nicht kennen“. Meister der Allegorese waren die Stoiker, Neuplatoniker, Traum- und Orakeldeuter, die Apokalyptiker und insbesondere die Esoteriker, welche sämtliche Riten, Ämter, Institutionen, Texte und Handlungen allegorisch deuten.

Lit.: Klauck, Hans-Josef: Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten. Münster (Westfalen): Aschendorff, 1978; Harvey, David: Das kleine Handbuch Esoterik. München: Heyne, 1994; Die Allegorese des antiken Mythos / hrsg. von Hans-Jürgen Horn und Hermann Walter. Wiesbaden: Harrassowitz, 1997; Das Lexikon der Orakel: Der Blick in die Zukunft / Hrsg. Wolfgang Bauer; Clemens Zerling. München: Atmosphären, 2004.

Allegoria alchymica (lat., alchemistische Allegorie). Nach C. G. > Jung (1875 – 1961) ist zum Verständnis der alchemistischen Parabeln die Kenntnis der Symbolik der > Alchemie erforderlich, so wie für die Traumdeutung einige Kenntnisse der Persönlichkeit des Träumers notwendig sind. Ausgerüstet mit solchen Kenntnissen, kann die alchemistische Allegorie ähnlich dem Traum entschlüsselt werden. (Mysterium Coniunctionis, 175 – 188)

Lit.: Jung, C. G.: Mysterium Coniunctionis: Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie / Marie-Louise von Franz [Mitarb.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968 (C. G. Jung Gesammelte Werke; 14 / 1).

Allegoria Merlini. Wenngleich in der > Alchemie der Grundsatz galt: nihil extraneum („nichts von außen“), so versuchten doch einige Alchemisten, dem Erscheinen des weißen Steines durch Hinzufügen neuer Substanzen an die Grundsubstanz nachzuhelfen, etwa durch Zinn, das die Oberfläche der Substanz im Gefäß weiß färbte. Die Schrift Allegoria Merlini beschreibt den Veredelungsprozess in einer makabren Allegorie: Der König (die Grundsubstanz) trinkt so viel Wasser, bis seine Glieder damit gefüllt sind (Lösung) und er das Empfinden hat, in Stücke zu zerbrechen (Trennung). Die Ärzte legen ihn in ein geheiztes Zimmer und als sie ihn wieder herausnehmen, ist er tot (> Nigredo). Dann mahlen sie den Körper zu Pulver, waschen und trocknen ihn. Nun fügen sie einen Teil Steinsalz, zwei Teile Salpeter und einen Teil Leinöl bei und bereiten daraus eine Paste. Diese Paste legen sie in einen mit Löchern versehenen Schmelztiegel und stellen einen zweiten Tiegel darunter. Dann schmelzen sie die Paste, sodass die Flüssigkeit in den unteren Tiegel fließt, aus dem dann der König zum Leben aufersteht. (Thorndike, I, 627)

Lit.: Thorndike, Lynn: A History of Magic and Experimental Science. New York; London: Columbia Univ. Press, 1922 – 1958. 8 Bde.; Jung, C. G.: Mysterium Coniunctionis: Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie / Marie-Louise von Franz [Mitarb.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968 (C. G. Jung Gesammelte Werke; 14 / 2).

Allegorie (griech. allegoria, „Andersreden“, bildliche Redensweise). Sinnbildliche Darstellung eines Gegenstandes oder Vorganges durch einen anderen, im weiteren Sinne durch ein Bild, das sich selber zeigt, aber auch zugleich ein anderes Sinnfälliges oder Gedankenhaftes darstellt. Die allegorische Aussage meint daher etwas anderes als der eigentliche Wortsinn der Formulierung. So sind die nicht nachahmenden Künste, Musik und Architektur, keiner Allegorie fähig, wohl aber die nachahmenden, die Bildhauerkunst, die Malerei und vor allem die Poesie. Daher heißt der poetische allegorische Ausdruck auch bildliche Redeweise.

Im Gegensatz zum Symbol, das den dahinterliegenden Begriff ersetzt, ist die Allegorie die abgeschlossene Darstellung eines Objekts oder Gegenstands.

In der Antike und der Renaissance der Mythologie benachbart, im Mittelalter im Dienst der moralischen Ziele, fand die Allegorie im Barock zum letzten Mal einen Stil, der ihrer Zweischichtigkeit von Begriffs- und Bildfreudigkeit entsprach.

Durch die Unmöglichkeit der begrifflichen Darstellung allen Geschehens, vor allem auf der Empfindungsebene, wird die Allegorie zu einem Grundelement menschlicher Kommunikation – in der Kunst, um Übergreifendes bildhaft darzustellen, in der Sprache zur Klärung des begrifflich Unverständlichen, in der Textanalyse zur Verständigung des Inhalts, wie sie die Griechen bereits in der Homer-Erklärung verwendeten. Die Allegorie entsprach nämlich dem griechischen Glauben, dass sich die Götter in Rätseln, Orakeln und Mysterien mitteilen. So nimmt die Allegorie bis heute vornehmlich im religiösen Bereich wie auch in den Ausdrucksformen veränderter Bewusstseinszustände, etwa in den Träumen, einen besonderen Stellenwert ein.

Die Deutung der allegorischen Darstellungen setzt daher ein hohes Maß an Kenntnissen der Allegoriebildung voraus, weil sie nur allegorisch erfolgen kann, ohne jedoch neue Allegorien zu bilden und nicht allegorische Texte in ihrer Form zu belassen.

Lit.: Jung, C. G.: Mysterium Coniunctionis: Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie / Marie-Louise von Franz [Mitarb.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1968 (C. G. Jung Gesammelte Werke; 14 / 2); Freud, Siegmund: Die Traumdeutung. Über den Traum GW 2 – 3. Frankfurt / M.: Fischer, 41968; Wittkower, Rudolf: Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renaissance. Übers. aus dem Engl.: Benjamin Schwarz. Köln: DuMont Literatur- und Kunst-Verl., 2002; Kurz, Gerhard: Metapher, Allegorie, Symbol. Göttingen, Niedersachs.: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004.

Allegorische Karten. Die 22 Karten der > Großen Arkana des Tarotspiels mit ihren bildlichen und allegorischen Darstellungen.

Lit.: Banzhaf, Hajo: Das Tarot-Handbuch. München: Goldmann, 1998; Die 22 Arkana des Tarot / nach José Beslatz. Aachen: Spirit-Rainbow-Verl., 2003.

Allegro, John Marco (geb. am 17.2.1923, † 17.2.1988), studierte mit großem Erfolg semitische Sprachen an der Universität Manchester und hebräische Dialekte in Oxford. 1953 wurde er zusammen mit einem internationalen Team für die Arbeit zur Entzifferung der Schriftrollen von Qumran ausgewählt. 1956 erschien sein Buch The Dead Sea Scrolls, das großes Aufsehen erregte. Als man die Veröffentlichung der Qumrantexte hinauszog, verlor er den Glauben und publizierte seine eigene Übersetzung unter dem Titel The Treasure of the Copper Scroll, was ihm den Unmut seiner Mitarbeiter eintrug und den Zugang zu den Rollen versperrte. 1970 brachte er sein umstrittenstes Buch The Sacred Mushroom and the Cross heraus, worin er behauptet, dass die christliche Religion auf einem Kult mit häufigem Drogenkonsum und Sex beruhe. Zudem stellte er die Behauptung auf, dass die letzten Worte Christi am Kreuz nicht ein Flehen zu Gott waren, sondern ein Lobgesang auf den Gott des Fliegenpilzes.

W.: The Treasure of the Copper Scroll: the Opening and Decipherment of the Most Mysterious of the Dead Sea Scrolls, a Unique Inventory of Buried Treasure. Garden City, NY: Doubleday, 1960; The Dead Sea Scrolls. Baltimore u. a.: Penguin Books, 1961; Der Geheimkult des heiligen Pilzes: Rauschgift als Ursprung unserer Religionen. Aus d. Engl. übertr. von Peter Marginter. Wien; München; Zürich: Molden, 1971.

All-Einheit. Im > Pantheismus bezeichnet A. als zentraler Begriff die Einheit der Welt in Gott, wobei die Welt in Gott und Gott in der Welt ist. Diese Vorstellung bildet auch einen Teil der Gottesidee bei Spinoza.

Im > Monismus meint A. die direkte Verbundenheit aller Wesen und allen Seins, also Natur, Pflanzen, Tiere und Menschen in einer einheitlichen Substanz.

Im > Panpsychismus ist A. durch die Allbeseelung aller Dinge in der Natur gegeben.

Lit.: Tischner, Rudolf: Monismus und Okkultismus. Leipzig: O. Mutze, 1921; Schöll, Friedrich: Gedanken zum unitarischen Weltbild: zugleich e. philosoph. u. religiöse Schau d. All-Einheit u. d. Einsseins von Einzelwesen u. Allheit. Mannheim-Gartenstadt: Religionsgemeinsch. Dt. Unitarier, 1958; Graf, Olaf: Tao und Jen: Sein u. Sollen im sungchines. Monismus. Wiesbaden: Harrassowitz, 1970; Fick, Monika: Sinnenwelt und Weltseele: der psychophysische Monismus in der Literatur der Jahrhundertwende. Tübingen: Niemeyer, 1993; Bergmann, Markus: Unendlicher Panpsychismus: Kraft und Substanz in der Philosophie des Individuums von Leibniz. Mainz, Univ., Diss., 2003.

Allekto > Erínyen.

Allendy, René Félix Eugène, Dr. med., geb. am 19. Februar 1889 in Paris, gest. am 12. Juli 1942 in Montpellier, Psychiater und Psychotherapeut. In Le Problème de la Déstinée (Das Problem der Bestimmung) untersuchte er anscheinend prägkognitive Träume seiner Patienten und verwies darauf – ohne die Möglichkeit der Außersinnlichen Wahrnehmung (ASW) auszuschließen – , dass nicht nur bewusste Vorstellungen auf das Handeln zielen, sondern dass sich auch unbewusste Bilder (> Imago) verwirklichen wollen. Das persönliche Schicksal werde nicht zuletzt durch innere Faktoren bestimmt. A. gründete die Société française de psychanalyse, das Institut de psychanalyse und die Group d’études philosophiques de la Sorbonne. Neben den psychologischen Themen befasste er sich mit Alchemie, Numerologie und Symbolik und schrieb eine Reihe von Büchern: L’Alchemie et la médicine (1912); Le grand oeuvre thérapeutique des alchimistes et les principes de l’homéopathie; La table d’éméraude (1921); La justice intéreure (1931) sowie die im Folgenden angeführten.

W.: Le symbolisme des nombres: essai d‘arithmo-
sophie. Paris: Chacornae, 1921; Le probléme de la destinée: étude sur la fatalité intérieure. Paris: Gallimard, 1927; Paracelse: le médecin maudit. Paris: Gallimard, 1937; Le crime et les perversions instinctives. Paris: Crapouillot, 1938; Journal d’un médecin malade. Paris: Denoèl, 1944.

Lit.: Fémont, Marguerite: La vie du Dr. René Allendy: 1889 – 1942. Castelnau-le-Lez: Editions Climats, 1994.

Allerheiligen, Fest der Heiligen und Seligen am 1. November. Die Heiligenverehrung trat zuerst als Märtyrerverehrung auf. Das erste Zeugnis einer Verehrung bezieht sich auf den Märtyrertod des hl. Polykarp um 155 n. Chr. Die Ostkirche kennt ein Fest aller Märtyrer seit dem 4. Jh., der Westen erst seit der Umweihung des Pantheon in Rom auf Maria und die Märtyrer am 12. Mai 609 oder 610. An der Wende vom. 8. zum 9. Jh. wurde das Fest in Irland vom Frühjahrstermin auf den 1. November verlegt, den Anfang des keltischen Jahres, der zugleich auch als Winteranfang galt. Am Vorabend, dem 31. Oktober, finden bei den stark irisch geprägten Katholiken der USA heute noch Bräuche mit genuin heidnischen Zügen analog den > Saturnalien im Umkreis des römischen Neujahrstages statt. Dieser Vorabend des den Heiligen (hallows) geweihten Tages wird > Halloween genannt und hat sich mittlerweile weltweit zu einem (vom Kommerz bestimmten) Gruselspektakel ausgewachsen.

Der neue Termin des 1. November gelangte schließlich von Irland nach Italien und wurde 835 in diesem Sinne von Papst Gregor IV. eingeführt.

Dem Volksglauben nach dürfen die Seelen zu Allerheiligen das Fegefeuer verlassen, sich bei ihren Gräbern oder in den Häusern der Lebenden aufhalten und sich optisch und akustisch bemerkbar machen. Zu Allerheiligen werden daher die Grabstätten geschmückt und Totenlichter angezündet.

Lit.: Jamin, Nicolas: Geschichte der Kirchenfeste der Geheimnisse unseres Herrn, Advents, Fastenzeit, der heiligen Jungfrau, Apostel und Allerheiligen. Bamberg u. a.: s. n., 1784; Adam, Adolf: Das Kirchenjahr mitfeiern. Neuausg. Freiburg i. Br.; Basel; Wien: Herder, 1995: Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997, S. 343 – 377.

Allerheiligstes. A. heißt der durch einen Vorhang vom übrigen Raum eines Tempels abgetrennte Bereich (Ex 26, 33). Im Tempel des Königs Salomo war dieser Raum, der auch Hinterraum (hebr. debhir) genannt wird, vom Heiligtum (hekal) und der Vorhalle (olam) getrennt. Im debhir herrschte Dunkelheit als Symbol der Gegenwart Gottes wie in einer Wolke.

Beim Tod Jesu riss der Vorhang des Tempels entzwei, zum Zeichen, dass Gott sich in Seinem Sohn allen Menschen geschenkt hat.
Im Christentum wird Christus in der Gegenwart des Altarsakraments als wahrer Gott und Mensch zum Allerheiligsten, das heute bei den Katholiken im Tabernakel aufbewahrt und zur Verehrung durch das Ewige Licht gekennzeichnet ist. In der Gestalt der Hostie wird es auch zur Verehrung ausgesetzt. In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Berichte von > Hostienwundern.

Lit.: Gerber, Karl: Der Weg ins Allerheiligste: ein Gang durch d. Stiftshütte. Dinglingen (Baden): Verlag d. St. Johannisdruckerei, 1927; Instruktion über Feier und Verehrung des Geheimnisses der Eucharistie. Trier: Paulinus-Verl., 1967; Nussbaum, Otto: Die Aufbewahrung der Eucharistie. Bonn: Hanstein, 1979.

Allermannsharnisch (Allium victorialis L.), auch Siegwurz, Wegbreit, Alpenlauch, Oberharnisch, Neunhämmerlein oder Siebenhämmerlein genannte Lauchart mit gelblichen oder weißlichen Blüten, die an felsigen und grasigen Orten in den Alpen, Sudeten und Vogesen vorkommt. Der A. ist eine alte Heilpflanze, von der man für medizinische Zwecke vor allem die einen scharfen Saft enthaltenden Wurzelknollen verwendet, welche roh zerquetscht auf schmerzende Stellen aufgelegt werden und rasch eine Linderung der Schmerzen bewirken (Werner).
Der A. gilt auch als eine alte Zauberpflanze, deren magische Kraft als Schutz vor Verwundungen und > Zauberei, auch Behexung des Viehs, vor böser Luft wie vor Geistern, Poltergeistern und Gespenstern diente. In den Alpen wurde der A. im 16. Jh. zur Vertreibung der düsteren Nebel in den Bergen gebraucht (Schöpf). Die Pflanze wurde weiters zur Anfertigung von
> Amuletten benutzt, ähnlich wie die kostbare > Alraune, für die sie oft als preisgünstiger Ersatz diente. Aus dem Berg-Alraun oder wilden Alraun, wie der A. außerdem genannt wurde, stellte man sog. „Glücksalraunen“ her. Sind die Zwiebeln des A. paarweise zusammengewachsen, was gelegentlich vorkommt, so verstärkt dies angeblich ihre Heil- und Zauberkraft. Diese Zwiebeln wurden in Apotheken unter den Namen Adam und Eva oder Mannli und Wibli verkauft. Noch bis in die sechziger Jahre des 20. Jhs. wurden die Wurzeln des A. in der Schweiz als „Alraunen” in Apotheken angeboten. Der „Aller-Manns-Harnisch“ war ein Allround-Mittel für Männer, der „Schutz aller Männer“, der vor Verwundungen, Steinschlag und Schadenzauber bewahrte. Der A. galt auch als eine spezielle Schutzpflanze der Bergleute. So schreibt J. Schröder im 17. Jh.: „Siegwurtzel wird sie (A. Vict.) genannt, weil die Ertzknappen sich darmit wider die Berggeister verwahren“ (Schroeder, 1093).

Lit.: Schroeder, Johann: Trefflich-versehene Medicin-Chymische Apotheke, oder Höchstkostbarer Arzeney-Schatz. Nürnberg, 1685; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 1. Leipzig: Hirzel, 1943; Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste. Graz: ADEVA, 1968; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986; Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Allerseelen, Gedächtnis aller Verstorbenen. 998 legte Odilo von Cluny die Allerseelenfeier für den 2. November fest; die Mönche von Cluny verbreiteten das Fest im 11. Jahrhundert. Wenngleich in Rom erst 1311 ein anniversarium omnium animorum (ein Jahresgedächtnis aller Verstorbenen) genannt wird, so wird dieses wohl auch dort schon lange vorher eingeführt worden sein. In Verbindung mit dem bei allen Völkern gepflegten Totenkult beruht das Fest Allerseelen theologisch auf der von den Kirchenvätern vertretenen und vom Trienter Konzil bestätigten Auffassung, dass die Seelen Verstorbener, die vor Gottes Gericht bestanden hätten, aber noch der Vollendung bedürften, vor ihrer Aufnahme in den Himmel an einem Ort der Reinigung (Purgatorium, Fegefeuer) verblieben. Die Lebenden könnten dabei den Toten durch Gebete und gute Werke, vor allem aber durch das Messopfer helfen. Zudem können die Verstorbenen auch den Lebenden beistehen.
Dieser Seelenkult hat zahlreiche Bräuche hervorgebracht. So konzentrierten sich bereits im hohen Mittelalter viele Seelgerätsstiftungen auf den Allerseelentag, an dem Bettler, Schüler, Mönche, Nonnen, Eremiten und Spitalsinsassen besondere Zuwendungen erhielten.

Das Ablasswesen für die Verstorbenen beeinflusste dann die Reformation, was schließlich zur Ablehnung der Lehre des Fegefeuers durch Luther führte. Die neuzeitliche Verdrängung des Todes und die Umstrukturierung der Arbeitswelt hat das Gedächtnis der Verstorbenen mit Friedhofsgang auf den Nachmittag von Allerheiligen verschoben und den Allerseelentag als Werktag in den Hintergrund gedrängt.
Nach altem Volksglauben, der auch in evangelischen Gebieten verbreitet war, stiegen die Armen Seelen an diesem Tag aus dem Fegefeuer zur Erde und ruhten für kurze Zeit von ihren Prüfungen aus. Nach anderen Vorstellungen haben die Seelen bereits vom Mittagsläuten am Allerheiligentag an die Freiheit, das Fegefeuer zu verlassen und wieder ihre alten Wohnungen aufzusuchen. In den Häusern lassen die Angehörigen den Seelen der Ihrigen alle möglichen Hilfen zukommen, vornehmlich durch Gebete, Entzünden von Kerzen sowie Aufstellen und Schmücken von Erinnerungen.

Lit.: Freistedt, Emil: Altchristliche Totengedächtnistage und ihre Beziehung zum Jenseits-Glauben und Totenkultus der Antike. Münster: Aschendorff, 21971; Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.

Alleyne, John (1861 – 1933), Pseudonym für Captain John Allen Bartlett, ehem. englischer Marineoffizier und Liedermacher; er erstellte als Schreibmedium einen Teil der > Glastonbury Scripts (G.-Schriften), in denen in > automatischer Schrift genaue Informationen zu den längst verschollenen Edgar- und Loretto-Kappellen der Abtei von Glastonbury gegeben werden. Die Aussagen wurden durch die Ausgrabungen von Frederick Bligh Bond bestätigt, der allerdings wegen seines unorthodoxen Vorgehens entlassen wurde.

Lit.: Bond, Frederick Bligh: The Hill of Vision. Boston: Marshall Jones Company, 1919; Bond, Frederick Bligh: The Company of Avalon Study of the Script of Brother Symon, Sub-prior of Winchester Abbey in the Time of King Stephen. Oxford: Blackwell, 1924; Bond, Frederick Bligh: The Gate of Remembrance: the Story of the Psychological Experiment which Resulted in the Discovery of the Edgar Chapel at Glastonbury. Alexandria, Va.: Time-Life Books, 1990.

Allgegenwart (lat. omnipraesentia). In der Theologie ist A. die Gott zugesprochene Eigenschaft, aufgrund seiner Schöpfertätigkeit in allen Dingen überall (Ubiquität) und immer gegenwärtig zu sein.

In der Magie sind die verborgenen Kräfte, im Monismus die eine (Kraft) und im Panpsychismus die seelischen Kräfte allgegenwärtig.

Lit.: Seeberg, Reinhold: Nähe und Allgegenwart Gottes. Nebst e. Anh. über die ältesten trinitar. Formeln. Gr. Lichterfelde-Berlin: Runge, 1911; Sancti Thomae de Aquino: Summa Theologiae. Alba; Rom: Editiones Paulinae, 1962, qu. 8, art. 3; Stöhr, J.: Allgegenwart (Omnipräsenz) Gottes. In: Lexikon für Theologie und Kirche I. Freiburg: Herder, 31993.

Allgeist, überpersönliche Wissensquelle, wo alles menschliche Wissen und Denken gespeichert ist. Aus diesem Universalwissen können Medien, Sensitive, Hellseher und Wahrsager irdische Ereignisse und Wissensinhalte wie auch fremde Sprachen abzapfen und zum Bewusstsein bringen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Erdgeist, Übergeist, > Akasha-Chronik und Kosmischem Gedächtnis.

Lit.: Saptrem: Sri Aurobindo: oder das Abenteuer des Bewusstseins. Carlo Schüller [Übers.]. Weilheim /Obb.: O. W. Barth, 1970.

Allgemeine Außersinnliche Erfahrung (AASE), engl. general extra sensory experience (GESE), paranormale Erfahrung ohne Differenzierung einer bestimmten Erfahrungsform wie > Hellsehen, > Präkognition oder > Telepathie.

Lit.: Wolman, Benjamin B. (Hg.): Handbook of Parapsychology. M. e. Einf. v. Howard M. Zimmermann. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977.

Allgemeine Außersinnliche Wahrnehmung (AASW), engl. general extra sensory perception (GESP), paranormale Information ohne Annahme einer bestimmten Außersinnlichen Wahrnehmungsform wie > Hellsehen, > Präkognition oder > Telepathie.

Lit.: Rhine, J. B.: Die Reichweite des menschlichen Geistes. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1950; Wolman, Benjamin B. (Hg.): Handbook of Parapsychology. M. e. Einf. v. Howard M. Zimmermann. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977.

Allgemeine Bürger-Loge. Am 12. Juni 1896 konstituierte sich in Berlin die Allgemeine Bürger-Loge. Mit Beginn des Jahres 1899 verlegte sie ihren Bundessitz nach Leipzig, nahm im Jahre 1900 den Namen Matthäi-Logenbund an und wandelte diesen Namen 1903 in > Große Freimaurerloge von Deutschland um. 1904 erfolgten die Eintragung in das Vereinsregister und die Erwerbung des Patents einer Vollkommenen Schottischen Loge. Am 24. Juni 1905 wurde das Patent einer Symbolischen Großloge des Schottischen Ritus in Deutschland erworben.

Lit.: Schuster, Georg: Geheime Gesellschaften, Verbindungen und Orden, Bd. 2. Wiesbaden: Fourier o. J.

Allgemeinsymptom. In der Homöopathie Bezeichnung für ein Symptom, das im Gegensatz zum Lokalsymptom den gesamten Organismus betrifft oder Hinweise auf den Gesamtzustand des Individuums gibt, wie Temperaturhaushalt, Schlafbedarf, Wundheilungsverhalten, Libido, Abneigung gegen bestimmte Nahrungsmittel bzw. ein Verlangen danach.

Lit.: Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde: und alternative Heilverfahren. Berlin; New York: de Gruyter, 1996.

Allied Masonic Degrees. In England gibt es unter einem Großmeister ein Allied Massonic Degrees Grand Council, das jene Orden und Körperschaften patronisiert, die keine eigene Oberbehörde haben.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Allier, Elisabeth (*1602), französische Nonne, die im Mittelpunkt eines der berüchtigtsten Fälle angeblicher dämonischer Besessenheit von Nonnen und Novizinnen stand, von dem im 17. Jh. in ganz Frankreich die Rede war. Nach dem Dominikaner François Farconnet aus Grenoble, der über diesen Fall einen Wahren Bericht schrieb, war A. bereits im Alter von sieben Jahren besessen. Als Farconnet etwa 20 Jahre später einen ersten Versuch der Teufelaustreibung unternahm, hörte er, wie in ihrem Körper heisere Stimmen zu ihm sprachen, ohne dass A. den Mund bewegte, und bei weiteren erfolglosen Versuchen wand sie sich unter starken Anfällen und Krämpfen. Schließlich soll ihre Zunge mehr als vier Finger aus dem Mund geragt haben, ehe die Dämonen ausfuhren.

Lit.: David Pickering: Lexikon der Magie und Hexerei. Augsburg: Weltbild, 1999.

Alliette, Jean François (1738 – 1791), Pariser Perückenmacher bzw. – nach anderen Angaben – Mathematiklehrer, der die von Antoine > Court de Gébelin in seinem Buch Le Monde Primitif aufgestellte Behauptung, der > Tarot sei Teil der ägyptischen Verehrung des > Thot, unter dem Pseudonym Etteilla (sein tatsächlicher Name rückwärts buchstabiert) weiter ausbaute. Alliette erklärte in freier Phantasie, die Tarotkarten seien 171 Jahre nach der Sintflut von 17 Magiern im Dienste des > Hermes Trismegistos oder Thot, des ägyptischen Gottes der Weisheit und der Magie, geschaffen worden. Thot wollte, dass sein ganzes Geheimwissen auf goldenen Blättern niedergeschrieben werde. Dabei verschlüsselten die Magier angeblich das Wissen in Bildern und fassten diese zu einem Buch zusammen, dessen ursprüngliche Name Das Buch Thot gelautet habe. Die Karten sollen von dem zweiten Nachkommen Merkurs, Athotis, einem Enkel des Cham und Urenkel Noahs, den er „Tri-Merkur“, Hermes Trismegistos, nennt, niedergelegt worden sein. Alliette hatte zu seinen Lebzeiten großen Erfolg, während man seine Aussagen später als reine Phantasie anprangerte, denn vor Mitte des 14. Jhs. werden die Tarotkarten in Europa nicht erwähnt (Körbel, 169).

W.: Das Etteilla-Tarot: theoretischer und praktischer Unterricht über das Buch Thot oder über die höhere Kraft, Natur und Mensch mit Zuverlässigkeit die Geheimnisse des Lebens zu enthüllen und Orakel zu erteilen, nach der Ägypter wunderbarer Kunst; mit 78 Abbildungen, die man auf Kartenpapier aufzukleben und in ein Futteral zu bringen hat, wodurch das „Buch Thot“ dargestellt wird. Hg. von Helmut Werner. Wiesbaden: Fourier, 1990; Das Buch Thot: Tarot. Krummwisch: Königsfurt, 2003.

Lit.: Körbel, Thomas:  Hermeneutik der Esoterik: eine Phänomenologie des Kartenspiels Tarot als Beitrag zum Verständnis von Parareligiosität. Münster: LIT, 2001.

Allison, Lydia Winterhalter (1880 – 1959), Mitbegründerin der Boston Society for Psychical Research 1925, war von 1941 – 1959 Sachwalterin der > American Society for Psychical Research, Vorsitzende des Publikationskomitees, Mitglied der > Society for Psychical Research in London und des International Committee for the Study of Parapsychology. Ihre Beschäftigung mit der Parapsychologie erwuchs aus ihrem persönlichen Wunsch, mit ihrem Mann, Dr. Edward Wood Allison, der 1920 starb, Kontakt aufzunehmen. Ihr Mann glaubte im Gegensatz zu ihr an ein Fortleben. Die Hoffnung, mit ihrem Mann in Verbindung zu treten, führte sie jedoch zu Sitzungen mit den Medien Minnie M. > Soule und Gladys Osborne > Leonard. Die Berichte über diese Sitzungen bilden ihren besonderen Beitrag zur experimentellen Parapsychologie. Zudem befasste sie sich mit der medialen Begabung von „Margery“ (M. S. > Crandon), Rudi > Schneider und Eileen > Garrett.

W.: Leonard and Soule Experiments in Psychical Research. Boston, 1929; Proxy Sittings with Mrs. Leonard, SPR Proceedings Vol. 42 (1934); Telepathy or Association, SPR Proceedings Vol. 35 (1941); The American Society for Psychical Research, a Brief History, SPR Proceedings Vol. 52 (1958).

Allium victorialis > Allermannsharnisch.

Allmacht (Omnipotenz) Gottes, ist die Gott zugesprochene Eigenschaft, alles bewirken zu können, was er will. Diese Auffassung vertreten alle theistischen Religionen. Viel umstrittener ist dabei die Frage, ob und inwieweit sich mit der göttlichen A. die menschliche Willensfreiheit verbinden lässt. Diese Frage führte insbesondere im frühen Islam zu heftigen Auseinandersetzungen hinsichtlich der Verantwortung des Menschen. Im Christen- und Judentum ist man sich weitgehend einig, dass Gott etwas in sich Widersprüchliches und Losgelöstes von seiner Weisheit und Gerechtigkeit in sich nicht wollen kann, weil dies gegen seinen Schöpfungsplan wäre, wozu auch die Freiheit des Menschen gehört.

In der Magie ist den verborgenen Kräften Allmacht gegeben, doch liegt diese innerhalb der Grundbegrenztheit von Mensch und Kosmos, zumal Magie an die Immanenz gebunden ist.

Lit.: Denzinger, Heinrich: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrmeinungen. Freiburg: Herder, 392001, S. 1536, B1 b; Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999; Drury, Nevill:  Magie: vom Schamanismus und Hexenkult bis zu den Technoheiden. Aarau; München: AT Verlag, 2003.

Allmächtiger Baumeister aller Welten > A. B. a. W.

Allmuseri, Geheimsekte in Afrika mit Initiationsriten, die den antiken Mysterien ähnlich sind. So stellt sich bei der Intiationszerimonie der > Neophyt tot, währenddessen die Sektenmitglieder Totenklage erheben. Darauf bringt man ihn in den Tempel, wo er nach vierzigtägiger Prüfung gleichsam als Wiedergeborener mit einer neuen Seele unter Freudenhymnen begrüßt wird.

Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Allobiofeedback (griech. allos, andere, bios, Leben; engl. feedback, Rückkoppelung). Von William G. > Braud 1978 eingeführter Begriff, um die Situation, in der eine Person A den physiologischen Prozess einer Person B psychokinetisch zu beeinflussen versucht, durch das > Biofeedback dieses Prozesses in B auf A zu beschreiben.

Lit.: Braud, W. G. / Kirk, J.: Attempt to observe psychokinetic influences upon a random event generator by person-fish teams. In: European Journal of Parapsychology (1978) 2, 228 – 236.

Allocen, nach der > Pseudomonarchia daemonum ein Dämon mit Löwengesicht und funkelnden Augen, der als berittener Soldat erscheint und besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Astronomie besitzt.

Lit.: Wierus, Joannes: Ioannis Wieri De Praestigiis Daemonum, et in cantationibus ac veneficiis: Libri sex; Acc. Liber apologeticus, et pseudomonarchia daemonum; Cum rerum ac verborum copioso indice. Postrema editione quinta aucti & recogniti. Basileae: Oporinus, 1577.

Allogenes. Eindeutig sethianische Schrift, die nur fragmentarisch überliefert ist. Außer der Version im Nag-Hammadi-Codex (NHC XI, 3), die in der Bibel der Häretiker, der ersten deutschen Gesamtübersetzung der im Dezember 1945 entdeckten > Nag-Hammadi-Texte, nun auch deutsch vorliegt, gibt es keine Schrift dieses Namens. Darin ist von Offenbarungen an einen gewissen Allogenes und dessen Reaktionen darauf sowie über die Ausführung des Auftrags und einen Auftrag des Allogenes an Messos die Rede. Es gibt jedoch bei Epiphanius einen Hinweis auf von > Sethianern oder > Archontikern gebrauchte Bücher, die Allogeneis heißen. Auch Porphyrius erwähnt in seiner Lebensbeschreibung des Plotin Apokalypsen des Allogenes und > Messos.

Der Name des pseudonymen Verfassers Allogenes bedeutet „der Fremde“. Diese Bezeichnung ist eine Selbstbenennung der sethianischen Gnostiker, denen auch die „Drei Stelen des Seth“ der Nag-Hammadi-Schriften zugerechnet werden, wobei besonders zu Allogenes, Zostr und Mars Entsprechungen bestehen (z. B. das Fehlen des gnostischen Dualismus). Der sethianische Charakter dieser Schrift ist schon an der zentralen Bedeutung des > Seth offensichtlich, der Gen 4, 25ff. zufolge nach dem verhängnisvollen Konflikt zwischen Kain und Abel ein neues Geschlecht begründet, das in der sethianischen Gnosis mit dem gnostischen Geschlecht gleichgesetzt wird. Aber auch die typisch sethianische Terminologie ist anzutreffen: lebendiges und nicht wankendes Geschlecht, ekstatische Entrückung als Voraussetzung für die Offenbarungsmitteilung.

Die Schrift selbst stammt aus dem 3. Jh., gehört zu den gnostischen Apokalypsen und enthält den Ich-Bericht eines Offenbarungsempfängers. Allogenes berichtet von seinem Aufstieg in himmlische Sphären, in denen er Erkenntnis über sich selbst und die göttliche Ordnung erhält. Durch die Niederschrift des empfangenen Wissens in Büchern für die Würdigen, die nach ihm kommen, wird er selbst zum Vorbild des Aufstiegs. Nach hundertjährigem Erwägen der empfangenen Offenbarungen wird er schließlich aus dem Körper in himmlische Sphären entrückt und empfängt eine fast hymnenartige Offenbarung über den Unbekannten. Nach empfangener Belehrung schreibt er seine Offenbarungen auf und beauftragt Messos, seine empfangene Botschaft weiter zu verkünden.

Lit.: Bibel der Häretiker: die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi / eingeleitet, übers. und kommentiert von Gerd Lüdemann und Martina Janßen. Stuttgart: Radius, 1997.

Allomatik. Lehre, dass alles „von außen“ entsteht und durch Fremdbeeinflussung gestaltet wird, wie dies auch in Hugo von Hofmannsthals Andreas bei dessen Suche nach sich selbst in einer zusammengesetzten Persönlichkeitsstruktur zum Ausdruck kommt.

Lit.: Pape, Manfred: Aurea Catena Homeri. Die Rosenkreuzer-Quelle der „Allomatik“ in Hofmannsthals Andreas. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 49 (1975), S. 680 – 693. Auf S. 680 wird auch auf mögliche Quellen (Rosenkreuzer-Schriften) der Allomatik hingewiesen.

Allopathie, aus griech. allos (anders, ein anderer) und pathein (leiden) zusammengesetzter Begriff, der von Samuel > Hahnemann 1810 im Unterschied zur > Homöopathie für die herkömmliche Behandlungsweise in der Medizin eingeführt wurde. Im Gegensatz zur homöopathischen > Simile-Regel wirkt A. nach der Regel „contraria contraribus curentur“ (Entgegengesetztes möge mit Entgegengesetztem geheilt werden.). Hahnemann bezeichnete mit A. abwertend alle nicht-homöopathischen Therapien, weshalb der Begriff nicht allgemein zutreffend auch als Bezeichnung für die sog. „Schulmedizin“ verwendet wird.

Die allopathische Behandlung wird heute in der Regel mit chemischen Präparaten, Skalpell und Elektrotherapie durchgeführt. Der von der Schulmedizin selbst beanspruchte Vorteil der allopathischen Behandlung liegt nach Rudolf Gross „in der nachgewiesenen Wirksamkeit und im kontrollierten klinischen Versuch“ (Resch, 199). Ihr Nachteil besteht darin, dass es sich um eine symptomatische Linderungsbehandlung handelt, nicht aber um eine ursächliche Heilbehandlung. Die Symptome werden unterdrückt. Auch wenn die Diagnoseverfahren der heutigen Schulmedizin höchst ausgefeilt sind, so greifen sie doch nicht in die Tiefe, erfassen nicht den Kern, die Ursache einer Erkrankung, es handelt sich nicht um eine kausale Diagnose (Resch, 198). Ferner führen schulmedizinische Medikamente in vielen Fällen zu schweren Nebenwirkungen. Allopathie kämpft gegen eine Krankheit, Homöopathie aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers. Trotzdem ist die A. oft der einzige Ausweg, sodass sich im Notfall selbst die Homöopathen der A. unterziehen. Außerdem hat die A. in letzter Zeit die vis medicatrix naturae (die heilende Kraft der Natur) wieder vermehrt in den Heilungsprozess einbezogen. Absolutheitsansprüche sind daher in Allopathie wie Homöopathie unangebracht, hier ist letztlich der therapeutische Erfolg entscheidend; zudem ist auch noch die Psychotherapie mit einzubeziehen.

Lit.: Resch, Andreas: Gesundheit, Schulmedizin, Andere Heilmethoden. In: Grenzgebiete der Wissenschaft 36 (1987) 3, 195 – 216;  Resch, Andreas:  Gesundheit, Schulmedizin, Andere Heilmethoden. Innsbruck: Resch, 1988.

Allopsychie (griech. allos, anders, ein anderer, und psyche, Seele), von Fanny > Moser verwendeter Ausdruck zur Bezeichnung der experimentellen Übertragung von Gedanken, Vorstellungen, Gefühlen und Affekten auf eine andere Person – dies in Abhebung zum Begriff > Telepathie, der nur für Gedankenübertragung steht, zumal bei derartigen Übertragungen in der Zielperson meist keine klaren Begriffsvorstellungen, sondern nur Empfindungsgefüge auftreten.

Lit.: Moser, Fanny: Der Okkultimus – Täuschungen und Tatsachen. München: Ernst Reinhardt, 1935, S. 306 – 323.

Allotriogeusie (griech. allotrios, fremd, und geusis, Geschmack), Geschmackstäuschung, Geschmackshalluzination (> Halluzination).
A. kann durch Hypnose, durch Fremd- und Autosuggestion hervorgerufen werden, spontan in veränderten Bewusstseinszuständen bei Visionen und Ekstasen, aber auch bei gesellschaftlichen Vorgaben, bei Angst- und pathologischen Reaktionen auftreten und dabei zuweilen zu situationsgebundenen wie dauerhaften Geschmacksstörungen führen.

Lit.: Brillat-Savarin, Jean Anthelme: Physiologie des Geschmacks oder physiologische Anleitung zum Studium der Tafelgenüsse. Reprod. d. Ausg. Braunschweig 1865. Leipzig: Koehler & Amelang, 1983; Medizinische Olfaktologie und Gustologie / hrsg. von Rüdiger Fikentscher. Halle / Saale: Universität: Wissenschaftliche Beiträge, 1988.

Allsehendes Auge, auch Auge der Vorsehung, Auge des Dreifaltigen Gottes, ein Auge in einem Dreieck mit der Spitze nach oben, auch Delta genannt, oft von einem Strahlenkranz umgeben. Im christlichen Glauben symbolisiert es das Auge des Dreifaltigen Gottes. In vielen Logen des 1. Grades der Freimaurerei strahlt es über dem Platz des Meisters vom Stuhl (also „im Osten“). Dieses Symbol wurde bereits im alten Ägypten zur Darstellung des > Osiris verwendet, und in der Bibel bezeichnet es das alles überwachende Auge Gottes: „An jedem Ort sind die Augen des Herrn, sie wachen über Gute und Böse (Spr 15, 3).

Lit.: Champeaux, Gérard de:  Einführung in die Welt der Symbole. Würzburg: Echter, 1990;  Bauer, Wolfgang: Lexikon der Symbole. Wiesbaden: Fourier, 121991.

Allwissenheit (nlat. omniscientia), bezeichnet die Gott zugesprochene Eigenschaft, alles zu kennen, sich selbst, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alles Geschaffenen. Nach der christlichen Lehre ist diese Eigenschaft Gottes, durch die er alles (1 Joh 3, 20; Hebr 4, 13), das Vergangene und Zukünftige (Jes 42, 9) und auch die Gedanken der Menschen (Luk 16, 15; Hiob 34, 21 – 36) weiß, das vollkommenste Wissen.

Lit.: Pettazzoni, Raffaele: Der allwissende Gott. Frankfurt / M.: Fischer, 1957; Höllhuber, Ivo: Zum philosophischen Erweis der Allwissenheit des Seins-
urgrundes. Wien: Böhlau, 1987.

Alma, Urmenschen, die in Legenden und Berichten aus dem 7. Jh. von Osteuropa bis Zentralasien erwähnt werden. Dies führte u. a. zu der Vermutung, dass es sich dabei um kleine Reste der Neandertaler handelte, die vor 35.000 Jahren ausgestorben sind.

Ein arabischer Text, der sich mit der Tierwelt Zentralasiens befasst, nennt sie „Nasnas“ und gibt folgende Beschreibung: „Ein Lebewesen von aufrechtem Gang und senkrechter Körperhaltung, mit breiten flachen Nägeln.“ Dazu werden auch die tibetischen > Yetis gezählt.

Lit.: Man and Beast. Pleasantville, N.Y.: Reader‘s Digest Association, 1993; Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 2005.

Almadel, Bezeichnung für einen > Talisman aus weißem Wachs, in den die Namen von Engeln und Dämonen eingraviert werden und der bei Ritualen Verwendung findet. Dieser Talisman wird mit dem Siegelring Salomons, > Clavicula Salomonis, in Verbindung gebracht, der als Talisman der Weisheit und Zauberkraft galt und sich die Elementargeister untertan machen konnte (Frick, 312). > Ars Almadel.

Lit.: Frick, Karl R. H.: Licht und Finsternis. Teil 1: Ursprünge und Anfänge. Graz: ADEVA, 1975.

Almadel Salomonis, der „Kleine Schlüssel Salomons“, Lemegeton oder Goetia, ist ein Grimoire (Regelwerk) oder Zauberbuch aus dem 17. Jh. mit schwarzmagischem Inhalt. Es enthält eine Aufzählung der Namen und Fähigkeiten von 72 Dämonen, analysiert deren Funktionen und gibt Anweisungen zu ihrer Beschwörung. Über die Hälfte der Teufel sind Lehrer. Ihre Unterrichtsfächer sind die magischen Wissenschaften, die Künste, Philosophie, Mathematik, Logik, Sprachen, Astronomie, Astrologie und die okkulten Kräfte der Pflanzen und Edelsteine. Schafft es ein Magier, den Dämon aufzurufen, kann er sich dessen Eigenschaften zunutze machen. Aleister > Crowley schätzte das Lemegeton höher ein als das besser bekannte Zauberbuch > Clavicula Salomonis („Der Schlüssel Salomons“) und verwendete es als Grundlage für sein Liber Samekh.

Lit.: Frick, Karl R. H.: Licht und Finsternis. Teil 1:
Ursprünge und Anfänge. Graz: ADEVA, 1975;
Cavendish, Richard: Die schwarze Magie / Hans Jürgen Baron von Koskull [Übers.]. Berlin: Richard Schikowski, 1980; Alhazred, Abdul: Das Necronomicon / Nach d. Aufzeichnungen v. Gregor A. Gregorius. Berlin: Richard Schikowski, 1980.

Almagest, lat. Form des arab. al-magisti (das Größte, Makrokosmos), das wiederum die arabische Form des griechischen Titels des bekannten astronomischen Lehrbuches Megale Syntaxis des Griechen Ptolemäus (ca. 100 – 170) ist. In diesem Werk, das zur Grundlage der ausgedehnten muslimischen Arbeiten über Astronomie wurde, fasst Ptolemäus das gesamte Wissen seiner Vorgänger zusammen. Durch muslimisch-arabische Aneignung wurde Ptolemäus im mittellichen Europa erneut bekannt. Das Werk enthält einen Katalog mit 1028 Sternen. Bis in das 16. Jh. war es das Standardlehrbuch der Astronomie. Die erste lateinische Übersetzung erfolgte 1175, die erste Druckausgabe jedoch erst 1515 in Venedig.

Lit.: Ptolemaeus, Claudius: Tetrabiblos: nach der von Philipp Melanchthon besorgten seltenen Ausgabe aus dem Jahre 1553. Mössingen: Chiron-Verl., 2000.

Almanach. Ein Mondkalender, der vor allem in China jährlich herauskommt und Wetter- und Erntevoraussagen, unheilvolle und glückbringende Tage, Festtage und Geburtstage der Götter, moralische Anleitungen und eine Vielfalt von Wahrsagesystemen enthält.
Zudem birgt er Anweisungen und Diagramme zur Gleichschaltung der menschlichen Tätigkeit mit der kosmischen Ordnung des Universums, weshalb ihm die Wirksamkeit von > Schutzzauber zugeschrieben wird.

Im Westen standen die Almanache ursprünglich mit der > Astrologie in Verbindung und unterstellten eine rationale Ordnung im Kosmos; sie dienten als Kalender und später als Jahrbücher. Seit dem 18. Jh. wird die Bezeichnung „Almanach“ für regelmäßig erscheinende Probebändchen zeitgenössischer Dichtung verschiedener Verfasser verwendet. Heute ist der Almanach der Titel für Neuheiten im Jahresüberblick einzelner Wissens- und Interessensgebiete wie auch von Interessensgruppen.

Lit.: Wiener Kalender, Almanache und Taschenbücher aus fünf Jahrhunderten: (1495 – 1977); 178. Wechselausstellung d. Wiener Stadt- u. Landesbibliothek, Rathaus, Dezember 1976 – Jänner 1977 / hrsg. von d. MA 9, Wiener Stadt- u. Landesbibliothek. Für d. Inh. verantw.: Franz Patzer. Wien: Wiener Stadt- u. Landesbibliothek, 1976.

Almanach des Teufels (Almanach du Diable), ein französischer Almanach, der für die Jahre 1737 / 38 sehr eigenartige Dinge voraussagte, soll von der Hölle aus veröffentlicht worden sein. Es handelte sich dabei um eine Satire auf die Jansenisten, die dem Metallwarenhändler Pierre Quesnel aus Dijon zugeschrieben und wegen ihrer überdrehten Aussagen verboten wurde. Die Jansenisten reagierten mit einem Pamphlet gegen die Jesuiten, die dann ebenfalls aufgehoben wurden. Das Pamphlet trug den Titel Almanach de Dieu (Almanach Gottes) und war M. Carré de Montgeron für das Jahr 1738 gewidmet. Im Gegensatz zum Almanach des Teufels, soll der Almanach Gottes im Himmel gedruckt worden sein.

Lit.: Quesnel, Pierre: Almanach du diable: contenant des prédictions trés-curieuses et absolument infaillibles pour l‘année MDCCXXXVII; Almanach de dieu. – 1738 nachgewiesen.

Almandin. Ein Stein der Mineralgruppe Granate, zu der auch Andradit, Grossular, Pyrop, Spessartin und Uwarowit zählen; er kommt meist als gesteinsbildendes Mineral in metamorphen und pegmatitischen Gesteinen sowie Glimmerschiefern vor. Seinen Namen hat das Mineral von einer Stadt in Kleinasien. Seine violette, braunrote bis braune Farbe hat in ihrem Wechsel von Kirschrot zu Braun die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den A. zu einem besonderen Stein gemacht, der jedes Gift zerstöre, dem Menschen Sieg gegen alle Feinde, Liebesglück sowie die Gabe verleihe, Träume zu deuten.

Lit.: Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Ladurner, Joseph: Das große Mineralienbuch. Innsbruck: Pinguin-Verl., 1990; Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.

Almaqah. Der Almaqah-Tempel von Bar’an, im Volksmund „Thron der Bilqis“, ist ein ländliches Heiligtum inmitten von Feldern der Südoase Marib im Jemen. 1951 begann der Amerikaner Wendell Philipps, den verschütteten Tempel des Mondgottes Almaqah freizulegen, doch Argwohn und Morddrohungen beendeten seine Arbeit abrupt und so sind jetzt nur noch Säulen und die Umrisse der Mauern zu erkennen. Der sog. „Thron der Bilqis“ ist heute Nationalsymbol. Neueste Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts im Jemen weisen nun die sabäische Kultur bereits im 10. Jahrhundert vor Christus nach – genau zu der Zeit, als Königin Saba König Salomo besuchte.

Oberster der himmlischen Wesen im südarabischen Reich Saba war der stierköpfige Mond- und Reichsgott Almaqah. Seine Hörner waren ein Abbild der Mondsichel. Die Angehörigen des Stammes Saba nannten sich „Kinder Almaqahs“. Seine Symbolzeichen sind Blitzbündel und eine an ein leicht gebogenes S erinnernde Waffe. In einigen Texten wird A. als Herr der Steinböcke bezeichnet, weshalb die Sabäer auch im Kopfschmuck des Steinbocks das Zeichen Almaqahs sahen. Zudem erzählen Inschriften, das gottgleiche Wesen sei in speziellen Gehegen untergebracht. Die Jagd auf den Steinbock war für die Könige eine heilige Pflicht. Es war ein Fruchtbarkeitsritual für den jährlichen Regen. Die Einheimischen weihten ihrem verehrten Gott prunkvolle Kultstätten.

Lit.: Grabini, G.: Il dio sabeo Almaqah. Rivista degli studi orientali 48 (1973 – 1974); Wissmann, Hermann von: Das Großreich der Sabäer bis zu seinem Ende im frühen 4. Jh. v. Chr. Wien: Verl. d. Österr. Akad. d. Wissenschaften, 1982.

Al-Ma’rifah (die Gotteserkenntnis), al-Mahabbah (die Gottesliebe), al-Makhafah (die Gottesfurcht) sind die drei Motive des sufischen Weges.

Lit.: Stoddart, William: Das Sufitum: geistige Lehre und mystischer Weg / M. e. Vorw. v. R. W. J. Austin. Freiburg i. Br.: Aurum, 1979.

Almgeister > Alpgeister.

Almoganenses. Bezeichnung für spanische Wahrsager, die aus dem Flug von Vögeln und deren Gesang, dem Kontakt mit wilden Tieren und anderen Begegnungen gute wie schlechte Ereignisse in der Zukunft voraussagten. Nach Laurentius Valla (1405 / 1407 – 1457) sind die A. im Besitz von Büchern, die von solchem Wissen handeln und Anleitungen zu den verschiedensten Voraussagen geben. Die Wahrsager gliedern sich in zwei Klassen: Meister und Schüler bzw. Anwärter.

Ihnen wird ferner die Fähigkeit nachgesagt, den Weg, auf dem sich verirrte Pferde oder sonstige Tiere sowie Personen befinden, aufzuzeigen und auch die Beschaffenheit des Weges zu beschreiben. Nähere Angaben über Ort, Land und Zeit dieser Wahrsager machen die Autoren nicht, doch scheinen sie ihren Namen nach Mauren gewesen zu sein.

Lit.: Valla, Laurentius: Libri Sex elegantiarum, tractatus de reciprocatione Sui et Suus, de libero arbitrio. Coloniae: Koelhoff, 1482; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Bd. 1. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.

Almtier > Alpgeister.

Almutin, Almuden, Almuth, alte astrologische Bezeichnung für den als beherrschend gewerteten Planeten des > Horoskops. Geht es um die Fragen der Dauer, vor allem der Lebensdauer, so wird Almutin > Hyleg genannt (Pfaff, 162).

Lit.: Pfaff, J. W.: Astrologie. Nürnberg: Campe, 1816.

Aloaden (griech. Aloadai). In der griechischen Mythologie die riesenhaften Söhne des Aloeus (eines Sohnes des > Poseidon), Ephialtes und Otos, die häufig zu den > Giganten gezählt werden. Im Kampf mit den Göttern türmten sie Berge aufeinander, um den Olymp zu stürmen. Sie fesselten den Kriegsgott > Ares und hielten ihn 13 Monate gefangen. Nach der einen Sage seien die beiden von > Apollon getötet worden, nach einer anderen warf sich > Artemis in Gestalt einer Hirschkuh auf die beiden Brüder, worauf diese sich in blindem Jagdeifer gegenseitig töteten.

Lit.: Apollodorus: Die griechische Sagenwelt: Apollodors mythologische Bibliothek / [a. d. Griech. von Christian Gottlob Moser und Dorothea Vollbach. Mit einem Nachwort von Ilse Becher]. Leipzig: Dieterich‘sche Verlagsbuchhandlung, 1988.

Alobha (Pali), ohne Begierde sein – im Buddhismus eine der drei Wurzeln oder Haltungen, die gutes Karma hervorbringt.

Lit.: Bowker, John (Hg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Alocci, Enzo (*1931), stigmatisierter Visionär (Marienerscheinungen) aus Porto San Stefano in Italien; verheiratet mit Rosa Volpe aus Porto Empedocle / Sizilien; am 27. 3. 1966 hatte er die erste Marienerscheinung; ihr folgten viele Botschaften und der Auftrag zum Sühneapostolat gegen die Unsittlichkeit. Am 11. 9. 1966 erhielt er während einer Vision des Gekreuzigten die Stigmen, die zeitweise auch verschwinden können. Am 24. 4. 1966 deklarierte sich Maria als „die Königin des Weltalls“. Eine in Rom erworbene Gipsstatue vergoss am 16. 10. 1972 erstmals blutige Tränen, die laut medizinischer Untersuchung durch zwei voneinander unabhängige Kliniken Roms aus menschlichem Blut der Blutgruppe A bestanden. Am 29. 5. 1975 weinte die „Königin des Weltalls“ zum letzten Mal blutige Tränen in Porto San Stefano.

Lit.: Bouflet, Joachim: Encyclopédie des phénomènes extraordinaires dans la vie mystique. Tome 1: Phénomènes objectifs / Présentation de René Laurentin. Paris: F. X. de Guibert (O.E.I.L.), 1992, S. 272 f., 298.

Alocer. Nach Johann > Weyer ist A. ein mächtiger Dämon und Großfürst des > Hades. Er erscheint in Gestalt eines Ritters hoch zu Ross, sein Gesicht hat das Aussehen eines Löwen. Jenen, die er unter seinen Schutz nimmt, bringt er angeblich Glück; auch lehre er die Astronomie und die Freien Künste. Ihm unterstehen 36 Legionen.

Lit.: Witches, Devils, and Doctors in the Renaissance: Johann Weyer, De praestigiis daemonum / M. e. Vorw. v. John Weber. Tempe, Arizona: Arizona Board of Regents for Arizona State University, 21998.

Aloe (Aloe vera oder Aloe barbadensis), in subtropischen Regionen heimische Heil- und Zauberpflanze aus der Familie der Liliengewächse, von der es viele Arten mit farbintensiven Blüten gibt und die schon im Altertum aufgrund ihres > Aromas geschätzt wurde.
Berühmt war damals die ägyptische Augensalbe, die bei Trachom, der „ägyptischen Augenkrankheit“, helfen sollte. Auch die Sumerer benutzen die Aloe. Verbreitet war zudem das Räuchern mit der A. zu magischen und religiösen Zwecken, da die Pflanze in Indien und China als Seelenreiniger galt. Im lateinamerikanischen Raum fertigt man > Amulette
aus der sehr geschätzten Zauberpflanze an, der nach altem Glauben eine dem Menschen Gesundheit und Wohlergehen bringende Göttin innewohnt. Die immergrüne A. bringt ihre Lebenskraft jedem Kranken und kann sogar unfruchtbaren Frauen helfen. Im Orient wird sie über Haustüren gehängt, da sie vor Verhexung und Wetterschäden schützen soll.

A. ist ferner eine Zutat der orientalischen Fröhlichkeitspillen und verwandter Zubereitungen (Rätsch 1998, 772). Rätsch listet die A. neben Hundeschädeln, Menschenknochen, Maultier-Schienbeinen und vielen anderen Ingredienzien als Bestandteil der Zombiegift-Antidote auf (Rätsch 1998, 809). Generell wird die Pflanze mit Schönheit assoziiert und sowohl als Glücksbringerin wie auch als Beschützerin angesehen.

Nach Rätsch gibt es kaum eine Krankheit, die aus ethnomedizinischer Sicht nicht mit der A. behandelt werden kann, ganz entsprechend ihrem Namen Sábila Sagrada, den sie in Mexiko, Kolumbien und Venezuela trägt und der „die heilige Wissende“ bedeutet. Benutzt wird vor allem der eingedickte Blattsaft der Pflanze, bevorzugt zur Herstellung von Salben, die auch für die Kosmetik-Industrie relevant sind.

Lit.: Schrader, Otto: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Grundzüge einer Kultur- und Völkergeschichte Europas. Hg. v. A. Nehring. Berlin; Leipzig: Walter de Gruyter & Co. Bd. 1 ²1917 – 1923, Bd. 2 ²1929; Rätsch, Christian: Indianische Heilkräuter. Köln: Diederichs, 1987; Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Aloeholz (Aquilaria agallocha), auch Agarholz, Agar-Agar, Garugaru oder Lignum Asphalthi, harzhaltig, ein den Tibetern heiliger Baum, dessen dunkelbraunes Holz in Asien und Arabien als kostbarstes Räuchermittel für rituelle Zwecke benutzt wird. In der japanischen Teezeremonie werden Räucherstäbchen aus A. verwendet. Das A. ist ferner Bestandteil sowohl der Shokoh-5- als auch der Shokoh-7-Mischung, den wichtigsten japanischen Räuchermischungen für buddhistische Andachten und Zeremonien (Rätsch 1998, 167). Psychoaktive Wirkungen von Räucherungen mit A. und Inhalationen des > ätherischen Öls des Holzes werden wiederholt berichtet. Sie gehören zu den stärksten psychoaktiven Wirkungen durch ätherische Öle überhaupt. Das äußerst wertvolle aus dem Holz gewonnene ätherische > Ud- bzw. Oud-Öl spielt in der sufistischen Medizin eine große Rolle. Es wirkt stimmungsaufhellend und wurde bei psychischen Störungen und Meditation eingesetzt. Letztendlich soll es der Seele zu ihrer höchsten Entwicklung verhelfen (Rätsch 1998, 817). Das A. enthält Sesquiterpene, Chromonderivate, ein Cumarinlignanderivat und ein Alkaloid (Rätsch 1998, 781).

Lit.: Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Aloger (griech.), nach Epiphanios Name einer christlichen Gruppe in Kleinasien, die sich im 2. Jh. gegen > Montanismus und > Gnosis wandte, die Logos-Lehre des Evangelisten Johannes und damit auch das Johannesevangelium und die > Johannesapokalypse ablehnte. Zudem verwarf sie den Chiliasmus und die Fortdauer der Prophetie.

Lit.: Epiphanius, Constantiensis: Epiphanii contra octoaginta haereses opus, Panarium, sive Arcula, aut Capsula Medica appellatum, continens libros tres, et tomos sive sectiones ex toto septem / Iano Cornario interprete. Basileae: Oporinus, 1560; Epiphanius, Constantiensis: Ancoratus und Panarion haer. 1 – 33. Leipzig: Hinrichs, 1915.

Alomantie (griech.; engl. alomancy), Zukunftsdeutung durch Salzstreuen, wobei der Deutende aus den Mustern, die das Salz bildet, die Zukunft herausliest. Damit scheint auch die Vorstellung zusammenzuhängen, dass Salz verschütten Unglück bringe. Abgewehrt werde Unglück hingegen durch eine Prise Salz, die man über die linke Schulter wirft.

Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. Erika Ifang [Übers.]. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1988.

Alombrados > Alumbrados.

Alonkok. In der Überlieferung der Pangwe in Kamerun ist A. die Urmutter, die zusammen mit Sonne und Mond, Bergen und Flüssen aus dem aufgeplatzten Weltei hervorkam. Sie gebar Zwillinge verschiedenen Geschlechts, deren Sohn der Hochgott Nsambe war.

A. spielt zudem als Pilz in einem kosmogonischen Mythos einer Gruppe von kongolesischen Pygmäen eine entscheidende Rolle: Die Erde ist aus einem Pilz wie aus einem Ei hervorgegangen. Dabei teilte sich der Pilz in zwei Teile. Der obere Teil stieg auf und wurde zum Himmel, der untere Teil wurde zur Erde. Aus den beiden Teilen entstanden alle sichtbaren Wesen: Sterne, Sonne, Berge, Flüsse, Pflanzen, Tiere und die Große Mutter, die ebenfalls A. genannt wird. In einem weiteren Ei befand sich der Blitz. Auf diese Weise kam die Große Mutter zum Feuer.

Lit.: Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979; Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989; Haseneier, Martin: Der Kahlkopf und das Kollektive Unbewusste. In: Integration, 2 / 3 (1992), 5 – 38.

Alonso Rodriguez > Rodriguez, Alonso.

Alope (griech.), Tochter des arkadischen Königs Kerkyon, die von > Poseidon verführt wurde. Sie gebar ohne Wissen ihres Vaters einen Sohn und befahl einer Amme, das Kind auf einem Berg auszusetzen. Dort wurde es von einem Hirten in kostbaren Gewändern gefunden. Ein zweiter Hirte bot sich an, es aufzuziehen, bestand aber auch auf die Gewänder als Beweis für seine edle Geburt. Die beiden Schafhirten gerieten miteinander in Streit und fast wäre es zu einem Mord gekommen, hätten ihre Gefährten sie nicht vor König Kerkyon geführt. Dieser verlangte die Gewänder des Kindes und erkannte, dass sie aus Kleidern seiner Tochter geschnitten waren. Nachdem die Amme ihren Auftrag zugegeben hatte, befahl der König, A. einzumauern und das Kind wieder auszusetzen. Diesmal wurde es vom zweiten Hirten gefunden, der seine königliche Abstammung kannte, es zu seiner Hütte brachte und Hippothoos nannte.

Als Theseus Kerkyon tötete, schenkte er Hippothoos den Thron Arkadiens. A. war inzwischen im Gefängnis gestorben und neben der Straße, die von > Eleusis nach Megara führte, begraben worden. Poseidon aber verwandelte ihren Körper in eine Quelle und nannte sie Alope.

Lit.: Pausanias I, 39, 3; Aristophanes: Die Vögel. Hamburg: Maximilian-Ges., 1965, 533; Ranke-Graves, Robert von: Griechische Mythologie: Quellen und Deutung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 162005, S. 153–154.

Alow. Schöpfergott, der in Assam, nördlich des Brahmaputra, in Indien lebenden Kachari. Als Sohn der Urgöttin > Arikina schuf er aus der urzeitlichen Wasserfläche die Welt, wobei ihm die Krebse halfen, indem sie die Erde zusammenkratzten. Daraufhin formte er das Modell von Mann und Frau. Als seine fünf Brüder die noch nicht belebten Modelle zerstörten, schuf er sie neu und ließ sie von zwei Hunden bewachen.

Lit.: Endle, Sidney: The Kacháris / J. D. Anderson [Vorr.]. London, 1911.

Aloysius Gonzaga > Gonzaga, Aloysius.

Aloysius La Nuza > La Nuza, Aloysius.

Alp oder Alb, Alf, Elbe, gespenstisches, dämonisches Wesen aus der germanischen Mythologie, entspricht angels. aelf und altnord. álfr, > Elfe, > Mahr. Im norddeutschen Bereich herrscht die Bezeichnung Mahr vor, während in Süddeutschland eher Drud bzw. Trud, Drutt oder Trudd gebräuchlich sind. Die Formen, die der A. annehmen kann, sind sehr vielfältig und reichen von mehr oder weniger phantastischen Tiergestalten wie Katze, Pudel, schwarzem Hund, Affe, Fuchs, Bock, Pferd mit feurigen Augen, „Nachtpferd“, schwarzer Henne, Elster, Schlange, Kröte, schleimigem, kleinen Tier und weißem Schwein über die verschiedensten menschlichen Gestalten, etwa ein buckliges rotes Männlein oder eine weiße Frau, bis hin zur relativen Gestaltlosigkeit wie der eines weißen Nebels. Auch Verwandlungsfähigkeit, z. B. von einer Schlange in einen Frosch, ist ein Charakteristikum des A. (Bächtold-Stäubli). Der Alp verursacht vor allem beim Einschlafen und während des Schlafes beklemmende Angstgefühle, als ob die Brust zusammengedrückt würde.

Der A. kann nicht nur gesehen, sondern auch gefühlt oder gehört werden. Er fühlt sich gelegentlich weich an und besitzt keine Knochen, ist von ekelhafter Feuchtigkeit; wenn er kommt, hört es sich an, als würde er einen nassen Sack über den Boden schleifen; ein andermal latscht er, als trüge er Filzschuhe, und seine Schritte können tappend und schwerfällig sein (Bächtold-Stäubli). Das alles erinnert sehr an Berichte über Spuk und Poltergeister, die häufig mit derartigen Sinneseindrücken wie etwa > Mimikry-Geräuschen einhergehen. Der A. spielt auch bei der Entstehung des Hexenglaubens eine wichtige Rolle.

Was ist der A.? Hier gibt es eine weite Palette an Interpretationen. Selten gilt der A. als > Dämon, manchmal rückt er in die Nähe von > Zwergen und > Kobolden. Oder aber es steckt der Teufel in ihm. Weiters kann es sich auch um den Geist eines Verstorbenen handeln, für den man dann Messen lesen lassen oder Gebete verrichten soll, wie es von vielen Poltergeistfällen berichtet wird. Häufig wird der A. auch als Geist eines Kindes, einer Frühgeburt, gedeutet. Ferner kann auch der Geist eines lebenden Menschen als A. umgehen und die Schlafenden bedrängen.

Das Altertum kennt einen männlichen > incubus und einen weiblichen > succubus.

Lit.: Schrader, Otto: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Grundzüge einer Kultur- und Völkergeschichte Europas. Hg. v. A. Nehring. Berlin; Leipzig: Walter de Gruyter & Co., Bd. 1 ²1917 – 1923, Bd. 2 ²1929; Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste. Graz: ADEVA, 1968; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde ff. Berlin; New York: Walter de Gruyter, ²1973 ff.; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Puhle, Annekatrin: Learning from Historical Cases: Six Selected Poltergeist Cases from the 1700s in Germany. In: European Journal of Parapsychology 16 (2001), 61 – 72.

Alpais von Cudot (1150 – 1211), selig (26. Februar 1874, Fest: 3. Nov.). Als armes Bauernkind in Cudot, Frankreich, geboren, wurde sie als junges Mädchen von der Lepra befallen, woraufhin sie Arme und Beine bald nicht mehr bewegen konnte und schließlich ihre Gliedmaßen verlor. A. führte daraufhin ein Leben in voller Gottverbundenheit und nährte sich als Reklusin ausschließlich von der hl. Kommunion. An ihre Zelle wurde eine Kirche mit einem Fenster angebaut, durch das sie an der hl. Messe teilnehmen konnte. Sie war Beraterin von Königin Adela von Frankreich sowie vieler anderer Persönlichkeiten und genoss hohes Ansehen, vor allem wegen der außergewöhnlichen Ereignisse, die sich an ihr und in ihrer Gegenwart ereigneten. So sagte sie: „Ob ich aber, was der Herr mir in seinem Wohlgefallen zeigt, wenn er in mir oder mein Geist in ihm ruht, im Leibe oder ausser dem Leibe sehe, weiss ich nicht… Einmal jedoch ist es mir erschienen… ich sei ausser meinem Leibe gewesen. Aber wie und wann meine Seele aus ihrem Leibe ging und wie sie ihn abstreifte, das weiss ich durchaus nicht“ (Buber, 54 – 55). Sie lebte in völliger Einheit mit Gott und ohne jede Todesfurcht, als Gott ihr kundtat, dass er sie zu sich nehmen werde. A. starb am 3. November 1211 und wurde fortan als Selige verehrt. 1874 wurde der Kult von Papst Pius IX. bestätigt.

Lit.: Ekstatische Konfessionen. Gesammelt von Martin Buber. M. e. Einleitung v. Martin Buber u. e. Nachw. v. Paul Mendes-Flohr. Heidelberg: Lambert Schneider, 51984; Stein, Elisabeth: Leben und Visionen der Alpais von Cudot (1150 – 1211); Neuedition des lateinischen Textes mit begleitenden Untersuchungen zu Autor, Werk, Quellen und Nachwirkung. Tübingen: Narr, 1995.

Alpan (auch Alpanu, Alpnu). Etruskische Göttin von der Art der > Lasen, die geflügelt oder ungeflügelt dargestellt wird. Über dem nackten Körper trägt sie einen kaum verhüllenden Mantel, reichen Schmuck und Sandalen an den Füßen. Die leichte Bekleidung weist darauf hin, dass sie eine Liebesgöttin war; andererseits zeigt sie aber Züge einer Unterweltsgöttin.

Lit.: Pfiffig, Ambros Josef: Religio etrusca: sakrale Stätten, Götter, Kulte, Rituale. Wiesbaden: VMA-Verl., 1998.

Alpdrücken, Hauptbeschäftigung des gespensterhaften > Alp, der sich auf die Brust eines Schlafenden setzt und ihn drückt, häufig so lange, bis dieser schließlich aufwacht. Der Alp kann aber auch treten oder reiten. Davon zeugen noch Sprichwörter wie „Den reitet der Teufel“. Der A. kann aber auch noch ganz andere Mühen aufwenden, um sein Opfer zu quälen. So kriecht er beispielsweise an dem Schlafenden von den Füßen zum Oberkörper hinauf, würgt ihn oder steckt ihm zum selben Zweck seine haarige Zunge in den Mund, zählt mit seinen Fingern dessen Zähne, zerkratzt sein Gesicht, saugt an seiner Brust und anderes mehr.

Die Vorstellung eines dermaßen bedrückenden nächtlichen Besuchers ist sehr alt, sie findet sich schon bei den Chaldäern (Lehmann, 529). Aus der Antike sind der männliche Schlafdämon > Incubus und der weibliche > Succubus bekannt.

Physiologische Erklärungen des stark mythologisch verankerten Phänomens des A. reichen von angehenden Halsschmerzen, Erkältung, blockierter Atmung und schlechter Schlafposition bis zu Übersättigung und Verdauungsproblemen bei schwer verdaulichen Speisen, etwa Pilzen.

Lit.: Hadfield, J. A.: Dreams and Nightmares. Reprint 1961. Harmondsworth, Middlesex: Penguin Books, 1961; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Lehmann, Alfred: Aberglauben und Zauberei. Bindlach: Gondrom 1990.

Alpen-Hexenkraut (Circaea alpina L.) oder Circée des Alpes, Erba-maga delle Alpi, in den Alpen heimische Pflanze aus der Familie der Onagraceae, die schattige und abgelegene Orte bevorzugt. Zusammen mit dem > Großen Hexenkraut und einer natürlichen Kreuzung aus beiden, dem > Mittleren Hexenkraut, bildet sie eine Gruppe von > Zauberpflanzen, die der > Kirke zugeordnet wurden.

Lit.: Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Alpenrose, Pflanze aus der Familie der Ericaceae, von der einige Arten psychoaktive Wirkung zeigen, so etwa die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum L.), die auch Braune oder Rost-Alpenrose genannt wird. Diese Art der A. mit dunkelrosafarbenen Blüten bevorzugt Urgestein und kalkfreien Humusboden in den Alpengegenden. Alter Volksweisheit zufolge zieht sie wie viele andere rotblühende Pflanzen den Blitz an. Andere Namen der Alpenrose wie Rauschkräutl, Almrausch und Alprausch führen manche Botaniker auf die berauschende Wirkung ihres Saftes zurück (Perger, 39), in dem ein narkotisch wirkender Stoff ähnlich wie in der Rauschbeere (Empetrum nigrum) enthalten sein soll, was Geßner jedoch abstreitet (Geßner, 502). Rätsch weist auf den von der Pflanze produzierten psychoaktiven und giftigen Honig hin (Rätsch, 580). Die Rostblättrige A. wird auch als Mittel gegen Betrunkenheit angeführt.
Im Nordkaukasus kommt die
Kaukasische Alpenrose (Rhododendron caucasicum Pallas) vor, die vermutlich als psychoaktiver Räucherstoff bei einem divinatorischen Ritual von den Osseten, den Nachkommen der Skythen, benutzt wurde (Rätsch, 579). So soll der berauschende Rauch des Kaukasischen Rhododendron den Inhalierenden in tiefen Schlaf versetzen und ihm weissagende Träume schenken.

Eine dritte Variante der A. ist die Goldgelbe Alpenrose (Rhododendron chrysanthum Pallas, syn. Rhododendron officinale SALISB., Rhododendron aureum GEORG), der ebenfalls Rauschwirkung zugeschrieben wird.

Lit.: Perger, A., Ritter von: Studien über die deutschen Namen der in Deutschland heimischen Pflanzen. Denkschrift d. Akad. d. Wiss. Wien, Mathe.-Nat. Cl. 19.2 1861, 1 – 70 (Bäume u. Sträucher); Geßner, Otto: Die Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa. Heidelberg, ²1953; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. Bd. 3. Stuttgart: Hirzel; Wiesbaden: Steiner, 1977; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Alpenveilchen (Cyclamen europaeum L.), ein häufig in den Alpen und Voralpen vorkommendes, schon bei Plinius (Plinius, XXV, 115) und > Dioskurides (Dioskurides, II, 164) erwähntes Schlüsselblumengewächs, dessen Verwendung als Heilpflanze in verschiedenen Namen anklingt, wie z. B. in Kelnwurzel, da sie gegen die Kehlsucht der Pferde hilft, in Lebakrut, da sie als homöopathisches Lebermittel dient, in Gichtapfel und Kreuzwehkraut. Das A. wurde aber auch als Lauswurz, also vermutlich als Antiparasiticum benutzt und vor allem auch als > Aphrodisiakum für Stiere und Hirsche, was man noch in den Namen Stierl und Hirschbrunst erkennen kann.

Das A. mit dem antiken Namen Kyklaminos, wörtl. „Schweinebrot“ (Cyclamen hederifolium AITON, syn. Cyclamen neapolitanum TEN., Cyclamen linearifolium DC.), ist eine der Heilpflanzen aus dem kolchischen Garten der > Hekate. Es wächst in Laubwäldern der tieferen Lagen des Südwestjura, der Nord- und Südalpen, in den Karpaten und im Mittelmeergebiet. Wegen der blutroten Färbung des Inneren ist das A. auch eine Marienblume (Mariens vor Schmerz blutendes Herz), nach der Weissagung des Simeon (Lk 2, 35).

Lit.: Plinius, C. Secundus: Naturalis historiae libri XXXVII. Hg. v. Lud. Jan und Carol. Mayhoff. Lipsiae 1892 – 1898; Dioskurides: Pedanii Dioscuridis Anazarbei de materia medica libri V ed. M. Wellmann. 3 voll., Berolini, 1907 – 1914. Dt. Übersetzung von J. Berendes. Stuttgart, 1902; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 1. Leipzig: Hirzel, 1943; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Alpert, Richard (* 1931) wurde in den 1960er-Jahren zu einer schillernden Gestalt der psychedelischen Revolution. 1957 promovierte er an der Stanford Universität zum Dr. phil. in Psychologie und lehrte daraufhin in Stanford, an der Universität von Kalifornien in Berkeley sowie an der Harvard Universität, von wo er zusammen mit seinem Freund Timothy Leary wegen Experimenten mit Psilocybin entlassen wurde. Dank großzügiger finanzieller Unterstützung für weitreichende Experimente zur Verbreitung von LSD als Droge zum Hervorrufen veränderter Bewusstseinszustände wurde er zum Mitinitiator der sog. psychedelischen Revolution. In der Verbreitung der Auffassung, dass mystische Erfahrung durch Drogen hervorgerufen werden könne, ließen Alpert und Leary den in Aldous Huxleys Buch The Doors of Perception (1954; Die Pforten der Wahrnehmung) verkündeten sakralen Gebrauch der > Peyote durch nordamerikanische Indianer wieder aufleben und propagierten die > psychedelischen Drogen jenseits jeder kulturellen Einbettung als mystische Erlebniselixiere. Als im Verlauf von Alperts Studien in Indien ein Guru im Himalaja eine Überdosis seiner Droge zu sich nahm, ohne Wirkung zu zeigen, war A. überzeugt, einen Guru gefunden zu haben, der die durch LSD hervorgerufenen Bewusstseinserweiterungen ohne Droge erreichte. Er bekannte sich forthin zum > Raja-Yoga und nannte sich „Baba Ram Dass“. 1969 verließ A. die Welt der psychedelischen Drogen, lehrte nunmehr Raja-Yoga am Esalen Institut in San Francisco, unterrichtete an der Menninger Foundation in Kansas sowie an vielen anderen Orten und trat fortan mit demselben Enthusiasmus für die hinduistische Mystik ein wie früher für die Drogen.

W.: Alles Leben ist Tanz: Gespräche bei d. Menninger Foundation, Topeka, Kansas, 1970 u. am Spring Grove Hospital, Spring Grove, Maryland, 1972. Übers. von Schiva Luetjohann. Berlin: Schickler, 1976; Schrot für die Mühle: Vorträge über den Dharma. In Zusammenarb. mit Stephen Levine. Aus dem Amerikan. von Stewart Coltman. Berlin: Sadhana-Verl., 1995; Das kleine Buch fürs Wesentliche: Weisungen für ein spirituelles Leben. München: Knaur, 2004.

Lit.: Leary, Timothy Francis: Psychedelische Erfahrungen: ein Handbuch nach Weisungen d. Tibetan. Totenbuches. Autoris. Übers. durch Ursula von Mangoldt. Weilheim / Obb.: O. W. Barth, 1971; Huxley, Aldous: Die Pforten der Wahrnehmung. München; Zürich: Piper, 1996.

Alpgeister, Almgeister. Wenn die Älpler im Herbst die Alm mit den Kühen verlassen haben, besuchen die Almgeister, auch Alm- bzw. Alpenbütze genannt, angeblich die Almhütten, mustern diese sorgfältig und teilen dann ihren im Berginnern hausenden Brüdern und Schwestern mit, dass es Zeit sei, in die Almhütten einzuziehen, wo sie bis zur Rückkehr im Frühjahr bleiben. Wenn der Senner in Tirol im Frühjahr auf die Alm kommt, besprengt er Räume und Ställe mit Weihwasser, um die Geister zu bannen. Diese ziehen sich daraufhin in die Wälder und das Berginnere zurück.

Eine besondere Zeit ist für die A. die Weihnachtszeit. So kommen zur Weihnacht alle Geister aus einem Tal an einem bestimmten Ort zusammen, wo sich dann allerlei geheimnisvolle Dinge ereignen sollen.

In den A., die man sich als Angst und Schrecken auslösende selbstsüchtige Gespenster vorstellt, verkörpert sich das Grauen vor den in der Bergeinsamkeit leerstehenden menschlichen Behausungen und Räumlichkeiten.

Lit.: Sagen aus Tirol / ges. und hg. von Ignaz Vinzenz Zingerle. Innsbruck: Witting, 1850; Vonbun, Franz Josef: Die Sagen Vorarlbergs mit Beiträgen aus Liechtenstein. Auf Grund d. Ausg. von Hermann Sander (1889) neu bearb. u. hg. von Richard Beitl. Feldkirch: Montfort, 1950; Mannhardt, Wilhelm: Antike Wald- und Feldkulte aus nordeuropäischer Überlieferung. Hildesheim u. a.: Olms, 2002.

Alpgeschrei, klagendes, verborgenes Schreien, oft wie ein Schluchzen von Kindern, das in einigen Bergen der Schweiz als Vorzeichen für schlechtes Wetter oder Unheil gedeutet wird.

Lit.: Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten Lucern, Uri, Schwiz, Unterwalden und Zug. Hrsg. von Alois Lütolf. Lucern: Schiffmann, 1862. Nachdruck: Hildesheim: Olms, 1976.

Alpha und Omega > A und O.

Alphabet (griech.). Die überlieferte Reihenfolge unserer Lautzeichen wird nach den ersten beiden griechischen Buchstaben Alpha und Beta benannt. Die Geschichte des Alphabets ist vielschichtig und im Einzelnen umstritten. Während es manche unabhängige Bilderschriften gibt, ist die Buchstabenschrift die einmalige Erfindung der Phönizier. Bis zum 1. Jh. v. Chr. bestand das A. aus 21 Buchstaben: A B C D E F G H I K L M N O P Q R S T V X. Im 1. Jh. v. Ch. kamen dann die Zeichen Y und Z hinzu, die man zur Umschrift griechischer Begriffe in die lateinische Sprache benötigte. Durch die Unterscheidung von I und J, U und V, W im Mittelalter kam das lateinische Alphabet auf 26 Buchstaben, die im Deutschen durch die diakritischen Zeichen Ä, Ö, Ü sowie das ß ergänzt wurden.
Aus einem lateinisch durchsetzten, nordetruskischen A., das über Chur in der Schweiz nordwärts drang, stammt wohl auch der größte Teil der germanischen > Runen.

Wie das gesprochene Wort besitzt auch das geschriebene Wort eine geheimnisvolle Macht, an der jeder Buchstabe seinen Anteil hat. Mittels Kenntnis und Anwendung bestimmter Buchstabenkombinationen (Zauberformeln) eröffnet sich ein unerschöpflicher Reichtum an Gestaltungs- und Erlebnismöglichkeiten, die über die Sachmitteilung weit hinausgehen und daher mit verschiedenen Bedeutungen in Verbindung gebracht werden.

In Judentum, Christentum, Islam und anderen Religionen und religiösen Gruppierungen spricht man von „heiliger Schrift“. Die > Kabbala entwickelte sogar spezielle Umgangsformen mit dem A., etwa beim Gebrauch von Gottesnamen sowie in der mystischen Bibelexegese. Durch Umstellungen, Rückwärts- und Vorwärtslesen, Verbinden und Auslassen von Buchstaben entstanden unzählige Deutungen und Bedeutungen. Schließlich eröffnete die Bezeichnung der Zahlen mit Buchstaben ein Feld weiterer Deutungen und Spekulationen. > Alphabet-und Buchstabenmystik, > Gematrie, > Magische Alphabete, > Notarikon, > Schrift, > Themurah.

Lit.: Bertholet, Alfred: Die Macht der Schrift in Glauben und Aberglauben. Berlin: Akademie-Verl, 1949; Winkelmann, Joachim: Tarot der Eingeweihten / Geleitwort von Court de Gebelin. 2., stark erw. Aufl. von Tarot: der uralte Schlüssel Salomonis zur Erforschung und Meisterung Deines Schicksals. Berlin: Schikowski, 1954; Das Alphabet: Entstehung und Entwicklung der griechischen Schrift / hrsg. von Gerhard Pfohl. Darmstadt: Wiss. Buchges, 1968; Dornseiff, Franz: Das Alphabet in Mystik und Magie. Wiesbaden: Fourier, 1988; Blamires, Steve: Baum-Magie mit dem keltischen Ogham-Alphabet. Aus dem Amerikan. von Gabriele Broszat. München: Heyne, 2003.

Alphabete, magische. Bereits die ägyptischen Priester bedienten sich bei Beschwörungen einer Art Beduinensprache oder der kretischen Sprache. In der antiken Zauberei verwendete man zudem ägyptische, babylonische und hebräische Namen. Man kannte auch Kunstschriften, wie die von den Arabern übernommenen > Brillenbuchstaben, die deren Amulette und Zaubergegenstände zieren.

Aus dem Mittelalter sind über 50 magische Alphabete überliefert, die vornehmlich aus Abwandlungen des griechischen, hebräischen und lateinischen A. bestehen. Das Gestalten dieser magischen Alphabete nannte man > Staganographie (griech. staganos, geheim, und graphein, schreiben.). Mit diesen Schriften sollte das geheime Wissen nur Eingeweihten zugänglich werden. Zu diesen magischen Alphabeten gehören u. a. das A. des Tempelherrenordens und der Freimaurer, die Kunstschrift der > Runen, das > Ogham-Alphabet der Kelten und das Alphabet der Barden. Diese Kunstschriften werden heute besonders im modernen Hexenwesen gepflegt. So verlangen manche > Wicca-Traditionen von Junghexen, ein vollständiges magisches Alphabet zu erlernen.
Bei diesen Kunstschriften kommt zur magischen Bedeutung der einzelnen Buchstaben noch die Macht des Geheimen und Elitären durch die Verschlüsselungen hinzu. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie vom Christentum verboten wurden.

Lit.: Gettings, Fred: Dictionary of Occult, Hermetic, and Alchemical Sigils. London: Routledge & Kegan, 1981; Faulmann, Carl: Schriftzeichen und Alphabete aller Zeiten und Völker. Augsburg: Augustus-Verl., 1995.

Alphabetmystik > Buchstabenmystik.

Alphabetum Siracidis, lateinische Bezeichnung des sog. Othijoth ben Sira (Alphabet des Ben Sira, des angeblichen Verfassers des Buches Jesus Sirach), das in der hebräisch-jüdischen Bezeichnung Ben Sira heißt, während es die griechische Bibel Siracides nennt und die lateinische Liber Ecclesiasticus. Als Verfasser wird in Jesus Sirach 50, 27 und 51, 30 ein Weisheitslehrer namens „Jesus, Sohn Eleasars, des Sohnes Sirachs“ genannt. Doch ist dies sicher nicht der Verfasser des Alphabetum Siracidis, das aus dem 11. Jh. stammt und aus zwei Alphabeten von Sprüchen besteht, 22 in Aramäisch und 22 in Hebräisch, die mit Kommentaren und Legenden versehen sind, wozu auch die Erzählung von > Lilith, „Adams erster Frau“, gehört, die nach der früheren sumerisch-babylonischen Legende, datiert auf 3500 v. Chr., eine geflügelte Dämonin war, welche Kinder tötete und Frauen bei der Geburt bedrohte. Goethe griff das Thema der Lilith im Faust auf.

Lit.: Steinschneider, Moritz (Hg.): Alphabetum Siracidis utrumque, cum expositione antiqua (narrationes et fabulas continente). Berolini, 1858.

Alphard, Alpha Hydrae, 26° 36’ Löwe, hellster Fixstern im Sternbild Wasserschlange, im Sternzeichen Löwe gelegen. Von der Saturn- und Venusart, schließt A. immer Unmoral ein.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Alphawellen, auch Berger-Wellen, benannt nach Hans Berger (1873 – 1941), bezeichnen die Wellenform des normalen EEG (bei entspanntem Wachzustand, reizarmer Umgebung, reduzierter visueller Aufmerksamkeit); mit der Frequenz 8 – 13 Wellen / sec und Spannungshöhe 50 – 100 µV. Am klarsten treten sie vor dem Einschlafen (hypnagoge Phase) und beim Erwachen (hypnopompe Phase) bei völliger Passivität auf. In beiden Phasen ist die bewusste Kontrolle der psychischen Aktivität („Ego-Regression“) gemindert, was zu optischen und akustischen Sinneseindrücken führen kann. Bei intellektueller Aktivität werden die A. blockiert, während sie im Schlaf von den Deltawellen abgelöst werden.

Bei Experimenten fand Charles Honorton eine starke positive Korrelation zwischen den ASW-Treffern der Versuchpersonen und deren Grad an Alphawellen. Durch Meditation und Biofeedback können Alphawellen künstlich hervorgerufen werden, was man auch als Glücksborn bezeichnet. Doch sind die A. weder ein Maßstab für Frieden noch für Glückseligkeit, wenngleich sie bei Entspannung zunehmen und in diesem Zustand > ASW und kreative Einfälle zu begünstigen scheinen.

Lit.: Honorton, Charles: Psi and Internal Attention State. In: Handbook of Parapsychology. New York: Van Nostrand Reinhold, 1977, S. 435 – 472; Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände. Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990; Beyerstein, Barry: “Altered States of Consciousness”. In: The Encyclopedia of the Paranormal, edited by Gordon Stein. Buffalo, N. Y.: Prometheus Books, 1996.

Alphecca, Gemma, Alpha Coronae Borealis, 11° 33’ Skorpion, ist der hellste Stern im Sternbild nördliche Krone, im Sternzeichen Skorpion gelegen. Er ist von der Art Venus und Merkur und steht für künstlerische Gaben.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Alpheios, Alphios, sagenumwobener längster Fluss des Peloponnes. Er entspringt in Arkadien und mündet in das Ionische Meer. Die Personifikation des Flusses ist der Flussgott Alpheios, Sohn der > Thetys oder Gaia und des Okeanos. Als Mütter werden auch Amymo oder die Nymphe Parthenia und als Vater Thermodon genannt. Der jagdfreundliche Flussgott stellte der Nymphe > Arethusa nach, die von ihm jedoch nichts wissen wollte, auf die Sizilien vorgelagerte Insel Ortygia (Syrakus) flüchtete und sich in eine Quelle verwandelte. A. seinerseits verwandelte sich aus Liebe zu ihr in einen Fluss, der angeblich unter dem Mittelmehr Sizilien und den Peloponnes verbindet, sodass A. doch noch mit Arethusa in Verbindung kam. Vor dieser Verbindung stellte A. jedoch der Göttin > Artemis nach, die sich in Letrinis unter die > Nymphen mischte. Diese bestrichen ihre Gesichter mit Kot, sodass es A. unmöglich wurde, Artemis ausfindig zu machen.

Herakles soll mit Hilfe des A. die Ställe des > Augias ausgemistet haben.

Nach einer anderen Sage habe A. seinen Bruder Kerkaphus getötet, weshalb ihn empörte Hirten verfolgten. A. stürzte sich daraufhin in den Fluss Nyktimus, der seinen Namen trägt.

Lit.: Spadaro, Giuseppe: Alpheios: rapporti storici e letterari fra Sicilia e Grecia (IX – XIX sec.). Caltanisetta: Ed. Lussografica, 1998; Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg u. a.: Herder, 2002.

Alpheratz, Sirrah, Alpha Andromedae, 13° 40’ Widder, ist der hellste Stern im Sternbild Andromeda, im Sternzeichen Widder gelegen. Er ist von der Art Venus und Jupiter und gilt als Hinweis auf Liebe, Reichtum und Glück.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Alphitomantie (griech. alphita, Gerstengraupen; engl. alphitomancy). Wahrsagen mittels Gerstenmehl oder Gerstengraupen. Diese Form der > Mantik reicht bis in die Antike zurück. Die erste Erwähnung findet sich bei Claudius Aelianus im 2. Jh. n. Chr., wo sie neben der > Koskino- und > Tryomantie genannt wird. Die A. wurde zur Prüfung von Schuld und Unschuld eingesetzt. Zum Ausfindigmachen des Schuldigen bei mehreren Verdächtigen wurde diesen ein Gerstenbrot gegeben. Der Unschuldige sollte keine negative Wirkung verspüren, der Schuldige aber würde unter Verdauungsstörungen zu leiden haben. Auf dieser Praxis beruht der Volksschwur: „Wenn ich Dich betrüge, soll dieses Stück Brot mich vollpfropfen.“

Lit.: Iamblichus, Chalcidensis: Iamblichus De mysteriis Aegyptiorum, nunc primum ad verbum de Graeco expressus, Nicolao Scutellio interprete. Adiecti de vita et Secta Pythagorao flosculi, ab eodem Scutellio ex ipso Jamblicho collecti. Romae: Apud Anton. Bladum, 1556, 3, 17; Aelianus, Claudius: De natura animalium libri XVII. Leipzig: Teubner, 1864, 8, 5.

Alphons Maria von Liguori (1696 – 1787), heilig (26. Mai 1939, Fest: 1. August), Gründer d. Redemptoristen, Moraltheologe, Bischof, 1871 zum Kirchenlehrer erhoben.

A. wurde am 27. 9. 1696 in Marianella bei Neapel, Italien, geboren, promovierte mit 16 Jahren in Rechtswissenschaft (utroque jure), studierte dann Theologie und wurde 1726 zum Priester geweiht. 1732 gründete er die Kongregation vom Allerheiligsten Erlöser (Redemptoristen). Von 1762 – 1775 war er Bischof von Sant’Agata dei Goti und wirkte dann bis zu seinem Tod am 1. August 1787 in seinem Kloster in Pagani, wo sich in der Kirche der Redemptoristen sein Grab befindet.

Zwischen 1728 und 1778 erschienen 111 Werke; nach seinem Tod wurden weitere veröffentlicht. Sein Schrifttum enthält Arbeiten für die Seelsorge und das spirituelle Leben, dogmatische Schriften apologetischer Natur und moraltheologische Werke. Die Moraltheologie war sein besonderes Arbeitsfeld. Seine Theologia moralis, die bisher weit über 120 Auflagen erreicht hat, ist ein Standardwerk der Moraltheologie. Sein besonderes Augenmerk galt der Formung der Ordensleute und Priester für die pastorale Tätigkeit und der Vertiefung des religiösen Lebens. Sein Buch Le glorie di Maria (Die Herrlichkeiten Marias) gehört zur klassischen Marienliteratur der Welt. Die Briefliteratur ist ebenfalls sehr umfangreich.

A. betätigte sich zudem als Dichter, Maler und Komponist. So stammt das italienische Weihnachtslied „Tu scendi dalle stelle“ von ihm.
Das persönliches Leben war gekennzeichnet durch eine ständige Verbundenheit mit Gott, eine große Marienverehrung, Trancezustände, Ekstasen und angebliche > Bilokationen. So erzählte sein Hausgehilfe Alessio Pollo, der in der Folge Redemptoristenbruder wurde, zur vierten Bilokation im Apostolischen Prozess von Nocerino Folgendes:

Als sich der Diener Gottes, etwa um das Jahr 1774, in seiner Residenz in Arienzo befand, blieb er einmal zwei Tage in ruhigem, tiefen Schlaf befangen in seinem Lehnstuhl sitzen, sodass ich, der ich ihn bediente, nicht wagte, ihn aufzuwecken, dies auch auf den Rat seines Vikars Don Giovanni Nicola di Rubino hin, der mir auftrug, ihn nicht zu stören, aber wachsam zu sein. Nach diesem ca. zweitägigen Schlaf wachte er gerade auf, als ich bei ihm war, und sagte jene Worte, die mir von P. Antonio Tannoia, einem Mitglied unserer Kongregation, berichtet wurden. Dieser hatte viel von der verstorbenen Redemptoristin Sr. M. Celestina del Divino Amore erfahren, die es wiederum von Agata Viscardi wusste, welche bei eben jenem Ereignis zugegen war, nachdem sie die erwähnte Sr. zum ehrwürdigen Diener Gottes geschickt hatte. Es sind dies die von mehreren glaubwürdigen Personen aus Arienzo überlieferten Worte: ,Ihr habt geglaubt, dass ich schlafe. Dem war aber nicht so. Ich bin Papst Clemens XIV. beigestanden, der nun tot ist.‘ Soweit die Todesnachricht, wie man sie dann auch tatsächlich vernommen hat.“ (Gregorio, 226 – 227)

W.: Opera omnia. 22 Bde, hg. v. E. Grimm. Monza bzw. Turin, 1822 ff. bzw. 1887; Lettere di S.A.M.d.L. 3 Bde (dt.: Regensburg, 1893 / 94), hg. v. F. Kuntz und F. Pitocchi. Rom 1887 – 90.

Lit.: Sampers, Andreas: Bibliografia Alfonsiana 1938 – 1953 und 1953 – 1971. In: Spicilegium historicum Congregationis SS. Redemptoris 1 (1953, S. 248 – 271, und 19 (1971), S. 41 – 54); Gregorio, Oreste: Das Phänomen der Bilokation im Leben des hl. Alfons von Liguori. In: Grenzgebiete der Wissenschaft 52 (2003) 3, 219 – 236.

Alphons von Madrid OFM (ca. 1475 – ca. 1570), spanischer Franziskaner, hat durch seine Schriften Arte para servir a Dios (Die Kunst, Gott zu dienen), 1521, und Espejo de ilustres personas (Spiegel für Standespersonen), 1526, den großen spanischen Mystikern des 16. Jhs. den Weg bereitet. A. verkündete eine verinnerlichte Frömmigkeit mit Anleitungen zur Meditation und zum inneren Gebet.

W.: Arte para servír Dios; Espejo de ilustres personas; Ley de amor santo; Misticos Franciscanos Españoles. Madrid: Biblioteca de Autores Cristianos, 1948.

Alphons von Orozco OSA (1500 – 1591), heilig (19. Mai 2002, Fest: 19. September), Augustinereremit. Nach einer Predigt des > Thomas von Villanova trat er 1522 in den Orden der Augustinereremiten ein und wurde 1523 zum Priester geweiht. Ab 1554 war er Hofprediger und Ratsherr Karls V. und Philipps II. von Spanien. Nach einer Vision, in der Maria ihn zum Schreiben aufforderte, wurde er zu einem der bekanntesten mystischen Schriftsteller des 16. Jhs., das auch das spanische goldene Jahrhundert genannt wird. In seinen Werken beschreibt er mit großer Klarheit und innerer Teilnahme die tiefsten Geheimnisse des Glaubens. Er mahnt dabei als Mystiker zur Sachlichkeit bei außerordentlichen Erfahrungen und betont die ununterbrochene Verbundenheit mit Gott durch Meditation, Kontemplation und Gebet. In der Kontemplation erkenne der Geist die höchste Wahrheit, die Gott selbst ist. Über der erworbenen Kontemplation stehe die eingegossene, die zur mystischen Hochzeit führen kann. A. ist sich der steten Anwesenheit Jesu in der Seele bewusst. Von seinen Werken seien folgende genannt: Confesiones (1601 ff.); Soliloquio de la Passion de nuestro Redemptor Jesuchristo (1585 ff.); Cronica del … sant’Augustin (1551).

W.: Tratado de las siete palabras que María santísima habló. Lérida: Imprenta mariana, 1982.

Lit.: Cámara y Castro, Tomás J: Leben des sel. Alfons v. Orosco aus dem Eremitenorden des hl. Augustinus. Würzburg: Fleischman, 1885; Orozco, Alonso: Díez, Jesús / Antología de sus obras. Madrid: Fundación Universitaria Española, 1991.

Alpiel. Nach dem Talmud, den Büchern der jüdischen mündlichen Gesetze, die aus der Mischna und ihrer Diskussion, der Gemara, bestehen, ist A. der Engel der Obstbäume.

Alpkind. Unter dem Einfluss der mittelalterlichen Incubus– und Succubus-Lehre glaubte man, dass der > Alp mit der von ihm heimgesuchten Frau Kinder zeuge, die als Früh- oder Missgeburten zur Welt kommen sollten. Die noch bei Prätorius und Grimmelshausen angeführte Bezeichnung „Alpkind“ dürfte hier anknüpfen.

Lit.: Piaschewski, Gisela: Der Wechselbalg. Ein Beitrag zum Aberglauben der nordeuropäischen Völker. Breslau: Maruschke & Berendt, 1935.

Alpmutter. Weiblicher Alpgeist, der die Alphütten, aber auch die Bauernhöfe heimsucht. Die A. wird als buckelige Frau, umgeben von dienenden Kobolden in Tiergestalt, beschrieben.

Lit.: Vonbun, Franz Josef: Beiträge zur deutschen Mythologie: gesammelt in Churrhaetien. Chur: Hitz, 1862; Vonbun, Franz Josef: Die Sagen Vorarlbergs mit Beiträgen aus Liechtenstein. Auf Grund d. Ausg. von Hermann Sander (1889) neu bearb. u. hrsg. von Richard Beitl. Feldkirch: Montfort, 1950.

Alpranke > Mistel.

Alprücken > Viehrücken.

Alprute, auch Donnerbesen und Alfloddern (Westfalen) genannt, ist ein struppiges, nestartiges Gewächs auf Baumästen, dessen Entstehen dem Blitz zugeschrieben wird. Geht man unter einer A. durch, so bekommt man einen schweren Kopf. Legt man hingegen eine A. von Erle oder Esche unter den Kopf, dann tritt das Alpdrücken nicht auf.

Lit.: Kuhn, Adalbert: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. 2 Bde. Leipzig, 1859; Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie. Nachdr. [d. Ausg.] Göttingen, Dieterich, 1835. Frankfurt / Main: Keip, 1985.

Alpsegen. Segnung der Alp durch den Priester vor dem Almauftrieb, um Gefahr und Krankheit zu bannen. Mit A. oder „Betruf“ (Schweiz) wird oft auch der Segen bezeichnet, den der Senner am Abend auf die Alp herabfleht.

Lit.: Sartori, Paul: Sitte und Brauch. Ausg. in einem Band. Leipzig: Heims, 1914; Niederberger, Franz: Sagen, Märchen, Gebräuche aus Unterwalden. 3 Bde. Sarnen, 1908 – 1914, 3, S. 377.

Alptraum, engl. nightmare, bedrückender, beklemmender und beängstigender Traum, der auch als REM-Traum definiert wird. Er weist einen so starken Affekt auf, dass es zum Erwachen kommt. Dieses Erwachen ist zu unterscheiden vom Aufschrecken aus Angst aus dem Tiefschlaf (Pavor nocturnus) und von posttraumatischen Wiederholungen erlebter Situationen. 70 bis 90 % aller Erwachsenen geben an, in ihrer Kindheit Alpträume erlebt zu haben. Häufige Alpträume sind Verfolgung (50 %), eigener Tod oder Verletzung (20 %), Tod oder Verletzung anderer (15 %) und Fallen ins Bodenlose (10 %).

Eine Umfrage in 1006 repräsentativen Haushalten in Los Angeles ergab, dass 11 % der Befragten regelmäßig von Alpträumen gequält werden (Foulkes, 4). Personen, die zu Alpträumen neigen, unterscheiden sich nach Forschungen Hartmanns von verschiedenen Kontrollgruppen durch extreme Sensitivität und Offenheit (sensitivity and openess) seit frühester Kindheit. Sie regen sich schon als Kinder leicht über kleine Dinge auf, sehen sich von Anfang an als etwas Besonderes und sind für junge Leute ausgesprochen selbstbewusst. Solche Menschen bleiben nach Hartmanns Terminologie besonders „dünn-häutig“, d. h. sie haben „dünne Grenzen“, während die meisten von uns jedoch als „dickhäutig“ gelten (Hartmann).

Nach altem Volksglauben wird der A. von dem gespenstischen > Alp erzeugt. Ein traditionelles Heilmittel bei Alpträumen ist das heute als Antidepressivum geschätzte > Johanniskraut (Hypericum perforatum), das generell als eine > Fuga daemonium, als Gespenstervertreibungsmittel, galt. Die Alpträume treten vorwiegend in der zweiten Nachthälfte im Alter von 6 bis 10 Jahren auf und werden meist gut erinnert. Das Erwachenwollen des Schlafenden, das nach einer unendlich lange scheinenden, in Wirklichkeit aber nach nur kurzer Schlafphase erfolgt, wirkt besonders beängstigend, weil der Träumende an eine niederzwingende Macht glauben muss. Diese Macht als > Alb oder > Mahr personifiziert, wird in allen Kulturkreisen mit übereinstimmender Gleichförmigkeit beschrieben und ist geschichtlich bis zu den Chaldäern nachweisbar. Die Personifizierung wird meistens mit dem Teufel oder seinen Dienern in Verbindung gebracht, die als > Alp, > Hexe, > Nachtmahr oder bei den Slawen als Mora auftreten. Nach Sigmund Freud sind diese Erlebnisse eine Bewusstmachung sexueller Verdrängungen, nach C. G Jung ein Auftauchen archetypischer Gestalten und nach der Paranormologie eine Ausdrucksform des psychischen Lebensraumes.

Lit.: Schrader, Otto: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Grundzüge einer Kultur- und Völkergeschichte Europas. Hg. v. A. Nehring. Berlin; Leipzig: Walter de Gruyter & Co., Bd. 1 ²1917 – 1923, Bd. 2 ²1929; Jung, Carl Gustav: Synchronizzität als Prinzip akausaler Zusammenhänge. In: GW 8, Rascher: Zürich, 1967, S. 535; Freud, Sigmund: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Frankfurt / M.: S. Fischer, 51969 (Sigm. Freud Gesammelte Werke; 15), S. 53 – 55; Hartmann, E.: The nightmare. New York: Basic Books, 1984; Foulkes, D.: Dreaming: A Cognitive Psychological Analysis. Hillsdale / N. J.: Lawrence Erlbaum, 1985; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Castle, Robert L. Van de: Our Dreaming Mind. New York: Ballantine Books, 1995; Krakow, Berry: Alpträume erfolgreich behandeln . Niedernhausen / Ts.: Falken, 1995; Domhoff, G. William: Finding Meaning in Dreams. A Quantitative Approach. New York; London: Plenum Press, 1996.

Alraune (Mandragora officinarum L.), geheimnisumwobene Pflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse, berühmteste Zauberpflanze aller Zeiten. Die Etymologie des Wortes „Mandragora“ ist ungeklärt, dafür lässt sich aus ihrem germanischen Namen A., ahd. alruna, seine Bedeutung ablesen: ahd. runen heißt nach Horst „wissen, erforschen, enträtseln“ (Horst, Bd. 5, S. 333) und nach Kluges Etymologischem Wörterbuch „heimlich und leise reden“, wie es noch heute in dem Verb „raunen“ weiterlebt. Auch einige der kaum zählbaren volkstümlichen Namen für die A. klingen aufschlussreich: Arztwurzel, Alraunmännchen, Armesünderblume, Dollwurz, Drachenpuppe, Erdmännchen, Folterknechtwurzel, Hackemännchen, Henkerswurzel, Hundsapfel, Galgenmännlein, Geldmännlein, Hausväterchen, Kindleinkraut, Liebesapfel, Liebeswurzel, Mannträgerin, Menschenwurzel, Unholdwurzel und Zauberwurzel.

Die frühesten schriftlichen Zeugnisse über die A. sind wahrscheinlich auf assyrischen Keilschrifttafeln sowie im AT (Gen 30, 14) erhalten (Rätsch 1998, 345). Die Pflanze wurde in der Antike als Anästhetikum, Antiseptikum, Tonikum und Narkotikum benutzt (Müller-Ebeling, 194). Für die alten Assyrer war die A. ein Schmerz- und Betäubungsmittel. In Ägypten, Griechenland und Rom verwendete man sie als psychoaktiven Zusatzstoff zum Wein, oder man stellte, so in Griechenland, ein A.-Bier her, das ebenfalls einen bewusstseinsverändernden Effekt hatte. A.wein war auch ein Todestrunk für einen Gekreuzigten, so verlangte es eine römische Sitte. Bei Lukian heißt es im 2. nachchristlichen Jh., dass auf der Insel der Träume nur Mohn und Mandragora blühen (Verae historiae, II, 33). In der Spätantike bezeugt Suidas die hypnotische Wirkung der A., ihre Frucht lasse alles in Vergessenheit versinken.

Die magischen Kräfte der Mandragora, die man in der Spätantike als ein Geschenk des > Hermes, des Gottes der > Zauberei, ansah, setzte man sowohl für den > Heil- als auch für den > Schadenzauber ein. Im Laufe der Christianisierung Germaniens kam die A. immer mehr in Misskredit. Im 12. Jh. schreibt > Hildegard von Bingen der Pflanze schon wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Menschen „mehr teuflische Einflüsterung“ zu als anderen Kräutern. Man müsse die Pflanze daher vor Gebrauch reinigen und sie nach dem Herausziehen aus der Erde 24 Stunden in Quellwasser legen; dann wäre sie rein, hätte allerdings auch ihre Zauberkraft verloren. Mandragora kann laut Hildegard Trugbilder hervorrufen und ist ein Mittel gegen Traurigkeit (Physica I, 56).

Der Glaube an das wunderwirkende A.-Männchen ist jüngeren Datums und hat sich nachweislich erst seit dem 10. Jh. verbreitet. Die Mandragora-Wurzel diente dieser Vorstellung entsprechend als > Fetisch. Zu Beginn des 13. Jhs., wenn nicht früher, kam es zur Herstellung sog. „Allraunichen-Bilder“, lat imaguncula Alrunica (Horst, Bd. 6, 277 – 297), denen man besondere Wunderkräfte zuschrieb (Horst, Bd. 6, 298 – 310). Sie übernahmen die Funktion von Haus- und Schutzgeistern und wurden zu > Heinzelmännchen. Die aus der A. geschnitzten Bilder oder Figuren sind fast ausnahmslos Heinzelweibchen (Horst, Bd. 5, S. 326).
Das Allraunichen kann wie der gute Hauskobold seinem Verehrer auch die Geheimnisse der Zukunft voraussagen (Horst, Bd. 6, S. 298, S. 302) – eine Funktion, die mit der ursprünglichen Wortbedeutung der A. zusammenhängt. Die Fähigkeit der > Präkognition ist der A. schon von Tacitus (De Morib. Germ. c. VIII. Annal. IV. 61) und Cäsar (De Bello gallico L. I. 50) zugeschrieben worden.

Wie andere berühmte Zauberpflanzen, etwa > Tollkirsche, > Bilsenkraut und > Stechapfel, ist die Mandragora ausgesprochen giftig, und als Gift hat man sie auch verwendet. In größerer Menge genossen wirkt sie tödlich, das bezeugt schon Theophrast (Caus. pl. VI 4,5). Das weite Spektrum der psychoaktiven Wirkungen geringerer, nicht tödlicher Dosen der Pflanze wurde bereits im Altertum erkannt. Sie beeinflusst Befinden, Verhalten, Sinneswahrnehmung und Bewusstsein und führt zu Unruhe, Aufgeregtheit, Schwindel und sogar Tobsucht, letztendlich zu einem paralytischen Stadium mit Schlaftrunkenheit. Nach > Plutarch (Mor. 15F) glaubte man sogar, dass Wein, in dessen Nähe A. wuchs, sanften Schlummer hervorrufe. Seit dem 1. Jh. wurde der M.-Wein, wozu der Saft aus der Wurzelrinde verwendet wurde (Dioskorides, IV 75, 5), als Narkotikum bei Operationen benutzt. Vor allem der Wurzelrindensaft der Art Mandragora microcarpa lässt den Patienten unmittelbar in der Stellung, in der er sich beim Trinken befindet, für 3 bis 4 Stunden in narkotischen Schlaf fallen (Dioskurides, IV 75, 5).

Der Wurzelsaft galt als Menstruation und Geburtswehen fördernd, während der Same getrunken werden sollte, um die Gebärmutter zu reinigen, das Menstruationsblut rot zu machen und den abgestorbenen Fötus abzutreiben. Die A. diente weiters bei Geschwülsten, (Augen-)Entzündungen, und Gliederschmerzen. Umschläge aus den Blättern hatten kühlende Wirkung, und der Wurzelsaft wurde bei Podagra und Rose eingesetzt. Auch Kropf und Fettgeschwülste wurden mit der Wurzel behandelt. Im 15. Jh. war die A. ein Bestandteil der beliebten Pappelsalbe, die neben Pappelknospen ausschließlich aphrodisische und psychoaktive Kräuter enthielt.

Für medizinische Zwecke wurden alle Teile der Pflanze verwendet. Die Früchte sollten frisch genossen, die Blätter gekaut oder getrocknet werden, geraucht wie Tabak oder als Räucherwerk benutzt werden.

Die bisher nachgewiesenen Inhaltstoffe der A. sind die Tropanalkaloide Scopolamin, Atropin, Apoatropin, L-Hyoscyamin, Mandragorin, Cuskohygrin, Nor-Hyoscyamin, 3-Tigloyloxytropan und 3,6-Ditigloyloxytropan. Sie ergeben zusammen die früher als „Mandragorin“ bzeichnete psychoaktive Mischung (Rätsch 1998, 355).

Lit.: Horst, Georg Conrad: Zauber-Bibliothek oder von Zauberei, Theurgie und Mantik, Zauberern, Hexen, und Hexenprocessen, Dämonen, Gespenstern, und Geistererscheinungen. 6 Bde. Mainz: Florian Kupferberg, 1821 – 1826; Dioskurides: Pedanii Dioscuridis Anazarbei de materia medica libri V ed. M Wellmann. 3 voll. Berolini, 1907 – 1914. Dt. Übersetzung von J. Berendes. Stuttgart, 1902; Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 14 1930; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972; Hoops, Johannes (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 17 Bde ff. Berlin; New York: Walter der Gruyter, ²1973 ff.; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bde. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Rätsch, Christian: Heilkräuter der Antike in Ägypten, Griechenland und Rom. Mythologie und Anwendung einst und heute. München: Eugen Diederichs, 1995; DNP = Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Bd. 1 ff. Stuttgart; Weimar: J. B. Metzler, 1996 ff.; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Alraunenschrei, markerschütternder Schrei, den die > Alraune ausstoße, wenn sie herausgerissen werde, und der, wenn er gehört wird, wahnsinnig mache und den Tod herbeiführen könne. Deshalb müsse der Ausgrabende sich die Ohren mit Wachs verstopfen, dreimal über die Wurzel das Kreuz schlagen und die A., sobald sie in der Erde gelockert sei, mit einer Schnur an einen „allschwarzen“ Hund binden, dem man einen Köder vorhält, damit er, gierig danach schnappend, die Wurzel herausreiße. Bei dem Wehgeschrei der Alraune werde der Hund sofort tot umfallen. Shakespeare griff diese weit verbreitete Vorstellung in Romeo und Julia (4, 3) auf. So klagt Julia in der Angst, aus dem künstlichen Schlaf in den Schrecknissen des Grabgewölbes zu früh zu erwachen:

Weh, weh, könnt’ es nicht leicht geschehen,
dass ich,

Zu früh erwachend – und nun ekler Dunst,
Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt,
Das Sterbliche, die’s hören, sinnlos macht. –
Oh, wach’ ich auf, werd’ ich nicht rasend werden?“

Und bei Heinrich IV. findet sich eine ähnliche Anspielung, wo Suffolk sagt:

Wär’ Fluchen tödlich wie Alraunenächzen.
So wollt’ ich bittre, scharfe Wort’ erfinden.“

Lit.: Schmidt, Philipp: Dunkle Mächte: ein Buch vom Aberglauben einst und heute. Frankfurt / M.: Josef Knecht; Carolusdruckerei, 1956, S. 178 – 181.

Alrutz, Sydney Gustaf Louis Reinhold (1868 – 1925), Dr., schwedischer Psychologe und Dozent an der Universität Uppsala, war der Meinung, dass die bei seinen Hypnoseversuchen an Personen hervorgerufenen anästhetischen und hyperästhetischen Erscheinungen nicht durch Suggestion erfolgten, sondern durch eine „Nervenstrahlung“, die von gewissen Stoffen wie Pappe oder Flanell absorbiert, von anderen wie Glas oder Metall ungehindert durchgelassen werde. Die von seinem Schüler, Mag. phil. Gustav Wallenius, vor Experten wie F. H. G. v. Loon und Robert Henry > Thouless durchgeführten Experimente konnten die Fachwelt jedoch nicht von einem Fluidum überzeugen. Die Arbeiten von Alrutz wurden dann 1940 von John > Björkhem (1910 – 1963) wieder aufgegriffen und werden heute im Suchen nach der > Bioenergie fortgesetzt.

W.: Alrutz, Sydney Gustaf Louis Reinhold: Undersèokningar èofver smèartsinnet. Upsala: Upsala nya tidn: s aktiebolag, 1901.

Lit.: Loon, F. H. G. v. / Thouless, R. H.: Report of a Demonstration of Experiments on Hypnotism by G. Wallenius… In: Proc. SPR Bd. 36, Nr. 102, 1926 – 1928.

Alruy oder Alroy, David, geb. um 1147 in Kurdistan, beteuerte, ein Abkömmling des Königs David zu sein, studierte in Bagdad und wurde so erfolgreich in den magischen Künsten unterrichtet, dass er sogar seine Lehrer übertraf. Die vorgetäuschten Wunder machten ihn zudem derart populär, dass viele Juden in ihm den Messias sahen. Von Legenden umwoben, soll er schließlich auf Betreiben eines türkischen Prinzen durch Bestechung von seinem Schwiegervater im Schlaf mit einem Dolchstoß ermordet worden sein. Das Thema wurde später vor allem von Benjamin Disraeli (1804 – 1881) aufgegriffen.

Lit.: Disraeli, Benjamin: The Wondrous Tale of Alroy. Philadelphia: Carey & Hart, 1839; Disraeli, Benjamin: Alroy: a Romance. Copyright ed. Leipzig: Tauchnitz, 1846; Disraeli, Benjamin: Alroy or the Prince of the Captivity: a Wondrous Tale. Empire ed. London; New York: Dunne, 1904.

Als-ob-Symptom. In der > Homöopathie Bezeichnung für ein besonders eigentümliches körperliches Empfinden, das nur bildhaft geschildert werden kann, wie z. B. das Gefühl, durch eine metallene Röhre zu atmen. Dieses spezifische Empfinden dient der Differenzierung von Arzneimittelbildern und bietet Ansätze zur symbolischen Deutung psychosomatisch orientierter Behandlung.

Lit.: Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde: und alternative Heilverfahren. Berlin; New York: de Gruyter, 1996.

Alstein, Jacob (um 1570 / 75 – nach 1620), Alchemist; promovierte 1596 an der Universität Helmstedt zum Dr. med. und trat 1602 erstmals als Alchemist mit einem Brief an Herzog Ulrich von Mecklenburg in Erscheinung. 1604 soll er an der lat. Erstausgabe des Novum lumen chymicum von > Michael Sendivogius beteiligt gewesen sein, wenngleich er im Vorwort nicht aufscheint. A. war mit namhaften Alchemisten und Paracelsisten wie Johann Kaper, dem er 1607 eine Handschrift der „Clavicula“ des ps. > Raimundus Lullus vermittelte, mit Joseph Duchesne, Israel Harvet, dem Augsburger Paracelsisten Karl Widemann und anderen in Kontakt. 1615 wandte er sich brieflich an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (> Fürstenalchemie). Über eine persönliche Tätigkeit für Moritz ist jedoch nichts bekannt und eigene Schriften sind nicht überliefert.

Lit.: Sendivogius, Michael: Novum Lumen chymicum, e naturae fonte et manuali experientia depromptum. Coloniae: Boetzerus, 1610; Paulus, J.: Alchemie und Paracelsismus um 1600. In: Joachim Telle (Hg.): Analecta Paracelsica: Studien zum Nachleben Theophrast von Hohenheims im deutschen Kulturgebiet der frühen Neuzeit. Stuttgart: Steiner, 1994.

Alstonia scholaris. Der Ditabaum, benannt nach dem Edinburgher Professor C. Alston (1685 – 1760), gehört zur Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Er stammt aus Indien und ist in ganz Südostasien verbreitet. Er kommt auch in den tropischen Regenwäldern an der Ostküste Australiens und auf den Salomonen vor. Der immergrüne Baum mit rauer, grauer Rinde kann bis zu 30 Meter hoch werden. Die Äste sind rund um den Stamm herum angeordnet und die Blätter werden bis zu 25 cm lang. Die Früchte bilden leicht gewellte dünne Schoten. In der Rinde fließt ein klebriger, bitterer Milchsaft, Latex.

In Indien wird die Rinde, die keine aphrodisischen Eigenschaften besitzt, für medizinische Zwecke zusammen mit Reis gekocht. Für aphrodisische oder psychoaktive Zwecke werden die Samen bevorzugt.

Der Ditabaum gilt in Indien als „bösartig“ und wird von den Stammesvölkern gemieden. Man glaubt, dass im Baum ein böser Geist wohnt, der von einem Menschen, der unter ihm hindurchgeht oder in seinem Schatten schläft, Besitz ergreifen kann. Diese Anschauung beruht wahrscheinlich auf Erinnerungen, dass der Baum Visionen auslösen kann. Im indischen Tantrakult hat der Same des Baumes eine sexualmagische Bedeutung. Die australischen > Aborigines benutzen den Milchsaft zum Festkleben von zeremoniellen Verzierungen an der Haut.

Medizinisch gilt die Rinde als Tonikum, wird aber in der ayurvedischen Medizin auch bei Fieber, Malaria, Unterleibsbeschwerden, Durchfall, Verdauungsschwäche, Lepra, Hautkrankheiten, Pruritus, Tumoren, chronischen Geschwüren, Asthma und Bronchitis verwendet.

Lit.: Miller, Richard Alan: Liebestrank und Ritual: Aphrodisiaka u. d. Kunst des Liebens. Basel: Sphinx, 1988; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Stuttgart; Aarau, CH: Wiss. Verl.-Ges.; AT Verlag, 1998.

Alswinn (auch Alsvidr) und Arwak (Allklug und Frühwach), die beiden Himmelspferde die nach der germanischen Mythologie den Wagen der Sonne ziehen. In den Huf von Alswinn und in das Ohr von Arwak sind > Runen eingeritzt, damit sie ihre Aufgabe besser erfüllen. Der Schild Swalin (Sänftiger) schützt sie vor der Hitze der Sonne, während der Wolf Skalli (Trug) sie antreibt und Hati (Hasser) ihnen vorausläuft.

Lit.: Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertr. v. Felix Genzmer; eingel. v. Kurt Schier. Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2006.

Alta Major (lat. altus, hoch, und major, größer) ist eine von Divo Köppen-Weber entwickelte Methode, um sowohl geistig wie körperlich wieder zu einer natürlichen, schmerzfreien und aufrechten Haltung zu finden. Die Therapie versteht sich als Bewusstseinsprozess und hat nichts mit Gymnastik und chiropraktischer Therapie zu tun. Sie fußt vielmehr auf der Feststellung, dass Bewusstseinsereignisse nicht nur im Gehirn, sondern auch im Rückenmark, in der Wirbelsäule, den Nerven und in allen Zellen des Menschen stattfinden. Gehirn, Rückenmark und Nerven bilden eine Einheit und sind Teile eines einzigen, unmittelbar miteinander zusammenhängenden Organismus und Bewusstseinsfeldes. Der oberste Punkt der Wirbelsäule und der tiefste Punkt der Schädelbasis, wo sich nach östlichen Weisheitslehren und der Theosophie der Körper mit dem Geist verbindet, bilden den Alta-Major-Punkt. Die A.M-Therapie behauptet nun, dass man von diesem Punkt aus die ganze Wirbelsäule wieder aufrichten kann, denn die Folge einer Fehlhaltung seien körperliche und seelische Störungen. A. dient der Vorbeugung, Nachsorge und Selbstheilung bei latenten und akuten (Rücken-)Beschwerden sowie Haltungsproblemen und als Hilfe, um den eigenen Lebenssinn zu entdecken. Die Therapie beruht auf der > Alexandertechnik und der Medizin der Sufis.

Lit.: Köppen-Weber, Divo: Schluss mit Rückenschmerzen: das Alta-Major-Handbuch f. die schmerzfreie Wirbelsäule. München: Goldmann, 1993; Köppen-Weber, Divo: Alta Major: innere und äußere Hilfe bei Rückenschmerzen. Orig.-Ausg. Düsseldorf; München: Econ-Taschenbuch-Verl., 1998.

Altaische Religion. Zusammenfassende Bezeichnung der religiösen Anschauungen und Verhaltensweisen der von Südost- und Nordeuropa bis nach Ostasien sich erstreckenden Völker, die der turkotatarischen, der mongolischen und der mandschu-tungusischen Sprachgruppe angehören und deren Religion vorwiegend der > Schamanismus ist. Der Schamane kann in herbeigeführter Ekstase Krankheiten erkennen, die dafür verantwortlichen Geister vertreiben und die Seele, die den Körper des dadurch Kranken verlassen hat, wieder zurückholen. Er kann auch das Jenseits und den Himmel durchwandern, um verirrte Seelen zu reinigen, und in das Reich der Toten hinabsteigen, um dorthin verschleppte Seelen zurückzuholen. Das eigentümliche Weltbild ist ferner durch einen Hochgottglauben, durch Gestirn-, Feuer- und Totenkult sowie durch Tier- und Jagdriten als mehr oder weniger ausgeprägte gemeinsame Merkmale gekennzeichnet.

Lit.: Paulson, Ivar: Die primitiven Seelenvorstellungen der nordeurasischen Völker. Eine religionsethnographische u. religionsphänomenologische Untersuchung. Stockholm: Etnografiska Museet, 1958; Harva, Uno: Die religiösen Vorstellungen der altaischen Völker. 2. print. Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia, 1993.

Altar (lat. altus, hoch, und ara, Opfertisch). Erhöhte Stätte innerhalb des Kultzentrums, die in fast allen Religionen dem Opfer und anderen sakralen Handlungen dient. Schon in der Jungsteinzeit gab es als Altar eine Steinplatte oder einen Steinblock mit schalenartigen Vertiefungen. In Ägypten waren die Altäre Opfertische der Götter, auf denen man ihnen Gaben darbrachte.

Der jüdische Altar vor Moses wurde aus Erde und Stein errichtet. Seit dem mosaischen Gesetz durfte nur noch im Tempel geopfert werden: Brandopferaltar im inneren Vorhof des Tempels, Rauchopferaltar vor dem Allerheiligsten.

In Griechenland gab es drei Arten von Altären: bomós, eschára und agyieîs. Der bomós ist eine Erhöhung vom Erdboden in Form einer Anhäufung von Erdreich, Steinen oder auch Holzscheiten, die man mit den Opfern verbrannte. Einige Altäre hatten gigantische Ausmaße, wie etwa der Altar von Eumenos in Pergamon mit mehr als 12 Metern Höhe. Eschára (Opferherd, Feuerstelle) sind Altäre, auf denen man Brandopfer darbrachte. Sie lagen außerhalb der Gebäude und wurden oberhalb von Gräben angelegt, in denen sich das Blut der Opfer sammelte und die von Feuern beim Verbrennen der Opfertiere aufgefüllt wurden. Schließlich gab es noch die agyieîs, Altäre in Stelenform, die an den Haustüren zu Ehren Apolls, des Schutzherrn der Straßen, aufgestellt waren.
Steinaltäre wurden dann oft unabhängig von den Tempelanlagen errichtet, wie etwa die
Ara Maxima Herculis oder die Ara Pacis.

Im Christentum ergab die Feier der Messe an Märtyrergräbern eine enge Verbindung des als Altar geltenden Abendmahltisches mit dem Märtyrergrab, worauf schon der Evangelist Johannes verweist: „Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten“ (Offb 6, 9). Seit dem 4. Jh. besteht der A. aus Stein, der feierlich konsekriert, mit Weihwasser besprengt, mit Chrisam gesalbt und mit Reliquien ausgestattet wird. In Folge seiner Bedeutung im Kult und seiner hohen Weihe gilt er als heilig und unverletzlich. Nach dem Volksglauben strahlt er eine außergewöhnliche Kraft aus, sodass schon seine Nähe eine besondere Wirkung hat.

In der Einrichtung der Freimaurerlogen wird der Altar erst gegen Ende des 18. Jhs. mit den Hauptsymbolen der Loge – Bibel, Zirkel und Winkel – gebräuchlich, die an besonders betonten Stellen aufzulegen sind. In den deutschen Logen ist der A. meist der Meistertisch, in den englischen und amerikanischen Logen steht er oft in kubischer Form in der Mitte der Loge. Am A. werden die Gelöbnisse abgelegt und die Ehrungen vorgenommen.

In der zeremoniellen Magie ist der Altar ein quadratischer Tisch mit einer bis zum Boden reichenden Decke mit dem Hexagramm auf der Stirnseite, Totenkopf, Kelch, Räucherschale und zwei Kerzen auf dem Tisch.

Lit.: Braun, Joseph: Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung [2 Bde]. München: Alte Meister Guenther Koch, 1924; Galling, Kurt: Der Altar in den Kulturen des alten Orients: eine archäolog. Studie. Mit 2 Abschn. von Paul Lohmann. Vorw. von Hugo Gressmann. Berlin: K. Curtius, 1925; Champeaux, Gérard de: Einführung in die Welt der Symbole. Würzburg: Echter, 1990; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg u. a.: Herder, 2000; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon – Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Altarhörner. In Israel stand vor dem Heiligen Zelt der Brandopferaltar. Seine Maße waren 5 x 5 x 3 Ellen. An den vier Ecken befanden sich Hörner als Symbol der Macht und Stärke Gottes. Diese waren ein Wesensbestandteil. Ihre Ergreifung sicherte den Schutz der Gottheit. „Man meldete Salomo: Adonija hat aus Furcht vor König Salomo die Hörner des Altars ergriffen und gesagt: König Salomo schwöre mir zuerst, dass er seinen Knecht nicht mit dem Schwert hinrichten lässt“ (1 Kön 1, 51). Durch Entfernung der Hörner wurde der Altar entweiht und die Macht Israels gebrochen. „Ja, an dem Tag, an dem ich Israel für seine Verbrechen zur Rechenschaft ziehe, werde ich an den Altären von Bet-El die Strafe vollziehen; die Hörner des Altars werden abgehauen und fallen zu Boden“ (Am 3, 14).

Durch das Blut des Sühneopfertiers wird der Altar entsündigt. So schlachtete Mose den Sühneopferstier. „Dann nahm Mose das Blut und tat etwas davon mit seinem Finger ringsum auf die Hörner des Altars, um ihn zu entsündigen“ (Lev. 8, 15; vgl. Ex. 8, 12).

Lit.: Galling, Kurt: Der Altar in den Kulturen des alten Orients. Berlin: Curtius, 1924.

Alte Pflichten. Bezeichnung des vom englischen Pfarrer James Anderson verfassten Buches The Charge of a Free-Mason, das 1723 veröffentlicht wurde und symbolisch-esoterisches Brauchtum aus zwei Quellen enthält. Aus den „Alten Konstitutionsschriften“ der englischen Werkmaurer stammen das Eröffnungs- und Schlussgebet für die maurerische Versammlung, eine legendäre Geschichte des mit der „Freien Kunst der Geometrie“ gleichgesetzten Steinmetz- und Maurerhandwerks sowie Vorschriften für das sittliche und berufliche Verhalten.

Aus dem „Maurerwort“ der schottischen Werkmaurer kommen Erkennungszeichen, Brauchtum und Zeremonien, die zum Großteil auch heute noch Gültigkeit und Rechtskraft haben.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000, S. 16 – 27.

Alter. Nach der sehr alten (Gubernator) Tradition regiert jeder Planet ein bestimmtes Lebensalter. Dies erinnert an die Vorstellungen der Lebensabschnitte in der > Anthroposophie, wo für die Jahre von 57 – 68 Jupiter und für die Jahre ab 69 Saturn stehen.

In der Entwicklungspsychologie hat man in zahlreichen Untersuchungen die verschiedenen Lebensalter aufgeschlüsselt, während in der Parapsychologie die Frage des Alters nur am Rande behandelt wurde. So findet sich der gelegentliche Hinweis, dass psychokinetische Phänomene eher Jugendlichen, ASW-Erfahrungen wie > Zweites Gesicht hingegen eher Erwachsenen widerfahren. Andererseits wird aber auch betont, dass Kleinkinder ausgesprochen ASW-begabt seien.

Im Volksglauben und in der bioenergetischen Diskussion ist die Ansicht verbreitet, dass sich die Kräfte der Altgewordenen erhalten, wenn sie kräftig gedeihende Kinder bei sich schlafen lassen, was den Kindern jedoch schadet. Auch die Gemeinschaft mit Geistern soll das Altern verzögern.

Lit.: Nash, Carroll B.: Parapsychology: the Science of Psiology. Springfield, Il.: Charles C. Thomas, 1986, S. 95 – 96; Gerlinger, Hertha: In meinem Alter …: Gedanken und Anregungen zum Älterwerden. München: Humboldt-Taschenbuchverl. Jacobi, 1994; Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Lebensspanne. Hrsg., bearb. und mit einer Einl. vers. von Wolfgang Althof und Detlef Garz. Aus dem Amerikan. übers. von Detlef Garz. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 2000.

Alter Ego (lat. alter, anderer, und ego, Ich). Die lateinische Bezeichnung für das „andere Ich“ steht ganz allgemein für die Vertretung einer Person. Paranormologisch versteht man unter A. E. den Doppelgänger, der mit seinem Träger magisch verbunden ist, und den Schutzgeist. Durch Sokrates und die platonische Schule kam der Glaube auf, dass jedem Menschen von Geburt an ein Dämon beigegeben wird, der ihn von da ab schützt und moralisch leitet. Da man die Dämonen in gute und böse einteilte, schrieb man dem Menschen einen guten und einen bösen Dämon zu. Das Eingreifen eines solchen Geistes bei Sokrates wird von Plutarch (45 – 120) und Apuleius (125 – 180) beschrieben. Die Botschaft des Schutzgeistes ist eine innere Stimme, die im „Getöse der Leidenschaften“ im täglichen Leben nur zu leicht übertönt wird.

In der christlichen Lehre wird der gute Schutzgeist zum > Schutzengel.

Bei Naturvölkern kann diese Schutzfunktion aufgrund der starken Verbundenheit und Schicksalsgemeinschaft auch auf Tiere, Pflanzen und Umgebung, wie Felsen und Hügel, übertragen werden, die dann als ein zweites Ich tabu sind.

Heute wird im Kindesalter vor allem das Kuscheltier und bei den Erwachsenen die Maske im Fasching zum A. E. In der Psychologie kann man bei S. Freud das Es und bei C. G. Jung den „Schatten“ als A. E. sowie anima bzw. animus als Teil-A. E. bezeichnen.

Lit.: Menninger-Lerchenthal, E.: Der eigene Doppelgänger. Bern: Hans Huber, 1946; Meyer-Matheis, Vera: Die Vorstellung eines Alter ego in Volkserzählungen. Freiburg i. Br.: Univ., Philos. Fak., Diss. 1974; Neumann, Wolfgang: Der Mensch und sein Doppelgänger: Alter ego-Vorstellungen in Mesoamerika u. im Sufismus d. Ibn Arabi. Wiesbaden: Steiner, 1981; Alter ego: Fasching im Altersheim; Erika Kiechle-Klemt, Photographien. München: Stadtarchiv, 1990; Apuleius, Madaurensis: De deo Socratis / Der Schutzgeist des Sokrates. Übers., eingeleitet und mit Anm. versehen von Michael Bingenheimer. Frankfurt / M.: Haag und Herchen, 1993.

Alter und Angenommener Schottischer Ritus (AASR), auch kurz „Schottischer Ritus“ genannt, ist das in der Welt am meisten verbreitete und vollkommenste Hochgradsystem der Freimaurerei, das wahrscheinlich in Frankreich entstanden ist, aber zuerst 1801 in Charleston (South Carolina), USA, entwickelt wurde. Der Zusatz „schottisch“ hat mit Schottland nichts zu tun, sondern geht lediglich darauf zurück, dass im 18. Jh. Hochgrade der Freimaurerei schlechthin als „schottische Grade“ bezeichnet wurden. Das System entsprang dem Bedürfnis, die drei Grade der englischen Freimaurerei – Lehrling, Geselle und Meister – durch weitere Stufen auszubauen, und kam so auf ein System, das die Maurerei in 33 Graden bearbeitet.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000, S. 753 – 756.

Alter und Mystischer Orden vom Rosenkreuz > Amorc.

Altered states of consciousness > Veränderte Bewusstseinszustände.

Alternativ (lat. alternare, verändern), Variante einer von mehreren Möglichkeiten. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „alternativ“ eine Handlung, Einstellung oder Festlegung verstanden, die von den gängigen Formen abweicht. So bedeutet für die Ökologiebewegung eine alternative Lebensweise eine Abkehr von den Lebensformen und Vorstellungen der Industriegesellschaft. In der Esoterik wird alternativ im Zusammenhang mit einer neuen ganzheitlichen Medizin, Psychologie und einer Einheit von Denkformen gebraucht, die auf einer Synthese von abendländischer Philosophie und östlichen Weisheitslehren beruhen. Im Satanismus wird alternativ als grundsätzlicher Gegenpol zu den herrschenden Gesellschaftsformen verstanden. Oft wird alternativ lediglich als Floskel persönlicher Eitelkeit verwendet, in Ermangelung konkreter Kompetenz.

Lit.: Wenisch, Bernhard: Satanismus: Schwarze Messen – Dämonenglaube – Hexenkulte / Mit einer Einl. v. Josef Sudbrack. Mainz; Stuttgart: Matthias-Grünewald; Quell-Verl., 1988; Bochinger, Christoph: „New Age“ und moderne Religion: religionswissenschaftliche Analysen. Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verlagshaus, 1994; Handbuch Alternativmedizin: Darstellungen und Beurteilungen aus christlicher Sicht. Haan, Rheinl.: Brockhaus, R., Verlag GmbH & Co., 2004.

Alternative Realität, Unterart der > Science Fiction nach der englischen „Alternate Reality“, als Alternativweltgeschichte verstanden. Es wird eine Welt beschrieben, in der die Geschichte einen anderen Verlauf als im realen Weltgeschehen genommen hat. Eine Kreuzung von geschichtlicher Extrapolation und phantasievoller Zeitgestaltung.

Lit.: Henkel, Oliver: Wechselwelten: sieben Ausflüge in Welten, die vielleicht beinahe existiert hätten. Norderstedt: Books on Demand GmbH, 2004; Ditfurth, Christian v.: Die Mauer steht am Rhein: Deutschland nach dem Sieg des Sozialismus. Köln: Kiepenheuer und Witsch, 2006.

Alternatives Heilen, Heilung von Krankheiten durch „andere Heilmethoden“ (Resch) als die von der Schulmedizin angebotenen. > Alternativmedizin, > Aromatherapie, > Aromakunde, > Fasten, > Ganzheitsmedizin, > Homöopathie, > Naturheilverfahren.

Lit.: Resch, Andreas: Andere Heilmethoden. In: Ders.: Gesundheit, Schulmedizin, Andere Heilmethoden. Innsbruck: Resch, 1988 (Imago Mundi; 11), S. 225 – 265.

Alternativmedizin, Medizin, die aus dem Rahmen der orthodoxen Medizin fällt. Resch spricht von „anderen Heilmethoden“, wodurch aufgezeigt wird, dass die Schulmedizin nur ein kleines Angebot aus einem reichhaltigen Repertoire an Heilweisen beinhaltet. Die Spannbreite an Behandlungsformen in der A. ist groß und wird von Resch in 9 großen Gruppen, die jeweils unzählige Therapieformen einschließen, zusammengefasst: Akupunktur, biologische Testmedizin (BTM), Schmerztherapie, Magnetfeldtherapie, > Naturheilverfahren, > Homöopathie und Iso-Therapie, Ethnomedizin, Psychotherapie, spirituelles Heilen und esoterisch-magische Heilmethoden. Der letzte Bereich der esoterisch-magischen Medizin deckt dabei allein schon einen beachtlichen Prozentsatz des Büchermarktes ab und wird bei Resch in einer Auswertung der Angebote von Hellsehern, Astrologen und Geistheilern im deutschsprachigen Raum detailliert aufgelistet. In dieser inhomogenen Rubrik finden sich klassisch-esoterische Methoden wie Astrologie, Meditation und Atemübungen, dann praktische Angebote wie Geburtenvorbereitungshilfe oder Charakterarbeit, neuere Therapien wie die „ICH BIN Kraft-Therapie“ sowie weniger geläufige Heilungsangebote wie „Kompositions- und Gedichte-Empfang aus dem Jenseits“. Angebote wie „Partnerschafts-Hormonvergleich“, „Poltergeistbannung“ und „Quabbalistik“ machen eine nähere Unterteilung und auch nur überblicksweise Beurteilung der vielfältigen Angebote nicht leichter.

Unter allen alternativen Angeboten gibt es einige mit einer langen Tradition, wie etwa die > Aromatherapie. Als die „tragende Säule der Naturmedizin“ kann die Homöopathie gelten (Popp, 15), abgesehen vom > Fasten, das nicht nur der älteste Weg zur Heilung, sondern auch der Königsweg, die via regia, ist (Buchinger). Doch nicht nur der freiwillige Nahrungsverzicht, wie das Fasten, sondern auch die bewusste Auswahl und Zubereitung der Nahrung, wie etwa eine vitalstoffreiche Vollwertkost nach Bircher-Benner, Kollath und Bruker, spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle im Rahmen anderer Heilmethoden, im Rahmen der > Ganzheitsmedizin.

Lit.: Bircher-Benner, Max: Ordnungsgesetze des Lebens als Wegweiser zur echten Gesundheit. Bad Homburg v. d. H. u. a., 1977; Popp, Fritz Albert: Elemente der Naturheilmedizin. In: A. Resch (Hg.): Gesundheit, Schulmedizin, Andere Heilmethoden. Innsbruck: Resch, 1988 (Imago Mundi; 11), S. 15 – 29; Resch, Andreas: Andere Heilmethoden. In: A. Resch: Gesundheit, Schulmedizin, Andere Heilmethoden. Innsbruck: Resch, 1988 (Imago Mundi; 11), S. 225 – 265; Bruker, Max Otto: Unsere Nahrung, unser Schicksal. Lahnstein: Emu Verlag GmbH, 1993; Buchinger, Otto: Das heilende Fasten. Wiesbaden: Jopp, 1999; Kollath, Werner: Die Ordnung unserer Nahrung. Heidelberg: Haug, 2001.

Altersrückversetzung, auch Altersregression (engl. age regression), bezeichnet die Rückführung einer Person in ein früheres Stadium ihres Lebens durch hypnotische Suggestion, Suggestionen in einem Trancezustand oder in einer halluzinativen Phase. Derartige Rückführungen werden vom gedanklichen und emotionalen Erinnerungsvermögen sowie den Wunsch- und Angstvorstellungen der suggerierten Person bestimmt, sodass die anvisierte Lebenssituation der Realsituation des angesprochenen Lebensabschnittes nicht grundsätzlich entsprechen muss. Noch fraglicher sind die Rückführungen in vorgeburtliche Zustände. Diese Rückversetzungen sind zu unterscheiden von den angeblichen Rückführungen in frühere Leben > Reinkarnationstherapie.

Lit.: Wolberg, Lewis R.: Medical Hypnosis. New York: Grune & Stratton, 1948; Hilgard, Ernest R.:  Divided Consciousness: Multiple Controls in Human Thought and Action; Expanded Edition. New York u. a.: John Wiley & Sons, 1986; Udolf, Roy: Handbook of Hypnosis for Professionals. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 21987; Bernstein, Morey: Protokoll einer Wiedergeburt: der Bericht über die wissenschaftlich untersuchte Rückführung in ein früheres Leben. 1. Aufl. d. Neuausg. Bern; München: Scherz, 1990; Hardo, Trutz: Das große Handbuch der Reinkarnation: Heilung durch Rückführung. Mit einem Vorw. von Johannes von Buttlar. Güllesheim: Silberschnur, 2003.

Altes Testament (AT). Der Begriff „Altes Testament“ bezeichnet den ersten Teil der zweigeteilten christlichen Bibel. Das AT wird von Juden und Christen als Offenbarungsurkunde betrachtet und besteht aus Büchern von Verfassern aus verschiedenen Jahrhunderten, durch die das Volk Israel seinen Glauben an die Heilstaten und Verheißungen Gottes bekennt. Es sind dies folgende Bücher: Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, Josua, Richter, Rut, 1 Samuel, 2 Samuel, 1 Könige, 2 Könige, 1 Chronik, 2 Chronik, Esra, Nehemia, Tobit, Judit, Ester. 1 Makkabäer, 2 Makkabäer, Ijob, Psalmen, Sprichwörter, Kohelet, Hohelied, Weisheit, Jesus Sirach, Jesaja, Jeremia, Klagelieder, Baruch, Ezechiel, Daniel Hosea, Joël, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefania, Haggai, Sacharja, Maleachi. In diesen Büchern finden sich Berichte und Aussagen zu fast sämtlichen Begriffen der Paranormologie, von denen hier nur einige genannt seien: Apokalyptik Jes. 24, 1 – 27, 13; Auferstehung 2 Kön 4, 32 – 37; 13, 21; 2 Makk 7, 9; 23; Ps 73, 23 – 26; Baum der Erkenntnis Gen 2, 9.17; Dämonen Tob 6, 15 – 17; Entrückung Gen 4, 26; 5, 6 f.  9 – 11; 2 Kön 2, 1 – 18; Fluch Lev 5,1; Ps 109, 1 – 31; Heilung Num 12, 13; Kön 20, 5 – 11; Heuschreckenplage Ex 10, 4 – 19; Neumond 1 Sam 2, 5; Offenbarung Gen 12, 1 – 3; 28, 12 – 15; Ex 3, 4 – 6; 2 Sam 7, 5 – 17; Prophet Gen 20, 7; Dtn 18, 15 – 22; 1 Sam 19, 9 – 12; Jer 27, 14 – 18; Ez 13, 1 – 23; Sintflut Gen 6, 5 – 9, 29; Totenerweckung 1 Kön 17, 17 – 24; 2 Kön 4, 32 – 37; Traum Gen 28, 12 f; 37, 5 – 11; 40, 1 – 41, 36: Dtn 13, 2 – 6; 1 Kön 3, 5 – 15; Dan 2, 1 – 49; 3, 98 – 4, 34; Tummin Ex 28, 30; Unsterblichkeit Dtn 32, 40; Weish 1, 15; Unterwelt Ijob 10, 21 f; 26, 5 f; Urim Ex 28, 30; Lev 8, 8; Vision Gen 15, 1 – 21; Jes 6, 1 – 13; Jer 1, 4 – 19; Ez 1, 1 – 3, 27; 8, 1 – 11, 25; 37, 1 – 14; 40, 1 – 48, 35; Dan 7, 1 – 8, 27; 10, 1 – 21; Sach 1, 1– 8, 23; Wahrsagerei Gen 44, 5; Ex 4, 4, Lev 3, 4; 19, 19.26; Weisheit Sir 24, 30 – 34; 37, 19 – 26; Wunder Ex 3, 20; 1 Kön 17, 1 – 19, 18; 2 Kön 1, 3 – 25; Zahlensymbolik Ex 12, 27; Zeichen Gen 9, 12 – 17; Jes 7, 11 – 14. Die Exegese hat sich paranormologisch mit diesen Fragen noch kaum befasst. Die erste Arbeit auf diesem Gebiet war die Dissertation von Andreas Resch über den Traum im Alten Testament von 1963.

Lit.: Keller, Werner: Und die Bibel hat doch recht: Forscher beweisen die historische Wahrheit. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1964; Resch, Andreas: Der Traum im Heilsplan Gottes: Deutung und Bedeutung des Traums im Alten Testament. Freiburg: Herder, 1964; Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD) / Karel van der Toorn; Becking, Bob; Horst, Pieter W. van der [Hrsg.]; Second extensively revised edition. Leiden, 1999.

Althäa, Tochter des Thestius und der Eurythemis, Gemahlin des Königs von Kalydon, Oeneus, und die Mutter von Toxeus, Thyrcus, Khymenus, Gorge, Deianira und Meleager. Letzteren soll sie vom Gott > Ares empfangen haben. Als Meleager sieben Tage alt war, erschienen die > Parcen und prophezeiten ihm Großmut und ein so langes Leben, als das Holz im Ofen des Zimmers brenne. Da nahm A. das Holz sogleich aus dem Ofen und verschloss es in einem Kasten. Als Meleager später im Streit um das kalydonische Schwein die Brüder seiner Mutter tötete, war A. darüber so erbost, dass sie das versteckte Holz dem Feuer übergab. Kurz darauf bereute sie ihre Tat und erhängte sich, doch war es um Meleager bereits geschehen.

Lit.: Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Reprograph. Nachdr. d. Ausg. Leipzig, Gleditsch, 1770. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1996.

Althotas, angeblicher „Meister“ und Begleiter des Grafen Alessandro > Cagliostro. Es ist allerdings mehr als zweifelhaft, ob es Althotas überhaupt gegeben hat.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Alto († um 760), der Überlieferung nach Glaubensbote irischer oder schottischer Herkunft, der Mitte des 8. Jhs. den Grundstein für das St. Peter und Paul geweihte Kloster Altomünster in Bayern gelegt haben soll, das bis 1047 Benediktiner und dann bis 1485 Benediktinerinnen beherbergte. 1497 wurde es dem Birgitten-Orden übertragen und nach Aufhebung im Zuge der 1803 erfolgten Säkularisierung 1842 als Nonnenkloster desselben Ordens wiedererrichtet.

Dort werden bis heute die Reliquien des hl. A., dessen Hirnschale und sein Messer, verwahrt. Mit Letzterem soll er Bäume des Waldes, den ihm Pippin der Jüngere 752 schenkte und der bis heute Altowald genannt wird, zur Rodung für den anschließenden Klosterbau gekennzeichnet haben. Die so markierten Bäume fielen angeblich von selbst um, die Vögel trugen die Äste weg und als es beim Bau an Wasser mangelte, ließ A. mit dem Stab eine Quelle entspringen, die bald als Heilquelle aufgesucht wurde.

Lit.: Vita sancti Altonis (v. Othlo, um 1062), hrsg. v. Georg Waitz. In: MG SS XV/2, 843 ff.; Huber, Michael: Der hl. A. u. seine Klosterstiftung Altomünster. In: Wissenschaftliche Festgabe zum zwölfhundertjährigen Jubiläum des heiligen Korbinian / Hrsg. von Joseph Schlecht. München, 1924.

Altötting, der berühmteste Wallfahrtsort Bayerns, hat seinen Ursprung in der Gnadenkapelle, deren Kernbau, ein Oktogon (achteckiger Turm), um das Jahr 700 entstand und der älteste bestehende Kirchenbau im rechtsrheinischen Deutschland sein dürfte. Der achteckige Grundriss weist auf die ursprüngliche Bestimmung als Taufkapelle hin. Der Legende nach hat hier der heilige Bischof Rupertus von Salzburg den ersten christlichen Bayernherzog getauft. Um 1330 kam das in Burgund oder am Oberrhein entstandene, aus Lindenholz geschnitzte, ca. 70 cm hohe frühgotische Bild einer stehenden Muttergottes mit dem Kind nach Altötting, das rund 150 Jahre später, im Jahr 1489, nach den Berichten von zwei Heilungswundern zum Wallfahrtsziel und Gnadenbild wurde. Schon in der ersten Zeit kamen Wallfahrer aus allen Schichten, was bis in die Gegenwart so blieb. Der Umgang der Kapelle ist mit rund 2.000 Votivtafeln aus mehreren Jahrhunderten ausgekleidet. Sie sind zu unterscheiden von dem Zyklus der über 50 großformatigen „Mirakeltafeln“, die etwa 1500 – 1520 von einem Maler aus dem Umkreis der „ Donauschule“ geschaffen wurden.

Lit.: König, Maria Angela: Weihegaben an U. L. Frau von Altötting vom Beginn der Wallfahrt bis zum Anschluss der Säkularisation: Bd. 1. Überzeitl. Zshänge. München: Lentner, 1938; Zellner, Reinhold: Altötting: d. Geschichte d. Wallfahrt; dargest. anhand d. Raumbilder in d. „Schau“ im Marienwerk Altötting; Bildbd. Burghausen: Blick-Punkt-Verl., 1984; Bauer, Robert: Bayerische Wallfahrt Altötting: Geschichte, Kunst, Volksbrauch. München: Schnell u. Steiner, 1985.

Altus (lat.), der Erhöhte, Anagramm von Jacob Sulat, Autor des alchemistischen Buches Mutus Liber (1677), das nur aus 20 Bildern besteht und daher „das stumme Buch“ genannt wird. Es beschreibt die äußeren Stufen (Laborbilder) und die inneren Stufen (Himmelsallegorie) des Großen Werkes (> Opus Magnum), dessen Ziel der Stein der Weisen und des Goldes ist. Über das Leben des Autors ist weiter nichts bekannt.

W.: Die Alchemie und ihr stummes Buch: (Mutus liber). Einl. u. Komm. von Eugène Canseliet. [Aus d. Franz. übers. von Birgit Böhnke]. Vollst. Wiedergabe d. Orig.-Ausg. von La Rochelle 1677, 1. vollst. dt. Ausg. Amsterdam: Weber, 1991.

Altvater. 1. Alterlein, Altmännchen, niederl. de oude man, nordfr. le petit vieillard, heißt eine Kinderkrankheit, die nach dem deutschen Volksglauben vom Naturdämon > Bilwis verursacht wird, der aus Neid, Tücke, Bosheit und Heimlichkeit besteht. Die Krankheit hat ihren Namen von dem greisenhaft-abgezehrten Aussehen des kranken Kindes (Greisengesicht), das wegen der besonderen Eigenart der Vorstellung nach von Unterirdischen, wahrscheinlich schon vor der Geburt, zum A. gemacht wurde.

2. A. ist auch der Name eines Berggeistes oder des obersten der Berggeister in weißer Gestalt.

Lit.: Meyer, Elard H.: Mythologie der Germanen. Straßburg: Trübner, 1903; Strackerjan, Ludwig: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. 2., erw. Aufl. Oldenburg: Stalling, 1909; Schweizerisches Archiv für Volkskunde 33 (1921), S. 171; Roche-Lexikon Medizin / hrsg. von der Hoffmann-La Roche AG u. Urban & Fischer. 5., neu bearb. u. erw. Aufl. München u. a.: Urban & Fischer, 2003.

Altweibersommer bezeichnet in der Umgangsprache einen Zeitabschnitt gleichmäßiger Witterung im September und Oktober, den sogenannten Nachsommer, der auch als Flug- und Frauensommer bezeichnet wird. Der Name stammt von den die Luft durchziehenden glitzernden, hauchdünnen Spinnfäden, die im Sonnenlicht wie silbergraue Haare erscheinen. Mit Hilfe dieser Fäden lassen sich kleine Spinnen bis zu einem schützenden Ort forttragen, wo sie den Winter überstehen können. Im Volksglauben wurden diese silbernen Fäden auf die alten Weiber am Spinnrad bezogen, was zur Bezeichnung „Altweibersommer“ führte. Die Spinnweben wurden ferner auch als das Werk von Elfen, Zwergen oder der Jungfrau Maria (Marienfäden, Mariengarn) gehalten. Im übertragenen Sinn wird mit Altweibersommer auch die Spätliebe der Frauen angesprochen. In Nordamerika heißt diese Jahreszeit Indian summer, was auf eine uralte indianische Legende zurückgeht, der zufolge das kräftige Rot der sterbenden Blätter an das Blut erlegter Bären erinnern soll.

Lit.: Lehmann, Artur: Altweibersommer: Die Wärmerückfälle des Herbstes in Mitteleuropa. Berlin: Parey, 1911.

Alu (sumerisch a. lá, schlecht, böse) bezeichnet einen altbabylonischen Winddämon, der seine Abstammung angeblich einem Menschen verdankt, sich in Höhlen und Ecken verberge, nachts aber durch die Strassen schweife und als körperloses Gespenst die Menschen „wie ein Fangnetz“ niederwerfe. Auch steige er während der Nacht in Wohnungen ein, terrorisiere die Menschen und rufe Krankheiten, vor allem Kopfschmerzen, hervor.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 12984. 1. Bd.

Aluberi („erste Ursache“), ein höheres geistiges Wesen der Arawak in Guyana, Südamerika. A. ist ein ferner Gott, der sich nicht um die Geschicke des Menschen kümmert – im Gegensatz zu seinen „Stellvertretern“ > Kururumany und > Kulimina, die den Menschen geschaffen haben.

Lit.: Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt: die Enzyklopädie über Götter, Geister und mythische Stätten in Nord-, Meso- und Südamerika. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Aludel (Sublimationstrichter), in der Alchemie verwendete kleine lackierte Tongefäße, die ineinandergesteckt werden konnten, um anschließend auf einen Sublimierkolben aufgesetzt zu werden. Sie dienten dem Auffangen verschiedener getrennter Sublimationsstufen des Präparats.

Lit.: Brunschwygk, Hieronymus: New vollkommen Distillierbuch wolgegründter künstlicher Distillation: Sampt underweisung u. bericht künstlich abzuziehen oder separiern die fürnembste distillierte wasser / erstlich durch Hieronymum Braunschweigk in Truck gegeben, hernach durch … Gualtherum Ryff … jetzt aber uber beyder obgemelter Authorn Ed. durch e. diser Künsten liebhaber fleissig ersehen, corr., mit vilen Fig. … gemehret, wie auch mit nützlichen C. Franckfurt am Main: Egenolff, 1597.

Alumbrados (span.; aus dem Lat. auch als Illuminati, die Erleuchteten, bekannt). Bezeichnung für die vom Ende des 15. Jhs. bis zum 17. Jh. in Spanien lebenden Anhänger einer mystisch geprägten Frömmigkeit. Sie suchten die christliche Vollkommenheit durch innere Erleuchtung, ein Leben nach den evangelischen Räten in Demut und Liebe, durch Schriftlesung und besonders durch das innere Gebet (mentalis oratio) zu verwirklichen. Nach dem Erscheinen der spanischen Ausgabe des „Enchiridion“ von Erasmus von Rotterdam (1526) begannen sie sich mit den Erasmianern zu verschmelzen. Anfangs von der Kirche akzeptiert, wurden sie während der Reformationszeit sogar als Lutheraner bezeichnet, da sie die innere Erleuchtung durch den Heiligen Geist gegen die Institution ausspielten. Ignatius von Loyola und sein Orden standen ihnen misstrauisch gegenüber. Das Edikt von 1525 verurteilte 48 Sätze. Den Inquisitionsgerichten fielen etwa 130 Menschen zum Opfer. Ein Edikt von 1623 verurteilte 76 Sätze. Die den A. vorgeworfenen Irrtümer sind nur aus den Inquisitionsberichten bekannt, insbesondere jene der Gruppe von Toledo: Verneinung der sakramentalen Vermittlungsfunktion der Kirche; Ablehnung der kirchlichen Hierarchie; Überbetonung der persönlichen religiösen Erfahrung und der biblischen Auslegung; ekstatisches, passives Aufgehen in der Gottheit als einzigem Zugang zu ihr.

Die A. existierten in kleinen Kreisen weiter und verschmolzen schließlich mit anderen quietistischen Bewegungen.

Lit.: Llorca, Bernardino: Die spanische Inquisition und die „Alumbrados“ (1509 – 1667) nach den Originalakten in Madrid und in anderen Archiven. Berlin; Bonn: Dümmler, 1934; Huerga, Alvaro: Historia de los Alumbrados. 5 Bde. Madrid: Fundación Univ. Española, 1978 – 1994.

Aluqqah > Vampire.

Alurwa oder Anangama, Hochgott der an der Elfenbeinküste in Westafrika wohnenden Baule, die auf eine Vermischung der autochthonen Bevölkerung mit einer im 14. Jh. eingewanderten akanstämmigen Gruppe zurückgehen. Wenngleich die einwandernde Gruppe klein war, veränderte sie das Leben der Bevölkerung: mutterrechtliche Strukturen setzten sich durch, das Staatswesen wurde stärker organisiert und die Götterwelt erweitert. Der alte, eigentliche Hochgott Alurwa wurde zurückgedrängt und wird angeblich nicht mehr verehrt. Alurwa schuf die Menschen und die Geister ebenso wie die Erdgöttin Asye (Asase Fua), die mit dem von den Akan mitgebrachten Himmelsgott Nyamye verheiratet ist. Ihr werden Ernteopfer dargebracht, während Alurwa, der frühere einzige Schöpfergott, zwei religiösen Vorstellungen zum Opfer fiel, die noch dazu miteinander verschmolzen: ein göttliches Weltelternpaar, Himmel und Erde, und ein großer Himmelsgott.

Lit.: Bonin, Werner F.: Die Götter Schwarzafrikas. Graz: Verlag für Sammler, 1979.

Al-Uzza (arab., „die Mächtige“), eine Gottheit aus vorislamischer Zeit, deren Heiligtum Suquam sich bei Mekka befand, wo sie in der Gestalt eines schwarzen Steines verehrt wurde. Man huldigte ihr als einer der drei Schicksalsgöttinnen, die beiden anderen waren > Manat und > al-Lat. Der Prophet Muhammad, dessen Stamm diese Göttin besonders verehrte, soll selbst ihren schwarzen Stein in die Kaaba gegeben haben. Bis sich der Islam durchsetzte, versahen Priesterinnen ihren Kult. Aber auch später nannten sich die Wächter der Kaaba noch „Söhne der Alten Frau“.

Im Koran werden die drei Göttinnen in Sure 53, 19 – 23 genannt. Al-Uzzas Anrufung als Fürsprecherin bei Allah wurde von Muhammad einige Zeit erlaubt, später jedoch als Götzenverehrung verboten. Nach der Eroberung Mekkas ließ er das Heiligtum der al-Uzza, in dem sich einigen Überlieferungen zufolge auch ein Orakel befunden haben soll, zerstören.

Lit.: Suwâ‘ und al-‘Uzzâ und die altjemenischen Inschriften / Eduard Glaser. München: Lukaschik in Komm., 1905; The Encyclopaedia of Islam / vol. 10. Ta‘-al-Uzza / 2000.

Alvar oder Arvar (hind. Tamil, südind., „der die Welt beherrscht durch seine Hingabe an Gott“). Die Alvars sind Vaishnava-Heilige Südindiens des 5. bis 9. Jhs., die mit ihrer Überzeugung, die Liebe eines religiösen Menschen zu Gott sei die allerhöchste Wahrheit, die Tradition der hingebungsvollen Verehrung der > Bhakti-Religion in der indischen Mystik wiederbelebten. Ihre Gebete und Verse sind heute noch Bestandteil des Tempeldienstes.

Lit.: Hooper, John Stirling Morley [from old catalog]: Hymns of the Aólvåars. Calcutta: Association Press, 1929; Srinivasa Chari, S. M.: Philosophy and Theistic Mysticism of the Alvars. Delhi [u. a.]: Motilal Banarsidass, 1997.

Alvarado, Carlos S., 1955 in San Juan, Puerto Rico, geboren, studierte Psychologie, Parapsychologie und Geschichte, promovierte an der Universität von Edinburgh in Psychologie und widmete sich intensiv der parapsychologischen Forschung; in Europa und Lateinamerika bekannt geworden durch seine Veröffentlichungen in Englisch und Spanisch vor allem in Spezialzeitschriften, darunter Dissociation, > Journal of Parapsychology und > European Journal of Parapsychology. Seine Arbeiten konzentrieren sich vornehmlich auf die Geschichte der Parapsychologie und die psychologischen Variablen psychischer Phänomene. Mehr als 10 Jahre lang betätigte er sich aktiv in der > Parapsychological Association und wurde 1995 als erster Lateinamerikaner Präsident der Gesellschaft. 2002 – 2003 hatte er dieses Amt ein zweites Mal inne. Zur Zeit ist A. Assistant Professor für psychiatrisch-medizinische Forschung an der Abteilung für Persönlichkeitsstudien der Universität von Virginia in Charlottesville, Virginia, wo er gemeinsam mit Nancy L. Zingrone die Redaktion der > Parapsychological Foundation leitet. Von seinen Veröffentlichungen seien genannt:

The psychological approach to out-of-body experiences: A review of early and modern developments. In: Journal of Psychology (1992) 126, 237–250; Exploring the features of spontaneous psychic experiences. In: European Journal of Parapsychology (1996) 12, 61–74; Mapping the characteristics of out-of-body experiences. In: Journal of the American Society for Psychical Research (1997) 91, 13–30; ESP and altered states of consciousness: An overview of conceptual and research trends. In: Journal of Parapsychology (1998) 62, 27–63 (first author, with N. L. Zingrone); Anomalías de interacción con el ambiente: El estudio de los fenómenos parapsicológicos [Anomalies of interaction with the environment: The study of parapsychological phenomena]. In: Revista Puertorriqueña de Psicología (1998) 11, 99–147 (first author, with N. L. Zingrone, & K. S. Dalton); Out-of-body experiences: Alterations of consciousness and the Five-Factor Model of personality. In: Imagination, Cognition and Personality (1998/99) 18, 297–317 (second author, with N. L. Zingrone & K. S. Dalton); Psi experiences and the “Big Five”: Relating the NEO-PI-R to the experience claims of experimental subjects. In: European Journal of Parapsychology (1998/99) 14, 31–51; Apuntes para una introducción a la parapsicología [Notes for an introduction to parapsychology]. New York: Parapsychology Foundation, 1999; Getting started in parapsychology: A brief overview of English-language materials. In: International Journal of Parapsychology (2000) 11, 199–211; Out-of-body experiences. In: E. Cardeña / S. J. Lynn, & S. Krippner (eds.): Varieties of anomalous experiences. Washington, DC: American Psychological Association, 2000, pp. 183–218; Features of out-of-body experiences in relation to perceived closeness to death. In: Journal of Nervous and Mental Disease (2001) 189, 331–332.

Alven (lat. albus, weiß), in Holland vorkommende Bezeichnung für lichte bis durchsichtige elbische Wesen, die meist schwerelos durch die Elemente gleiten können (> Alben). Sie leben in fischfreien Gewässern oder in Erdhügeln, den Alvinnenhügeln, wirken flüchtig und wechseln in der Größe von winzig bis zum Himmel ragend. Nachts kommen sie für gewöhnlich an Land und begeben sich mit Vorliebe zum Nachtschatten (Solanum). Wer diese Pflanze zerstört, läuft Gefahr, von den A. mit Krankheit oder sogar mit dem Tod geschlagen zu werden. Durch ihre Verbundenheit mit den Gewässern ähneln sie den griechischen > Quellnymphen.

Lit.: Arrowsmith, Nancy: Die Welt der Naturgeister: Feldforschungen im Elbenreich; Handbuch zur Bestimmung d. Wald-, Feld-, Wasser-, Haus-, Berg-, Hügel- u. Luftgeister d. europ. Länder. Frankfurt / M.: Eichborn, 1984; Arrowsmith, Nancy: Die Welt der Naturgeister: Handbuch zur Bestimmung d. Wald-, Feld-, Wasser-, Haus-, Berg-, Hügel- u. Luftgeister d. europ. Länder. Durchgehend ill. von Heinz Edelmann. München.: Goldmann, 1987.

Alverna (it. La Verna). 1.284 m hoher Berg bei Arezzo, Italien, auf dem der hl. Franz von Assisi 1224 die > Wundmale Christi erhielt. Der Berg wurde 1213 Franziskus geschenkt und ist heute ein besonderes Wallfahrtsziel. Neben dem Franziskanerkloster gibt es drei Kirchen, deren älteste vielleicht auf den Heiligen zurückgeht, während die zweite um 1263 am Ort der > Stigmatisation errichtet wurde. Die Hauptkirche, die mit 12 Terrakottareliefs des Andrea della Robbia geschmückt ist, wurde im 15. Jh. vollendet.

Lit.: David da Bibbiena: La chiesa delle Sacre Stimmate sul Monte Alverna. Roma: Tipografia Vaticana, 1888; Höcht, Johannes Maria: Träger der Wundmale Christi: e. Geschichte d. Stigmatisierten. Hrsg. u. erg. von Arnold Guillet. Stein am Rhein: Christiana-Verlag, 1986.

Alveydre, Alexandre Saint Yves d’

(1842 – 1909) gehörte mit seinen Zeitgenossen Eliphas Levi, Maitre Philipp und Fabre d’Olivet zu den einflussreichsten okkultistischen Lehrern des 19. Jhs. in Frankreich. Als Okkultist glaubte er an die Existenz höherer geistiger Wesen, mit denen man telepathisch in Verbindung treten könne. So habe er auf telepathischem Wege die Prinzipien der „Synarchie“ von diesen „Meistern“ erhalten, welche die geistigen Lehrer der Menschheit seien und die mysteriöse Welt > Agartha (auch als > Shambhala bekannt) leiten würden, in der die Eingeweihten wohnen. All ihre Weisheit und Macht werde der gesamten Menschheit zugänglich, sobald das Christentum nach den Gesetzen lebt, die Moses und Jesus aufgestellt haben, d. h. wenn die Anarchie, die in der Welt herrscht, durch die Synarchie ersetzt wird.

1903 veröffentlichte D’Alveydre ein riesiges Werk mit dem Titel L‘Archéomètre, das den Schlüssel zu allen Religionen und Wissenschaften der Antike liefern soll. Das Buch ist der kühne und undurchschaubare Versuch, in einem Gesamtkunstwerk die Ordnungen der Musik, Astrologie, Architektur, der Farben und sprachlichen Zeichen zusammenzubringen. Dabei wird in so komplexer Form Ordnung geschaffen, dass der Betrachter leicht die Orientierung verliert. So wird das Archéomètre durch einen Kreis dargestellt, der zwei Skalen von 0 bis 360 Grad und 360 Grad bis 0 hat und in 12 Bereiche mit je 30 Grad eingeteilt ist. In den einzelnen Bereichen sind die Tierkreiszeichen, Planeten, Farben, Töne und die Buchstaben verschiedener Alphabete eingezeichnet.

D’Alveydre übte großen Einfluss auf H. P. > Blavatsky, Alice Ann > Bailey, Rudolf > Steiner und Max > Heindel aus. Vieler seiner Ideen flossen in die von diesen geleiteten Gesellschaften ein.

W.: Saint-Yves d‘Alveydre, Joseph Alexandre: L‘Archéomètre. Paris: Dorbon-aîne, [1911?]; Saint-Yves d‘Alveydre, Joseph-Alexandre: Mission de l’Inde en Europe. [s.n.], [S. l.]; 1981.

Alwaldi („der Allgegenwärtige“), in der nordischen Mythologie ein zu den > Jötunn gehörender Riese und Vater des starken und mutigen altnordischen Frostriesen > Thjazi sowie Großvater der > Skadi. In älteren Mythen soll er mit Thjazi identisch sein. A. wurde wie sein Sohn vom Gott > Thor im Kampf besiegt. Seine Augen warf man als Sterne an den Himmel. 

Lit.: Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertr. v. Felix Genzmer; eingel. v. Kurt Schier. Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2006.

Alwis (auch: Alwiss, Alvis, Alviss, „der Allweise“, „der Allwissende“, „der weise Ratgeber“), der lediglich aus dem Alwislied bekannte „allweise Zwerg“, dem in Abwesenheit des > Thor dessen Tochter > Thrud als Gegenleistung für die von ihm für die Götter geschmiedeten Waffen zur Frau versprochen wird. Als A. nach > Asgard, dem Reich der Götter, geht, um seine Entlohnung in Empfang zu nehmen, erkennt er Thor, den Donnergott, nicht. Dieser verwickelt den unerwünschten Schwiegersohn in einen Wissenstest, von dessen Ausgang er die Hingabe seiner Tochter abhängig macht. A. beantwortet alle Fragen, vergisst aber, sich vor den nahenden Sonnenstrahlen des Morgens zu schützen. Als diese in die Hallen Asgards fallen, erstarrt A. zu Stein. Thor konnte ihn also nicht durch Wissen, sondern nur durch List besiegen.

Lit.: Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertr. v. Felix Genzmer; eingel. v. Kurt Schier. Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2006.

Alyta (griech., „Nicht-zu-Lösende“), die Welträtsel und Denkaufgaben, die zu unauflöslichen Widersprüchen führen. In der Paranormologie ist in der Diskussion zwischen Animismus und Spiritismus die Frage des Fortlebens zu A. geworden. Die Möglichkeit des Fortlebens wird nicht bestritten, doch seine prinzipielle Unbeweisbarkeit behauptet.

Lit.: Moser, Fanny: Der Okkultismus. Täuschungen und Tatsachen. München: Ernst Reinhardt, 1935.

Alzon, Emmanuel d’ (1810 – 1880), studierte Theologie und wurde 1834 zum Priester geweiht. 1845 gründete er die Kongregation der Assumptionisten, 1865 die Assumptionistinnen, und wirkte bei der Gründung weiterer Schwesternkongregationen mit. A. ist der große Lehrer des kontemplativen Gebets.

W.: Écrits spirituels du serviteur de Dieu Emmanuel d’Alzon. Rome: Maison Généralice, 1956.

Lit.: Vailhe, Siméon: Vie du P. Emmanuel d’Alzon, Vic. Gen. de Nimes, Fond. des Augustins de l’Assompsion (1810 – 1880). Paris: Maison de la Bonne Presse, 1926.