Begriffe Ag

Agada oder Haggada (hebr., Gesprochenes, Aussage, Vortrag). Bezeichnung für einen Teil des Talmud, der die Texte zur Erbauung, Unterhaltung, Geschichte, Sage und Ethik enthält. Die A. ist jedoch inhaltlich vom religionsgesetzlichen > Talmud, der Halacha, nicht immer klar geschieden. Sonderbarerweise haben sich die Philosophie und zum Teil auch die > Kabbala mit diesen schöpferischen Kräften des Judentums kaum befasst, obwohl di A., die Legende, im rabbinischen Judentum ein ungebrochener, unmittelbarer Ausdruck strömenden religiösen Lebens ist. Als Ganzes kann sie nämlich als ein volkstümlicher Mythos der jüdischen Welt betrachtet werden.

Lit.: Scholem, Gershom: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1980.

Agama (sanskr., Quelle der Lehre). Bezeichnung für Sammlungen von Schriften des Sanskrit-Kanons (> Sutra), wobei vier Agamas unterschieden werden: 1. Dirghagama (Lange Sammlung, bestehend aus 30 Sutras); 2. Madhyamagama (Mittlere Sammlung, die sich mit metaphysischen Problemen beschäftigt); 3. Samyuktagama (Mischsammlung, über abstrakte Meditation); 4. Ekottarikagama (Numerische Sammlung). Die Agamas enthalten die grundlegenden Lehren des > Hinayana, die der Buddha in seiner ersten Lehrrede vorgetragen haben soll (> Vier edle Wahrheiten, > Achtfacher Pfad, > Nidana, > Karma usw. Der Pali-Terminus > Nikaya deckt sich inhaltlich im Wesentlichen mit Agama, doch kommt noch ein 5. Nikaya, eine Kurzsammlung, hinzu (> Khuddaka-Nikaya).

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.

Agamedes > Trophonios.

Agamemnon (griech., Mythos). König von Agros oder Mykene, Sohn des Atreus aus dem Geschlecht der Tantaliden, auf dem ein Fluch lag. Er war einer der griechischen Helden im Trojanischen Krieg. In der Odyssee erhält er als Anführer der Achaier gegen die Trojaner einen Orakelspruch über den Verlauf des Trojanischen Krieges (8, 9). Nach seiner Rückkehr wird er auf Anstiften seiner Gemahlin Klytämnestra von deren Geliebten Ägisth ermordet. Eine Inschrift in Delphi aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert birgt einen Orakelspruch, den A. vor dem Aufbruch zum Krieg gegen die Trojaner erhalten haben soll: „Hüte dich, göttlicher Agamemnon, dass du nicht von einem griechischen Helden mit fremder Sprache besiegt wirst, wenn du irrtümlicher Weise im Land der Mysier landest…“ (Roux, 164)

Lit.: Roux, Georges: Delphi: Orakel und Kultstätten. München: Hirmer, 1971.

Agami-Karma (sanskr., „zukünftiges“ > Karma). Das A. entsteht durch gegenwärtige Handlungen und Wünsche und wirkt sich nach dem Gesetz der Kausalität in der Zukunft aus. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil man durch die jetzigen Taten und Wünsche die eigene Zukunft beeinflussen kann. Vom Agami-Karma sind das > Prarabdha-Karma, das „angefangene“, sich gegenwärtig auswirkende Karma, und das > Sanchita-Karma, das noch auf seine Auswirkung wartet, zu unterscheiden.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.

Agape (griech., Liebe). A. ist der durch die LXX (Septuaginta) und das hellenistische Judentum vorbereitete neutestamentliche Begriff für die Liebe. Seit dem 2. Jh. bezeichnet er im Unterschied zum eucharistischen Mahl ein liturgisch geprägtes, mit der Eucharistie verbundenes oder zeitlich von ihr getrenntes abendliches Sättigungsmahl der ganzen Gemeinde oder eines Teiles von ihr. Die Sorge um Missbrauch (1 Kor 11, 20ff.) und das Anwachsen der Gemeinden nach Ende der Verfolgungszeit führten zur Loslösung vom Sättigungsmahl hin zu geselligen Zusammenkünften (Clem. Alex. paed. II, 4 – 8); ab dem 3. Jh. wird A. zur Armenpflege. Im 4. Jh. wird sie in kirchlichen Räumen verboten und verschwindet im 5. Jh. fast gänzlich. Gegenwärtig kommt es zu Wiederbelebungsversuchen, nachdem in einzelnen christlichen Gruppierungen wie den Baptisten und Methodisten, aber auch bei den orthodoxen Juden ein derartiges Liebesmahl, bei dem der Zadik (Wunderrabbiner) die Speisen durch Berührung segnet, gepflegt wird. Künstlerisch verwertet ist die Idee der A. im Parsifal.
Auch in den Rosenkreuzergraden der > Freimaurerei hat sich die A. als mystisches Liebesmahl erhalten, vor allem im > Alten und Angenommenen Schottischen Ritus und in der > Johannismaurerei. Da die Buchstaben des Wortes Agape und > Aiwaz den gleichen Zahlenwert haben, wurde A. von Aleister > Crowley zu einem der Schlüsselwörter seines Horuszeitalters gewählt. In der > Gnosis zählt Ptolomaios die A. zu den zwölf Äonen, die der Anthropos mit der Ekklesia hervorgebracht hat (Leisegang, 310).

Lit.: Leisegang, Hans: Die Gnosis. Stuttgart: Kröner, 41955; Theologische Realenzyklopädie (TRE). Bd. I. Berlin: Walter de Gruyter, 1977, S. 748 – 753; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Agar, Margaret > Somerset, Hexen von.

Agares. Nach Johannes > Weyer ist A. der Großfürst der östlichen Gefilde der Unterwelt. Dargestellt ist er als wohlwollender Gebieter, der auf einem Krokodil sitzt und einen Falken auf seiner Hand trägt. Das Heer, das er in der Schlacht beschützt, ist in einer glücklichen Lage, zerstreut A. doch seine Feinde. Er verteilt Raum und Macht, Titel und Würden, lehrt alle Sprachen und hat noch andere bemerkenswerte Kräfte. Ihm unterstehen 31 Legionen.

Lit.: Wierus, Joannes: De praestigiis daemonum, et incantationibus ac veneficijs, libri V. Basileae Oporin, 1563.

Agartha oder Agarthi (assyro-chaldäisch, Erde). Bezeichnet in asiatischen Mythen und Berichten, insbesondere in tibetischen Sagen, ein „unterirdisches Königreich“, das alle Bezirke des Seelischen vom Menschen an bis zu Gott in sich enthält. Es ist der Ort der Gerechten, wo der „König der Welt“ regiert, und mit allen fünf Kontinenten verbunden. Der König kennt das Leben der Menschen auf der Erde und versucht im Geheimen Einfluss auf sie zu nehmen.
Ähnliche Vorstellungen verbinden sich mit dem persischen „Ariana“ oder „Arianne“, dem germanischen > Asgard, mit Luz, der „blauen Stadt“ in der jüdischen Tradition, oder mit > Shambhala, das nach buddhistischer Tradition jenseits der Schneegipfel des Himalaja liegen soll. Bei den Skandinaviern gibt es die Sage um das „Ultima Thule“, die Griechen sprachen von > Hyperborea.
Die Legende eines „verborgenen Reiches“, wo sich die geistigen Führer der Welt treffen und Frieden und Harmonie herrschen, hat zu zahlreichen esoterischen Darstellungen geführt, angefangen von René > Guénon, Saint-Yves > d’Alveydre und Ferdinand > Ossendowski über die Aussagen von Rosenkreuzern und Theosophen bis hin zu den Berichten über unterirdische Städte. Der Phantasie waren dabei keine Grenzen gesetzt. Es ist ein Spiel mit der Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Gemeinschaft durch das Angebot eines weltimmanenten „Paradieses“.

Lit.: D‘Alveydre, S.-Y. de: L’Archéomètre. Paris, 1903; Ossendowski, Ferdinand: Tiere, Menschen und Götter. München: List, 1955; Guénon, René: Der König der Welt. Freiburg i. Br.: Aurum, 1987.

Agassiz, Alexander (1835 – 1910). Der bekannte Zoologe A. hatte bei seiner Arbeit über die fossilen Fische Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines Fisches aufgrund der schwachen Abdrücke in Schieferplatten, so dass er es schließlich aufgab und nicht mehr daran dachte. Dann erwachte er drei Nächte hintereinander und war plötzlich „überzeugt“, die Lösung gefunden zu haben, denn jedes Mal erschien ihm der Fisch vollständig hergestellt mit allen Teilen, die auf den Abdrücken nicht zu sehen waren. In den beiden ersten Nächten verschwand der Traum zu schnell, um festgehalten zu werden. In der dritten Nacht sah er den Fisch aber so deutlich, dass er ihn auf dem bereitgelegten Papier im Dunkeln aufzeichnen konnte. Am Morgen fand er auf seiner Skizze Spuren, die auf der Platte nicht sichtbar waren. Nach längerer Arbeit mit Nadel und Hammer stellte sich die Traumvision als richtig heraus. Diese Form der Traumarbeit fußt mehr auf einem inneren, unterschwelligen Denkprozess als auf einem paranormalen Erkenntnisgewinn und gehört somit in den Bereich der kreativen Träume.

Lit.: Flournoy, Theodor: Esprits et mediums. Mélange de métaphysique et de Psychologie. Paris: Fischbacher, 1911, S. 327 / 28.

Agastya (auch Agasti). Vedischer Weiser, der aus dem Samen von > Mitra und > Varuna entstanden sein soll. Er gilt als der legendäre Wegbereiter der arischen Besetzung der indischen Halbinsel. Nach dem > Ramayana war > Rama, als er ins Exil ging, sein Gast und erhielt > Visnus Schwert sowie einen Bogen mit einem unerschöpflichen Köcher von Agastya. A. habe den Ozean ausgetrunken und die Dämonenbrüder Atapi und Vatapi verspeist. Viele Tamilen-Hindus, die ihn mit einem späteren Agastya gleichgesetzt haben, glauben, dass er noch lebe und unsichtbar auf seinem heiligen Berg, dem Agastya Malai, wohne. Von Südindien verbreitete sich die Verehrung des A. nach Ostasien und Indonesien.

Lit.: Ghurye, G. S.: Indian Acculturation: Agastya and Skanda. Bombay: Popular Prakashan, 1977; Sivaraja Pillai, K. Narayanan: Agastya in the Tamil Land. New Delhi: Asian Educational Services, 1985.

Agat > Achat.

Agatha († 251?), heilig (Fest: 5. Februar). Die hl. A. erlitt in Catania (Sizilien), wahrscheinlich unter Decius (249 – 251), den Märtyrertod. Das genaue Todesjahr ist nicht bekannt. Als sie ihrem Glauben trotz Folterungen treu blieb, wurden ihr die Brüste abgeschnitten, worauf ihr in der Nacht der hl. Petrus erschien und ihre Wunden pflegte. Am folgenden Tag erlitt sie weitere Grausamkeiten, an denen sie starb. Dabei soll sie auch auf glühende Kohlen gelegt worden sein. Ihre Passion liegt in vielen lateinischen und griechischen Versionen vor. Sie ist Schutzpatronin von Catania. Der Legende nach brach am Jahrestag ihrer Bestattung der Ätna aus. Man trug der sich ergießenden Lava den Schleier der A. entgegen und brachte dadurch die Lava zum Stillstand. Ferner habe A. Kranke und Besessene geheilt, Catania von Pest und Hungersnot befreit und durch ihren Schleier des öfteren die Flammen und Lavaausbrüche des Ätna beschwichtigt.
Agathenzettel
In der Vita der A. wird auch berichtet, dass ein Engel an ihrem Grab eine Tafel mit der Inschrift niederlegte: „Mens Sancta, Spontaneus Honor Dei Et Patriae Liberatio“ (ASS, 595 ff.), auch M.S.S.H.D.E P.L. Dieser Tafel bzw. Inschrift wurde die Eigenschaft zugeschrieben, Brände zu löschen. Im späteren Mittelalter war dies Anlass, geweihte Lichtmesskerzen mit den Worten der Inschrift zu beschreiben und sie gegen Brandgefahr zu benutzen (Meyer, 255). Später fertigte man auch Zettel und fügte noch hinzu: „Ignis a laesura protege nos, o Agatha pia“. Dazu gab es besondere Benediktionsformeln (Franz I, 272). Auf diesem Agathenzettel wird A. auch mit einer brennenden Kerze in der Hand abgebildet.

Lit.: Acta SS Febr II (1735), 595 – 656; Meyer, Elard Hugo: Deutsche Volkskunde. Strassburg: Trübner, 1898; Ohse, Franz, Adolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. Graz: ADEVA, 1960; Ohse, Hildegard: Das S[ank]t-Agatha-Fest in Sizilien: der Kult an seinem Ursprungsort Catania. München: Selbstverl., 1972.

Agathenzettel > Agatha.

Agathion (griech.). Ein Geist, der angeblich nur zur Mittagszeit erscheint. Er nimmt dabei die Gestalt eines Menschen oder eines Tieres an oder verbirgt sich in einem Talisman, einer Flasche oder einem magischen Ring.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. 1. Bd. Detroit: Gale Research Company, 21984.

Agathodaimon (griech., „guter Geist“): Bei den alten Griechen findet sich der Glaube an einen „guten Geist“, der bildhaft als Schlange und zuweilen als Jüngling mit einem Füllhorn, einer Schale oder einer Kornähre unsichtbar den Menschen umschwebt und seinem Hause Segen bringt. In der Ptolomäerzeit fällt er mit dem ägyptischen Gott > Schai zusammen. In antiken Zauberpapyri wird der das Pneuma des Lebens einhauchende Pantokrator ebenfalls als Agathos Daimon bezeichnet. Oft wird er auch mit > Seth, dem Sohn Adams, identifiziert. Das um 300 nach Chr. auftauchende > Rätsel des A. ist im Stil der spätantiken > Sibyllinischen Orakel gehalten. Darin werden die Zahl der Silben, der Buchstaben mit ihrem Zahlenwert und ähnliche Details genannt, doch konnte das Rätsel bis jetzt noch nicht gelöst werden.

Lit.: Agathodämon. In: Pauly-Wissowa: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Suppl. III. 1918; Luck, Georg: Magie und andere Geheimlehren in der Antike. Stuttgart: Kröner, 1990, S. 219.

Agathon (griech., „das Gute“). Bezeichnet allgemein das, was keinen Mangel aufweist, wonach alles strebt, weil es Erfüllung bringt. Für > Platon ist das A. der Urquell des Seins. In der > Theosophie ist A. die Weltseele, die > Anima mundi.

Lit.: Gadamer, Hans-Georg: Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles. Heidelberg: Winter, 1978; Blavatsky, H. P.: Kosmogenesis. A. Kosmische Evolution. Den Haag: J. J. Couveur, o. J. (Die Geheimlehre; 1), S. 80.

Agave (Agavaceae, Agavengewächse). Zu den agaveähnlichen Gewächsen gehört besonders auch die > Aloe, von der in der Bibel die Rede ist (Ps 45, 9, Joh 19, 39) und die erstmals vor 3.500 Jahren in Hieroglyphenschriften erwähnt wurde. Diesen zufolge benutzten bereits die Königinnen > Nofretete und später Kleopatra Salben und Öle mit dem Zusatz frischer Aloe zur Körper- und Haarpflege. Im Sanskrit trägt die Aloe den Namen Ghrita-kumari. Ebenso findet die Aloe vielfältige Verwendung in der indischen Ayurveda-Medizin. Besondere Verbreitung hat heute der wegen seiner entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften als Aloe vera bezeichnete stabilisierte Saft.
Auch die Kulturpflanze Mittelamerikas, die Agava americana, ist seit alters her bekannt. Die Indianer verwenden sie als Nahrung, als Heilmittel und für magische Zwecke. In der A. lebt ihrer Vorstellung nach die jugendliche Göttin Mayahuel, die dem Mythos zufolge aus dem Himmel entführt und von Dämonen getötet wurde. Doch dienten ihre Gebeine als Rohstoff für die Schöpfung der A. durch den Gott Quetzalcoatl. Aus dem süßen Saft der Zauberpflanze stellt man ein berauschendes Getränk her. Der Trunk untersteht verschiedenen Göttern: dem „Medizin-Herrn“ Pahtecatl und den „Vierhundert Kaninchen“, genannt Centzontotochtlin, die als göttliche Mondwesen den Kreislauf von Geburt und Tod in der Natur symbolisieren. Der Genuss von Pulque wird daher mit religiösen Ritualen, etwa zur Erntezeit, verbunden und muss sich in Maßen halten, d. h. er sollte vier Schalen nicht überschreiten – ein Gebot, das von den Huaxteken nicht eingehalten wurde, die den Rausch vielmehr verherrlichten.
Die mexikanischen Indianer verwenden heute für medizinische Zwecke die ganze Pflanze, und auch weiterhin den Pulque, den man als > Aphrodisiakum ansieht. Selbst die Blätter der A. finden Anwendung als > Amulette, die alles Böse vom Haus fernhalten, den Haussegen bewahren und vor krankheitsbringenden Winden schützen sollen.

Lit.: Rätsch, Christian: Lexikon der Zauberpflanzen aus ethnologischer Sicht. Graz: ADEVA, 1988.

Agdistis, hermaphroditisches Ungeheuer. Nach der phrygischen Mythologie entstand dieses Ungeheuer, als Samen des Gottvaters > Zeus auf den Berg Ida tropfte, wo die Göttermutter > Kybele schlief. Um A. zu bändigen, gossen die Götter Wein in das Badewasser, denn betrunken schlief er ein. Daraufhin banden die Götter seine Genitalien an einem Baum fest. Als er aufwachte und sich bewegte, kastrierte er sich selbst und aus seinen Geschlechtsteilen wuchs ein Mandel- bzw. Granatapfelbaum. Eines Tages sammelte die Tochter eines Flussgottes, Nana, die Früchte des Baumes in ihren Schoß. Eine Frucht verschwand. Sie wurde schwanger und gebar den > Attis.
Nach einer anderen Version verliebt sich Attis in ein schönes Mädchen. Bei der Hochzeit erscheint A. in Gestalt der Kybele und wird von Attis hofiert. Die Braut bringt sich vor Eifersucht in Raserei Wunden bei und stirbt daran. Attis verliert daraufhin vor Kummer den Verstand und entmannt sich unter einer Pinie.

Lit.: Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens. Reichelsheim: Edition XXL GmbH, 2000.

AGE > Außergewöhnliche Erfahrung.

Agena, Beta Centauri, 23° 06’; heller Fixstern im südlichen Sternbild Centaurus, der im Sternzeichen > Skorpion gelegen ist.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Agens (lat. agere, tun). Ontologischer Begriff für das Wirkende, Tätige als Prinzip. Der Terminus entstammt inhaltlich der aristotelischen Ursachenlehre und wird in Fachbereichen vornehmlich zur Bezeichnung einer nicht klar definierten Verursachung verwendet, und zwar auch in der Bedeutung von „das Treibende“, die „Triebkraft“ sowie „Träger der Kraft“, insbesondere eines krank- bzw. gesundmachenden Stoffes. Paranormologisch dient A. zudem zur Bezeichnung der Ursache des Rutenausschlages, der alchemistischen Wirkung des Lebenselixiers und des magischen Potentials schlechthin.

Lit.: Aktuell: Pendel und Rute für Sie. München: Herold-Verlag Dr. Wetzel, o. J.; Feld, Lars P: Omne agens agendo perficitur: the Economic Meaning of Subsidiarity. St. Gallen: Univ., Volkswirtschaftl. Abt, 1995; Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenchaftstheorie. Bd. 1. Stuttgart: J. B. Metzler, 1995; Marschang, Rachel E.: Isolierung und Charakterisierung von Irido-, Herpes- und Reoviren aus Landschildkröten sowie Beschreibung eines nicht charakterisierten zytopathogenen Agens. Giessen: Köhler, 2000.

Agent (von lat. agere, tun; engl. / fr. agent; ital. agente). Im ASW-Test diejenige Person, welche die Informationen betrachtet, die das Zielbild darstellt und die diese Informationen einem Perzipienten „sendet“ oder „übermittelt“. Beim Telepathie-Test und in Fällen spontaner ASW bezeichnet A. die Person, deren psychischer Zustand von einem Perzipienten erfasst wird. Manchmal kann sich A. auch auf die Versuchsperson bei einem Psychokinese-Test beziehen. Die Wirkweise des A. ist noch weitgehend unbekannt. Eine emotionaler Bezug des A. zu einem > Perzipienten und einem perzipierten Gegenstand wie auch zu einer Person scheint die Wirkung zu fördern. Spontane Phänomene, wie etwa der persongebundene Spuk, stehen oft in Zusammenhang mit einem A. in einer besonderen psychischen Krise oder Spannung. Im magischen Bereich kann der A. durch besondere persönliche Kräfte oder auch nur durch Anwendung spezieller Rituale wirksam werden. Schließlich können auch Geister und Geistwesen zu A. werden.

Lit.: Wolman, Benjamin B.: Handbook of Parapsychology. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977; Grattan-Guinness, Ivor (Hg.): Psychical Research: A Guide to its History, Principles and Practices. Wellingborough, Northamptonshire: The Aquarian Press, 1982; Nash, Carroll B.: Parapsychology: the Science of Psiology. Springfield, Il.: Charles C. Thomas, 1986.

Aggregatzustand (lat. aggregare, zusammenfügen, anschließen). Erscheinungsform der Materie, die nach der klassischen Einteilung als fest, flüssig oder gasförmig, nach der molekularkinetischen als kristallin, amorph oder gasförmig bezeichnet wird. Annie > Besant unterscheidet beim Menschen sieben A.: die drei erwähnten beim physischen Körper und vier ätherische beim Doppelkörper. Diese Einteilung wurde von Alice Ann > Bailey übernommen. Max > Heindel bezeichnet die Ätherzustände einzeln: chemischer Äther, Lebensäther, Lichtäther und rückstrahlender Äther.

Lit.: Besant, Annie: Der Mensch und seine Körper. 2., verm. Aufl. Leipzig, 1906; Bailey, Alice A.: Telepathie und der Ätherkörper. Lorch, Württ.: Karl Rohm Verlag, 1960; Heindel, Max: The Rosicrucian Cosmo-Conception or Mystic Christianity. London: L. N. Fowler & Co. Ltd., 261971.

Aggregierungs-Hypothese. Durch Aggregation von psychologischen Variablen auf der einen Seite und physikalischen Variablen auf der anderen Seite lässt sich die Korrelation zwischen den beiden Gruppen erhöhen (H1). Eine solche Verstärkung der Korrelation lässt sich nicht nachweisen (H0). Mit dieser Hypothese wird explizit das Brunswick’sche Linsenmodell getestet, möglicherweise aber auch die Frage nach der Verteilung der „PK-Fähigkeiten“, wo es zwei extreme Positionen gibt: 1. Nur wenige Menschen haben ausgeprägte „PK-Fähigkeiten“; 2. alle Menschen weisen mehr oder weniger schwache „PK-Fähigkeiten“ auf. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus (Lucadou, 215).

Lit.: Lucadou, Walter von: Experimentelle Untersuchungen zur Beeinflussbarkeit von stochastischen quantenphysikalischen Systemen durch den Beobachter. Frankfurt a. M.: Haag und Herchen, 1986.

Aggression (lat. aggredior, angreifen). Verhaltensweisen, die in der Absicht ausgeführt werden, direkt oder indirekt Schaden zuzufügen. Dieses Verhalten wird in der Psychologie kontrovers behandelt, wobei das Gespräch von einem Aggressionstrieb bis zur Reaktion auf negative Reize reicht. In der Parapsychologie wurde A. in Zusammenhang von ASW, PK, Spuk und Psi untersucht. Dabei zeigte sich ganz allgemein, dass Entspannung und Interesse auf > ASW fördernd, Aggression und negative Einstellungen hemmend wirken. Bei Spukphänomenen scheinen hingegen unterdrückte Aggressionen und psychische Störungen beteiligt zu sein, weshalb man bei > wiederkehrender spontaner Psychokinese (WSPK) auch von > Abwehrmechanismen spricht. In der > Magie wird A. negativen Kräften in und um die Person oder Personengruppe sowie bösen Geistwesen zugeschrieben. Zudem wird A. gedanklich und rituell zum Schutz und zur Bestrafung eingesetzt und mündet dabei nicht selten in die Praxis der > Verfluchung.

Lit.: Schmeidler, Gertrude R.: Personality Tests and ESP Scores with College Classes. In: Proceedings of the First International Conference of Parapsychological Studies. New York: Parapsychology Foundation, 1955, S. 123 – 124; Wolman, Benjamin B.: Handbook of Parapsychology. New York: Van Nostrand Reinhold Company, 1977; Nolting, Hans-Peter: Lernfall Aggression. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1978; Der Carvalho, Andre Percia: A Study of Thirteen Brazilian Poltergeist Cases and a Model to Explain Them. In: Journal of the Society for Psychical Research 58 (1992), 302 – 319.

Aghorî. Eine Klasse shivaistischer Asketen, auch Aghorapanthî genannt, sind die Nachfolger des Ordens der Kapalika oder „Schädelträger“. Der Name A. wurde mit „nicht schreckend“ (a-ghora) übersetzt. Ausgangspunkt ihrer Lehre ist der bei den Asketen der indischen Ureinwohner weitverbreitete Symbolismus des „Friedhofs“ und der „Leichen“. Der Friedhof versinnbildlicht die Totalität des psychomentalen Lebens, das vom Ichbewusstsein genährt wird; die Leichen symbolisieren die verschiedenen Sinnes- und Geistestätigkeiten. Diesen Symbolismus haben nun die A. manchmal auf materielle Weise interpretiert. Sie aßen aus menschlichen Schädeln, hielten sich häufig auf Friedhöfen auf und pflegten noch zu Ende des 19. Jhs. den Kannibalismus. Sie nähren sich von Unreinheiten aller Art und von jeder Fleischsorte außer Pferdefleisch, um alle natürlichen Gelüste und Neigungen auszurotten. Die Einverleibung von Schmutz aller Art mache den Körper fruchtbar und den Geist zu jeder Meditation fähig. Es gebe weder Gutes noch Böses, weder Angenehmes noch Widerwärtiges. Für die A. gibt es auch keine Unterschiede der Kasten und Religionen; die Eltern sind reiner Zufall. Sie gliedern sich in zwei Gruppen: suddha (die Reinen) und malin (die Schmutzigen).

Lit.: Barrow, H. W.: On Aghorîs and Aghorapanthîs. Proceedings of the Anthropological Society of Bombay 3 (1893), 197 – 251.

Agiel. In der Kabbala und Magie die Intelligenz des Saturn.

Lit.: Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. Freiburg: Bauer, 1970.

Agieren (lat. agere; engl. acting out). Veräußerlichung eines inneren Geschehens in Gestik und Handlung, oft noch bevor es gedanklich erfasst und verbalisiert werden kann. So bildet A. das motorische Bindeglied zwischen „Innen“ und „Außen“, zwischen Affekt und Ausdrucksverhalten, im > Wachen, im > Schlaf, im > Traum und bei verschiedenen Verhaltensstörungen. Bei manchen Menschen scheinen soziopathische und „agierende“ Züge der „Abwehr“ psychotischer Symptome, wie Halluzinationen und Wahnideen, zu dienen. In der Terminologie deutschsprachiger Analytiker wird oft die englische Übersetzung acting out in der Kennzeichnung eines impulsiven Hervortretens des Verdrängten verwendet, das nicht in die Normalpersönlichkeit integriert ist und sich aggressiv gegen den Betreffenden selbst oder eine andere Person richten kann, in der Psychotherapie vornehmlich gegen den Therapeuten. A. ändert sich mit dem Entwicklungsgrad und dem aktuellen Zustand der Meisterung und Kontrolle der Motorik.
Von A. wird auch im Zusammenhang mit > Schlafwandeln, > Spuk und > Besessenheit gesprochen.

Lit.: Freud, Siegmund: Bruchstücke einer Hysterie-Analyse. GW 5. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 41968, S. 283; ders.: Jenseits des Lustprinzips. GW 13. Frankfurt: S. Fischer, 61969, S. 19 f.; Streeck, Ulrich (Hg.): Erinnern, agieren und inszenieren. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2000.

Agla (hebr.). Ein Wort, das aus den Anfangsbuchstaben des hebräischen Satzes Athah Gibor Leolam, Adonai (Gott, du bis mächtig und ewig) gebildet wird. Der Satz ist liturgischen Ursprungs und stammt aus dem jüdischen Gebet „Schemoneh esreh“ nach der babylonischen Rezension (Buxtorf, 134). Die Bildung eines solchen Akrostichons, in der > Kabbala Notarikon genannt, dient zur Erhebung verborgener Bedeutungen der Worte durch Auslegung der einzelnen Buchstaben als Wortanfang. Wir finden A. schon im 10. Jh. als Ogla in einer Formel für ein Gottesurteil (Zeumer, 643). Ab dem 15. Jh. erscheint A. häufig als Inschrift in > Beschwörungsformeln, auf > Amuletten und > Talismanen, einerseits um Glück zu bringen, andererseits um böse Einflüsse fernzuhalten.

Lit.: Zeumer, Karolus: Formulae Merowingici et Karolini aevi. Hannover: Hahn, 1963; Buxtorf, Johannes: Lexicon Chaldaicum Talmudicum et Rabbinicum. Hildesheim, 1977 (Nachdr. d. Ausg. Basel 1639); Maier, Johann: Die Kabbalah. München: Beck, 1995.

Aglaia > Chariten.

Aglaophotis (griech., „die herrlich Leuchtende“). Eine Zauberpflanze, die nach > Plinius (23 – 79 n. Chr.) unter Berufung auf das verloren gegangene Buch Cheirokmeta, einer vielbändigen Enzyklopädie über Alchimie, ihren Namen von > Demokrit aufgrund der Bewunderung ihrer besonderen Farbe erhalten habe und in den Marmorbrüchen Arabiens gedeihe, weshalb man sie auch „marmaritis“ (Marmorkraut) nennt; ihrer „bedienten sich die Magier, wenn sie die Götter herbeirufen wollten“ (Plinius, XXIV, 164), oder zur Beschwörung der Dämonen. A. wurde mehrfach auch als Pfingstrose (Paeonia) gedeutet, die nicht psychoaktiv ist. Auch Mandragora officinarum wurde in Erwägung gezogen. In der Botanik gilt der Terminus A. als überholt.

Lit.: C. Plinius Secundus, Gaius: Naturalis historia. Nachdr. Hildesheim u. a.: Olms, o. J.; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Stuttgart; Aarau, CH: Wiss. Verl.-Ges.; AT Verlag, 1998, S. 604.

Aglauros. Tochter des Kekrops, König von Athen. Ihr war gemeinsam mit ihrer Schwester Herse jener Korb anvertraut, in dem > Athena > Erichthoniós verborgen hatte, der aus > Hephaistos’ Begierde nach der Göttin hervorgegangen und von der Erde empfangen worden war. Trotz Warnung, den Korb nicht zu öffnen, wollten sie das Kind sehen, das ihnen jedoch in Gestalt einer Schlange erschien. Vor Schrecken stürzten sich A. und Herse daraufhin von der Akropolis. Nach einer anderen Überlieferung soll A. in ein Steinbild verwandelt worden sein, weil sie die Liebe des > Hermes zu ihrer Schwester behinderte.

Lit.: Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 1974.

Aglibol. Mondgott von Palmyra (Altsyrien) mit einer Mondsichel über der Stirn, später auf den Schultern; wurde auch in Griechenland und Rom verehrt.

Lit.: Eissfeldt, Otto: Tempel und Kulte syrischer Städte in hellenistisch-römischer Zeit. Leipzig: Hinrichs, 1941, S. 83 f.

Agnes, heilig (Fest: 21. Januar), römische Märtyrerin. Ihr Gedächtnistag ist in der Depositio Martyrum von 354 erwähnt. Fraglich ist, ob sie ein Opfer der Verfolgung unter Decius (249 – 251), Valerian (253 – 260) oder Diokletian (284 – 305) war. Sie soll im 13. Lebensjahr für den Glauben und die Reinheit ihr Leben gelassen haben. Bezüglich ihrer Todesart, ob Verbrennung oder Enthauptung, gehen die Berichte auseinander. Über ihrem Grab an der Via Nomentana ließ Kaiser Konstantin eine Basilika errichten. In der altchristlichen Kunst wird A. mit einem Lamm (agnus) dargestellt, ein Motiv, das in der jährlichen Segnung zweier Lämmer am Agnestag in der Basilika weiterbesteht, aus deren Wolle das Pallium, heute ein weißes mit schwarzen Kreuzen versehenes Band, für Papst, Patriarchen und Erzbischöfe gefertigt wird. Bis zur Verleihung der Pallien am Fest Peter und Paul (29. Juni) werden dieselben in einer Nische über dem Petrusgrab aufbewahrt und so zu Berührungsreliquien. Das Pallium war ursprünglich ein vom Kaiser verliehenes Würdezeichen, das der Papst selbst trägt und das dieser spätestens seit 500 kirchlichen Würdenträgern verleiht.
Der Agnestag war zudem noch mit anderen Bräuchen verbunden. So glaubten heiratsfreudige Mädchen, in der Nacht zum Agnestag ihren zukünftigen Gatten im Traum zu erblicken. Am Agnestag sollen auch die Vögel heiraten, die Bienen ausschwärmen, und die Neujahrswünsche werden bis zu diesem Tag angenommen.

Lit.: Nork F.: Der Festkalender. Stuttgart, 1847, S. 15 / 16; Stritzky, Maria Barbara v.: Agnes. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1. Freiburg: Herder, 31993; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000; S. 13 – 14.

Agnes Blannbekin († 1315). Alles, was wir über A. wissen, geht auf die einzig vorhandene Quelle zurück, nämlich die von ihrem Beichtvater verfasste „Vita et Revelationes“, wonach A. laut einer Notiz am Ende des Textes die Tochter eines Bauern war. Als Heimat ist das niederösterreichische Plambachek bei Plambach in der Pfarre Grünau bei Wien anzunehmen. Mit 7 oder 8 Jahren begann A. ein ca. 10-jähriges Fasten und nahm etwa 30 Jahre hindurch kaum Fleisch zu sich. Sie lebte als Begine, und ihre Frömmigkeit war gekennzeichnet durch mystische Erlebnisse, häufige > Ekstasen und > Visionen. A. starb am 10. Mai 1315. Das Geburtsjahr ist unbekannt. Ein anonymer Minorit war ihr Beichtvater, der ihre dauernden > Privatoffenbarungen als Gotteslob und zur Erbauung aufzeichnete, beginnend im Advent des Jahres 1290 am Nikolaustag. Unter dem Titel Leben und Offenbarungen der Wiener Begine Agnes Blannbekin liegt nun auch eine lateinisch-deutsche Fassung der „Vita et Revelationes“ vor.

Lit.: Leben und Offenbarungen der Wiener Begine Agnes Blannbekin († 1315). Hg., übers. u. komment. von Peter Dinzelbacher. Göppingen: Kümmerle, 1994.

Agnes von Bayern, Tochter Kaiser Ludwigs IV., wurde 1345 geboren und kam schon 1349, im Alter von vier Jahren, zusammen mit neun Gespielinnen zur Erziehung und als Weihegabe in das Klarissenkloster am Anger in München, wo sie sich zu Hause fühlte. Als man sie wegholen wollte, flüchtete sie zum Tabernakel. Eitrige Geschwüre an den Gliedern wurden als Stigmatisation gedeutet, sodass sie bereits zu Lebzeiten als Heilige verehrt wurde. Agnes starb am 11.11.1352 im genannten Klarissenkloster. Ihre sterblichen Überreste ruhen in der Fürstengruft der Marienkirche in München. 1988 wurde der Seligsprechungsprozess, der seit 1705 geruht hatte, wieder aufgenommen.

Lit.: Bavaria Franciscana antiqua III / hrsg. von der bayer. Franziskanerprovinz. München: Lentner, 1957.

Agnes von Jesus (geb. um 1570 / 80, gest. 18.06.1620), Karmelitin und Mystikerin in Saragossa. Sie hatte die Gabe der Kardiognosie, „schmeckte“ wie > Theresia v. Avila das Blut Christi beim Kommunionempfang (am Sonntag in der Osteroktav) und spürte die Schmerzen der Dornenkrone am Freitag.

Lit.: Silverio de S. Teresa: Historia del Carmen Descalzo, Bd. 9. Burgos, 1940, S. 206 – 211.

Agnes von Montepulciano (1268 – 1317), heilig (Fest: 20. April). Geboren in Gracciano Vecchio bei Montepulciano (Toscana) als Tochter der reichen Familie Segni, trat sie gegen den Willen der Eltern mit 9 Jahren in das Dominikanerinnenkloster „del Sacco“ ein. Mit 15 Jahren wurde A. mit päpstlicher Dispens Äbtissin des neu gegründeten Klosters in Proceno bei Viterbo. Von Kindheit an mit Schauungen und Erscheinungen bedacht, erhielt sie 1306 in einer Vision den Auftrag, nach Montepulciano zu ziehen und dort ein neues Kloster zu gründen, das sie bis zu ihrem Tod als Priorin leitete. 15 Jahre lang nahm A. nur Brot und Wasser zu sich und schlief auf dem Boden, so dass sie schwer erkrankte. Sie prophezeite den Krieg, der ihr Heimatland verwüstete, und hatte mehrere > Marienerscheinungen. Zudem sollen sich, wenn sie betete, unter ihren Knien wohlriechende Blumen und in ihrem Mantel > Manna gebildet haben. 1726 wurde A. heiliggesprochen.

Lit.: Vita von. Raimund v. Capua: Acta Sanctorum, apr. 2. (1738), 792 – 812.

Agnes von Orlamünde. Angeblich geb. Herzogin von Meran und Gattin Ottos II. von Orlamünde, der im Jahre 1284 (nach anderen Quellen 1280, 1298, 1340) starb und Agnes mit zwei Kindern zurückließ. Sie verliebte sich in der Folge in Albrecht den Schönen, Markgraf von Brandenburg. Dieser aber erwiderte ihre Liebe nicht, sondern meinte, danach befragt: „Ja, wenn vier Augen nicht wären“. Agnes bezog diese Aussage auf ihre beiden Kinder, entschied sich im Kampf zwischen Mutterliebe und der Liebe zu Albrecht für Letzteren und ließ die Kleinen nachts von ihrem Jäger erschießen. Als Albrecht von der grausamen Tat erfuhr, war er entsetzt und ließ mitteilen, dass er mit den vier Augen die ihrigen und seine eigenen gemeint habe, die nicht zusammenpassen würden. Agnes verfiel daraufhin in Schwermut und tiefe Reue und ging langsam einem frühen Tod entgegen. Zur Strafe für ihre Untat irrte sie in stiller Nacht umher, an den Orten, wo sie einst gelebt, auf der Plassenburg und um die zerfallenen Burgtrümmer Orlamündes, ein blasses Weib in weißem, wallenden Gewand, ruhelos, auf der Suche nach ihren ermordeten Kindern. So wurde sie schließlich als „Weiße Frau von Orlamünde“ zu einer der bekanntesten deutschen Sagengestalten, die in mehreren Varianten vorliegt. Nach einer anderen Sage habe Agnes die Kinder selbst getötet und sei dann als Büßende nach Rom gepilgert, wo sie – unter der Bedingung, dass sie ein Kloster stifte – die Absolution erhielt. Das habe die Gräfin auch getan, dann aber trat sie in das Kloster Himmelskron ein, in dem ihre Kinder beigesetzt wurden. Dort sei sie als Äbtissin gestorben und begraben worden.
Die > Weiße Frau wurde so zum Symbol der Buße für schwere Vergehen, der Ankündigung dunkler Ereignisse und der Wiederkehr nach dem Tode. Ein Thema, das zahlreiche Beschreibungen gefunden hat.

Lit.: Kraußold, L.: Die weiße Frau. In: Archiv für Geschichte von Oberfranken 1 (1869), 1 – 48; Kügler, H.: Die Sage von der Weißen Frau. In: Mitt. d. Ver. f. die Geschichte Berlins 45 (1928), 57 – 96 (Lit.); Deutsche Sagen / hg. von den Brüdern Grimm. Sonderausg., Ausg. auf der Grundlage der 1. Aufl. Frankfurt am Main: Dt. Klassiker-Verl., 1999, S. 585.

Agni (sanskr., Feuer; lat. ignis), der Gott des Feuers im Hinduismus, der besonders in der vedischen Periode von großer Bedeutung war. Im > Veda repräsentiert A. die Sakralität des Feuers schlechthin. A. wurde als Sohn des Dyaus (Rigveda I, 26,10) im Himmel geboren, von wo er in Gestalt eines Blitzes herniederfährt. Er ist jedoch nicht nur im Feuer, sondern auch im Holz und in den Pflanzen sowie im Wasser gegenwärtig. Zudem wird er mit der Sonne gleichgesetzt. Wie das > Opfer der Mittelpunkt der vedischen Religion ist, ist A. der Mittelpunkt des Opfers und als solcher Mittler zwischen den Menschen und den Himmlischen, indem er das im Opferfeuer Verbrannte zu den Göttern bringt. Alle Opfergaben müssen daher durch das heilige > Feuer gehen, um ihre göttlichen Ziele zu erreichen. So ist A. in gewissem Sinne die Kraft des Göttlichen, das allen Dingen immanent ist, die Quelle des Wissens, der Gott der Priester, Priester der Götter und mächtiger Feind der Dunkelheit. Im Veda wird A. mit sieben Zungen, goldenen Zähnen, 1000 Augen und flammendem Haar, schwarz gekleidet und mit flammendem Wurfspieß in einer von vier Händen beschrieben. Als sein Reittier oder Begleittier gilt ein Widder oder Ziegenbock. A. ist ewig jung, denn er wird in jedem Feuer wiedergeboren und verleiht daher > Leben und > Unsterblichkeit. Als „Herr des Hauses“ vertreibt er die Finsternis, hält die > Dämonen fern und schützt vor > Krankheit und > Zauberei. In der > Mythologie, wo er keine besondere Ausprägung erfährt, nimmt er neben der Sohnschaft des Dyaus auch die anderer Götter an, wie jene von > Kashyapa und > Brahma. Zahlreiche Helden und spätere Nachkommen werden unter der Bezeichnung Agneya oder Agnivesha mit ihm in Verbindung gebracht. A. ist das erste Wort des Veda und als das weltverzehrende unterirdische Feuer oder die Flamme des Begräbnisscheiterhaufens der elementarste Ausdruck menschlichen und göttlichen Lebens. In diesem Zusammenhang hat A. in der indischen Religion zahlreiche kosmisch-biologische Meditationen und Spekulationen ausgelöst und Synthesen ermöglicht.
In der Esoterik ist A. Symbol der mentalen Ebene und der Kraft des einwohnenden Höheren Selbst.
Im Rahmen des > Ayurveda wird A. im Plural als Agnis zur Bezeichnung für einen der fünf elementaren Zustände im grobstofflichen Körper des Makrokosmos. Zudem werden 13 biologische Feuer unterschieden, von denen das sog. große Verdauungsfeuer, > Jatharagni, im Magen-Darmtrakt, das wichtigste ist.

Lit.: Bailey, Alice A: Initiation: menschliche und solare Einweihung. New York; London: Lucis Publishing Co., 1952; Oldenberg, Hermann: Die Religion des Veda. Darmstadt: Wiss. Buchges., 51970, S. 103 – 132; Staal, Frits: Agni: the Vedic Ritual of the Fire Altar. Berkeley: Asian Humanities Press, 1983; Verma, Vinod: Ayurveda: der Weg des gesunden Lebens. München; Wien: O. W. Barth, 1992; Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren. Berlin; New York: de Gruyter, 1996.

Agnichayana (sanskr., „Feuer[altar]-Schichtung“), altindisches Ritual der Schichtung eines Feueraltars in Vogelform mit 10.800 Backsteinen.

Lit.: Staal, F.: Agni, the Vedic Ritual of the Fire Altar / in collaboration with C.V. Somayajipad and M. Itti Ravi Nambudiri; photographs by Adelaide de Menil. Delhi: Motilal Banarsidass, 1984.

Agnihotra (sanskr., „Trankopfer für das Feuer“). Das A. findet als tägliches Hinduritual zur Morgen- und Abenddämmerung statt und besteht in einer Milchgabe an > Agni, den Gott des Feuers, in den Hausherdfeuern und den Opferfeuern. In Wirklichkeit soll das Ritual der Vorbereitung und Unterstützung der Kontemplation dienen.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986; Eliade, Mircea: Geschichte der religiösen Ideen. Bd. 1. Freiburg: Herder, 1987, S. 203.

Agnis > Agni.

Agnishwattas (sanskr. agni, Feuer; shwatta, gekostet, angenehm, sanft gemacht), wörtlich: einer, der durch das Feuer erfreut oder sanft gemacht wurde. Die A., auch Kumaras oder Manasaputras, sind drei Erscheinungsformen derselben Wesen. Die > Kumaras stellen die Form ursprünglicher, spiritueller, von den Elementen der Materie unberührter Reinheit dar. Die A. bilden den solaren, höher-geistig intellektuellen Teil im Menschen und sind die inneren Lehrer. Die > Manasaputras repräsentieren die Verstandeskraft, die Tätigkeit des höheren Gemüts. In der Theosophie gehören die A. zu den wichtigsten Lehrern der Menschheit und versinnbildlichen das spirituelle Suchen.

Lit.: Bailey, Alice A.: Eine Abhandlung über kosmisches Feuer. Bopfingen, Württembg.: Karl Rohm Verlag, 51958; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. Freiburg: Bauer 1970.

Agni-Vaishvanara (sanskr.). Das göttliche, universale Bewusstsein, in dem alle Götter, Welten und Menschen enthalten sind.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.

Agni-Yatavedas (sanskr.). Das Feuer der Bewusstseinskräfte, das als „Kenner aller Geburten“ bezeichnet wird. A. ist das absolute Bewusstsein, das als geistiges Feuer den Intellekt beflügelt und ihn befähigt, das Kommen und Gehen in der > Maya zu beobachten.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern, München: Scherz, 1986.

Agnosie (griech. hagnôsia), Unwissenheit. Bei Sokrates bezeichnet A. den Ausgangspunkt der Forschung (Plat. Ap.21 B), während bei den Neuplatonikern A. das Endergebnis ihrer theoretischen Philosophie darstellt.
In Psychologie und Medizin versteht man unter A. eine Störung des Erkennens trotz intakter Wahrnehmung, wobei folgende Formen unterschieden werden: akustische A. („Seelentaubheit“) oder die Unfähigkeit, Gehörwahrnehmungen mit dem akustischen Erinnerungsgut zu identifizieren; optische A. („Seelenblindheit“), die Unfähigkeit, Sichtwahrnehmungen mit dem optischen Erinnerungsgut zu identifizieren; pragmatische A. bzw. Pragmatognosie, die Unfähigkeit, Gegenstände wiederzuerkennen; taktile A. bzw. Astereognosie, die Unfähigkeit zu tastendem Formerkennen.
Neben biologischen Störungen ist hier auch die assoziationspsychologische Vorstellung anzuführen, dass sich die Wahrnehmungen aus einer Summe elementarer Sinnesempfindungen wie Farben, Tönen, Tast-, Schmerzempfindungen usw. aufbauen, die in einem besonderen „gnostischen Akt“ zu Wahrnehmungsgestalten mit Identifikation des persönlichen Erinnerungsgutes werden und somit zu Erkenntnissen führen. Dies besagt, dass A. außer durch Störungen im Sinnesbereich auch durch Störungen in der gnostischen Zusammenfassung bedingt sein kann, etwa bei Formen psychischer und paranormaler Taubheit, Blindheit und Unempfindlichkeit in psychotischen, hypnotischen und mystischen Zuständen sowie bei Stressreaktionen.

Lit.: Thurston, Herbert: Die körperlichen Begleiterscheinungen der Mystik. Luzern: Räber & Cie., 1956; Redlich, Fredrick C. / Freedman, Daniel X.: Theorie und Praxis der Psychiatrie X. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1970, S. 819 – 850; Brown, Jason W.: Aphasie, Apraxie und Agnosie. Stuttgart: Fischer, 1975.

Agnostiker (griech.). Vertreter der Lehre des > Agnostizismus in der persönlichen Lebensüberzeugung, dass keine Kenntnis Gottes möglich und Existenz oder Nichtexistenz Gottes nicht nachweisbar sei. Es gilt nur das empirisch Kontrollier- und rational Deutbare, weshalb Begriffe wie Seele, Geist, Himmel, Hölle und Unsterblichkeit ihrer Grundlage entbehren.

Lit.: Bickel, Otto: Aufklärer, Agnostiker, Atheisten. München: Schmidt, 1982.

Agnostizismus (griech.-lat.), Lehre von der Nichterkennbarkeit. Das Wort A. wurde 1869 von Thomas Henry Huxley geprägt und bezeichnet im Gegensatz zur > Gnosis (Wissen) das Nichtwissen (a-gnostisch) hinsichtlich Existenz und Wesen Gottes aufgrund der Annahme, dass die menschliche Erkenntnis die Grenzen möglicher Erfahrung nicht überschreiten kann und daher nicht nur die Metaphysik, sondern die Erkenntnis der Wirklichkeit als solche zu verneinen sei. Jede Frage nach einem Seinsgrund ist abzulehnen. Nur die kontrollierbare Empirie und deren rationale Deutung ist zu bejahen. Das Paranormale existiert nicht und religiöse Fragen sind überflüssig.

Lit.: Der moderne Agnostizismus / hg. von Heinz Robert Schlette. Düsseldorf: Patmos, 1979; Huxley, Thomas Henry: Collected Essays: (1893 – 1894). Nachdr. Hildesheim; New York: G. Olms, o. J. (Anglistica et Americana; 65).

Agnostos Theos (griech., „unbekannter Gott“). Nach der Apostelgeschichte entdeckte Paulus beim Rundgang durch die Heiligtümer von Athen einen Altar mit der Inschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT (Apg 17, 23), den er in seiner Rede auf dem Areopag als Gott, der die Welt und alles in ihr erschaffen hat, als Herrn über Himmel und Erde bezeichnete, der nicht in Tempeln wohne, die von Menschenhand gemacht sind. Diese Aussage unterscheidet sich grundsätzlich vom gnostischen Begriff des A. in der Bedeutung der Irrationalität Gottes. Dem AT und der Septuaginta wie auch Philo ist die Bezeichnung A. fremd, ging es bei den Griechen doch vor allem um die Anrufung und Verehrung aller Götter (Pantheon). Alle anderen Hinweise auf eine Verehrung des A. sind jünger als die Apostelgeschichte.

Lit: Kittel, Gerhard: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hg. von Gerhard Friedrich. Bd. 1. Stuttgart: Kohlhammer, 1933, S. 120 – 122; Kurt, Rudolph (Hg.): Gnosis und Gnostizismus. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1975; Van der Toom, Karel / Becking, Bob / Van der Horst, Pieter W. (Hg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD). 2., erhebl. erw. Aufl. Leiden, 1999, S. 882 – 885.

Agnoszieren. Als richtig anerkennen; Feststellung der Identität eines Toten. Im > Spiritismus Feststellung der Identität einer > Kontrolle mit einem Verstorbenen.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern; München: Scherz, 1976.

Agnus Dei (lat., Lamm Gottes), eine von Johannes dem Täufer (Joh. 1, 20, 36) verwendete Bezeichnung für Christus, die einmalig und in ihrer Herkunft noch nicht völlig geklärt ist. Die Bezeichnung wurde in der Liturgie schon früh verwendet und von Papst Sergius I. (687 – 701) in die Messliturgie aufgenommen. Im 8. Jh. scheint dann in Rom der Brauch bekannt gewesen zu sein, aus einer mit Öl vermischten Wachsmasse Lämmer zu gestalten, die der Archidiakon am Karsamstag in der Lateranbasilika weihte, um sie am Weißen Sonntag anstelle der nicht ausreichenden Reststücke der Osterkerze als A. D. zu verteilen.
Heute haben die A. D. die Form einer runden oder ovalen Wachsscheibe mit der Prägung des Lammes Gottes (
agnus dei) sowie Namen und Regierungsjahr des Papstes auf der Vorderseite und dem Prägebild eines oder mehrerer Heiliger auf der Rückseite. Seit Papst Martin V. (1417 – 1431) blieb die Weihe dem Papst persönlich vorbehalten, der diese im ersten und in jedem siebten Jahr seines Pontifikats vornahm. Gregor XIII. (1572 – 1585) untersagte die bunte Bemalung, während die Fassung in Edelmetall oder aus Holz erlaubt blieb. 1605 verbot eine Prager Synode, Teile des A. D. in Ringe zu fassen. Seit dem 19. Jh. werden Wachsprägungen des A. D. auch von Klöstern ausgegeben.
Das geweihte A. D. diente als Schutz in vielen Nöten: gegen Blitz, Feuer, Überschwemmungen, Seuchen, Sünde, Teufel, böse Geister und Menschen, im Haus, auf Reisen, vor Gericht, zum Schutz der Äcker usw. In den > Hexenprozessen wurde das A. D. verstockten Hexen umgehängt, um die Verbindung zum Teufel zu unterbrechen. Vom 15. bis zum 18. Jh. trugen in Köln Frauen und Männer an einem Halskettchen ein silbernes oder goldenes A. D. als Schutz- und Schmuckstück.

Lit.: Franz, Adolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. Bd. 1. Freiburg: Herder, 1909, 533ff.; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter 1987.

Agobard (779 – 840), Erzbischof von Lyon, kämpfte gegen Aberglauben und Gottesurteile. Da er sich in seinen Schriften häufig auf die Vernunft beruft, sah man in ihm im 19. Jh. einen Vertreter des religiösen Rationalismus und sogar einen Vorläufer der Reformatoren des 14. – 16. Jhs. In seiner Schrift Gegen die dumme Meinung des Volkes von dem Hagel und Donner bedauert er, dass die französische Gesellschaft an Dämonen glaube, die Getreide stehlen oder Schiffe zu fabelhaften Inseln entführten, um sie dort zu verkaufen. Zudem trat er als früher Kritiker des Hexenglaubens auf.

Lit.: Boshof, Egon: Erzbischof Agobard von Lyon: Leben u. Werk. Köln; Wien: Böhlau, 1969; Agobardus: [Opera omnia]. Turnholti: Brepols, 1981.

AGP. Arbeitsgemeinschaft für Parapsychologie an der Wiener Katholischen Akademie (1958 – 1985). Am 10.11.1958 wurde seitens des Präsidenten der Wiener Katholischen Akademie (WKA), Abt Dr. Hermann Peichl, eine Einladung zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft ausgesandt, die das Studium der paranormalen Phänomene, ihre Interpretation und Wertung vor dem weltanschaulichen Hintergrund des christlichen Glaubens bzw. einer theologischen Reflexion zur Aufgabe haben sollte. Mit der Leitung wurde aufgrund seiner reichen einschlägigen Erfahrung (als Kenner der Medien Maria > Silbert und Einer > Nielsen) Prof. Dr. theol. Peter > Hohenwarter (*18.05.1894 in Obervellach / Kärnten, † 30.07.1969 in Klagenfurt) betraut, der diese Funktion offiziell bis kurz vor seinem Tod innehatte. Schon am 17.11.1958 erfolgte die erste Zusammenkunft dieser AGP in den Räumen des Schottenstiftes. Prof. Hohenwarter war – zusammen mit Josef > Kral, Gebhard > Frei und Gerda > Walther – Mitbegründer der > IGKP (Internationale Gesellschaft Katholischer Parapsychologen), die 1966 auf dem Kongress in München in > Imago Mundi umbenannt wurde. Während der Erkrankung des Gründers der AGP leitete sie Dr. Isidor Grundnigg interimistisch, der jedoch schon 1970 starb. Ab 17.10.1970 übernahm über Einladung von Prof. Ferdinand Krones, des Sekretärs der WKA, Prof. Mag. rer. nat. P. Ferdinand > Zahlner CSsR die Weiterführung der AGP. Die reiche private Fachbibliothek sowie der wissenschaftliche Nachlass Hohenwarters gingen mitsamt den sieben Bildern des Malmediums Maria M. > Hafenscheer († 1968) in den Besitz der WKA über. 1972 erschien (quasi eine erstmals publizierte Frucht der Arbeit der AGP) das Kleine Lexikon der Paranormologie als Doppelheft der Zeitschrift Grenzgebiete der Wissenschaft im J. Kral Verlag in Abensberg / Deutschland. Ab 1973 erschien die periodische Informationsschrift AGP-Information für Mitglieder und Gäste; sie beendete ihr Erscheinen mit dem 10. Jg. 1984 / 85, da Prof. Zahlner 1985 – nach 15-jähriger Tätigkeit – von seiner Funktion als Leiter zurücktrat. Während seiner Funktionsperiode lag der Schwerpunkt der Aktivitäten auf der Öffentlichkeitsarbeit durch informative Vorträge sowie in der Erarbeitung einer Terminologie und einer umfassenden Bibliographie des deutschsprachigen Schrifttums zur Paranormologie bis 1970. Die Schweizerische Vereinigung für Parapsychologie (SVPP) verlieh durch ihren Leiter Dr. Theo Locher am 3.02.1981 einen Preis an P. Zahlner in Anerkennung für dessen Verdienste um die Parapsychologie. Sein bei dieser Gelegenheit damals an der Universität in Bern gehaltener Vortrag erschien in erweiterter Fassung im Resch Verlag, Innsbruck, unter dem Titel Paraphänomene und christlicher Glaube ( 21988).

Lit.: Zahlner, Ferdinand: 25 Jahre AGP (1958 – 1983). In: AGP-Införmation 9 (1983 / 84), H. 1 – 2; ders.: Kirche und Parapsychologie. In: Für Kirche und Heimat. Festschrift Franz Loidl zum 80. Geburtstag. Wien: Herold, 1985, S. 462 – 477.

Agpaoa, Antonio C., genannt „Tony“ (1939 – 1982), philippinischer Heiler, der mit bloßer Hand, ohne Narkose und Sterilisation die sog. > Psychische Chirurgie praktizierte, bei der rote Flüssigkeiten und Objekte zum Vorschein kamen, die er als echtes Blut, Körper- oder andere Substanzen bezeichnete, was wissenschaftliche Untersuchungen jedoch nicht hinreichend bestätigen konnten. Zu Beginn seiner Heilertätigkeit „operierte“ A. im Trancezustand, später dann auch bei vollem Wachbewusstsein. Er war zunächst Mitglied der Unio Espirita Cristiana de Filippinas und gründete schließlich die Philippine Spiritual Church of Science and Revelation. Ab 1965 wurde er auch von einer Reihe ausländischer Patienten aufgesucht, die wegen der vielfältigsten Beschwerden zu ihm kamen und zum Teil auch Hilfe fanden. Inwieweit es sich dabei nur um psychosomatische Reaktionen handelte oder auch um organische Veränderungen, bleibt offen. Jedenfalls hinterließen die Eingriffe im Gegensatz zu den brasilianischen Heilern keinerlei Narben, was für eine rituelle Heilbehandlung spricht bzw. für Betrug, wie es die Gegner nannten. Auch die zahlreichen anderen paranormalen Fähigkeiten, die von A. berichtet werden, sind bislang ungeklärt. Sicher ist hingegen, dass A. aufgrund seiner Heilertätigkeit weltweit zum bekanntesten Heiler der Philippinen avancierte und sich die Euphorie für philippinische Heiler nach seinem Tod 1982 allmählich auflöste. Filmmaterial über A.s Operationen findet sich am Institut für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen /Deutschland.

Lit.: Stelter, Alfred: Psi-Heilung. Bern: Scherz, 1973; Naegeli-Osjord, Hans: Die Logurgie in den Philippinen. Remagen: Der Leuchter / Otto Reichl Verlag, 1977.

Agrarische Riten. Seit der neolithischen Revolution des Umstiegs zur Ackerbaukultur werden vor allem Aussaat und Ernte von zahlreichen Riten begleitet, um Wachstum und Schutz der Ernte zu gewährleisten. Erd-, Himmels- und Wettergottheiten, mitunter auch > Ahnen, die für das Wachstum und den Schutz der Saat verantwortlich sind, werden angesprochen und günstig gestimmt. > Vegetationskult.

Lit.: Schwemer, Daniel: Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen: Materialien und Studien nach den schriftlichen Quellen. Wiesbaden: Harrassowitz, 2001; Green, Alberto R.: The Storm-God in the Ancient Near East. Winona Lake, Ind.: Eisenbrauns, 2003.

Agrarreligion. Die A., auch Agrarkult oder Agrarmagie genannt, umfasst Glaubensvorstellungen und Kulte, die von der Landwirtschaft her geprägt und mit allerlei magischen Anschauungen und Praktiken verbunden sind. Diese fußen auf der Vorstellung, dass die Natur in all ihren Erscheinungsformen beseelt und in ein Spannungsfeld von Diesseits und Jenseits eingebunden ist. Man bemüht sich daher durch magische und symbolische Handlungen, die Kräfte der Natur und der Geisterwelt für den Schutz und das Wohl des eigenen Lebens zu gewinnen. So sieht man das Gedeihen der Früchte in Abhängigkeit vom Wohlwollen transzendenter Mächte, dem Himmels- und Wettergott, den Astral-, Vegetations- oder Erdgottheiten, nicht zuletzt von den Ahnen und in neuerer Zeit besonders von den innerkosmischen Kräften. Durch genaue Befolgung bestimmter Riten sollen diese Mächte für sich positiv eingefangen werden. Der Kult der A. besteht daher vornehmlich in Gebeten, Opfern und magischen Handlungen zur Förderung der Fruchtbarkeit und Lebensenergie, zur Herbeiführung von Regen und Bannung von Unheil, zur Aufladung mit kosmischen Energien, um Gesundheit und Jugendlichkeit zu wahren.

Lit.: Mannhardt, Wilhelm: Wald- und Feldkulte. Unveränd. fotomechan. Nachdr. d. 2. Aufl. Berlin 1905. Darmstadt: Wiss. Buchges., o. J.; Wichmann, Jörg: Die Renaissance der Esoterik: eine kritische Orientierung. Stuttgart: Kreuz-Verl., 1990; Frazer, James George: Der goldene Zweig. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 2000.

Agravitation (lat.). Die Schwerelosigkeit, auch Antigravitation (engl. antigravity) oder Antischwerkraft, eine viel diskutierte Frage der Physik, wird zuweilen zur Erklärung der > Levitation herangezogen, da man in ihr die Auswirkung von Anti-Gravitationskräften vermutet, ähnlich wie in der Medizin, wo man von Erythrozythenantigenen spricht.

Agreda > Maria von Jesus Agreda.

Agrelli, Fortuna, litt 13 Monate lang unter starken Schmerzen und wurde schließlich von den Ärzten aufgegeben. Daraufhin begannen das Mädchen und ihre Verwandten am 16. Februar 1884 eine Rosenkranznovene. Am 3. März 1884 erschien der unheilbar kranken Fortuna die Rosenkranzkönigin von Pompei bei Neapel, begleitet vom hl. Dominikus und der hl. Katherina von Siena, und versprach ihr die Heilung unter Auflage von drei Rosenkranz- und drei Danksagungsnovenen. Am 8. Mai 1884 erfolgte die Heilung, woraufhin Fortuna im darauf folgenden Juni nach Pompei pilgerte. Seither gibt es die sog. „Novene der 54 Tage“, bestehend aus drei Bitt- und drei Danknovenen.

Lit.: Longo, Bartolo: Novena di ringraziamento alla ss. Vergine del rosario di Pompei / per l‘avv. Bartolo Longo – Valle di Pompei, 1893.

Agricola, Franciscus. Geb. zwischen 1545 und 1550 in Lohn bei Aldenhoven, studierte in Köln und Löwen, wurde in Lüttich zum Priester geweiht und 1569 Pfarrer in Rödingen bei Jülich, ab 1599 zugleich Landdechant des Dekanats Süsteren, sodann Pfarrer in Sittard bei Maastricht, wo er 1621 starb. Gegen das damals stark verbreitete Hexenwesen verfasste er das Buch Gründtlicher Bericht, ob Zauberey die ärgste und grewlichste Sünd auff Erden sey. Zum andern, ob die Zauberer noch Buß thun und selig werden mögen. Zum dritten, ob die hohe Obrigkeit, … , die Zauberer und Hexen am Leib und Leben zustraffen schuldig: in siben Tractat, … abgetheilt / durch Franciscus Agricolam. Cölln: Falckenburg, 1597. Weitere Auflagen folgten.

Lit.: Robert Haaß: Art. Agricola. In: Neue Deutsche Bibliographie 1. Bd. Aachen-Behaim, 1953, S. 98.

Agricola, Georgius (eigentlich Georg Bauer (Pawer), geb. 24.03.1494 in Glaucha, gest. 21.11.1555 in Chemnitz, studierte alte Sprachen, später Medizin und Naturwissenschaften in Leipzig, Bologna, Padua und Venedig. 1527 Stadtarzt und -Apotheker in St. Joachimsthal (heute Jáchymov, Tschech. Rep.). Ab 1533 war er Stadtarzt in Chemnitz und mehrfach Bürgermeister der Stadt. Er beschäftigte sich zudem intensiv mit dem Berg- und Hüttenwesen, wobei er sich auf die wissenschaftliche Beschreibung dessen beschränkte, was er von Bergkundigen erfuhr, ohne eigene Messungen vorzunehmen. Weiters führte er historische und paläontologische Studien durch und erkannte Versteinerungen. A. wurde so zum Begründer der Mineralogie, Geologie und Bergbaukunde Seine Hauptschriften sind: Bermanus, sive de re metallica, Basel 1530: Text in Gesprächsform mit Vokabelliste der von ihm eingeführten lateinischen Bezeichnungen und einem Vorwort von > Erasmus von Rotterdam; De mensuris et ponderibus, Basel 1533, mit Angaben über alte und neue Maße, Gewichte und Münzeinheiten; De natura fossiliorum, Basel 1556: Eigenschaften der Mineralien, wobei A. im Zusammenhang mit mineralogisch-geologischen Fragen auch die Erscheinungen der Vulkane und Erdbeben berührt. Sein Hauptwerk: De re metallica, Basel 1546, befasst sich in 12 Büchern (mit 273 Holzschnitten, darunter einige von Hans Rudolf Manuel Deutsch, 1525 – 1571) mit dem Berg- und Hüttenwesen. Neben der Beschreibung verschiedener Bergkompasse sind aus paranormologischer Sicht vor allem seine Hinweise auf den Aberglauben und die > Wünschelrute historisch bedeutsam. Gleich der Alchemie lehnt A. die Wünschelrute als Aberglauben entschieden ab: „Der wahre Bergmann benutzt… den Zauberstab nicht…, er sieht ein, dass ihm die Wünschelrute nichts nutzen kann, sondern er beachtet, wie ich oben ausgeführt habe, die natürlichen Kennzeichen der Gänge“ (2. Buch Ende). Seine Beschreibung des Gebrauchs der Wünschelrute mit den beigefügten Holzschnitten bezeugt nämlich, wie sehr die Wünschelrute im Bergbau und auch sonst verwendet wurde.

W.: Agricola, Georgius: Vom Bergkwerck: XII Bücher in Lat. Sprache durch Georgium Agricolam. Verteüscht durch Philippum Bechium. [Nachdr. d. Ausg.] Basel, 1557; Essen: Verl. Glückauf, 1985; Agricola, Georg: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. Vollst. Ausg. nach dem lat. Orig. von 1556. Photomechanischer Nachdr. [der 3. Aufl.], Düsseldorf: VDI-Verl., 1961; München: Dt. Taschenbuch-Verl, 1994; Agricola, Georg: Generalregister der Bände I bis IX / bearb. von Hans Prescher und Ilse Jung. Berlin: Dt. Verl. der Wiss., 1996.
Lit: Prescher, Hans: Georgius Agricola. Leipzig: Dt. Verl. für Grundstoffindustrie, 1985.

Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius, *14.09.1486 in Köln, † 18.02.1535 in Grenoble; deutscher Gelehrter, Arzt, Jurist, Kulturhistoriker, Theologe, Astrologe und Philosoph. A. schloss sein Studium an der Kölner Artistenfakultät (1499 – 1502) zunächst mit dem Magister artium ab und soll nach eigenen Angaben auch den Doktortitel sowohl der Rechtswissenschaft als auch der Medizin erworben haben. Sein Leben war äußerst bewegt und führte ihn nach Paris, Dôle, London, Metz, Genf, Fribourg, Antwerpen, Mecheln, Pisa, Pavia, Turin, Rom, Würzburg, Bonn und zwischendurch immer wieder nach Köln. Im Alter von 20 Jahren gründete er in Paris eine Gesellschaft zum Studium und zur Anwendung der geheimen Wissenschaften, die auch in Deutschland Anhänger fand und deren Mitglieder er finanziell belastete, so dass er nach Oberitalien und Spanien flüchten musste. 1509 las er dann vorübergehend an der burgundischen Universität Dôle über das mystisch-kabbalistische „Verbum mirificum“ des Johannes > Reuchlin. 1510 hielt er sich in geheimer Mission in England und im Kloster St. Jakob in der Vorstadt von Würzburg beim „Zauberabt“ > Johannes Trithemius (eigtl. Johannes Heidenberg; 1462 – 1516) auf, der ihm manches in geheimen Künsten beigebracht und zur Abfassung der drei Bücher von De occulta philosophia angeregt habe. Das Werk lehrt eine platonisch-christliche Theosophie.
Ab 1511 war A. in Italien, wo er als Theologe am Konzil von Pavia teilnahm. 1512 wurde er wegen Tapferkeit im Heer des Kaisers Maximilian I. zum Ritter, Eques auratus, geschlagen. In diesem Jahr erlangte er den Dr. jur. et med. und lehrte an der Universität von Pavia. 1513 lobte ihn Papst Leo X. (1513 – 1521) in einem Brief vom 12. Juli wegen seines Eifers um den Apostolischen Stuhl. 1515 hielt er in Pavia Vorlesungen über > Hermes Trismegistos. 1518 – 1520 war er Rechtsrat der Freien Reichsstadt Metz und kehrte dann nach Köln zurück. Als 1521 seine erste Frau starb, zog er nach Genf und arbeitete dort als Stadtarzt, dann 1523 / 24 in Fribourg, wo er sich neuerlich vermählte. 1524 wurde er Leibarzt von Louise von Savoyen, der Mutter des französischen Königs Franz I., in Lyon, fiel jedoch in Ungnade, weil er keine politischen Horoskope stellen wollte. 1528 erlangte er als Seuchenarzt in Antwerpen den Ruf eines Wunderdoktors; seine Frau starb allerdings an der pestartigen Seuche. 1529 wurde A. in Mecheln kaiserlicher Historiograph am Hof Margaretes von Österreich, Stadthalterin der Niederlande, doch zwang ihn die theologische Fakultät Löwen, seine Stellung in Mecheln schon nach einem Jahr aufzugeben. 1531 erschien zu Antwerpen De occulta philosophia. 1531 kam er in das Brüsseler Schuldgefängnis, aus dem er entfloh. Daraufhin ging er 1532 nach Köln und besuchte den Erzbischof von Trier, Herrmann Graf zu Wied, dem er das Werk De occulta philosophia gewidmet hatte, welches 1533 in erweiterter und verbesserter Auflage in Köln herauskam. Anschließend ging A. nach Bonn. Dort ließ sich Johannes > Weyer (1515 – 1588) aus Grave bei Kleve von ihm für das Studium der Medizin vorbereiten, der A. gegen die Anschuldigungen als Teufelsbündler verteidigte (De Praestigiis daemonum, II, cap. 5). 1535 trennte sich A. von seiner dritten, zu Mecheln geheirateten Gattin und zog nach Lyon, wo er verhaftet, aber von Freunden aus der Haft befreit wurde. Er starb kurz darauf, wohl noch im selben Jahr, in Grenoble, und hinterließ 7 Kinder.
A. war ein Mann von vielseitigem Wissen, großer Sprachbegabung und geistiger Eigenart in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Reformation. In seinem wechselvollen Wanderleben als Jurist, Theologe, Mediziner und kabbalistischer Philosoph bekämpfte er Bilder- und Reliquiendienst, die Heiligenverehrung, Prozessionen und Wallfahrten, die Herrschsucht des Klerus, die Spitzfindigkeit der Theologen und die Mönchsorden als Abschaum der Menschheit. Er forderte die Rückkehr zur Heiligen Schrift und zum einfachen Christusglauben, lehnte aber die Reformation Martin Luthers ab.
A. scheint auch paranormale Begabungen besessen zu haben. So spricht er von telepathischen Erlebnissen bei sich wie bei Trithemius und vertritt die Ansicht, dass „Imagination und denkende Kraft“ bei einigen Menschen so stark ausgeprägt seien, dass sie andere Personen über ihre Gedanken und Wünsche sogar auf große Entfernung unterrichten könnten. Die Anerkennung von > Hellsehen und > Präkognition als Tatsachen übernimmt er von > Synesius. A. anerkennt auch psychokinetische Effekte: „Der Körper ist der Bewirkung durch eine fremde Seele nicht minder unterworfen als der durch einen fremden Körper“ (De occ. phil. I c 66). > Spuk und > Geistererscheinungen entstehen durch Gedankenkonzentration, und die ruhelosen Seelen schlechter Menschen – hier klingt Platon an – können als idolum erscheinen. Auf A. geht der Begriff > Okkultismus zurück.
A.s Hauptwerk, De occulta philosophia (Über die verborgene Philosophie), das zuerst 1510, seinem Lehrer Johannes Trithemius gewidmet, dann in überarbeiteter Ausgabe 1531 erschien, ist das erste systematische Werk über die abendländische Magie. Grundlage für dieses kompilatorische Werk sind die Physik des > Aristoteles, die Astronomie des > Ptolemäus, die Lehren des > Christentums, des > Neuplatonismus, der > Hermetik, > Alchemie, > Astrologie, > Zahlenmystik und > Kabbala, alles zu einer einheitlichen Kosmologie verwoben, die das christliche Gedankengut immer wieder durchscheinen lässt. A. geht von einer dreifachen Welt, mundus triplex, aus, d. h. einer elementar-irdischen (Welt der Elemente), einer astral-himmlischen (Welt der Gestirne) und einer alles umfassenden göttlich-intelligiblen Welt (Welt der > Engel bzw. > Geister). Alle drei Weltenbereiche sind durchdrungen von wirkenden Kräften, virtutes, die in Physik, Mathematik und Theologie wissenschaftlich erfasst werden können. Das Kräftespiel entspricht drei Bereichen der > Magie: auf unterster Ebene der > natürlichen Magie, im mittleren Bereich der himmlischen und auf höchstem Niveau der religiösen Magie. Das diese Kräfte in ihren Bereichen verbindende Band ist auf der irdischen Ebene die > Weltseele (Quinta essentia), in himmlischer Sphäre der > Weltgeist (Spiritus mundi), während Gott über allem steht. Auch die > Sefirot-Lehre fand Eingang in sein Weltbild. Die Namen Gottes sind Ausstrahlungen seiner Macht.
Der Mensch hat Anteil an drei Welten: der Welt der Elemente, der Welt der Gestirne und der Welt der Geister. Um in den Besitz der höheren Welt zu gelangen, bedarf er der Magie. Alle magischen Wirkungen beruhen auf zwei Gesetzen: 1. Höheres und Niedrigeres beeinflussen sich gegenseitig, wobei das Höhere stärkere Wirkung ausübt. 2. Auf gleicher Stufe Stehendes beeinflusst sich ebenfalls wechselseitig und zieht sich gegenseitig an. Die Aufgabe des Magiers ist es nun, die Kräfte der unterschiedlichen Ebenen miteinander zu verbinden. „Die magischen Handlungen sollten keine geheimen Künste sein, sondern natürliche Anwendungen jener [oben genannten] Wissenschaften“ (Lehmann, 202). In einem Brief an Aurelius Aquapendente betont A., dass wir die Ursachen der magischen Wirkungen niemals im Außen suchen sollen: „In uns ist das wirkende Wesen, welches alles ohne Beleidigung Gottes und der Religion erkennt und vollbringt […]. Ich sage: in uns ist der Urheber jener Wunderdinge“ (Lehmann, 425). Ein Magier sei eben nicht ein Hexer oder Abergläubischer, sondern ein Priester und Prophet, ein Weiser. Das Werk ist teilweise mit Absicht verschlüsselt geschrieben. Auf diese Weise sollen gewisse Geheimnisse dem schlechten und ungläubigen Leser verborgen bleiben, die der Kluge und Verständige jedoch herauslesen könne.
Sein zweites bedeutendes Werk, das “Über die Unsicherheit und Eitelkeit der Wissenschaften und Künste” berichtet, zeigt die Unstimmigkeiten der etablierten wissenschaftlichen Lehrmeinungen auf, auch die der > Alchemie, und erschien 1530 unter dem lat. Titel De incertitudine et vanitate scientiarum atque artium declamatio invectiva. Es gilt als „Summa“ seiner Lebenserfahrungen (Müller-Jahncke, 18), steht jedoch in krassem Gegensatz zu seinem Erstwerk. Das von Skeptizismus und Agnostizismus geprägte Werk verweist auf einen religiösen Positivismus, der Gottes Wort als den einzigen Weg zur Wahrheit aufzeigt. Seinen > Okkultismus versteht A. wohl als christlichen Humanismus (Goldammer, 120 f.).
Als Schüler des A. gelten neben Johannes > Weyer, dem großen Feind der Hexenverfolgung, im weiteren Sinne auch Giordano > Bruno und > Goethe. Die Persönlichkeit Agrippas hat beim Entwurf des Magiers im Faust Pate gestanden, und auch der dort erwähnte Pudel findet offenbar seinen Vorläufer in dem A. von Paul Jovius zugeschriebenen schwarzen Pudel, einer Art bösartigem > Familiargeist, den A. für sein ganzes Unglück verantwortlich gemacht haben soll (Biedermann).

W.: De occulta philosophia. Bd. 1. Antwerpen: Johannes Graphaeus, 1531, Bd. 1 – 3; Köln: Johannes Soter, 1533; Neudruck hg. v. Karl Anton Nowotny, Graz 1967; Heinrich Cornelius Agrippa’s Magische Werke samt den geheimnisvollen Schriften des Petrus von Abano, Pictorius von Villingen, Gerhard von Cremona, Abt Tritheim von Spanheim, Dem Buche Arbakel, der sogenannten Heil. Geist-Kunst und verschiedenen anderen. Zum ersten Male vollständig ins Deutsche übersetzt. 5 Bde., Wien: Amonesta-Verlag, 4. Aufl. o. J.; Die Eitelkeit und die Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. 2 Bde., hg. v. Fritz Mauthner, München / Wien, 1913; Nachdruck Wiesbaden 1969; Opera, 2 Bde., Lyon (korrekt Köln) um 1550. Neudruck mit Einl. v. Richard H. Popkin. Hildesheim / New York 1970; De Occulta Philosophia. Auswahl, Einführung und Kommentar von Willy Schrödter. Remagen: Der Leuchter. Otto Reichl Verlag, 1967 und 1988; Magische Werke (…) ins deutsche übersetzt. 5 Bde., Stuttgart 1856, Nachdr. Wiesbaden 1985; De occulta philosophia libri tres, Leiden / NewYork / Köln 1992; Über die Fragwürdigkeit, ja Nichtigkeit der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, übers. u. m. Anmerkungen versehen v. G. Güpner, Berlin 1993.
Lit.: Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste. Graz: Akadem. Druck- u. Verlagsanstalt, 1968; Tischner, Rudolf: Geschichte der Parapsychologie. Buch I. Tittmoning /Obb: Walter Pustet, 1960 / 1988; Goldammer, Kurt: Agrippa von Nettesheim. In: Gerhard Krause und Gerhard Müller (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 1978; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt / M.: Fischer, 1981; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 1. Bd. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Lehmann, Alfred: Aberglauben und Zauberei. Bindlach: Gondrom, 1990; Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Agrippa von Nettesheim. In: Claus Priesner und Karin Figala (Hg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998.

Agtstein (lat. succinum album und succinum citricum), auch „orientalischer Agtstein, Ambra grisea, succinum orientale“ genannt, ist heute keine gebräuchliche Bezeichnung mehr, sondern deckt sich mit dem > Bernstein. Der A. wurde für den Samen des Wals oder das Exkrement eines großen Seefisches wie auch für ein am Meeresgrund wachsendes Harz gehalten. Er galt als sehr wertvoll, wurde als Amulett um den Hals getragen und diente in der Medizin als kopfstärkendes, herzerquickendes und die Lebensgeister anregendes Räuchermittel.

Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Agullona, Margareta, geb. 1536 in Xativa, Spanien, gest. am 9.12.1600 in Valencia. Seit 1556 Mitglied des Dritten Ordens des hl. Franziskus, hatte sie im Zusammenhang mit ihrer Buß- und Passionsbetrachtung ekstatische Erfahrungen, die von Erzbischof Juan de Ribera geprüft wurden, der ihren Seelenführer, Jaime Sanchis, OFMObs, mit der Lebensbeschreibung beauftragte. Dieser ist auch Herausgeber ihrer spirituellen Werke.

Lit.: Collectanea Franciscana 31 (1961), 26 – 60 (Ribera und M. A.).

Agyo (jap., „gewährte Worte“). Unterweisung eines Zen-Meister für einen Schüler. Ebenso werden die Aufzeichnungen der Ausführungen eines Zen-Meisters zu einem bestimmten Text oder einem > Koan A. genannt.

Lit.: Fischer, Ingrid (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Bern; München: Scherz, 1986.

Agyrten. Orientalische Bettelpriester im antiken Griechenland, wandernde Zauberer, Wahrsager, Heiler und Beschwörer. Am bekanntesten waren die Metragyrten, die im Dienste der „Großen Mutter“ (Demeter, Kybele) standen.

Lit.: Bonin, Werner F: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern; München: Scherz, 1976.