Begriffe Ae

A. E., Künstlername des irischen Schriftstellers, Malers und Mystikers George W. > Russell (1867 – 1935).

AE > Außergewöhnliche Erfahrung.

Aegidius, heilig (Fest: 1. September), Abt; angeblich in Athen geboren, lebte als Einsiedler in einer Einöde bei Arles, gründete um 680 vor der Rhonemündung ein Kloster, dem er als Abt vorstand und das später nach ihm Saint-Gilles benannt wurde. Er starb um 720. Sein Grab, am Jakobsweg gelegen, war im Mittelalter ein berühmter Wallfahrtsort. Der Hauptteil seiner Reliquien kam schon im Mittelalter nach Saint-Sernin in Toulouse. Abgebildet im Gewand eines Benediktinerabtes mit Pfeil und Hunden, umgibt ihn ein reicher Legendenkranz. So soll ihm eine Hirschkuh in der Einsiedelei die Milch gegeben haben. Weil er Gott bat, die Hirschkuh möge ihm erhalten bleiben, wurde er im ausgehenden Mittelalter zum Patron der stillenden Mütter. Die einst vom westgotischen König Wamba und seinem Jagdgefolge verfolgte Hirschkuh führte den König zur Höhle des Heiligen. Der abgeschossene Pfeil traf jedoch nicht die Hirschkuh, sondern den Heiligen. So wurde er auch zum Viehpatron. Wegen der Hilfe aus seelischer und leiblicher Not wurde er zu einem der 14 Nothelfer und zum Patron zahlreicher Kirchen.

Lit.: Nied, Edmund: Heiligenverehrung. Freiburg i. Br.: Herder, 1924, S. 60; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 1. Bd. Berlin: W. de Gruyter, 1987.

Aegidius von Assisi (1190 – 1262), selig (Fest: 23. April). A. schloss sich 1209 dem heiligen Franziskus an, unternahm weite Missionsreisen und zog sich dann in die Einsamkeit zurück. In den letzten Lebensjahren hatte er viele Visionen, deren Inhalt er aber niemandem erzählte; er ließ lediglich wissen, dass er durch die Visionen seinen Glauben verloren habe, was wohl besagt, dass ihm alles offenbar geworden war. Berühmt wurde er vor allem wegen seiner mystischen Aphorismen, von denen es allein im niederdeutschen Sprachgebiet 54 Handschriften gibt, die auch Einfluss auf die Theorie der Mystik hatten.

Lit.: Schlüter, Alfred: Leben und „goldene Worte“ des Bruders Ägidius. Unveränd. Neuaufl. Werl /Westf.: Dietrich-Coelde, 1986.

Aegidius v. Laurenzana (1443 – 1518), selig (Fest: 10. Januar); lebte zuerst als Einsiedler und Landarbeiter, wurde dann Laienbruder der Franziskaner. Neben seiner strengen Lebensführung und Naturverbundenheit werden ihm Ekstasen, Prophetie und Wunder zugeschrieben.

Lit.: Da Vincenza, A. M.: Vita e miracoli del Beato Egidio. Venezia, 1880.

Aegidius von Viterbo (Familienname: Antonini; 1469 – 1532). Förderte als Ordensgeneral der Augustiner-Eremiten (1506 – 1518) Studien und Disziplin, wurde 1517 Kardinal, 1523 Patriarch von Konstantinopel und Bischof von Viterbo. A. war ein Universalmensch. Bereits als Student editierte er philosophische Schriften. Er verfasste einen Kommentar zum Sentenzenwerk des Petrus Lombardus, eine Kirchen- und Papstgeschichte, schrieb Gedichte und Novellen und befasste sich mit jüdischer Literatur, insbesondere mit dem > Talmud und der > Kabbala. Seine kabbalistischen Traktate füllen mehrere Handschriftenbände (Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. Lat. 3 146.5808; Biblioteca Angelica, Cod. Lat. 3), die noch kaum bearbeitet sind. Die Kabbala war für ihn die Tradition der Alten. In > Pico della Mirandola sah er den Initiator der christlichen Kabbala, und Johannes > Reuchlin schenkte ihm sein Werk De arte cabbalistica. > Erasmus v. Rotterdam besuchte ihn 1520 in Rom. Aegidius’ große Liebe galt Plato, während er Aristoteles ablehnte. Unter dem Einfluss von > Marsilius Ficinus gründete er in seinem Orden sogar eine platonische Schule. 1513 ernannte er Martin > Luther zum Lektor innerhalb des Augustiner-Eremiten-Ordens, wurde dann aber in den Reformationsbestrebungen zu einem seiner entschiedensten Gegner. A. gilt als führender Vertreter der christlichen Kabbala.

Lit.: Martin, Francis Xaver: The Writings of Giles of Viterbo: Augustiniana (L) 29 (1979), S. 141 – 193 (Schriftenverzeichnis); Theologische Realenzyklopädie (TRE). Bd. 3. Berlin: Walter de Gruyter, 1982, S. 301 – 304.

Aegir, der milde Gott des Meeres, Sohn des Urstoffs, Bruder der Luft und des Feuers, Gatte der > Ran. Bei einem Gelage für die Götter ließ er leuchtendes Gold in seine Halle tragen, so dass diese wie durch ein Feuer erhellt wurde. Das Gold versuchte man als das Leuchten des windstillen Meeres zu deuten. So werden auch die Wellen des Meeres in der altnordischen Dichtung als Aegirstöchter umschrieben. Ein anderer Name für Aegir ist Hlér (altnord., „Meer“).

Lit.: Fischer, Wilfried Peter A.: Ägir und Ran: Beiträge zur vorkarolingischen Genealogie. Münster: Fischer, 1990.

Aeiei, > Zauberwort gegen Krämpfe bei Pferden in der Formel: + AEIEI + ANA +AZAL + MALTE.

Lit.: Grohmann, Joseph Virgil: Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. Vaduz: Wohlwend, 1995.

Aemilia Bicchieri (1238 – 1314), selig (Fest: 3. Mai), Dominikanerin und Mystikerin mit besonderen paranormalen Gaben (Schmerzen der Dornenkrone und paranormale Manifestationen).

Lit.: ActaSS maii 7, 557; Mersemann, G. G.: Archivum Fratrum Praedicatorum 24 (1954), S. 199 – 239 (Lit.).

Aeneas (griech.), griechischer Held im Kampf um Troja, Sohn des Königs Anchises und der Göttin > Aphrodite. Die Sage von seiner Flucht aus dem zerstörten Troja, der Rettung des durch Blitzschlag gelähmten Vaters und der Götterbilder aus der Heimat, die er auf seinen Irrfahrten mitnahm, ließ ihn bei den Römern zur Inkarnation der altrömischen Tugend der pietas, der Ehrfurcht vor dem Alter und der Überlieferung werden. Kaiser Augustus führte die Abstammung seiner Familie auf den Göttersohn Aeneas zurück.

Lit.: Heitsch, Ernst: Aphroditehymnos, Aeneas und Homer. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1965.

Aenigma (griech.), > Rätsel, > Rätselwort, in Rätseln reden; Begriff aus der Mythenerklärung und der Orakelsprache. In diesem Zusammenhang taucht A. auch in der Philosophie auf. So heißt es bei Platon (Tim. 72 b2), dass die Seher in Rätselworten reden, die erst übersetzt werden müssen. Diese Aufgabe steht den Dolmetschern der Weissagungen, den Propheten, zu, da sie eine besondere Gabe verlangt. Später gelangte der Begriff in die Rhetorik zur Bezeichnung einer undurchsichtigen > Allegorie. Da das Unverständliche und Unverstandene in den Lebensäußerungen der Religion auch als das Rätselhafte verstanden werden kann, wird der > Orakel- und Prophetenspruch sachlich mit dem Begriff des Rätsels verknüpft. Das Wesen der prophetischen Offenbarung ist daher bei den Griechen und Juden eine Rätselrede, die der Auslegung bedarf. Prophetisch sehen wird daher auch als „im Spiegel“ sehen bezeichnet. Diesem unvollkommenen Sehen im Jetzt steht das eschatologische vollkommene Schauen gegenüber: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13, 12). Aus diesem Grunde bezeichnet > Nikolaus von Kues die Philosophie selbst als scientia aenigmatica („rätselhafte Wissenschaft“). „Als erstes aber bedenke mein Sohn , dass wir in dieser Welt durch Gleichnisse und Rätselbilder wandeln, weil der Geist der Wahrheit nicht von dieser Welt ist und auch nur insofern von ihr gefasst werden kann, als wir durch Gleichnisse und Symbole, die wir als solche erkennen, zum Unerkannten emporsteigen werden“ (Cusanus-Texte IV/3, 46 u. 49).

Lit.: Kittel, Gerhard: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. 1. Bd. Stuttgart: Kohlhammer, 1933 / 1966; Nicolaus <de Cusa>: Cusanus-Texte. Heidelberg: Winter, 1956.

Aequitas, Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit und Billigkeit, erscheint schon auf Münzen und Gemmen der römischen Republik. In der Kaiserzeit häufen sich seit ca. der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. die Darstellungen der Göttin, meist als ernste Jungfrau, gestaltet nach dem Ideal der > Minerva als Ganzfigur mit den Attributen Füllhorn im linken Arm und Waage im rechten Arm. Aequitas wird auch als Tugend der Kaiser gedeutet und findet sich auf römischen Münzen häufiger als > Iustitia, die dann eher in der Neuzeit dargestellt ist, oftmals mit verbundenen Augen.

Lit.: Maifeld, Jan: Die aequitas bei L. Neratius Priscus. Trier: Wiss. Verl. Trier, 1991.

Aer > Luft.

Aeradi > Luftgeister, > Aeromantie.

Aerial Phenomena Research Organisation (APRO). Die Organisation wurde im Januar 1952 zur Untersuchung und Erforschung unbekannter Flugobjekte (unidentified flying objects, > UFOs) ins Leben gerufen, um eine wissenschaftlich akzeptable Lösung des Phänomens zu finden. Die APRO war in über 50 Ländern vertreten und bediente sich eines breit gefächerten Beraterstabes, der von Biochemikern bis zu Astronomen reichte. Sie unterhielt eine computergestützte Bibliothek von Monografien und anderen Publikationen aus der ganzen Welt, veranstaltete UFO-Ausstellungen, gab ein monatliches Mitteilungsblatt heraus und errang weltweit einen guten Ruf. Ende 1980 stellte sie ihre Arbeit ein.

Lit.: Clarck, Jerome: The Emergence of a Phenomenon – UFOs From the Beginning Through 1959. Detroit, MI: Omnigraphics, 1992.

Aerolith, > Meteorstein, in dem man die phrygische Göttermutter > Kybele anwesend glaubte. 204 v. Chr. wurde er aus Pessinus in Galatien nach Rom überführt, um Rom vom „hannibalischen Geschwür“ zu befreien.

Lit.: Bachofen, Johann J.; Kippenberg, Hans G. (Hg.): Mutterrecht und Urreligion. 6., erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1984.

Aeromantie (griech. aer, Luft; mantike, Wahrsagung; engl. aeromancy), > Wahrsagung durch Deutung von Luftformationen, Wolkenbildern, Blitz und Donner, Meteoren, Kometen, Sternschnuppen, seltener von Rauchformen (eines Feuers oder einer Räucherkerze).
Götter der Aeromantie:
> Adad, der babylonische Gott des Donners und Blitzes, der auch der Gott der Wahrsagung war; > Tin, einer der Hauptgötter der Etrusker, der später mit dem römischen Gott > Jupiter assoziiert wurde. Wie Jupiter war Tin der Gott des Donners und Blitzes.
Formen der Aeromantie:
Austromantie: Wahrsagung durch Beobachtung des Windes;
Ceraunomantie: Wahrsagung aus Donner und Blitz;
Chaomantie: Wahrsagung aus Lufterscheinungen.
Die praktische Anwendung der einzelnen Formen ist vielfältig. So werden neben der Beobachtung der Luftformationen auch Sand, Staub und Samenkörner in die Luft geworfen. Man wartet, bis sie zur Erde fallen, und deutet deren Formationen. Auch Mehl kann verwendet werden. Dann spricht man von > Aleuromantie. Bei der Deutung spielt nicht zuletzt die Windrichtung eine Rolle:
Wind aus dem Osten: Glück;
Wind aus dem Süden: Enthüllung von Geheimnissen;
Wind aus dem Norden: keine Entscheidung;
Wind aus dem Westen: Unglück.
Besonders begabte Menschen sollen sogar in der Lage sein, am Himmel die > Luftgeister oder Aeradi wahrzunehmen.
Als Erklärung werden Projektionen der Beobachter, astrologische Kräfte wie auch Luftgeister genannt.

Lit.: Das große Handbuch der Magie. München: Wilhelm Heyne, 31990.

Aesch Mezareph (hebr., „reinigendes Feuer“). Titel einer kabbalistisch-alchemistischen Schrift, die wahrscheinlich im 16. Jh. in Italien entstanden ist. Christian > Knorr von Rosenroth (1636 – 1689) berichtet auf dem Titelblatt des ersten Buches seiner Kabbala denudata (1677), dass der Band u. a. ein Kompendium des kabbalistisch-alchemistischen Buches Aesch Mezareph enthalte. Ausdrucksweise und Inhalt zeigen, dass Knorr eine hebräische Handschrift dieses Titels, nach dem besonders gesucht wurde, vorgelegen haben muss. Die 16 Zitate aus A. M, die in Knorrs Buch in den Kap. 1 – 8 in lateinischer Fassung angeführt werden, sind nach den Metallen gegliedert – Gold, Silber, Eisen, Zinn, Kupfer, Blei, Quecksilber und Schwefel – und weisen eine dreifache Thematik auf: 1. kabbalistisch: Die Metalle werden den zehn > Sephiroth zugeordnet; 2. chemisch: Es werden einzelne alchemistische Prozesse beschrieben; 3. astrologisch: Am Schluss der Kapitel werden die planetarischen > Amulette des betreffenden Metalls aufgezählt. Das geheimnisvolle Buch hatte großen Einfluss auf die späteren Okkultisten. Eliphas > Levi hielt A. M. sogar für eines der größten hermetischen Werke. Der von ihm als Supplement zu seinem Buch Clef des grands mystères (1860) angeführte Text des A. M. hat mit dem Original jedoch nichts zu tun.

Lit.: Kabbala denudata seu doctrina Hebraeorum transcendentalis et metaphysica atque theologica: Opus … in quo ante ipsam translationem libri difficillimi atque in literatura Hebraica summi, commentarii nempe in Pentateuchum, & quasi totam Scripturam V. T. Cabbalistici, cui nomen Sohar tam veteris, quam recentis, ejusque Tikkunim seu supplementorum tam veterum, quam recentiorum, praemittitur apparatus / [Christian Knorr von Rosenroth [Hrsg.]]. Sulzbaci: Lichtenthaler, 1677; Knorr von Rosenroth, Christian: Kabbala denudata. Hildesheim [u. a.]: Olms, 1974. Nachdr. der Ausg. Sulzbach, 1684 – 1677 (Volkskundliche Quellen; 2: Aberglaube).

Aeshma Daeva, ein > Daeva, der Dämon der Gier und des Zorns, der Wut und der Rache, personifiziert die Gewalt und hat eine Vorliebe für Konflikte und Krieg. Gemeinsam mit > Asto Vidatu jagt er die Seelen bei ihrer Auffahrt zum Himmel.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Aeternitas, bei den Römern Personifikation der Ewigkeit, des Reiches wie auch der vergöttlichten Herrscher. Als Symbole der Anfang- und Endlosigkeit dienen der sich durch Selbstverbrennung erneuernde > Phönix und der > Uroboros, die sich in den Schwanz beißende Schlange. Auch die strahlende Sonne und der zunehmende Mond in den Händen der auf Münzen dargestellten Göttin versinnbildlichen das Ewige.

Lit.: Drexelius, Hieremias: Aeternitas pars / explicavit e latine scrpsit Hieremias Drexelius. Antverpiae: Cnobbaert, 1636; Aeternitas: Das ist Ewigkeit zue welcher wir Menschen alle auß diesem sterblichen Leben wanderendt; fürgestellet v. d. Studenten d. hohen Schul zu Freyburg i. Br. Freyburg i. Br.: Böckler, 1639. Toelken, Ernst Heinrich: Ueber die Darstellung der Vorsehung und der Ewigkeit, Providentia und Aeternitas auf Römischen Kaisermünzen: ein Vortrag, gehalten in der eröffnenden Versammlung der numismatischen Gesellschaft zu Berlin am 22. Januar 1844; Tempus aevum aeternitas: la concettualizzazione del tempo nel pensiero tardomedievale; atti del colloquio internazionale, Trieste, 4 – 6 marzo 1999 / a cura di Guido Alliney. Florenz: Olschki, 2000.

Äetes (griech), König von Kolchis und Sohn des Sonnenkönigs > Helios. Er wurde zum Wächter des > Goldenen Vlieses. Seine Tochter > Medea verliebte sich in den Helden > Jason, mit dem sie floh und das Vlies raubte.

Lit.: Greene, Liz: Schicksal und Astrologie. München: Hugendubel, 21990.

Aetherius Society. Okkulte Gesellschaft, die 1956 von dem englischen Geistheiler Dr. George > King (1919 – 1997) ins Leben gerufen wurde. Am 8. Mai 1954 vernahm King angeblich eine Stimme, die sagte: „Bereite dich vor. Du wirst die Stimme des Interplanetarier-Parlaments sein.“ Unter dieser kosmischen Verbindung gründete er „The Aetherius Society“ und gab die Zeitschrift Cosmic Voice heraus. Am 21. Mai demonstrierte er im britischen Fernsehen > Samadhi-Yoga, wobei ein Kosmischer Meister von einem anderen Planeten gesprochen haben soll. In den nächsten Jahren nahm er ca. 600 kosmische Mitteilungen auf, die das Grundgerüst der Lehren der Gesellschaft bilden: Gesetz des Karma und der Reinkarnation; das Universum ist von Lebewesen bewohnt, alles ist lebendig; die Erde ist in eine neue Epoche getreten; Dienst am Nächsten ist Fortschritt; spirituelle Energie ist so wirklich wie Elektrizität.
Die Mitglieder stehen in Verbindung mit spirituellen Meistern, die auf verschiedenen Planeten wohnen, darunter auch Jesus, der auf der Venus residieren soll. Diese geistigen Meister überwachen die Erde und besuchen sie von Zeit zu Zeit mittels > Fliegender Untertassen, die kosmische Energie abstrahlen. Die Mitglieder machen sich diese Energien nutzbar, indem sie ihrerseits bestimmte Berge damit spirituell „aufladen“. Der erste war Holdstone Down in Devonshire, England, wo King Meister Jesus erschienen sein soll. 1960 fasste die Gesellschaft in Amerika Fuß und anschließend auch in verschiedenen anderen Ländern, vor allem in Neuseeland.

Lit.: Jesus Christ <(Spirit)>: The Twelve Blessings: the Cosmic Concept for the New Aquarian Age as Given by the Master Jesus in his Overshadowing of George King. Hollywood, Calif., U.S.A: Aetherius Society, [1974?, c 1958].

Aethyr, eine „jenseitige“ oder höhere Dimension („Oberreich“, astrale Ebene), die in visionärer oder schamanischer Form bereist werden kann. Diese Vorstellung geht auf den englischen Philosophen, Mathematiker und Astrologen, den Universalgelehrten Dr. John > Dee (1527–1608), zurück, der 1581 mit spiritistischen Experimenten begann, um mit Engeln in Kontakt zu treten. Sein wissenschaftliches Ziel war es, ein tieferes und vollständigeres Wissen über das Universum zu erhalten. Da er selbst nicht medial begabt war, arbeitete er mit dem berüchtigten Medium Edward > Kelly zusammen. Diesem wurden angeblich von Engeln das henochische System und 19 Schlüssel in einer Sprache diktiert, die sie „Engelssprache“ nannten. Da Dee um seinen Ruf fürchten musste, falls seine magischen Aufzeichnungen in falsche Hände gerieten, versteckte er die Manuskripte unter dem doppelten Boden einer Kiste, wo sie Jahrzehnte später von Elias > Ashmole gefunden wurden und dann erst wieder in dem 1888 in England gegründeten magischen Orden, dem „Hermetic Order of the Golden Dawn“ (> Hermetischer Orden der Goldenen Dämmerung), auftauchten, in dem das Fundament, welches Dee legte, zu einem komplexen und vielschichtigen System mit 30 Aethyren ausgebaut wurde. Der erste Mensch, der alle 30 Aethyre bereiste und seine Erfahrungen auch niederschrieb, war Aleister > Crowley. Sein Werk Liber CDXVIII The Vision and The Voice beschreibt seine Visionen und auch, wie er diese erlangt hat.

Lit.: Crowley, Aleister: Die Vision und die Stimme: Liber XXX aerum vel saeculi CCCCXVIII; dies ist der Ruf der 30 Aethyre / von Aleister Crowley. Übers. und kommentiert von Marcus M. Jungkurth. Bergen /Dumme: Kersken-Canbaz, 1993; Regardie, Israel: Das magische System des Golden Dawn, 3 Bde. Freiburg: Bauer, 1995.

Aetit > Adlerstein.

Aevum > Äon.

Ägis, kragenförmiger Halsschmuck, dem die Bedeutung eines Schutzsymbols zukommt. Im Ägyptischen Totenbuch gibt es einen Spruch für den „Halskragen von Gold, der am Tage der Beerdigung an den Hals des Verklärten gelegt wird“. Diese Halskragen tragen häufig eine Falken- oder Uräus-Ornamentierung. Im Tempel Sethos’ I. bei > Abydos fand sich in der Kammer des > Re-Harachte ein Bild, auf dem der König einen Halskragen mit daranhängender Brusttafel für die Bekleidung des Götterbildes darbringt. Bei diesem Ritus des morgendlichen Gottesdienstes sprach der Priester: „O Atum, mögest du deine Arme um Re-Harachte legen, damit er zusammen mit seinem Ka in Ewigkeit lebe.“ Halskragen mit darüber gesetzten Tierköpfen (Göttersymbole) zieren auch die Vorder- und Hintersteven der Götterbarken. Als Ä. werden ferner an einem Collier getragene Schmuckstücke mit dem Gesicht einer Gottheit bezeichnet. Die gleiche Bedeutung, nämlich das Umfasstwerden von göttlichen Armen, hat das Bild eines seine Flügel entfaltenden Geiers, das an Stelle des Halskragens bei den Mumiensärgen zu finden ist.
Ä. wird auch zur Bezeichnung des mit dem Gorgonenhaupt versehenen Schildes des Zeus und anderer Götter verwendet, doch ist hier die Bezeichnung > Aigis angebrachter.
Aleister > Crowley münzte Re-Harachte in Ra-Hoor-Khuit, die oberste Wesenheit in dem von ihm initiierten philosophisch-religiösen System > Thelema, um.

Lit.: Abydos: le temple de Séti Ier; étude générale / Jean Capart. Rééd. der Ausg. Bruxelles 1912. Thotweb, [2002]; Brand, Peter J.: The Monuments of Seti I. Leiden; Boston; Köln: Brill, 2000; Vierck, Sigrid: Die Aigis: zu Typologie und Ikonographie eines mythischen Gegenstandes. Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1991, vorgelegt von Sigrid Vierck, 2000.

Ägomantie (griech. aix, aigòs: Ziege; aram. aic). > Weissagung durch > Ziegen. Der Name ist vermutlich eine Neubildung aus dem 16. Jh. (Bulengerus, 215) zur Bezeichnung einer von Tertullian (Apologet. 23) und Clemens von Alexandria (Protr. 2, 11, 6) erwähnten Form der Weissagung durch Ziegen. Die Ziegen wurden wie Raben zur Weissagung abgerichtet, schrieb ihnen doch das Altertum, wie vielen anderen Tieren, die Fähigkeit zu, Hungersnöte, Erdbeben, Wetter, Ernteausfall und vieles mehr anzukündigen. Sie spielten auch im > Delphischen Orakel ein Rolle. Lange vor der Besiedlung Delphis grasten Ziegen um den Erdspalt herum: jede Ziege, die in den Erdspalt hineinschaute, verfiel in ein wunderliches Springen und stieß ungewöhnliche Laute aus. Als der Hirte dem nachgehen wollte und in den Spalt sah, erhielt er die Kraft der Weissagung ebenso wie alle anderen, die hineinblickten.

Lit.: Bulengerus: Opusc. (1621); Claudius Aelianus Werke, übers. von Dr. Wunderlich. Stuttgart, 1839; Aelianus, Claudius: Claudii Aeliani varia historia / edidit Mervin R. Dilts. 1. Aufl. Leipzig: Teubner, 1974; Rosenberger, Veit: Griechische Orakel: eine Kulturgeschichte. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2001.

Ägypten. Als Inbegriff der wohl ältesten Hochkultur der Menschheit ist Ägypten auch Symbol für alles Uralt-Geheimnisvolle. Die Einordnung dieser magischen Begebenheiten kann jedoch nur anhand eines kurzen Zeitrasters erfolgen. Die wissenschaftliche Erschließung der Geschichte Ägyptens hat eigentlich erst die Entzifferung der Hieroglyphen durch den Franzosen François Champollion 1822 ermöglicht.
Im Mittelpunkt des politischen Interesses des Alten Ägypten steht die Reichseinigung der einzelnen Dynastien:

Thinitenzeit (um 3000 – 2740: 1. – 2. Dynastie); Altes Reich (um 2740 – 2180: 3. – 6. Dynastie): Hauptstadt: Memphis, Nekropolen Sakkara und Gizeh mit den bekanntesten Pyramiden; 1. Zwischenzeit (um 2180 – 1990: 7. – 10. Dynastie); Mittleres Reich (um 2081 – 1759: 11. – 12. Dynastie); 2. Zwischenzeit (um 1759 – 1539: 13. – 17. Dynastie): Fremdherrschaft der Hyksos; Neues Reich (um 1539 – 1069: 18. – 20. Dynastie): Hauptstadt: Theben, Nekropolen: z. B. das Tal der Könige). Es regieren u. a. die bekannten Pharaonen Thutmosis III. (Palästinafeldzug), Amenophis III., Amenophis IV. (Echnaton), Sethos I. und Ramses II. (Großarchitektur in Karnak, neue Reichshauptstadt: Piramesse im Ostdelta); 3. Zwischenzeit (um 1069 – 720: 21. – 23. Dynastie): Hauptstädte zunächst Tanis und Bubastis, Theben als Zentrum eines Gottesstaates: u. a. mit den Pharaonen Siamun, Schoschenk I., Taharka; Spätzeit (um 727 – 330: 24. – 31. Dynastie) u. a. mit den Pharaonen Necho II. und Apries (Hofra).
Es folgen die Ptolomäer (Gründung der Stadt > Alexandrien) und die römischen Imperatoren (Ä. als Kornkammer, Festung Babylon, Alt-Kairo). Anschließend kommen die Byzantiner, nach der islamischen Eroberung (640 n. Chr.) die Omajjaden und Abbasiden (640 – 935), die Fatimiden und Ajjubiden (935 – 1250), die Mamluken und Osmanen (1250 – 1798), die Franzosen (1798 – 1801), der Vize-König (Khedive) Mohammed Ali und dessen Nachfolger, sodann die Engländer (1805 – 1952) und schließlich die heutige Arabische Republik.

Kosmogonie
Die ägyptische Vorstellung von der Erschaffung der Welt fußt auf mehreren Mythen, die einander aber nicht ausschließen. Nach einigen Beschreibungen ist die Welt aus dem Urwasser, dem > Nun, entstanden. Die entscheidendsten Taten des Schöpfers sind jedoch Trennung, das Setzen einer Ordnung in Natur und Leben sowie die Überwindung des Todes durch die Auferstehung (Osiris).
Ein mehrmals in Wort und Bild überlieferter Mythos lehrt, dass der Pharao vom Geistgott Amun gezeugt und von einer Jungfrau geboren wurde. Dies macht die gottmenschliche Doppelnatur des Pharao evident: er ist zwar sterblich, erfährt aber den Willen der Götter, den er auf Erden zu verwirklichen hat.

Religion
Die ägyptische Religion ist eine polytheistische Nationalreligion, die auch die Verehrung anderer Götter ermöglicht, da es niemals zu einem festgefügten System religiöser Anschauungen kam. Trotz aller Vielfalt bietet sich eine Gliederung in Götter und Fortleben (Mensch) an.
Unter den Göttern seien hier nur jene genannt, die unter dem einen oder anderen Namen im ganzen Land verehrt wurden. Auf die unendliche Zahl von Geistern und Dämonen, die beinahe alles belebten, mit dem der Mensch in Verbindung kam, kann nur verwiesen werden. Eine besondere Stellung nahm auch der Tierkult (> Zoolatrie) ein, der in Ägypten dermaßen entwickelt war, dass er fast als Charakteristikum der ägyptischen Religion gelten kann.
Zu den allerorts verehrten Göttern gehören: > Amun (Ammon), > Atum, > Re, > Hathor, > Osiris, > Isis, > Horus und > Ptah. Jeder Gott hat seine eigene Geschichte und jedem ist ein Lebensbereich zugeordnet, so z. B. Osiris: Totengericht und Auferstehung; Ptah: Materie und Handwerk; Hathor: Liebe, Rausch und auch Totenreich.
Um 1365 ersann König Echnaton (Amenophis IV.) einen echten Monotheismus mit > Aton als Gott, der in der Sonnenscheibe verkörpert war. Die anderen Götter wurden verfolgt. Aton war ein guter Gott, und so fehlte eine Deutung des Bösen und des Todes. Mit dem Tod Echnatons erlosch jedoch diese Vorstellung.
Um 1200 kam es dann sogar zu einer Systematisierung von drei Göttern als Trinität: Amun (verborgen ), Re (der sichtbare Amun), Ptah (der Leib von Amun).

Tempel
Der Tempel ist Kultstätte und Abbild des Kosmos. In ihm wird der jeweilige Gott, dem der Tempel geweiht ist, von Priestern bedient, die seit etwa 2000 einen eigenen Stand bilden. Die Gottheit wird mit Nahrung und Kleidung versorgt und in Prozessionen unter das Volk geführt, das nur den vorderen Teil des Tempels betreten darf.

Pyramiden
Das nach außen hin eindrucksvollste und bis heute mit vielen Rätseln behaftete Kulturwerk Ägyptens sind zweifellos die Königspyramiden. Architektonisch ist die > Pyramide das Ergebnis einer Entwicklung, an deren Anfang bis zur III. Dynastie die Mastaba, das viereckige Grab, stand. Durch den pyramidenförmigen Grabbau sollte der Körper des Königs besser geschützt werden und das Grab sich von den übrigen abheben. Über die Errichtung der Königsgräber im Alten Reich, die fugenüberschreitenden Strukturen und die astronomischen Berechnungen gehen die Meinungen allerdings noch immer auseinander.

Jenseitsglaube
Eine eigene Stellung in der Religion der Ägypter hat der > Jenseitsglaube, der in seiner besonderen Bedeutung in den Gräbern der Alten Ägypter und in den als > Ägyptisches Totenbuch bezeichneten Manuskripten mit Texten aus einem Repertoire von etwa 175 Einzel-„Sprüchen“, von den Ägyptern als „Sprüche vom Herausgehen am Tage“ bezeichnet, zum Ausdruck kommt. Der Korpus stammt von den Sargtexten des mittleren Reiches und erscheint erstmals auf Särgen und Leichentüchern der königlichen Familien der 17. Dynastie. Unter der Bezeichnung „Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit“ wurden Totentextsammlungen der späten Ptolomäer- und frühen Römischen Herrschaft in die Totenliteratur aufgenommen, um den Verstorbenen einen sicheren Übergang in das Nachleben zu garantieren. Zu diesen Texten gehören auch die vorwiegend an den Innenwänden der Särge und Grabkammern angebrachten „Sargtexte“ sowie das „Zweiwegebuch“, die Karte und die Begleittexte, zumeist am Boden, zum Passieren der Widerstände gegen das Ewige Leben.
Dieser starke Glaube an das Fortleben der > Seele, die als aus drei Aspekten, nämlich > Ka, > Ba und > Ach, bestehend verstanden wurde, hat sich erst im Laufe der Zeit entfaltet. So war im Alten Reich das Ewige Leben ausnahmslos ein Vorrecht der Könige, während der normale Mensch in einer Art unterirdischer Jenseitswelt der Ahnen auf eine „Fortdauer über den Tod“ hinaus in der Natur hoffen durfte. Dies kam auch in den Grabformen von > Pyramide (Könige) und Mastaba (viereckiger Grabbau für die Bürger) sowie dem Bemühen zum Ausdruck, sich in unmittelbarer Nähe der königlichen Pyramiden begraben zu lassen, um Anteil am Ewigen zu haben.
Erst durch das Auftreten der > Osiris-Religion wurde das Unsterblichkeitsmonopol der Könige gebrochen und allen Ägyptern ein Ewiges Leben zuteil. Der Totengott > Osiris war nicht mehr ortsgebunden und so begannen ab der 5. Dynastie die Beamten sich am Ort ihrer Arbeit begraben zu lassen, da für die Fortdauer im Jenseits die Fürsprache des verklärten Königs nicht mehr notwendig war. Jedem wurde vielmehr überall im Lande seine eigene Rechtfertigung der im Leben vollbrachten Taten und Gesinnungen vor dem > Totengericht beim Gang der Seele vom Grab zur Schwelle des > Amenti ermöglicht. Werden die Aussagen als echt beurteilt, öffnet ihr Osiris den Eingang in sein Paradies, wenn nicht, stürzt sich die „Verschlingerin“, ein Monster, auf den Verstorbenen, um ihn zu vernichten.

Geister
Die Vorstellung, dass der > Ka oder das Doppel eines Menschen nach dem Tod umherstreife, entfachte den Glauben der Ägypter an > Geister und ihr Bemühen, diese durch Grabbeigaben in Form von Speisen an das Grab zu binden.

Magie
Wie alle anderen Systeme kann auch die > Magie in Ägypten in zwei Formen gegliedert werden: jene für die Lebenden und jene für die Verstorbenen. Ihre Anfänge liegen in neolithischer Zeit. Wenngleich sich im Laufe der Jahrhunderte die Praktiken änderten, blieb die Grundbedeutung der magischen Wirkung dieselbe. So verband man magische Kräfte mit > Amuletten, Figuren, Bildern, Formeln, Namen, Riten und okkulten Praktiken. Die konkreten Anwendungen waren zahllos: > Bannen von Sturm, Schutz vor wilden Tieren, Schlangen, Krankheit, Wunden und vor den Geistern der Toten. Neben den Amuletten nehmen vor allem die > Zaubersprüche breiten Raum ein, wie sie im Papyrus Ebers und im Harris-Papyrus zu finden sind. Bei der Anwendung solcher Zaubersprüche wurden auch Gegenstände wie Wachsfiguren und andere als Symbole für Personen oder Tiere und sonstige Zielobjekte verwendet, denen man Glück oder Schaden zufügte. An der ersten Stelle aller magischen Handlungen stand jedoch der Ritus der > Einbalsamierung, wo jeder Griff mit bestimmten Sprüchen ausgeführt wurde, um die Konservierungsdauer zu erhöhen.

Alchemie
Ägypten ist auch die Geburtsstätte der > Alchemie. Sie entstand etwa im 1. Jh. n. Chr., als Ägypten unter dem Einfluss des Hellenismus stand, und endete ca. im 7. Jh. Zentren waren vor allem die Tempel, denn nur bei der hellenistisch gebildeten Priesterschaft waren alle für die Entstehung der A. notwendigen Voraussetzungen gegeben. Dabei weist die A. einen chemisch-technischen und einen spirituellen Aspekt auf, die beide miteinander verwoben sind. Zeugen dieses Tempelhandwerks sind der Papyrus Leiden und der Papyrus Stockholm, die um 1828 in einem Gräberfeld bei Theben in Oberägypten gefunden wurden. Beide sind griechisch geschrieben und datieren anscheinend aus dem Übergang zwischen 3. und 4. Jh. n. Chr. Sie befassen sich mit der Herstellung von Ersatzstoffen für natürliche Perlen und stammen wahrscheinlich nicht von Alchemisten, waren jedoch Wegbereiter der Alchemie.

Astrologie
Das frühere Ägypten kannte wohl eine Astronomie zur Bestimmung der Sterne und der Tage. Es gab 36 katalogisierte Sterne, von denen jeder einer Periode von zehn Tagen vorstand, was zusammen ein Jahr von 360 Tagen ergab.
Die Astronomie spielte auch eine Rolle bei der Ausrichtung der Tempel und Pyramiden.
Die > Astrologie und die Vorhersage der Zukunft nach der Position der Sterne am Tage der Geburt findet sich erst in der griechischen und römischen Zeit. Wohl aber kannte man nach Papyri aus dem Neuen Reich eine Art > Horoskop in Form eines Kalenders der Glücks- und Unglückstage. Die Stunden, Tage und Monate waren jeweils dem Schutz einer Gottheit unterstellt.

Traum
Eine weitere Besonderheit der Ägypter war ihr Umgang mit Träumen. Für jeden Ägypter gab es Träume in der Nacht und bei Tage, was wohl darauf verweist, dass mit > Traum auch die > Vision verbunden wurde. Am bekanntesten sind die königlichen Träume bzw. Visionen aus dem Neuen Reich mit Erscheinungen von Göttern. Doch nicht nur der König, sondern jedermann konnte bisweilen im Traum die Gottheit schauen. Zur Weckung von Träumen gab es zudem eigene Techniken.

Medizin
Was die Medizin betrifft, so wissen wir aus dem Papyrus Ebers, dass es drei Arten von Ärzten gab: die Ärzte, die nach den Büchern und einer reichen empirischen Erfahrung praktizierten; die Priester, die unter Eingebung der Götter eine Medizin religiösen Charakters anwandten; die Magier, Zauberer oder Heilkundigen, die Kranke durch magische Praktiken zu heilen versuchten.

Marienerscheinung
Von besonderer Eigenart war schließlich die > Marienerscheinung von 1982.
Am 2. April 1982 sahen zwei Muslime in Kairo eine weiße Frau, die in der Nähe der koptischen Marienkirche von Zeitoum stand. Die Gestalt wurde dann bis Ende Mai als strahlende Figur auf dem Dom und immer wieder vor dem Dom wahrgenommen. Tausende von Menschen konnten sie sehen. Das fotografische Dokumentationsmaterial spricht für ein echtes Ereignis. Bereits 1968, 1969, 1970 und 1971 wurde von kürzeren Erscheinungen berichtet, die nur von wenigen gesehen wurden, und auch der Bau der Kirche sei 1925 auf eine Marienerscheinung im Traum hin erfolgt.

Lit.: Chabas, François Joseph: Le papyrus magique Harris. Chalon s-S, 1860; Chabas, François Joseph: Notice du Papyrus médical Ebers. Paris, 1876; Les alchimistes Grecs: Tome I: Papyrus de Leyde; Papyrus de Stockholm; Fragments de recettes / Robert Halleux [Hg.]. Paris: LBL, 1981; [Extrait du Journal d’Egyptol.]; Rogo, D. Scott: Miracles: A Parascientific inquiry into Wondrous Phenomena. New York: Dial Press, 1982, S. 250 – 257; Hornung, Erik: Der Eine und die Vielen: ägyptische Gottesvorstellungen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 51993; Forman, Werner: Die Macht der Hieroglyphen. Stuttgart: Kohlhammer, 1996; Haase, Michael: Im Zeichen des Re. München: Herbig, 1999; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999; Schütt, Hans-Werner: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen: die Geschichte der Alchemie. München: C. H. Beck, 2000.

Ägypterevangelium. Unter diesem Titel sind zwei Schriften bekannt, die jedoch keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen. Die eine, aus der ersten Hälfte des 2. Jhs., war in gnostisch-christlichen Kreisen Ägyptens besonders beliebt. Origenes (Hom. in Lucam I), Hippolyt (Refut. 5, 7, 9) und Epiphanius (Panar. 62, 2, 4f.) bezeugen die Existenz in Zusammenhang mit der Bekämpfung von Häresien. Das bis jetzt bedeutendste Bruchstück findet sich bei Clemens von Alexandrien (Stromateis III, 45.63 / 8.91f.) und bringt einen Dialog zwischen Jesus und Salome. Die Verwendung im 2. Clemensbrief weist auf die 1. Hälfte des 2. Jhs. als Abfassungszeit hin.
Die zweite Schrift mit dem Titel „Heiliges Buch des großen unsichtbaren Geistes“, > Nag Hammadi codices III, 2 und IV, 2, gibt in der Abschrift eines gewissen Eugnostos vor, von > Seth verfasst zu sein. Der Text stammt aus dem 3. Jh. und sein Inhalt ist gnostisch.
Seth offenbart in gnostischer Sicht den Aufbau des Jenseits und sein Eingreifen zur Errichtung eines sethianischen Geschlechts (> Adamapokalypse). Seine Manifestation ist Jesus. Eine besondere Rolle spielt dabei die > Zahlenmystik. Zudem finden sich magisch-kultische Elemente wie Inkantationen in Form von Buchstabenfolgen oder Nennungen einer Gottheit mit verschiedenen Namen mehrmals hintereinander. Den Abschluss bildet ein langer Hymnus an die Taufe. Die Entstehung wird um die oder nach der Wende des 2. / 3. Jhs. vermutet.

Lit.: Böhlig, A.: Das Ägypterevangelium von Nag Hammadi. Wien, 1974; Barns, J. W. B.; Browne G. M; Shelton, J. C. (Hg.): Nag Hammadi Codices. Greek and Coptic Papyri From the Cartonnage of the Covers. Leiden: Brill, 1981 (Nag Hammadi Studies; 16).

Ägyptisch-Chaldäische Kulturepoche > Nachatlantisches Zeitalter.

Ägyptische Freimaurerei, von dem am 8. Juni 1743 zu Palermo geborenen Giuseppe Balsamo unter dem Namen Graf Alessandro > Cagliostro gegründeter magischer Ritus. Cagliostro, erfolgreicher Hochstapler und Schwindler des 18. Jhs., der auf Kosten seiner Zeitgenossen lebte, erfand die Pseudo-Freimaurerei zu eigennützigen Zwecken. Die Ordensgründung tauchte zuerst um 1782 auf und wurde von Goethe im „Großkophta“ köstlich beschrieben. Cagliostro beschloss um 1775 mit seiner Frau Lorenza Feliciani, dem Hang zum Magischen innerhalb der Freimaurerei durch die Gründung neuer Logen nach dem von ihm entwickelten bzw. modifizierten Rite égyptien entgegenzukommen, und trat für die Gleichberechtigung der Frauen in der Freimaurerei ein. Nach Cagliostro besäße die ägyptische Freimaurerei den Schlüssel zum > Stein der Weisen und die Teilnehmer könnten ihre „ursprüngliche Unschuld“ entdecken. Zur Loge waren Männer wie Frauen zugelassen. Bei der Initiation der weiblichen Neophyten assistierte seine Frau, die diese anhauchte mit den Worten: „Ich hauche dir diesen Atem ins Gesicht, um in deinem Herzen die Wahrheit keimen und wachsen zu lassen, in deren Besitz wir sind; ich hauche hinein, um deine guten Absichten zu stärken und dich im Glauben deiner Brüder und Schwestern zu bestätigen…“.
Später nahmen die Frauen in weißen Gewändern an einer Zeremonie teil, bei der sie ermutigt wurden, die „schändlichen Bande“ ihrer männlichen Meister abzuwerfen. Darauf wurden sie in einen Garten und dann in einem Tempel geleitet, wo sie eine „einführende Begegnung“ mit Cagliostro selbst hatten. Dieser pflegte dabei nackt auf einer goldenen Kugel aus dem Tempeldach herabzuschweben und seine Neophyten aufzufordern, im Namen der Wahrheit und der Unschuld ihre Kleider abzulegen. Dann erklärte er ihnen die symbolische Natur ihres Strebens nach Selbsterkenntnis, ehe er wieder die goldene Kugel bestieg und in die Tempelkuppel emporschwebend verschwand. Diese Zeremonie verlangte auch ihren Preis. Viele der Teilnehmer stammten jedoch aus der Pariser Aristokratie und konnten sich dies somit durchaus leisten. Der Ritus verschwand mit Cagliostro.
Als „Ägyptischer Ritus“ bezeichnete sich auch das Freimaurersystem „Memphis-Ritus“ (frz.
Rite de Memphis), das als Konkurrenzsystem gegen den „Misraim Ritus“ entstand.

Lit.: Marcello, Stefano Antonio: Vie de Joseph Balsamo, connu sous le nom de comte Cagliostro. Paris: Onfroy; Strasbourg: Treuttel, 1791; Frick, Karl R. H.: Licht und Finsternis II. Graz: Akadem. Druck- u. Verlagsanstalt, 1978, S. 135 – 136; Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1988; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Ägyptische Geheimnisse. Ein Zauberbuch mit dem Titel: Albertus Magnus: bewährte und approbirte sympathetische und natürliche egyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh. Für Städter und Landleute. Das Alter ist nicht genau bekannt. Es ist in einer alten Ausgabe, Brabant 1816 u. ö., und dann 1852 in Reutlingen gedruckt worden, weshalb es auch als Reutlinger Buch bezeichnet wird. > Albertus Magnus (1193 – 1280), der als Bischof im Ruf eines Schwarzkünstlers stand, wurden nachweislich zu Beginn des 18. Jhs. Zaubersprüche, die im Volk kursierten, zugeschrieben. Auch in Frankreich trugen zu dieser Zeit populäre Schriften magischer Art den Titel Le grand oder Le petit Albert.
Die Ä. G., die erst zu Beginn des 19. Jhs. entstanden, haben jedoch mit Albertus Magnus nichts zu tun. Das aus vier Teilen bestehende Buch enthält vorwiegend Krankheitsheilsegen für Mensch, Vieh und Feldfrüchte sowie Bittsegen für alle Arten von Gefahren sowie Beschwörungs- und Verwünschungsformeln mit zum Teil völlig sinnlosen Buchstabengebilden.

Lit.: Albertus Magnus: bewährte und approbirte sympathetische und natürliche egyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh. Für Städter und Landleute. Reutlingen: L. Ensslin, 1852.

Ägyptische Lebenslehren, altägyptische Weisheitsliteratur, die sich während der gesamten Pharaonenzeit nach einer literarischen Rahmenfiktion von einem Vater an den Sohn (= Schüler) richtete. Ihr Inhalt ist die Verwirklichung der > Ma’at, der Wahrheit, Gerechtigkeit, Weltordnung und Weisheit, im Leben des Einzelnen. Die Begründungen der Ä. L. sind zeitabhängig und weichen stark voneinander ab. Die Lehren des Ani und des Amenemope, die beide zur Zeit des neuen Reiches (1550–1069) verfasst wurden, weisen Ähnlichkeiten zum biblischen Buch der Sprüche auf.

Lit.: Studien zu altägyptischen Lebenslehren. Freiburg / Schweiz: Univ.-Verl, 1979; Römheld, Diethard: Wege der Weisheit: die Lehren Amenemopes und Proverbien 22,17 – 24,22. Berlin: de Gruyter, 1989.

Ägyptische Mysterien. Als ä. M. bezeichnete man Feste, die einerseits öffentliche Veranstaltungen beinhalteten, bei denen man die Taten der Götter nachspielte, insbesondere aber > Rituale, die im geheimen Teil der Tempel stattfanden. Diese Feste waren im Allgemeinen den Leiden des > Osiris, der Suche der > Isis und den Kämpfen zwischen > Horus und > Seth gewidmet. Unter anderem spielte man auch den Tod des Osiris und seine Wiederauferstehung nach. Es soll sogar Schauspielertruppen gegeben haben, die im Lande umherzogen, um nach Art eines Mysterientheaters die Göttergeschichten nachzuspielen, die sich vor allem mit der Erschaffung der Welt und der Vorstellung von Leben und Tod befassten. Die Themen sind überaus reich an magischen Vorstellungen, wie etwa dem Sonnenmythos, dem Mythos des > Skarabäus, der am Himmel umherirrt, sowie des jungen Horus, der aus einer Lotusblume geboren wurde, gegen die > Schlange kämpfte und auf dem Rücken seiner Mutter, der Himmelskuh, die Menschen verließ. Zu den ältesten Darstellungen höherer Wesen gehören der Falke > Horus, der Hund > Anubis, der Ibis > Toth, das > Krokodil Thebens, die Kuh > Hathor und viele andere. Zu Beginn der ersten Dynastie nahmen Falken und Fische menschliche Züge an. Am Ende der zweiten Dynastie erschienen die ersten Abbildungen von Menschenkörpern mit den Köpfen der alten Totems, wobei einige Totems dann als Götter verehrt wurden. So wurde seit der Zeit von König Ptolemaios im Tempel des > Ptah der > Stier angebetet.
Berichte über die ä. M. übten schließlich im 18. Jh., namentlich in England, besonderen Einfluss auf die > Freimaurer aus, die wiederholt ihre Abstammung auf diese zurückzuführen suchten. Daher auch die häufigen Anklänge an dortige Bräuche und Baustile, was besonders in Text und Szenenbild von Mozarts „Zauberflöte“, in Logennamen (Isis, Osiris, Pyramide, Horus, Sphinx u. a. ) sowie in der Ausstattung mancher Freimaurertempel zum Ausdruck kommt. > AMORC machte aus diesen Ideen einen regelrechten Kult, indem man teils Passwörter einzelner Grade auf ägyptische Wortwurzeln zurückführte.

Lit.: Eliade, Mircea: Geschichte der religiösen Ideen. Bd. 2. Freiburg: Herder, 1987, S. 249 – 253; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999; Lennhoff, Eugen: Internat. Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Ägyptische Plagen. Nach Ex 7, 1 – 11, 10 sandte Gott dem Pharao folgende 10 Heimsuchungen, damit er die Israeliten freilasse: blutrotes Nilwasser, Frösche, Stechmücken, Ungeziefer, Viehseuche, Geschwüre, Hagel, Heuschrecken, Finsternis, Tod der Erstgeborenen. Diese Plagen werden auch im Koran genannt (Sure 8 und 17).

Ägyptische Reihe. Das Ägyptische System gehört zur den geozentrischen Systemen. Es ordnet die Planeten in einer von der > Chaldäischen Reihe abweichenden Form, nämlich Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Sein Einfluss war jedoch gering.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Ägyptische Tage (lat: dies aegyptiaci). Die Ä. T. entstanden in Rom, und zwar nicht vor der Kaiserzeit, weil sie die von Augustus eingesetzten dies senatus legitimi voraussetzten, die sich nach den Kalenden und Iden richteten und deshalb auch auf die erste Monatshälfte fielen, während die dies aegyptiaci deutlich nach jenen angesetzt sind. Zwei Tage stimmen überein, bei sechs Tagen hingegen handelt es sich um Nachtage zu den dies senatus legitimi.
Die erste Erwähnung der Ä. T. findet sich im Kalender des Philocalus. Nun galten bei den Römern die auf Kalenden, Nonen und Iden folgenden Tage als Unglückstage, was im Volksglauben seinen Niederschlag fand und bald auch von der christlichen Bevölkerung beachtet wurde, weshalb Augustinus sich genötigt sah, gegen diesen Aberglauben einzuschreiten (Friedberg). Im Mittelalter wurde der Glaube an solche Glücks- und Unglückstage besonders durch den im Libellus de tonitruis des Beda Venerabilis (673 – 735) enthaltenen Abschnitt „de septem feriis“ gefördert. Die Unglückstage heißen „verworfene Tage“, weil nach der volkstümlichen Erklärung an diesen Tagen die > Ägyptischen Plagen eintraten. Die Bezeichnung wird daher auch auf bereits in Ägypten umlaufende Tabellen von Unglückstagen zurückgeführt.
Im Spätmittelalter wurden die Ä. T. einerseits von Theologen wie Wilhelm von Paris (ZfVk, 1901, 276, 278), Nikolaus Jauer und Bernardin von Siena (ZfVk, 1912, 117) bekämpft, andererseits durch eigene Merkverse gefördert. Wer die Ä. T. kennt, wird sich durch besondere Vorschriftsmaßnahmen schützen. Er wird an solchen Tagen weder heiraten noch reisen, weder ein großes Werk vollbringen, noch sich zur Ader lassen.

Lit.: Furii Dionysii Philocali Calendarium antiquum sub annum CCCLII scriptum, notis illustratum a Fr. Xysto Schier, opus postumum curis Martini Rosnak. Graecii, 1781; Friedberg, Emil; Richter, Aemilius Ludwig: Corpus iuris canonici ex officina Bernhardi Tauchnitz. Lipsiae, 1879; Franz, Adolph: Nikolaus Magni de Jawer. Freiburg, 1898; Zeitschrift für Volkskunde (ZfVk) 11 (1901); 22 (1912); Moser, Dietz-Rüdiger (Hg.): Glaube im Abseits: Beiträge zur Erforschung des Aberglaubens. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1992.

Ägyptisches Bilsenkraut (Hyoscyamus muticus L.). Pflanze aus der Familie der > Nachtschattengewächse (Solanaceae), die Wüstengebiete bevorzugt und in Ägypten bis hin zum Sudan sowie in Syrien, Afghanistan, Pakistan und Nordindien anzutreffen ist. Mit ihrem alten ägyptischen Namen sakran wird das Kraut als „das Trunkene“ bezeichnet. Noch heute schätzt man die Pflanze in Ägypten als Heil- und Rauschmittel, während sie in Arabien, wo sie „die Berauschende“, sekaran, heißt, von Kriminellen zur Berauschung der von ihnen anvisierten Opfer benutzt wird (Rätsch 1998, 274). Die aus dem antiken Griechenland bekannte Pflanze namens > Nepenthes wurde u. a. auch als Ä.B. gedeutet (Rätsch 1998, 275, 613). Im heutigen Griechenland wird das Ä.B. zur „Drachenpflanze“, Pitonionka.
Es wirkt nicht nur am meisten berauschend von allen Hyoscyamus-Arten, sondern führt auch zu Halluzinationen, Koordinationsstörungen, Ideenflucht und Delirium. Aus Indien sind Fälle bekannt, bei denen der Genuss des Krautes Schwachsinn, Tanzwut und Exhibitionismus hervorrief (Rätsch 1998, 276). Benutzt werden Blätter und Samen, die frischen Blätter auch als Pflaster, während die getrockneten Blätter und Samen ein beliebter Räucherstoff sind.
Von allen Bilsenkraut-Arten kann das Ä. B. den höchsten Alkaloidgehalt vorweisen, der in den Blüten am stärksten konzentriert ist. Pharmazeutisch und ökonomisch gesehen rangiert es von allen Bilsenkraut-Arten heute an erster Stelle.

Lit.: Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Mit e. Vorwort v. Albert Hofmann. Aarau, CH: AT, 1998; Wulle, Stefan: 50 Jahre DFG-Sondersammelgebiet Pharmazie: Bilsenkraut und Bibergeil; zur Entwicklung des Arzneischatzes. Braunschweig: UB, 2001.

Ägyptisches Henkelkreuz > Ankh-Kreuz.

Ägyptisches Kuhbuch. Bild-Text-Komposition über den Mythos von der Vernichtung des Menschengeschlechts, die in den königlichen Grabanlagen Ägyptens seit > Tutanchamun, dem ersten Pharao nach > Echnaton, vorliegt. Im ersten Teil berichtet der Mythos von der Rebellion der Menschen gegen den alt gewordenen Sonnengott > Re, der gleichermaßen über Götter und Menschen herrscht, die den Wechsel von Tag und Nacht sowie den Tod noch nicht kennen. Re reagiert auf die Rebellion mit der Vernichtung des Menschengeschlechts durch die Göttin > Hathor, deren Tötungsrausch nur durch eine List beendet werden kann. Im zweiten Teil des Mythos belässt Re einen Teil des Menschengeschlechts am Leben, zieht sich aber auf dem Rücken der Himmelskuh in den Himmel zurück, um von dort aus die Unterwelt einzurichten, die nunmehr für die Toten benötigt wird. Nach dem Beispiel des Re wird als dessen „Sohn“ und Nachfolger auch der Pharao bei seinem Tod auf dem Rücken der Himmelskuh zum Himmel emporgetragen.
Im Bildteil des Mythos dominiert die Himmelskuh, deren Körper den Himmel mit Sternen und der Barke des Re symbolisiert, wobei die Kuhbeine die vier Himmelsstützen bilden, die von Göttern stabilisiert werden.
Der Mythos von der Himmelskuh erklärt die Trennung von Göttern und Menschen, besonders aber auch, wie der Tod in die Welt gekommen ist. Als Totentext soll das Kuhbuch die Trennung wieder aufheben, sodass der Pharao bis ans Ende der Zeit im himmlischen Jenseits in Gegenwart der Götter weiterleben kann. > Ägypten.

Lit.: Hornung, Erik: Der ägyptische Mythos von der Himmelskuh. Eine Ätiologie des Unvollkommenen. Unter Mitarbeit von Andreas Brodbeck, Hermann Schlögl, Elisabeth Staehelin. Mit einem Beitrag von Gerhard Fecht. Orbis Biblicus et Orientalis, Bd. 46, 31997.

Ägyptisches Totenbuch. 1842 veröffentlichte C. R. Lepsius in deutscher Sprache eine aus verschiedenen Zeiten stammende Textsammlung, der er den noch heute gültigen Namen „Ägyptisches Totenbuch“ gab. François > Champollion nannte diese Sammlung „Begräbnisritual“. Die von den Ägyptern verwendete Bezeichnung „Sprüche vom Herausgehen am Tage“ ist vielleicht noch treffender. Lepsius nummerierte die Schriften mit Kap. 1 – 165, eine Einteilung, die heute noch verwendet wird. Sie verläuft jedoch selten nach einem bestimmten System. So gibt es in den früheren Manuskripten Texte, die später nicht mehr vorkommen und umgekehrt. Um nun die Ordnung der Totenbücher der Spätzeit aus dem Neuen Reich und der Dritten Zwischenzeit zu übertragen, führten die Ägyptologen Edoard Naville und Wallis Budge die Nummerierung von Lepsius bei den anderen Schriften des Neuen Reiches bis „Kapitel 190“ fort.
Der Korpus stammt von den Sargtexten des Mittleren Reiches und erscheint erstmals auf Särgen und Leichentüchern der königlichen Familien der 17. Dynastie. Unter der Bezeichnung „Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit“ wurden Totentextsammlungen der späten Ptolomäer- und der frühen Römerherrschaft in die Totenliteratur aufgenommen, um den Verstorbenen einen sicheren Übergang in das Nachleben zu garantieren. Zu diesen Texten gehören auch die vorwiegend an den Innenwänden der Särge und Grabkammern angebrachten „Sargtexte“ sowie das „Zweiwegebuch“, die Karte und die Begleittexte, vornehmlich am Boden, zum Passieren der Widerstände gegen das Ewige Leben.
Vom Neuen Reich an bis in die griechische Zeit wurden Texte in mehr oder weniger großer Zahl auf Papyri geschrieben, die dann direkt oder in Kästchen in die Gräber, die Sarkophage oder auch zwischen die Mumienbinden gelegt wurden. Die Papyri variieren sowohl in Zahl und Auswahl der Formeln als auch nach den Vignetten, die diese illustrieren.
Die Texte sind meist Exzerpte eines umfangreichen Materials über Unterweltfahrt und Totengericht. Sie beschreiben die Reise der > Seele nach dem Tode, das > Totengericht, und das Leben im > Iaru-Gefilde. Sie enthalten zahlreiche Sprüche, um die > Uschebti zu beleben, Opfergaben zu empfangen, zu essen und zu trinken, frische Luft zu atmen, die Welt der Lebenden zu besuchen, am Abend in die Barke des Re zurückzukehren und sich gegen Krokodile und alle Arten von Monstern, die das Jenseits bevölkern, zu verteidigen.

Lit.: Lepsius, C. R: Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien. Leipzig: Nicolai, 1897; Budge, Ernest A. Wallis: A Hieroglyphic Vocabulary to the Book of the Dead. London, 1911. New York: Dover Publ., 1991; Kolpaktchy, Gregoire: Ägyptisches Totenbuch. München; Wien: Barth, 1991; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Ähnlichkeit. Übereinstimmung in mehreren wesentlichen Merkmalen, ohne einander gleich zu sein. Ähnlichkeit ist daher ein relativer Begriff, dessen Unschärfe empirisch nicht zu beheben ist, weil die Beurteilung der Ähnlichkeit die subjektive Komponente nicht völlig ausschließen kann. Der Gedanke der Ä. ist von grundlegender Bedeutung und findet sich daher bei allen Kulturen. Er ist die Grundvoraussetzung der Möglichkeit von Einheit in der Vielheit, von Individualität und Gemeinschaft. In der > Magie wird die Ähnlichkeit zur Grundlage des Analogiedenkens: Wie oben, so unten, wie im Himmel, so auf Erden. Es wird eine Entsprechung von > Mikrokosmos und > Makrokosmos zum Ausdruck gebracht, also von Universum und Mensch, wie auch von Gott und Mensch, wobei der Mensch Ebenbild Gottes (imago dei, Gen 1, 27) ist. Diese Analogie von oben nach unten mit der Möglichkeit verschiedener Zwischenebenen ist Grundlage zahlreicher astrologischer sowie esoterischer Deutungen und wird auch als „senkrechte Ähnlichkeit“ bezeichnet, die man als esoterisches Prinzip der Wissenschaft entgegensetzt, welche nur die waagrechte Ähnlichkeit und damit nur eine Ebene kenne. In diesem Zusammenhang spielt Ä. auch in > Alchemie, > Gnosis, > Volksmedizin, > Signaturenlehre, > Homöopathie, beim > Analogiezauber und im > Simile (Tischner) eine besondere Rolle.
In der Psychologie spricht man sogar von > Ähnlichkeitsgesetz (Assoziationsgesetz, > Gestaltgesetz), da Ä. nicht nur phänomenal in Erscheinung tritt, sondern auch funktional wirksam wird. Zwischen ähnlichen Elementen treten nämlich Kräfte auf, die Einzelnes zu höheren Einheiten zusammenführen. Dieses Gesetz gilt für alle Bereiche der Wahrnehmung und wird in der Psychotherapie bei der Frage nach der Ä. von Wunsch und Selbstbild bedeutsam. Ä. kann aber auch zu Lernhemmung führen, wenn zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Inhalte gleich oder sehr ähnlich sind (Ranschburgsches Phänomen).

Lit.: Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1971; Gebhardt, Karl-Heinz (Hg.): Beweisbare Homöopathie. Heidelberg: Karl F. Haug, 21986; Schlegel, Emil (Hg.): Religion der Arznei: Das ist Herr Gotts Apotheke – Erfindungsreiche Heilkunst – Signaturenlehre als Wissenschaft. Regensburg: Johannes Sonntag, 61987; Bohnke, Ben-Alexander: Esoterik: die Welt des Geheimen. Düsseldorf: Econ Verlag, 1991.

Ähnlichkeitserleben. Elementares Beziehungserlebnis, durch das gegenwärtige Sinneseindrücke, Wahrgenommenes, Gestalten und komplexe Vorstellungen mit erinnerten, auch gleichzeitig erlebten anderen, in Verbindung gesetzt werden. Das Ä. wird teilweise als eine Gedächtnisleistung urtümlich-ganzheitlicher Art aufgefasst und ist auch bei Tieren, z. B. als Wiedererkennen, feststellbar. Es ist zu unterscheiden vom Gleichheits- und Identitätserlebnis.

Lit.: Hehlmann, Wilhelm: Wörterbuch der Psychologie. Stuttgart: Kröner, 1959.

Ähnlichkeitsgesetz > Ähnlichkeit.

Ähnlichkeitsprinzip, auch Ähnlichkeitsregel oder Ähnlichkeitsgesetz genannt. Gilt als die therapeutische Grundregel der > Homöopathie, die besagt, dass Krankheitszustände durch Mittel beseitigt werden, die im gesunden Zustand ähnliche Krankheitserscheinungen hervorrufen. Diese Aussage fußt auf dem therapeutischen Leitsatz des > Paracelsus: „Similia similibus curantur“ (Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt). Dem Ä. liegt die Annahme Samuel > Hahnemanns (1755 – 1843) zugrunde, dass die Arznei eine ,Kunstkrankheit‘ erzeuge, die durch eine große Ähnlichkeit mit der bestehenden natürlichen Krankheit diese heilen könne. „Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfall eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (homoios pathos) erregen kann als sie heilen soll“ (Hahnemann, S. 74). Aus dem Verlauf der Behandlung kann rückblickend auf den Grad der Übereinstimmung von Symptomatik und Arzneimittelbild geschlossen werden. Das Ähnlichkeitsgesetz der Homöopathie ist vom > Ähnlichkeitsgesetz der Psychologie zu unterscheiden, weshalb man in der Homöopathie auch sachlich besser von Ähnlichkeitsprinzip spricht.

Lit.: Hahnemann, Samuel: Organon der Heilkunde. Heidelberg: Karl F. Haug, 61996; Dorcsi, Mathias: Homöopathie heute: ein praktisches Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1998.

Ähre, Getreideähre, uraltes Symbol, das bereits in den ältesten Hochkulturen für Fruchtbarkeit, Leben, Tod und Wiedergeburt stand. In Ägypten war das aufwachsende Korn Sinnbild des vom Tode auferstandenen > Osiris.
Ä. oder Ährenbüschel sind Attribut der altmesopotamischen Getreidegöttin > Aschnan, der altsemitischen > Atargatis, der griechischen > Demeter und der römischen > Ceres. Auch die Himmelsjungfrau (virgo caelestis) veranschaulichte man sich mit einer Ähre in der Hand. So heißt der hellste Stern im Sternbild der > Jungfrau > Spica (Ähre).
In der christlichen Symbolik finden wir das > Ährenkleid Mariae, die Ähre als Hinweis auf den Leib Christi im Abendmahl, als Verzierung für Kelche, Monstranzen und Altartücher sowie als Symbol der Auferstehung auf Grabsteinen.

Lit.: Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986; Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen, Stuttgart: Kröner, 21989. Becker, Udo: Lexikon der Symbole. Freiburg: Herder 1998.

Ährenkleid Mariae. Darstellung Marias in einem mit > Ähren besetzten Kleid oder im Weizenfeld stehend, wie sie im Mittelalter und in der Renaissance oft auch auf Andachts- und Wallfahrtsbildern zu sehen ist. Diese Bilder sind seit dem 14. Jh. in deutschen Frauenklöstern in Anlehnung an das Hohelied 7, 3: „Dein Leib ist ein Weizenhügel, mit Lilien umstellt“ entstanden und wurden zum Sinnbild des Lebens sowie der Bitte um Erntesegen.

Lit.: Biedermann, Hans: Knaurs Lexikon der Symbole. Augsburg: Weltbild-Verl., 2000.

Ährenschnitt > Bilwis.

Ältere Brüder. Von Rudolf > Steiner eingeführter Begriff zur Bezeichnung der sog. Meister der > Theosophie. Der Ausdruck ist gleichbedeutend mit > Adept, Meister, Rishi oder Weiser und wurde auch von Max > Heindel und von > AMORC übernommen. In der Theosophischen Gesellschaft Deutschlands bezeichnet man mit > Jüngere Brüder die Tiere.

Äolsharfe, auch „Windharfe“ oder „Geisterharfe“, benannt nach dem Gott > Äolus, war schon im Altertum bekannt. Laut Talmud soll König David bei Nacht neben dem Bett seine Harfe aufgehängt haben, die um Mitternacht, wenn der Nordwind aufkam, zu tönen begann. Ebenso gab die Harfe des hl. Dunstan OSB (909 – 988), Erzbischof von Canterbury, eine wohlklingende Antiphon von sich, wenn er sie an der Mauer seiner Zelle aufhängte. Die Ä. wurde dann von Athanasius > Kircher wiederentdeckt. Er versteckte das von ihm gebaute Instrument in einem Schrank und schlug in die Mauer dahinter ein Loch. Kamen Besucher, öffnete er den Schrank, und ein ätherisch-geisterhafter Klang durchströmte zum Erstaunen der Gäste das Haus. Selbst in die Literatur (E. T. A. Hoffmann, Eduard Mörike) fand die Ä. Eingang.
1999 erbaute der Musiker Rüdiger Oppermann auf der Schlossruine Hohenbaden in Baden-Baden eine riesige Windharfe mit 120 Seiten und über 4 m Höhe.

Lit.: Hammerstein, Reinhold: Macht und Klang: tönende Automaten als Realität u. Fiktion in der alten und mittelalterlichen Welt. Bern: Francke, 1986.

Äolus (griech. auch aiolos), Gott und König der Winde. Ä. hält in den Höhlen von Liparos, nördlich von Sizilien, die vier Winde gefangen und lässt sie auf Anweisung der höheren Götter als leichte Brise, Böen oder Sturm entweichen. Dem > Odysseus gab er bei seinem Besuch auf der Insel einen Schlauch mit Winden, die ihn nach Ithaca bringen sollten. Als Odysseus einschlief, öffneten seine Männer neugierig den Schlauch, die Winde entwichen und trieben das Schiff auf die Insel zurück.

Lit.: Vergilius Maro, Publius: Aeneis. Übers. von Gerhard Fink. Düsseldorf: Artemis und Winkler, 2007.

Äon (griech., lat. aevum). Weltalter, beständige Dauer, Weltperiode, Zeitalter. Das Wort Ä. wurde ursprünglich im Griechischen in der poetischen Sprache zur Bezeichnung von Leben, Lebenszeit und Lebenskraft, vornehmlich im Hinblick auf Menschen und Götter, verwendet; die Bedeutung von Zeitalter findet sich nur gelegentlich. Doch schon bei Platon wird mit Ä. die „Lebenszeit“ des intelligiblen Wesens, nämlich die in sich selbst ruhende, überzeitliche Ewigkeit bezeichnet (Timaios 37 d). Bei ihm findet sich zum ersten Mal auch das Adjektiv „äonisch“ (aionios). Aristoteles bezeichnet mit Äon die unveränderliche Dauer der unvergänglichen Wesen wie etwa des Himmels (Met. 1072 b 29; De coelo 283 b ff.). Für Plotin ist der Ä. das Leben des Geistes, das keine Vergangenheit und keine Zukunft kennt, sondern in sich ein grenzenloses Ganzes bildet (Enn. III. 7, 5). In der Septuaginta wird mit Ä. eine fernste Zeit, sowohl der Vergangenheit wie der Zukunft, gekennzeichnet, wodurch Ä. auch die Bedeutung von Ewigkeit erlangt (Jes 40, 28). Im NT kann Ä. über die rein zeitliche Bedeutung im AT hinaus in Kennzeichnung der Welt und der ihr eigenen Zeit auch die räumliche Dimension umfassen (1 Kor 10, 11; Hebr 1, 2; 11, 3). Zudem verwendet das NT, vor allem Paulus, das Ä. auch zur Unterscheidung zwischen dem durch Schöpfung und Gericht begrenzten Ä. der Welt und dem zukünftigen Ä. des Reiches Gottes. Beide überschneiden sich, weil im Glaubenden als gegenwärtigem Ä. der zukünftige Ä. als pneumatische Wirklichkeit innewohnt (Gal 1, 4; Hebr 6, 6; Kor 1, 20). Die Scholastik gibt das aristotelische Verständnis von Äon als unveränderliche Dauer mit aevum wieder (Suarez, Disp. met. 50, sct. 6, 9), das zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit steht, da die eigentliche Ewigkeit nur Gott zukommt.
In der > Gnosis wird der Ä. personifiziert. Er gehört zu den obersten Wesenheiten, die zwischen Gott und der Welt stehen, kann aber auch die Gesamtheit dieser Wesenheiten und die Verbindung zwischen der geistigen und materiellen Welt, der Unendlichkeit und der Begrenztheit bezeichnen. Der Inbegriff der Äonen ist das > Pleroma. Aus dem ursprünglich vollkommenen Äon entspringen, vornehmlich paarweise, weitere niedere Äonen. Schließlich wurde das Paar, Christus und das heilige Pneuma, zur Befestigung und Sicherung des Pleroma hervorgebracht, um Harmonie in die Welt der Äonen zu bringen (Ptolomaios).
In der deutschen Sprache wird das Wort Ä. im 19. Jh. durch Goethe und die Romantik eingeführt. In der Philosophie findet sich der Begriff bei Schelling und bei Hedwig Conrad-Martius, die den platonischen und aristotelischen Begriff des Äon in ihre Theorie der Zeit einbaut, von wo er Eingang in die „Einheitliche Beschreibung der Materiellen Welt“ von Burkhard Heim fand (Heim 2, 68).
Paranormologisch sind die magischen Vorstellungen zu nennen, die besonders von Aleister > Crowley betont wurden, nämlich dass Äonen charakteristische Grundmuster mythischer, zeremonieller Kulte seien: Isis-Zeitalter (Verehrung der Mondgöttinnen) Osiris-Zeitalter (Verehrung von Sonnengöttern), Horus-Zeitalter (Verehrung des magischen Kindes, das als > Androgyn das Männliche und Weibliche in sich vereint), Zeitalter der Fische (Intellekt und Christentum), Wassermannzeitalter (Erleuchtung, Aufhebung der Gegensätze und Androgynität), das in seiner magisch-kosmischen Mächtigkeit als Äon die Zukunft prägen soll.

Lit.: Leisegang, Hans: Die Gnosis. Stuttgart: Kröner, 41955; Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1971; Bochinger, Christoph: New Age und moderne Religion. Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verlagshaus, 1994; Resch, Andreas: Die Welt der Weltbilder. Innsbruck: Resch, 1994; Heim, Burkhard: Elementarstrukturen der Materie 2. Innsbruck: Resch, 21996.

Äpfel der Iduna, Früchte im Besitz der > Iduna, der germanischen Göttin der Jugend und der Fruchtbarkeit, die den > Asen, zu denen Iduna gehört, ewige Jugend schenkt. Die Äpfel wurden von ihrer Dienerin Fylla aufbewahrt. „Wenn die Götter altern, so müssen die Äpfel der Iduna gegessen werden, dann werden sie wieder jung und sie werden es bis zum Untergang der Götter bleiben“ (Edda, Gylsis Verblendung). Der > Apfel ist kein zufällig gewähltes Symbol, sondern spielt in der Mythologie aller Völker eine besondere Rolle.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg / Br.; Basel; Wien: Herder, 2002.

Äquatortaufe oder Linientaufe (engl. baptism of the line), weltweit übliches Ritual von Seeleuten, wenn ein Besatzungsmitglied oder ein Passagier zum ersten Mal den Äquator überquert. Der Täufling wird dabei von (einem verkleideten) > Neptun gereinigt, erhält einen see- oder wetterbezogenen Scherznamen und eine Urkunde. Um 1557 segelte Jean de Léry von Frankreich nach Brasilien und berichtete von der Überquerung des Äquators: „Als wir den Gürtel der ganzen Welt überfuhren, haben die Schiffsleute mit großer Festlichkeit ihren Brauch gepflegt. Sie banden diejenigen, die zuvor diese Linie noch nicht überquert hatten, an ein Seil und warfen sie vom Schiff ins Wasser, wo die Taufe erfolgte.“ Wegen der vielen Unfälle wurde die Taufe in dieser Form offiziell verboten. Die Zeremonie findet heute an Deck eines Schiffes statt. Es handelt sich dabei um eine Art Initiationsritual, jedoch nicht im religiösen Sinn. In der Berufsschifffahrt ist die Ä. nur noch selten anzutreffen. Das Ritual, das auch sehr ausgiebig gestaltet werden kann, hat heute lediglich Unterhaltungscharakter.

Lit.: Léry, Jean de: Brasilianisches Tagebuch 1557. Tübingen: Erdmann, 1967; ders.: Histoire d’un voyage fait en la terre du Brésil (1578). Genève: Droz, 1975.

Äquidistanter Punkt. Als Ä. wird in der > Astrologie ein unbesetzter, nicht aspektierter Grad des > Horoskops bezeichnet, der sich zwischen zwei anderen Planeten und in gleicher Distanz zu ihnen befindet.

Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1988.

Äquinoktium (lat. aequus, gleich; nox, Nacht). Tagundnachtgleiche, also die Tage des Jahres, an denen Tag und Nacht jeweils 12 Stunden dauern, was am Frühlings- und Herbstanfang der Fall ist. An diesen Tagen durchschneidet die Erdbahn oder Ekliptik den Äquator in den sog. Äquinoktialpunkten. Diese Tage haben seit alters her eine große magische und religiöse Bedeutung, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie in vielen Kulturen und Organisationen Tage großer > Äquinox-Feste waren und sind, wie z. B. bei den > Rosenkreuzern und in vielen Volksbräuchen.
> Equinox (1909 – 1914) hieß ferner die Zeitschrift von Aleister > Crowley.

Lit.: Katalog von 3356 schwachen Sternen für das Äquinoktium 1950. Hamburg-Bergedorf: Verl. d. Sternwarte, 1955; Delany, Samuel R.: Äquinoktium. Bellheim: Ed. Phantasia, 1997.

Äquinox-Feste, Feiern zur Tag- und Nachtgleiche. Bei manchen Organisationen (z. B. O.T. O., Rosenkreuzer) ist das > Äquinoktium ein besonderer Festtag. Die gleiche Länge von Tag und Nacht ist als Ausgleich von Sonne und Dunkelheit Symbol des Machtstillstandes und damit der offenen Rezeptivität sowohl für die Impulse der Leben spendenden Sonne als auch für die Lebenskraft der Erde. Im Frühjahr werden daher die verschiedensten Feste zur Weckung und Stärkung der Fruchtbarkeit gefeiert, im Herbst führen die eingesammelten Früchte zu allerlei Formen von Dankfesten.
Diesen Festen liegt auch, wie Martinez > de Pasqualis hervorhebt, der Gedanke zugrunde, dass gerade die Tag- und Nachtgleiche besonders günstig für bestimmte Rituale sei. So wird z. B. beim Ritual ein Band gewoben, in das die Wünsche der Festversammlung eingeflochten werden. Die Hexen erneuern zum Fest ihre „Gelübde“, um den Eid zu bekräftigen, der anlässlich der Initiation geschworen wurde. Im Herbst ist dies auch der Tag, an dem die Hexenbesen hergestellt werden.
In der rein profanen Gesellschaft sind die Äquinox-Feste zu Unterhaltungsfesten verkommen, die rein vom Konsum gesteuert werden.

Lit.: Martinésisme, Willermosisme, Martinisme et Franc-Maconnerie: avec un résumé de l‘histoire de la franc-maçonnerie en France, de sa création à nos jours et une analyse nouvelle de tous les grades de l‘écossisme … / Encausse, Gérard (1865 –1916), Chamuel, 1899; Martines de Pasqually; (suivis) des Catéchismes des élus coens; (augmenté de) Martinésisme, willermosisme, martinisme et franc-maçonnerie / Encausse, Gérard (1865 – 1916). Demeter, 1986; Papus: Die Grundlagen der okkulten Wissenschaft. Sinzheim: AAGW, 1997.

Ärztebüro > Lourdes.

Äsche (lat. thymallus). Schon in frühen Jahrhunderten wurde das Schmalz der Äsche, einer bis zu 50 cm langen Lachsart in Gebirgsbächen, zur Heilung von Augen- und anderen Krankheiten empfohlen (Mangolt, 146).
> Hildegard von Bingen spricht im Abschnitt „De Ascha“ von einem Heilmittel: „Die Äsche besteht mehr aus kalter als aus warmer Luft, liebt den Tag und hält sich gern in mittlerer Wassertiefe auf, auf Steinen ruht sie gern. Sie ernährt sich von Körnern und Kräutern, deshalb ist auch ihr Fleisch gesund und Gesunden und Kranken bekömmlich. Als Heilmittel taugt bloß die Galle, und zwar verdünnt mit einem Tropfen reinen Wassers gegen Gerstenkörner im Auge, ‚wisza in oculo‘ “ (Hildegard von Bingen, 98).
In Tirol und anderen Gebieten wurde die Salbe außer beim „Fehlen“ in den Augen auch gegen Gicht angewandt (Jühling, 31). Das aus der Äsche gewonnene Öl mache sogar ein blindes Pferd gesund.

Lit.: Mangolt, Gregor: Fischbuch. Von der Natur und Eigenschafft der Fischen / insonderheit deren so gefangen werden im Bodensee. Zürich, 1557; Jühling, Johannes: Die Tiere in der deutschen Volksmedizin. Leipzig, 1900; Hildegard von Bingen: Naturkunde. Das Buch von dem innern Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe. Salzburg: Otto Müller, 41989.

Äskulap > Asklepios.

Äskulapstab > Asklepiosstab.

Äsop (griech. Aisopios, lat. Aesopus), griechischer Fabeldichter, der als Begründer der Tierfabel gilt, die in Form eines Gleichnisses praktische Ratschläge und moralische Unterweisungen gibt sowie politische Aussagen trifft. Ä. soll ein freigelassenen phrygischer Sklave aus Samos gewesen sein, der vermutlich von 620 bis 560 v. Chr. lebte. Der Überlieferung nach war er hässlich und verwachsen, aber klug und erfinderisch. Unter anderem soll er auch als „Rechtsanwalt“ gearbeitet und im Auftrag des lydischen Königs Kroisos in Delphi Geschenke verteilt haben. Die Delphier waren mit der Verteilung nicht einverstanden und stürzten ihn den Felsen hinab.
Seine Fabeln, die er aus mündlicher Überlieferung geschöpft haben will, sind nur in Überarbeitung jüngerer Autoren erhalten. Die älteste Sammlung ist die von Demetrius von Phaleron (um 350 bis um 307).

Lit.: Aesopus: Fabeln: griechisch-deutsch. Hrsg. und übers. von Rainer Nickel. Düsseldorf u. a.: Artemis & Winkler, 2005.

Ästhetik (griech. aisthesis, Wahrnehmung, Empfindung, Gefühl). Lehre von der sinnlichen Erkenntnis, bis A. G. Baumgarten 1750 seine lat. Abhandlung Aesthetica veröffentlichte, nachdem er den Begriff bereits 1735 in den Meditationes philosophiae de nonnullis ad poema pertinentibus vorgestellt hatte. 1742 wurde dann von ihm in Frankfurt a. O. erstmals Ä. als Vorlesung vorgetragen, was zur Veröffentlichung der Aesthetica führte. Der Begriff fand im Deutschen und in den Nachbarsprachen als Bezeichnung der Wissenschaft vom Schönen und der Kunst rasche Verbreitung und wurde sehr bald zum Modewort. So konnte Jean Paul 1804 sagen: „Von nichts wimmelt unsere Zeit so sehr als von Ästhetikern“ (Vorschule). Baumgarten entwickelte Ä. in Zusammenhang mit einer allgemeinen metaphysischen Lehre vom Schönen als Vollkommenheit der sinnlich wahrnehmbaren Welt und als Lehre der sinnlichen Erkenntnis. Heute wird Ä. im weitesten Sinne als Lehre des Schönen und der Kunst gebraucht. Dabei ist für die philosophische Ä. das relevanteste Problem die Frage nach der Beziehung zwischen dem Schönen und der Wahrheit. Theologisch erlangt die Ä. im Zusammenhang mit der Lehre von Gott eine besondere Stellung: Gott ist schön, handelt nach den Grundsätzen des Schönen, der Mensch erreicht seine wahre Schönheit als Abbild Gottes und die Natur im neuen Himmel und in der neuen Erde. Psychologisch versteht man unter Ä. das Bemühen, die allgemeinen und individuellen Ursachen des Gefallens und Missfallens zu klären. Als Begründer der psychologischen Ä. gilt G. Th. > Fechner, der der philos.-spekulativen Ä. von oben eine empirische Ä. von unten entgegenstellte. Damit ist auch die Ethik als Thema der Ä. angesprochen.
Paranormologisch ist Ä. die Lehre des Schönen als harmonikale Struktur in ganzheitlicher Erfahrung personalen Wohlempfindens des Selbst im ewigen Grund. In diese Richtung weist auch die Bezeichnung des Schönen als Glanz der Form, die das Wesen nicht vollständig enthüllt, den Menschen aber dem letzten unergründlichen Geheimnis entgegenführt (J. Maritain), oder als Hinweis auf Kunst als Möglichkeit, die Chiffren zu lesen, die uns die Transzendenz ahnen lassen. > Magie und > Esoterik greifen diesen Aspekt des Harmonikalen und Unergründlichen auf. Während die Magie durch magische Techniken das unergründlich Schöne einzufangen sucht, vermittelt es die Esoterik durch Heilslehren von Schönheit, Gesundheit und ewigem Frieden unter Verzicht auf Transzendenz.

Lit.: Baumgarten, Alexand. Gottlieb: Aesthetica. Traiecti as Viadrum: Christ. Kleyb, 1750; Maritain, Jacques: Creative Intuition in Art and Poetry. New York: Pantheon Books, 1953; Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1971; Fechner, Gustav Theodor: Vorschule der Ästhetik. 2 Bde. in e. Bd. Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1925 u. 1871. Hildesheim; New York: Olms, 1978; Tatarkiewicz, Wladyslaw: Geschichte der Ästhetik. 3 Bde. Basel: Schwabe, 1979 – 1987; Bochinger, Christoph: New Age und moderne Religion. Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verlagshaus, 1994.

Ästhetische Religiosität. Das von vorwiegend optimistischen Grundzügen getragene religiöse Erlebnis soll durch Betrachtung des Schönen und Erhabenen in Kunst und Natur ästhetische Beglückung als religiöse Seligkeit vermitteln. Dabei wird Religion als Welt des Schönen und der inneren Harmonie ohne Transzendenzverpflichtung zur innersubjektiven Selbstbeglückung ohne Verantwortung vor Gott oder dem Menschen, wie dies in Vorstellungen der > Esoterik, des > Neuen Zeitalters und religiösen Subkulturen der > Postmoderne gepflegt wird.

Lit.: Timm, Hermann: Das ästhetische Jahrzehnt. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1990; Bochinger, Christoph: New Age und moderne Religion. Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verlagshaus, 1994.

Äther (griech. aither). Höhere, reinere Luftschicht jenseits der Wolken, jenseits der gewöhnlichen Luft, dem aer. Im überirdischen Ä. wohnten nach der griechischen Mythologie die Götter. Zu ihnen können auch die vom Körper frei gewordenen Seelen emporsteigen, sofern sie von guten und gottesfürchtigen Menschen stammen (Rohde 1929, 223).
Nach orphischer Lehre ist der Ä. die Weltseele. Als Personifikation wird der Ä. zum Sohn des > Erebos und der > Nyx, also von Unterwelt und Nacht. Mit seiner Schwester > Hemera zeugte er Brotos, den Repräsentanten der Menschheit, nach anderer Quelle > Uranos, das Himmelsgewölbe. In einer weiteren mythologischen Variante ist Ä. der Sohn von Chaos und Caligo, ein Bruder von Nyx, Erebos und Dies. In dieser Fassung zeugt er mit seiner Schwester > Dies, die eine Personifikation des Tages darstellt, Himmel, Erde und Meer und schließlich mit seiner Tochter Erde auch viele schreckliche Personifikationen aller möglichen Leiden und Schwächen, darunter > Okeanos, > Tartarus, die > Titanen und die > Furien. Aus dem Paar > Erde und Ä. sind alle Dinge der Welt hervorgegangen, wobei die Erde den Mutterschoß bildet, aus dem der Ä. alles erzeugt. Der Ä. symbolisiert hier das aktive, geistige und beseelte Element (Rohde 1903, Bd. 2, 255 f.). Der Ä. wird auch als Vater der Wolken, des > Pan und des > Eros gesehen, und bisweilen wird er mit Uranos und ebenso mit der > Sonne identifiziert.
Nach philosophischen Darstellungen ist Ä. die > Quintessenz, die feinste Materie, die den Weltraum erfüllt, ein Element, das sich von den anderen vier unterscheidet, eine göttliche Kraft, ein Körper, der sich ohne Anfang und Ende bewegt (Aristoteles). Die Seelen seien von derselben Art. Synkretisten verstehen durch Verschmelzen der verschiedenen Anschauungen ihrer Vorgänger den Ä. als lichtartige, beseelte, himmlisch astrale, überirdische, feinste Materie. Nach den > Neuplatonikern, insbesondere Porphyrios und Proklos, bildet der Ä. die Körper der Dämonen und Engel. Er dient zudem als Vehikel der Seelen (ochema), die aus ihm als Umhüllung einen Leib nehmen, der zwischen ihnen und ihrem irdischen Leib vermittelt. > Origenes knüpft hier mit seiner Lehre über die Eigenschaften des wiederauferstandenen menschlichen Leibes an.
Diese Auffächerung der platonischen Auffassung von Ä. als „corpus spiritualis“ und der aristotelischen als „materia caeli“ pflanzt sich über das Mittelalter in die Neuzeit fort. So spricht > Agrippa von einem „spiritus mundi“. Ähnlich bestehen für > Paracelsus alle Wesen aus einem elementarischen, irdischen, sichtbaren und einem himmlischen, unsichtbaren Leib, der „spiritus“ genannt wird. Ähnliche Vorstellungen leben heute weiter in der Theosophie, im Rosenkreuzertum, bei den Vitalisten, den Spiritisten, in der Reinkarnationslehre und in der Esoterik.
In der Physik erhält der Ä. mit Newton die Bedeutung einer feinen Materie zur Klärung des Lichtes und der Schwerkraft. Mit der allgemeinen Relativitätstheorie (1916), die auf der experimentellen Ununterscheidbarkeit von Schwere und Beschleunigung sowie auf der speziellen Relativitätstheorie beruht, wurde an die Stelle des Ä. eine von der Verteilung stellarer Massen abhängige hypothetische Struktur von Raum und Zeit gesetzt.

Lit.: Origines: De Principiis III, 41; Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart, 1894 ff., Bd. 1 1894; Rohde, Erwin: Psyche. 2 Bde. Tübingen und Leipzig: J. C. B. Mohr, 31903; hg., ausgew. u. eingel. von Hans Eckstein. Leipzig: Alfred Kröner, 1929; Whittaker, Edmund Taylor: A History of the Theories of Aether and Electricity From the Age of Descartes to the Close of the Nineteenth Century. Los Angeles: Tomash Publishers, 1987; Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1. Stuttgart: Verlag J. B. Metzler, 1995.

Ätherialisation. Materialisation feinstofflicher Art; Vorstufe der > Materialisation, die fotografisch dokumentiert und von Hellsichtigen wahrgenommen werden könne.

Lit.: Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Ätherisch (griech. aithérion). Aus > Äther bestehend, abgeleitet von dem Wort Äther (griech. aithér). Parmenides spricht vom „ätherischen Feuer“, griech. aithérion pûr (Simpl. ad Phys. 9, 38). Auch in der > Alchemie wird „ein besonders fein glühendes Feuer“ als ätherisch bezeichnet.

Lit.: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Berlin: Mittler, 1927; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972.

Ätherische Kräfte > Bildekräfte.

Ätherische Öle. Aromatische Pflanzenwirkstoffe, die seit dem Altertum für Räucherungen und als Parfum verwendet werden. Der Duft der Pflanzen sollte per fumum, d. h. durch den Rauch, in die himmlischen Sphären zu den Göttern aufsteigen und eine Verbindung herstellen. Auch als > Aphrodisiaka wurden und werden einige Duftöle benutzt, so etwa das Öl der > Nachthyazinthe. Wenn die ursprüngliche Anwendung von Duftstoffen mehr im heiligen als im profanen Bereich lag, so ist es heute eher umgekehrt. Moderne Ärzte und Heiler wissen um die Wirkung der aromatischen Öle auf das Riechhirn, den ältesten Teil des menschlichen Gehirns, und setzen die Essenzen zweckmäßig zur Förderung der Gesundheit von Körper und Seele ein. Ä. Ö. können auf das vegetative Nervensystem und auf das Gedächtnis einwirken, Erinnerungen wachrufen, die Kreativität fördern, das erotische Leben sowie Sympathie und Antipathie steuern und schließlich ganz erheblich das Wohlbefinden steigern oder umgekehrt auch Unbehagen erzeugen (Fischer-Rizzi, 29 – 32).
Es gibt Zeugnisse dafür, dass die Gewinnung der aromatischen Öle schon rund 5000 Jahre alt ist, so etwa ein Destilliergerät aus Mesopotamien. Ä. Ö. werden auch heute noch durch Wasserdampfdestillation gewonnen, aber außerdem durch Kaltpressung, Enfleurage, durch chemische Lösungsmittel, Resinoid-Herstellung oder durch Extraktion mittels Kohlendioxyd (Fischer-Rizzi, 19 – 22).
Die chemischen Substanzen der duftenden Essenzen sind komplexe Mischungen von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen, Ketonen, Säuren, Estern, Äthern, Aldehyden sowie Schwefelverbindungen. Einige Bestandteile der Öle von ganz unterschiedlichen Pflanzen, wie etwa > Eugenol, > Myristicin, > Safrol, > Thujon und das > Ud-Öl, haben eindeutig psychoaktive Wirkungen (Rätsch, 816 f.).
Entscheidend für den Heileffekt beim Einsatz der Ä. Ö. in der > Aromatherapie ist deren Echtheit und Reinheit. Seit den dreißiger Jahren des 20. Jhs. kamen die synthetischen Duftstoffe in Mode, und die Qualitätsansprüche an ein gutes ätherisches Öl gingen verloren. Die kostbaren echten Öle haben wie Weine gute und schlechte Jahre und schwanken nicht nur in ihrer chemischen Zusammensetzung, sondern ebenso in ihrem Aroma und ihrer Wirkung.
Heute werden Ä. Ö. und Aromatherapie in zunehmendem Maße anerkannt. > Aroma-Pflanzen.

Lit.: Gatti, G. / Cayola, R.: L’azione delle essenze sul sistema nervoso. In: Revista Italiana delle Essenze e Profumi, 1923; Maury, Marguerite: The Secret of Life and Youth. London, 1964; Rovesti, Paolo: Alla ricerca di profumi perduti. Venezia, 1980; Valnet, Jean: Aromathérapie. Traitement des maledies par les essences des plantes. 10. verb. u. erw. Aufl. Paris: Le Livre de Poche, 1985; Fischer-Rizzi, Susanne: Himmlische Düfte. München: Hugendubel, 21989; Faure, Paul: Magie der Düfte. Eine Kulturgeschichte der Wohlgerüche. Von den Pharaonen zu den Römern. München und Zürich: Artemis, 1990; Trott-Tschepe, Jürgen: Mensch und Duft im Elementen-Kreis. Feuer, Wasser, Luft und Erde in der Psycho-Aromatherapie. Leer, Ostfriesland: Verlag Grundlagen und Praxis, 1993; Gattefossé, René-Maurice: Gattefossés Aromatherapie: der Klassiker der Aromatherapie. Aarau, CH: AT-Verlag, 1994; Rätsch, Christian: Heilkräuter der Antike in Ägypten, Griechenland und Rom. Mythologie und Anwendung einst und heute. München: Eugen Diederichs, 1995; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Ätherischer Christus. 1909 sprach Rudolf > Steiner erstmals von der Parusie des ätherischen Christus. Für ihn war Christus der Wendepunkt der Menschheitsgeschichte, auf den alle vorhergehenden Religionen nur hingewiesen hatten. Demzufolge konnte eine physische Reinkarnation Christi nicht möglich sein, denn „nur einmal konnte dieser Impuls gegeben werden, den der Christus gab“ (Geistige Führung, 84).
Für die Theosophen, deren Generalsekretär Steiner war, ist Christus jedoch nur einer der vielen Weltenführer, der der Menschheit auf dem Weg der Einheit weiterhalf. Als daher, ebenfalls 1909, Annie > Besant > Krishnamurti als reinkarnierten Christus proklamierte, konnte Steiner dies nicht akzeptieren und wurde 1913 von ihr aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen.

Lit.: Steiner, Rudolf: Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit: Geisteswissenschaftl. Ergebnisse über d. Menschheits-Entwicklung. Dornach: Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung, 1963; Steiner, Rudolf: Der Christus-Impuls und die Entwicklung des Ich-Bewusstseins. 7 Vorträge, gehalten in Berlin zwischen d. 25. Oktober 1909 u. 8. Mai 1910. [Nach e. vom Vortragenden nicht durchges. Nachschr. hrsg. von der Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung]. Dornach / Schweiz: Rudolf-Steiner-Verlag, 1982.

Ätherischer Körper > Ätherleib.

Ätherisches Doppel. Bezeichnung des > Ätherleibs als > Doppelgänger. Nach der > Theosophie geht das Ä. D. auf die Hinduphilosophie zurück und bezeichnet den unsichtbaren Teil des normalen, physischen Körpers, den es durchdringt und etwas überragt, wodurch es mit anderen feinstofflichen Körpern die > Aura bildet. Nach anderen Vorstellungen ist das Ä. D. das Energiefeld, das die drei Körper des Menschen, den grobstofflichen, psychischen, physischen und noetischen, am Leben erhält und miteinander verbindet. Jedes Teilchen im menschlichen Körper hat eine Entsprechung im ätherischen Doppel, auch Lebenskörper oder > Astralkörper genannt.

Lit.: Menninger-Lerchenthal, E.: Der eigene Doppelgänger. Bern: Hans Huber, 1946; Tischner, Rudolf: Ergebnisse okkulter Forschung: eine Einführung in die Parapsychologie. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1950.

Ätherisches Sehen. Optisches Wahrnehmen des > Ätherischen Doppels, „Lesen“ im Weltäther ( > Weltgedächtnis, > Akasha-Chronik) und Erfahrung durch das Medium eines > Ätherleibes. Im > Lectorium Rosicrucianum wird es synonym für > Hellsehen gebraucht. Nach Rudolf > Steiner tritt der Mensch mit 30 Jahren in eine Lebensphase, in der es zum Äthersehen kommen kann.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Steiner, Rudolf: Mein Lebensgang. Dornach /Schweiz: Rudolf-Steiner-Verl, 1983, S. 272; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes. Detroit: Gale Research Inc., 31991.

Ätherkörper > Ätherleib.

Ätherleib, auch > Ätherisches Doppel oder Ätherkörper genannt, engl. etherical body oder etherical double; ätherisches Gegenstück zum physischen Körper, das sich bisweilen von diesem loslösen kann. Der Begriff des Ätherleibes wurde und wird oft synonym mit > Astralleib gebraucht, so etwa von > Du Prel. Auch Begriffe wie > Äther, > Äther-Region und > Astralwelt sind von diesen Verwischungen betroffen. Allgemein gebräuchlicher sind heute Bezeichnungen mit „astral“. Oft deckt sich Ä. auch mit dem Begriff > Doppelgänger, wenngleich sich beide phänomenologisch unterscheiden. So kennt Daumer ein Doppel-Ich, Du Prel ein tranzendentales Subjekt, Myers ein subliminales Ich, > Richet ein Reserve-Ich. > Tischner hält es für verfrüht, von einem Doppel-Ich auszugehen (Tischner, 52) und begründet seine Skepsis mit dem Verweis auf die mehrfachen Persönlichkeiten der Frau Beauchamp (Tischner, 52). Der Ä. wird auch als eine Strahlenhülle um den irdischen Körper beschrieben, die diesen mit dem > Astralleib verbindet (PNW 57, S. 14). Nach spritistischen Lehren ist er „die als Körper sichtbare Zwischenstufe von Leib und Seele“ (Sahihi, 41), er ist Kraftleib, Bildekräfteleib (> Steiner), Träger des > Od-Magnetismus (> Reichenbach), Träger der Lebenskraft und > Chakras, Vitalseele, Eidolon, Linga Sharira (Miers). Die meisten esoterischen Lehren unterscheiden zwei Körper, den physischen und den ätherischen bzw. astralen.
In der > Theosophie und > Anthroposophie wird der Ä. vom Astralleib unterschieden und bezeichnet im Anschluss an die hinduistische Philosophie den feinstofflichen Energiekörper der Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien. Der Mensch wird demnach vom Strom der Weltenergie, > Prana, durchdrungen (Roberts, 65). Im Ä. befinden sich Energiezentren, die > Chakren. Nach der Anthroposophie wird der Körper viergliedrig gestaltet: der „Stoffleib“ ist die materielle Grundlage, der Ä. stellt den „Bildekräfteleib“, „Lebensleib“ bzw. den „elementarischen Leib“ dar, der die gesamte Lebensorganisation wie Wachstum, Regeneration, Ernährung, Gedächtnis und Denken umfasst – ohne ihn wäre der physische Leib nicht lebensfähig –, der Astralleib oder „Seelenleib“ gilt als der Träger der unbewussten Empfindungsfähigkeit einschließlich der Reflexe, und der „Ich-Leib“ ist der Anteil, durch den sich die geistige Individualität bis in die stoffliche Natur des Leibes mitteilt. Alle 4 Leibesglieder entsprechen den vier Elementen > Erde, > Wasser, > Luft und > Feuer. Es wird davon ausgegangen, dass eine Unausgewogenheit der Leibesanteile Krankheit bedeutet. Demgemäß haben organische Erkrankungen ihre Ursache im Seelenleib und andersherum Seelen- und Gemütskrankheiten in organischen Schäden (Pschyrembel, S. 185 f.). Der Ä. spielt auch an sich selbst, als Chakren-Träger, eine wichtige Rolle in gesundheitlicher Hinsicht: Die Energien müssen ungestört fließen, und Stauungen in den Chakren gelten als Ursachen vieler Krankheiten. Auch von philippinischen Heilern werden Behandlungen an der > Aura bzw. am feinstofflichen Körper des Menschen durchgeführt.
Manche Okkultisten vermuten im Ä. die unsterbliche Seele. Allen, die sich über ihn äußern, gilt er als konstant und unveränderlich während der Lebenszeit, doch nicht für alle ist er deshalb auch ewig. Nach Zahlner löst sich der Ä. nach dem Tod auf.
Die potentielle Sichtbarkeit des normalerweise unsichtbaren Körpers ist umstritten. Sensitive sehen ihn etwa als rötlichblaue Farbe, beispielsweise in der Nähe von Gräbern (Zahlner). Dora van Gelder-Kunz sieht strahlende, den Körper umgebende Energien, die sie als Ä. versteht. Der Ä. wird bisweilen auch als rötlichblaue Lichtform wahrgenommen, „als ein Schemen, der glänzt und leuchtet und in der Farbe der jungen Pfirsichblüte ähnelt“ (Miers). Nach alter, okkultistischer Auffassung spiegelt die physische Gestalt des Menschen den feinstofflichen Körper wieder, und der Ä. liegt sozusagen „auf halbem Wege zwischen physischer und astraler Form“ (Drury, 57). > Spiritualer Körper, > Außerkörperliche Erfahrung, > Bilokation.

Lit.: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Berlin: Mittler, 1927; Tischner, Rudolf: Ergebnisse okkulter Forschung. Eine Einführung in die Parapsychologie. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1950; Fodor, Nandor: Encyclopaedia of Psychic Science. University Books, Inc., 1966; Monroe, Robert A.: Journeys Out of the Body. Garden City: N. Y.: Doubleday, 1971; Monroe, Robert A.: Der Mann mit den zwei Leben. Reisen außerhalb des Körpers. Düsseldorf; Wien, 1972; Zahlner, Ferdinand: Kleines Lexikon der Paranormologie. Hg. v. A. Resch. Abensberg: Josef Kral, 1972; Aivanhov, Omraam Mikhael: Geheimnis Mensch. Seine feinstofflichen Körper und Zentren. Fréjus, Cedex (France): ProsvetaVerlag, Reihe Izvor, Bd. 219; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete, Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Frei, Gebhard: Probleme der Parapsychologie. Innsbruck: Resch, 1985 (Imago Mundi; 2); Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Kunz, Dora: The Personal Aura: the Emotional Field. Quest Books, 1991; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1993; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. In Two Volumes, Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Roberts, Mark: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995; Pschyrembel. Wörterbuch der Naturheilkunde und alternativen Heilverfahren. Berlin: Walter de Gruyter, 1996.

Ätherprojektion. Willentliche oder auch spontane Herauslösung des > Ätherleibes aus dem physischen Körper. Der Ätherleib kann bei einer Ä. mitunter als weißliches, nebelartiges Gebilde wahrgenommen werden, was ihn in die Nähe von > Gespenst und > Geistererscheinung bringt. Ä. und > Astralprojektion werden wie > Ätherkörper und > Astralkörper häufig synonym gebraucht, wobei heute der Begriff „Astralprojektion“ der geläufigere ist.

Lit.: Durville, H.: Der Fluidalkörper des lebenden Menschen. Leipzig: Joh. Wiedenmann, o. J.

Äther-Region. Nach Max > Heindel jener Bereich der physischen Welt, der über die Erdatmosphäre hinausreicht. Die Ä.-R. ist feinstofflich, technisch nicht messbar, kann jedoch von Sensitiven wie normale Gegenstände wahrgenommen werden. Sie verleiht den Mineralien, Pflanzen und dem tierischen wie menschlichen Körper die Vitalkraft und dient als Träger der menschlichen Gedanken auf das menschliche Gehirn. > Ätherleib.

Lit.: Heindel, Max: The Rosicrucian Cosmo-Conception or Mystic Christianity. London: L. N. Fowler & Co. Ltd., 261971, S. 34 – 38; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1993.

Äthiopien (griech. aithiopia, „verbrannte Gesichter“) war in der klassischen Antike der Name für Afrika südlich von Ägypten, z. T. für ganz Ostafrika, und ist jetzt die Bezeichnung des Reiches, das im Altertum im Gebiet des heutigen Eritrea und Tigre entstand und auch Abessinien (aus dem arab. al-Habašah) genannt wird. Aufgrund der geographischen Lage an der Seehandelsstrasse zwischen Ägypten und Indien war die Prägung durch afrikanische Elemente erstaunlich gering. Hingegen gab es einen starken arabischen und insbesondere griechischen Einfluss, während über die Religion der Agaw, der ehemaligen Bewohner des Landes, wenig bekannt ist.
Heute hat das Land ein Fläche von 1,1 Mio. km2 und zählt 66 Millionen Einwohner mit insgesamt 70 Sprachen, darunter Oromiffa, Amharisch und Englisch.
An Religionen finden sich in Ä. Autochthones, Christentum, Islam und Judentum. Die Religion der Ureinwohner besteht in der Hauptsache im Ahnenkult und in der Verehrung eines unbekannten „großen Geistes“, der den Regen spendet. Die Galla kennen einen Himmelsgott Waq, daneben gute und böse Geister, auch heilige Tiere, wie Hyäne, Schlange, Krokodil und Eule.
Die Bekenner des Judentums sind die so genannten Falascha mit Schriften in Geez. Das Christentum fand im 4. Jh. durch die Mission der möglicherweise aus Syrien stammenden Brüder
Frumentius und Aedesius Eingang. Um 500 wirkten die „9 Heiligen“, die angeblich das äthiopische Christentum dem > Monophysitismus zuführten. Im Laufe der Jahrhunderte verfiel die äthiopische Kirche mehr und mehr durch christologische Streitigkeiten. Sie stand in einem losen historischen Abhängigkeitsverhältnis zur > koptischen Kirche Ägyptens, entwickelte sich dann 1951 zu einer „autokephalen Kirche“ und hat sich seit 1959 mit dem Patriarchen „Katholikos“ an der Spitze verselbständigt. Eine große Rolle spielen die Klöster als religiöse Zentren. Der seit dem 8. Jahrhundert eingedrungene Islam macht in neuerer Zeit vor allem im äthiopischen Heidentum Fortschritte.
Dank der relativen Isolierung Ä. konnten sich religiöse Anschauungen aus römischer und byzantinischer Zeit bis zur Neuzeit halten.

Lit.: Heyer, Friedrich: Die Kirche Äthiopiens: Eine Bestandsaufnahme. Berlin: de Gruyter, 1971; Bartnicki, Andrzej: Geschichte Äthiopiens: von d. Anfängen bis zur Gegenwart; in 2 Teilen. In dt. Sprache hg. von Renate Richter. [Aus d. Poln. übers. von Waldemar Hein]. Berlin: Akademie-Verlag, o. J.

Äthiopisches Henochbuch. Das Ä. H. (es gibt auch noch ein Slawisches und ein Hebräisches Henochbuch) gehört zu den sog. > Apokryphen, den „geheimen“ Schriften, die nicht in den Bibelkanon gelangten, aber dem Titel bzw. der angeblichen Herkunft nach (atl. oder ntl.) dahin zu gehören beanspruchen. Der vollständige Text liegt in klassischem Äthiopisch vor und ist um 500 auf der Grundlage einer griechischen Fassung entstanden. Das Buch besteht aus fünf verschiedenen Schriften unterschiedlicher Entstehungszeit: Das Buch von den Wächtern (Kap. 6 – 36), das Buch von den Bilderreden (Kap. 37 – 71), das Astronomische Buch (Kap. 72 – 82), das Buch der Traumgesichte (Kap. 83 – 90) und der Brief Henochs (Kap. 91 – 105). Den Büchern ist eine Einleitung vorangestellt und am Ende folgen zwei Anhänge. In der koptischen Kirche hat das Ä. H. kanonische Geltung und wurde in neuerer Zeit in das Amharische übersetzt.
Aus paranormologischer Sicht interessieren die Beschreibung der Engel und der Gottesschau im ersten Buch, die „zweite Vision Henochs“ im zweiten Buch sowie die Beschreibung eines von den Mondphasen abhängigen Kalenders von 364 Tagen im dritten Buch. Das > Traumbuch, das aus zwei Visionsschilderungen besteht, bringt in der zweiten, der sog. Tierapokalypse mit Darstellung der Menschen unter Tiersymbolen, die Geschichte der Menschheit von Adam bis zu den Makkabäern. Im Brief liest Henoch schließlich die Geschichte, wie sie auf den „himmlischen Tafeln“ aufgezeichnet ist.

Lit.: Das Buch Henoch / übers. und erklärt von Dr. A. Dillmann. Leipzig, 1853; Rau, Eckhard: Kosmologie, Eschatologie und die Lehrautorität Henochs. Hamburg, Univ., Fachbereich Evang. Theologie, Diss. 1970; Theologische Realenzyklopädie. Bd. 3. Berlin: Walter de Gruyter, 1993, S. 42 – 54.

Ätiologie (griech. aitiología), die Lehre von Ursache, Grund, Ursprung; bezeichnet im weitesten Sinn die methodische Frage nach dem Warum eines Seienden. Der Grund einer Gegebenheit im engeren Sinn kann ganz einfach in einem früheren Geschehen liegen. So lautet z. B. die Antwort auf die Frage, warum der Sabbat als Ruhetag gefeiert wird: weil Gott nach dem Sechstagewerk der Schöpfung das Bedürfnis hatte, zu ruhen (Gn 2, 2 f.). Ä. spielt auch bei der Frage nach dem jetzigen Zustand der Menschheit (Erbsünde) und dem Ursprung von Welt und Mensch (Schöpfung) eine entscheidende Rolle.
Unzählige > Mythen, > Sagen, > magische Praktiken, > Zauberformeln und > Heilungsrituale bekommen durch die Ä. ihre Bedeutung und Wirksamkeit.
Die ältesten ätiologischen Aussagen beziehen sich auf Besonderheiten der Natur, Naturerscheinungen und die Macht des Guten und Bösen. Einen eigenen Raum nehmen die ätiologischen Aussagen über den Ursprung von > Kultstätten, > Orten der Kraft, > Heilquellen, Ursachen von > Unglück und > Krankheit ein. So werden im > Ayurveda vier Ursachen von Krankheit genannt: grobstoffliche Einflüsse, Einflüsse durch die Zeit, krankmachende Sinneswahrnehmungen und mentale Aktivitäten. In der Medizin ist der Begriff Ä. zum Grundbegriff der Krankheitsentstehung geworden.

Lit.: Buess, Eduard: Die Geschichte des mythischen Erkennens: Wider sein Missverständnis in d. „Entmythologisierung“. München: Kaiser, 1953; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987; Dohmen, Christoph: Ätiologie. Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1. Freiburg i. Br.: Herder, 31993; Golowin, Sergius: Die großen Mythen der Menschheit. Freiburg: Herder, 1998.

Ätiologische Sagen, Erklärungen außergewöhnlicher Inhalte und Ereignisse unter Zuhilfenahme mythologischer Deutungen von Götter-, Dämonen- und Heldentaten sowie magischer Gestalten und Märchenfiguren, um das Ganze verständlich zu machen und zugleich Ehrfurcht vor der Tradition zu vermitteln.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 2002.

Ätna (griech. Aitne; lat. Aetna), mit etwa 3.330 bis 3.340 Metern der höchste aktive Vulkan Europas. Er liegt im Nordosten der süditalienischen Insel Sizilien, rund 25 km nordwestlich der Stadt Catania.
Wegen seiner häufigen Ausbrüche – sein erster Ausbruch ist historisch für 1226 v. Chr. belegt, sein letzter erfolgte am 13. September 2004 – unterliegt er ständigen Veränderungen.
Nach antiker Überlieferung soll der Ä. nach der Tochter des > Uranos und der > Gaia benannt worden sein. Nach einer anderen Version ist Ä. jedoch die Tochter des hundertarmigen Aegaeon, die von > Ceres und > Vulcanus beim Streit um den Besitz der Insel zur Schiedsrichterin erwählt wurde.
Unter dem Berg lag der Gigant > Typhon begraben. Er trat der Sage nach am thrakischen Berg Haimon > Zeus entgegen. Dieser jagte Typhon nach Süden zum Meer vor Italien, packte eine Insel und schleuderte sie über ihn. Die Insel wurde später an ihrer neuen Stelle unter dem Namen Sizilien bekannt und Typhons Feueratem wurde zum Ätna, denn er war unsterblich und kein Tod konnte ihn erlösen. Wenn Typhon sich regt, kommt es auf Sizilien zu Erdbeben. Sein Schnauben äußert sich als Austritt von Rauch und sein gespieenes Feuer dient, einer jüngeren Sage zufolge, dem unter dem Berg hausenden > Hephaistos und seinen Gehilfen, den > Kyklopen, als Esse zum Schmieden der Donnerkeile für Zeus.
Ferner wird berichtet, dass in der Gegend um den Ä. der Zeus Aitnios herrschte. Im 5. Jh. v. Chr. produzierte ein unbekannter Künstler ein Meisterwerk: die Aetna Tetradrachme, von der ein einziges Exemplar mit dem Bild des Zeus Aitnios und eines > Silenos gefunden wurde. Die Fähigkeit des Künstlers, der gute Zustand und die Geschichte, die diese Münze darstellt, machen sie zur teuersten und wertvollsten der Welt.
Im MA erscheint der Ä. in der Artussage als Paradies, als Ort der > Bergentrückung des Königs > Artus. In den weitaus meisten Zeugnissen aber, vielleicht nach antiker Mythologie, ist der Ä. der Eingang zur Hölle bzw. erscheint als Aufenthalt der Abgeschiedenen in höllischer Natur.

Lit.: Bräuner, Johann Jacob: D. Johann Jacob Bräuners Physicalisch- und historisch-erörterte Curiositäten, oder, Entlarvter teufflischer Aberglaube von Wechselbälgen, Wehr-Wölffen, fliegenden Drachen, Galgen-Männlein, Diebs-Daumen, Hexen-Tantz, … also fürgestellet und erläutert: was von solchen Sachen zu halten und zu glauben ist: auch bey jedem Capitel einige rare und recht wunderwürdige Historien … zu nützlicher Erbauung und Zeitkürtzung in 50 curiosen Materien fürgestellet. Franckfurth am Mayn: Jung, 1737; Hamilton, William: Beobachtungen über den Vesuv, den Aetna und andere Vulkane: in e. Reihe von Briefen an d. Königl. Großbr. Ges. d. Wiss. Nachdr. d. Ausg. Berlin, Haude u. Spener, 1773; Vergilius Maro, Publius: Aetna. Hg. und übers. von Will Richter. Berlin: de Gruyter, 1963; Kerényi, Karl [Hg.]: Auf Spuren des Mythos. München; Wien: Langen Müller, 1967; Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie / W. H. Roscher. [Im Verein mit Th. Birth …]. Nachdr. Hildesheim u. a., o. J.; Weinheim: VCH, 1985; Vogl, Hubert: Italische Wohnsitze der Götter: Aetna, Cumae, Eraclea Minoa, Filicudi, Ischia, Li Galli, Monte Cicero, Monte Soracte . Schwabach: Eigenverlag, 1990.

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