Andreas Resch: Battista Varano

BATTISTA VARANO
(Camilla)
(1458-1524)

KLARISSIN

Heilig: 17. Oktober 2010
Fest: 31. Mai

BATTISTA (Camilla) VARANO wurde am 9. April 1458 als uneheliches Kind des Herzogs von Camerino und einstigen Generalkommandanten der Venezianer, Giulio Cesare da Varano, geboren. Sie wuchs am Hof unter dem wachen Auge von Giovanna Malatesti, der Braut des Herzogs, auf und wurde ganz nach den höfischen Gepflogenheiten erzogen.

Am Karfreitag des Jahres 1466 (oder 1468?) hörte sie in Camerino eine Predigt des Franziskaners Domenico da Leonessa über das Leiden Christi, die sie so sehr ergriff, dass sie kurze Zeit darauf, wie aus ihrer 1491 niedergeschriebenen Autobiografie hervorgeht, das Gelübde ablegte, auf Anregung des Predigers jeden Freitag zu einem Tag des Mitleidens mit Jesus zu machen und sich ein Leben lang der seelischen Qualen des göttlichen Herzens Jesu zu erinnern, was ihr jedoch schon bald zunehmend schwerfiel.

Am Hof des Herzogs herrschte nämlich ein liberaler Geist. Erzogen in klassischer und moderner Literatur, fühlte sich Camilla mehr von Gesang, Tanz und ausgelassenem Leben angezogen als von Gebet und frommer Lektüre. Der Anblick von Ordensleuten war ihr sogar ein Ärgernis. Nur ihr unbezähmbarer Wille rettete die verlorene Begeisterung für das Karfreitagsgebet. „Selig das Geschöpf, das durch keine Versuchung das begonnene Gute unterlässt“, sagte sie später.

Im Alter von 18 Jahren verspürte sie immer stärker den Ruf zum Ordensleben, um sich dem leidenden Christus auf Golgotha zu weihen. Ihr Vater war jedoch dagegen und wollte sie standesgemäß verehelichen. Zwei Jahre lang versuchte er, sie durch Schmeicheleien, Drohungen, ja sogar durch Einsperren umzustimmen. Doch gerade in dieser schweren Zeit hatte sie eine Christusvision, bei der Jesus aus ihrem Herzen kam und vor ihr herging und sie auf seinem Herzen die Worte eingeprägt sah: „Ich liebe dich, Camilla.“ Mit 23 Jahren gelang es ihr schließlich, den Widerstand des Vaters zu brechen.

Am 4. November 1481 trat sie zusammen mit ihrer Cousine Gerinda in das Klarissenkloster Sorelle Povere di Santa Chiara in Urbino ein, wo sie den Namen Schwester Battista erhielt. Im Noviziat versuchte sie die Worte Christi, die sie bis dahin vernommen hatte, in ihrem Leben umzusetzen, und schrieb diese 1491 in ihrem Werk I ricordi di Gesù nieder.

Am 4. Januar 1484 verließ sie mit 8 Mitschwestern auf Veranlassung der Oberen Urbino, um in das von ihrem Vater im aufgelösten Kloster der Olivetaner zu Camerino gegründete Klarissenkloster Santa Chiara einzutreten. Schwester Battista wollte, dass in diesem Kloster ausnahmslos nach der Regel der hl. Clara gelebt werde.

Es folgten weitere außerordentliche Erlebnisse, wie innere Erleuchtungen, Ekstasen, in denen sie in die göttlichen Geheimnisse eintauchte, Visionen von Engeln, der hl. Klara und der hl. Katharina von Bologna. Über diese Erlebnisse schreibt sie in der oben genannten Biografie: „Es ist besser, vom Vielen wenig zu sagen als vom Wenigen zu viel.“

Kurz vor August 1488 verspürte sie den heftigen Drang, ihre Erlebnisse niederzuschreiben. I dolori mentali di Gesù nella sua Passione (Jesus, unseres Herrn Seelenleiden) ist das bekannteste Werk ihrer Schriften. Da Jesus göttliche Person ist, schreibt sie, ist die Liebe seines Herzens unendlich. Daher kannten auch seine seelischen Schmerzen keine Grenzen. Sie erreichten in der Agonie im Ölgarten ihren Höhepunkt.

Von Oktober 1488 bis 1493 durchlebte sie eine dunkle Nacht des Geistes. Gott schwieg, die Gegenwart-Nichtgegenwart dessen, der der einzige Beweggrund ihres Lebens war, erfüllte sie mit Angst, ähnlich der Verlassenheit, die Christus selbst in seiner Passion erlebte.

Später wurde sie dann mit einer ganz anderen Art von Schmerz konfrontiert. Cesare Borgia, 1. Herzog von Valentinois und als solcher Il Valentino genannt, der Sohn von Papst Alexander VI., hatte mit der Entmachtung der Herren des vatikanischen Territoriums begonnen, um alles der päpstlichen Herrschaft zu unterwerfen. In Camerino bereitete Giulio Cesare da Varano zusammen mit seinen Söhnen Venanzio, Annibale und Pirro die Verteidigung vor, nachdem er seinen jüngeren Sohn Giovanni Maria mit der Mutter und dem Staatsschatz zur Rettung der Dynastie nach Venedig und Battista mit einer Schwester nach Fermo geschickt hatte. Battista jedoch setzte sich ins Königreich Neapel ab, wo sie in Atri von Isabella Piccolomini, der Frau des Herzogs Matteo Acquaviva Aragona, aufgenommen wurde. Inzwischen wurden am 21. Juli 1502 Giulio Cesare und seine Söhne in Camerino gefangen genommen und am 9. Oktober hingerichtet – der Vater in der Festung von Pergola, die Söhne im Turm von Cattolica.

Schwester Battista suchte in diesen schweren Stunden Trost beim Herzen Jesu. Nach dem Tod Alexanders VI. am 18. September 1503 errichtete Giovanni Maria in Camerino, nicht ohne Rache an seinen Feinden zu nehmen, die Herrschaft wieder neu, während Schwester Battista ebenfalls zurückkehrte, ohne jedoch über ihren Verdruss und ihre Leiden auch nur ein einziges Wort zu verlieren.

Im Kloster wurde sie von den Mitschwestern, die sie sehr schätzten, außer zur Vikarin auch zur Äbtissin ernannt. Sie war zu den Schwestern immer liebenswürdig und sah über ihre Mängel hinweg.

Stets offen für die Belange der anderen, wurde sie von Julius II. (1503-1513) zur Gründung eines Klarissenklosters nach Fermo geschickt (1505-1506). In den Jahren 1521/22 verbrachte sie ca. zehn Monate in Sanseverino Marche, wo sie sich um die Einführung der neuen Klarissenkommunität zu kümmern hatte. Schwester Battista schrieb Briefe, um Nonnen und Laien zu ermuntern und um ihnen Ratschläge zu erteilen oder auch um sich für zwei zum Tod Verurteilte einzusetzen. Eine Mitschwester bezeugt, dass Battista vom Eifer der Schwestern so beeindruckt war, dass man spürte, wie sie innerlich brannte, und dass sie keinen anderen Trost und keine andere Speise brauchte. Und wenn sie von der Erlösung der Seelen sprach, schien sie dahinzuschmachten. Ferner bezeugt sie, dass Schwester Battista so vom Wunsch entflammt war, die Kirche zu erneuern, dass sie weder schlafen noch essen noch zuhören konnte, wenn jemand mit ihr sprach. Dies ging so weit, dass sie daran erkrankte.

Es war die Zeit, in der die Kirche sich gehen ließ, was Martin Luther 1517 zum Verlassen der römischen Kirche bewog. Um 1521 verfasste Battista auf Ersuchen eines Ordensmannes das Werk La purità del cuore (Die Reinheit des Herzens), eine vortreffliche Anleitung zur Vollkommenheit, die ihre außerordentliche Lebenserfahrung zum Ausdruck bringt. Dort ist unter anderem zu lesen: „Die Wächter der Stadt sind die Prälaten, die sich um das Heil der Seelen zu kümmern haben, aus denen die schöne Stadt Gottes gebildet ist […] Diese rücksichtslosen Prälaten sind wohl Wächter der zeremoniellen Mauern, nicht aber der Mauern der guten und heiligen Sitten. Wehe diesen Prälaten, welche die Herde des Herrn zerstreuen! […] Gott lässt diese Dinge, mit höchster und sicherer Vorsehung, geschehen, und uns armen Menschen steht kein Urteil zu. Wir dürfen daher nicht aufhören, diese Prälaten zu ehren, wir müssen sogar noch öfter für sie beten […] und das Gebet für sie wird zum eigenen Vorteil sein.“

In dieser Aussage schwingt die restlose Ergebenheit Schwester Battistas in den Willen Gottes und andererseits ihre volle Wahrnehmung des konkreten Lebens der Kirche, deren Verantwortungsträger und deren Ruf zu Heiligkeit mit, dem sie sich uneingeschränkt verpflichtet fühlt. Davon spricht ihre innere Verbundenheit mit den unsagbar großen seelischen Leiden und Schmerzen Jesu in seiner Passion. Daraus flossen bei der Versenkung in die Abgründe der sich vorbehaltlos hinopfernden Liebe des göttlichen Herzens ihre großen mystischen Erkenntnisse. So schreibt sie in ihrer Autobiografie: „Durch die wunderbare Gnade des Heiligen Geistes wurde ich in das geheime Gemach des bewunderungswürdigen Herzens Jesu hineingeführt.“ Dabei tauchte Battista oft ganz tief „in das überaus bittere Meer der seelischen Schmerzen des Herzens Jesu ein“.

In Lettera al padre spirituale (Brief an den Spiritual) nennt die Heilige den eigentlichen Gegenstand ihrer Andacht zum heiligsten Herzen Jesu: Man müsse danach trachten, in das Gefäß, d. h., in das Herz Jesu, das so weit ist wie das Meer, einzudringen, um seine Passion zu verkosten und sich daran zu sättigen. Man dürfe nicht bei der Betrachtung der Wunden Christi stehen bleiben, sondern müsse tiefer gehen und bis zum Herzen Jesu vordringen. Dabei ist das leibliche Herz Jesu Symbol der abgrundtiefen Liebe Christi zu den Menschen. Auf diese Liebe antwortete Schwester Battista vor allem durch Demut, Sanftmut, Geduld und Leidensbereitschaft, zumal Gott sie oft und schwer durch Krankheit und seelische Leiden prüfte. So ertrug sie tapfer und großmütig die Ermordung ihres Vater und ihrer Brüder, vergab deren Mördern und betete sogar für sie. Battista liebte das göttliche Herz Jesu über alles, sodass sie in ihrem Trattato della purità del cuore (Traktat über die Herzensreinheit) dem Herzen Jesu gegenüber die Bitte aussprach: „Schicke mich, wie ich es verdiene, in die Hölle, nur lass mich auch dort noch lieben!“

Schwester Battista Varano verfasste 21 Werke, die sie italienisch oder auch lateinisch, in Prosa und Versen niederschrieb. Durch diese Schriften, die noch nicht alle veröffentlicht sind, wurde sie zur Wegbereiterin der neuzeitlichen Herz Jesu-Verehrung.

Battista Varano starb am 31. Mai 1524 an der Pest in Camerino, wo sie im Chor von Santa Chiara begraben ist.

Am 7. April 1843 wurde sie von Papst Gregor XVI. seliggesprochen. Papst Benedikt XVI. sprach sie am 17. Oktober 2010 heilig.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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