ARTEMIDES ZATTI
(1880-1951)
PROFESSBRUDER DER KONGREGATION DER
SALESIANER
DON BOSCOS
Selig: 14. April 2002
Fest: 15. März
ARTEMIDES ZATTI wurde am 12. Oktober 1880 als drittes von acht Kindern des Luigi Zatti und der Albina Vecchi in Boretto, Diözese Guastalla (Reggio Emilia), Italien, geboren und noch am gleichen Tag auf den Namen Artemides Joachim Desiderius getauft. Die Familie war arm. Die Eltern besaßen kein eigenes Land, sondern arbeiteten als Pächter und ließen ihren Kindern eine gediegene christliche Erziehung zukommen. Von 6. Lebensjahr an, zwischen 1886 und 1889, besuchte Artemides die örtliche Volksschule. 1887 empfing er das Sakrament der Firmung. Nach Abschluss der ersten Klassen Volksschule 1889 wurde er, wie auch die übrigen Geschwister, als Knecht zu einer wohlhabenden Familie geschickt.
Im Januar 1897 beschloss Luigi Zatti, das Oberhaupt der Familie, Italien zu verlassen und mit Frau und Kindern nach Argentinien auszuwandern. Am 9. Februar traf die Familie Zatti in Buenos Aires ein und erreichte am 13. desselben Monats Bahía Blanca, 700 km südlich der Hauptstadt. Bahía Blanca zählte 1895 mehr als 14.000 Einwohner und die größte Gruppe davon stellten damals die Italiener, die mit Religion jedoch zumeist nicht mehr viel im Sinn hatten. In dieser indifferenten und geradezu religionsfeindlichen Umgebung blieb die Familie Zatti ihren christlichen Prinzipien treu, besuchte weiterhin die Kirche und pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit den Priestern, so wie sie es in Italien gewohnt war. Artemides arbeitete zunächst in einer Pension und anschließend in einer Ziegelfabrik. Er war ein freundlicher Junge, groß gewachsen und gut aussehend.
Als er die von den Salesianern geleitete Pfarrkirche besuchte, fand er in Pfarrer Don Carlo Cavalli, einem frommen Mann von außerordentlicher Güte, seinen künftigen Seelenführer. Er begleitete ihn bei seinen Krankenbesuchen und den Beerdigungen, half ihm bei der Feier der hl. Messe und sorgte unentgeltlich für die Reinhaltung des Pfarrhauses. Cavalli war es auch, der ihn auf das salesianische und priesterliche Leben ausrichtete. Zatti war 20 Jahre alt, als er 1900 in das Aspirantat von Bernal bei Buenos Aires eintrat. Dort erwies er sich schon bald als ein intelligenter und religiös eifriger junger Mann.
Bei der Betreuung eines jungen, an Tuberkulose leidenden Priesters zog sich Zatti die Krankheit ebenfalls zu, die schmerzhaft war und zur damaligen Zeit als unheilbar galt. Um diese besser behandeln zu können, wurde er nach Bahía Blanca zu einer Familie geschickt und anschließend, dank der väterlichen Sorge von P. Cavalli, der seine Situation aus der Ferne verfolgte, in das Salesianer-Haus von Viedma aufgenommen, wo ein günstigeres Klima herrschte. Vor allem war es auch ein Missionsspital mit einem guten salesianischen Krankenpfleger, der praktisch als „Arzt“ fungierte: P. Evasio Garrone. Dieser lud Artemides ein, zu Maria, der Helferin, um Heilung zu beten, und legte ihm nahe, ein Versprechen zu geben: „Wenn Sie dich heilt, wirst du dich dein ganzes Leben lang diesen Kranken widmen.“ Artemides gab dieses Versprechen gerne und wurde auf geheimnisvolle Weise gesund. Später sagte er: „Ich glaubte, gelobte und wurde geheilt.“
Der Weg von Artemides war bereits klar vorgezeichnet und er ging ihn mit Begeisterung. In Demut und Gehorsam verzichtete er unter Schmerzen auf das Priesteramt. Am 11. Januar 1908 legte er als Mitarbeiter (Laienbruder) seine erste Profess ab; am 8. Februar 1911 folgte die ewige Profess. Gemäß dem Versprechen an Maria weihte er sich unmittelbar und gänzlich dem Spital, wobei er sich zunächst der angeschlossenen Apotheke widmete. Als dann aber Pater Garrone 1913 starb, fiel die Gesamtverantwortung für das Spital ihm zu. Zatti wurde nämlich zum Vizedirektor und Administrator sowie zu einem von allen Patienten und sogar von den Ärzten selbst geschätzten Krankenpfleger, die ihm zusehends größere Handlungsfreiheit ließen.
Durch Intelligenz und Kompetenz erwarb er an der Universität von La Plata den Titel eines Krankenpflegers und Pharmazeuten. In unendlicher Nächstenliebe verrichtete er seine vielfältigen Aufgaben, wobei er an erster Stelle stets die Ehre Gottes und das Wohl des Mitmenschen suchte und so zum guten Samariter für den Leib und zur Seele für unzählige Kranke wurde.
Unter beharrlichen Anstrengungen sorgte er für ein besseres Funktionieren der Spitalsstrukturen und kümmerte sich um die berufliche Ausbildung der Ärzte und Krankenschwestern. Er gab sein Bestes, um den körperlichen und seelischen Schmerz der Patienten zu lindern, indem er jeden Augenblick seiner täglichen Arbeit zu einem beständigen und ganz besonderen Apostolat machte.
Sein Dienst beschränkte sich aber nicht nur auf das Spital, sondern dehnte sich auf die ganze Stadt aus, besser gesagt auf die beiden an den Ufern des Rio Negro gelegenen Ortschaften Viedma und Patagones. Wenn notwendig, bestieg er sein Fahrrad zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jedem Wetter, um auch noch die elenden Behausungen an der Peripherie zu erreichen. Dies alles tat er um Gottes Lohn. Der Ruf des heiligen Krankenpflegers verbreitete sich im gesamten Süden und die Patienten kamen aus ganz Patagonien. Es war nicht selten der Fall, dass Kranke seinen Besuch dem der Ärzte vorzogen.
Artemides arbeitete auch als Krankenpfleger im Salesianerkolleg „San Francisco de Sales“ und im Kolleg der Don Bosco-Schwestern sowie im Gefängnis von Viedma; zudem war er die geistige Triebfeder des Katholischen Arbeitervereins. Darüber hinaus nahm er am Pfarr- und Diözesanleben teil und erschien regelmäßig und pünktlich zu den Gemeinschaftübungen seiner Kommunität.
Die völlige Hingabe an Gott und den Nächsten äußerte sich in einem tiefen Glauben und im freudigen Wohlwollen seinen Mitmenschen, vor allem den Leidenden, gegenüber. Zatti liebte seine Patienten auf eine wirklich berührende Weise. Er sah in ihnen Jesus selbst. Das ging so weit, dass er, wenn er die Schwestern um ein Gewand für einen Neuankömmling bat, sagte: „Schwester, haben sie ein Kleid für einen Jesus von 12 Jahren?“ Die Obsorge für seine Patienten nahm geradezu zartfühlende Züge an. So erinnert man sich, gesehen zu haben, wie er auf seinem Rücken den Leichnam eines in der Nacht verstorbenen Patienten zur Totenkammer trug, um ihn den Blicken der anderen Kranken zu entziehen – und währenddessen betete er das De profundis. Getreu dem salesianischen Geist und dem Motto, das Don Bosco seinen Söhnen hinterließ – „Arbeit und Besonnenheit“ – entfaltete er eine außerordentliche Tätigkeit in gewohnter seelischer Bereitschaft, mit heroischen Opfergeist, in Distanz zu rein persönlichen Vergnügungen, ohne sich jemals Ruhe und Erholung zu gönnen. Jemand hat einmal gesagt, dass die einzigen fünf Ruhetage jene waren, die er im Gefängnis verbrachte. In der Tat kannte er auch das Gefängnis, und zwar aufgrund der Flucht eines Gefangen, der im Spital behandelt wurde – eine Flucht, die man ihm in die Schuhe schieben wollte. Er wurde freigesprochen und seine Rückkehr nach Hause gestaltete sich zu einem Triumph.
Artemides war in allem ein gerechter und kluger Mann. Aus Liebe zu Gott hielt er sich eifrig an die staatlichen Gesetze. Mit Sicherheit und Ausdauer bewältigte er viele Probleme und nahm schwere Lasten und große Anstrengungen auf sich. 1941 musste er schweren Herzens den Abriss des Spitals miterleben, das er hatte errichten lassen und das für so viele Jahre sein Arbeitsplatz, seine Obsession und der Ausgangspunkt für sein Apostolat gewesen war und nun dem Bau von Bischofsresidenz und Diözesankurie weichen musste. Er litt, aber er gehorchte. Er organisierte damals die Verlegung der Kranken in die Räumlichkeiten der von den Salesianern in der Umgebung von Viedma betriebenen Landwirtschaftsschule „San Isidro“, wo er dann unter enormen wirtschaftlichen und sonstigen Schwierigkeiten sein Werk fortsetzen konnte. 1947 wurde er in seinem Amt als Spitalsverwalter abgelöst und widmete sich von da an verstärkt dem Krankendienst.
Als geselliger und sichtlich sympathischer Mensch, der sich gerne mit den einfachen Leuten abgab, tat er als Mann Gottes sein Möglichstes, ohne sich je um sich selbst zu kümmern, da er sich im Herrn geborgen wusste. Ein eher gleichgültiger Arzt aus dem Krankenhauses sagte einmal: „Wenn ich Zatti gesehen habe, bin ich in meiner Ungläubigkeit ins Wanken geraten.“ Und ein anderer meinte: „Seit ich Zatti kenne, glaube ich an Gott.“
1950 stürzte der unermüdliche Krankenpfleger von einer Leiter und verletzte sich schwer. Es wurde ihm Ruhe verordnet, was er nur aus Gehorsam akzeptierte. Er hat sich nie mehr ganz erholt. Im November desselben Jahres zeigten sich Symptome eines Leberkrebses, den Zatti selbst einwandfrei diagnostizierte. Er ging jedoch seiner Aufgabe noch ein weiteres Jahr nach, wobei er die Beschwerlichkeiten und den stechenden Schmerz mit Gelassenheit, Geduld und Willensstärke ertrug. Jedenfalls kamen ihm sein guter Humor und sein Wunsch, den Kranken zu helfen, nicht abhanden. Eigenhändig erstellte er wenige Tage vor seinem Tod die Sterbeurkunde.
Zatti starb am 15. März 1951 bei vollem Bewusstsein und umgeben von der Zuneigung und Dankbarkeit der gesamten Bevölkerung. Schon damals genoss er den Ruf der Heiligkeit, was während seiner Beisetzung in außergewöhnlicher Weise zum Ausdruck kam. Ihm sind das zivile Krankenhaus, ein Denkmal und die Hauptstraße von Viedma, der Hauptstadt von Rio Negro in Argentinien, gewidmet. Sein Grab befindet sich in der Salesianerkirche von Viedma, calle B. Ituzaingó, C. C. 54, Viedma R. N., Argentinien.
Am 14. April 2002 sprach Papst Johannes Paul II. Artemides Zatti selig. Er ist der erste Salesianer-Laienbruder, der nicht als Märtyrer seliggesprochen wurde. Dieses Faktum gibt der Serie von Modellen salesianischer Spiritualität, die von der Kirche offiziell als solche bezeichnet wird, einen Anstrich von Vollständigkeit.
RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]
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