Andreas Resch: Antonia Mesina

ANTONIA MESINA
(1919-1935)

LAIENHELFERIN MÄRTYRERIN

Selig: 4. Oktober 1987
Fest: 17. Mai

ANTONIA MESINA wurde am 21. Juni 1919 als zweites von zehn Kindern von Augustin Mesina und Grazia Rubanu in Orgósolo, Diözese Nuoro, Sardinen, geboren und am 30. Juni auf den Namen Antonia getauft. Am 10. November 1920 erhielt sie die Firmung, 1926 ging sie zur Erstkommunion. Die Kindheit verbrachte Antonia im Schoß ihrer zwar armen, aber soliden Familie.
Von 1925 bis 1929 besuchte das Mädchen die Volksschule in Orgósolo unter der Leitung von Maria Franziska Funedda di Nuoro, einer ausgezeichneten Erzieherin und überzeugten Christin, die sich mit folgenden Worten an sie erinnert: „Antonia war ein normales Kind, sehr geschäftig, edel und hilfsbereit, von lebhaftem Naturell und dennoch folgsam.“
Mit zehn Jahren schrieb sich Antonia als Jüngste in den weiblichen Zweig der lokalen Katholischen Aktion ein, der sie bis 1931 angehörte. Die besonders schwierige Situation ihrer Familie, vor allem bedingt durch den prekären Gesundheitszustand der Mutter und die vielen Geschwister, die es zu versorgen galt, zwang sie, die Schule am Ende der vierten Klasse zu unterbrechen. Es folgten arbeitsintensive Jahre – aufgrund ihres erhöhten Einsatzes zu Hause, der sich ständig verschlechternden gesundheitlichen Situation der Mutter und der Not in der durch die Geburt von Zwillingen 1935 zahlenmäßig weiter gewachsenen Familie; sie wurden Antonias Obhut anvertraut. Die Mutter erinnert sich: „Sie hatte die Aufgabe, oder besser gesagt: die ,Last‘ der Zwillinge zu tragen; so verbrachte sie viele schlaflose Nächte und musste sogar auf dem Boden übernachten.“ Ihre Schwester Candida fügt hinzu: „Es stimmt, dass sie auf dem Boden geschlafen hat…, aber nicht, weil kein Bett da war, sondern weil sie in der Nähe ihrer Mutter bleiben musste, in deren Zimmer, stets abrufbereit, um ihr und den Geschwistern beizustehen. Zugunsten ihrer Familie hat sie auf alles verzichtet, oft auch auf den nötigen Schlaf.“

Neben der Verrichtung der Hausarbeit musste Antonia von der entfernten Quelle Wasser herbeischaffen, außerhalb des Dorfes die Wäsche waschen, Holz holen, im Garten das Gemüse ernten, und wenn es darüber hinaus noch etwas zu tun gab, war sie stets die Erste, die sich darum bemühte. Aufgrund ihres familiären Engagements war sie gezwungen, die Katholische Aktion eine Zeitlang zu verlassen. In Wahrheit wusste jeder, dass der Vater „wollte, dass sie sich zuerst um die häuslichen Dinge kümmerte, bevor sie in die Kirche ging“.

Antonias Leben war in diesen Jahren von intensiver Arbeit gezeichnet Sowohl was das Essen als auch was die Kleidung anbelangte, war sie die Bescheidenheit selbst; nie beklagte sie sich, sondern trug alles mit großer Gelassenheit. Für sie gilt der Spruch, dass „sich ihr Leben zwischen Küche, Kindern und Kirche abspielte“. Nie nahm sie an den Festen und Veranstaltungen Gleichaltriger teil. Sie übte sich in einem Leben schlichter, aber glühender Frömmigkeit, ging gerne zur Messe und zur hl. Kommunion und betete regelmäßig, vor allem den Rosenkranz.

Im Jahr 1934/35 trat sie auf Einladung der Leiter des Pfarrzirkels erneut der weiblichen Jugend der Katholischen Aktion bei, diesmal als aktives Mitglied. Sie konnte so am Leben und den Aktivitäten der Vereinigung teilnehmen und einen Vortragszyklus über die Tugend der Reinheit besuchen. Als sie die anerkennenden Worte des Pfarrers über das Verhalten der Kind-Märtyrerin Maria Goretti hörte, zögerte sie nicht mit der Feststellung: „Ich hätte das Gleiche getan!“ Und als sie ihrer Mutter eines Tages von einer Untat erzählte, die einer jungen Braut aus der Nachbarschaft widerfahren war, meinte sie entschlossen: „Sollte mir so etwas passieren, würde ich mich lieber wie eine Ameise zerquetschen lassen als nachgeben!“

Rein äußerlich erschien Antonia mit ihren 16 Jahren schon als reife junge Frau, sie hatte das Aussehen und die Statur einer Zwanzigjährigen, war gut gebaut und voller Anmut. Innerlich war mit ihr zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr eine außergewöhnliche Veränderung vor sich gegangen. So berichtet ihr Bruder Guido, dass sie „noch viel geschmeidiger, toleranter und den Angehörigen gegenüber hilfsbereiter wurde; dass sie die Unannehmlichkeiten und Anstrengungen, denen sie innerhalb der Familie ausgesetzt war, geduldig ertrug und dass ihr religiöses Leben von kontinuierlichem Gebet geprägt war.“ Von ihm stammt auch folgendes Detail: „Antonia und ich gingen gemeinsam mit zwei anderen Mädchen aus Orgósolo auf das Land. Vor dem sog. ,Kreuz des Schwures`, das sich etwas unterhalb der Kirche von S. Anania befand, hieß sie uns niederknien und beten, denn eines Tages – so sagte sie – würden wir weiter unten noch ein Kreuz aufstellen, das ihre.“ Und so kam dann auch, wie Augenzeugen berichten, der letzte Tag in Antonias Leben.

„Am 17. Mai 1935, früh morgens“, so erzählt die Mutter, „nachdem sie, wie üblich, ihre Gebete verrichtet hatte – Antonia betete auch abends und trat tagsüber immer wieder in Zwiesprache mit Gott – mit der Bitte um den Schutz Mariens, zu der sie besonders gerne den Rosenkranz betete, besuchte sie in der Pfarrkirche S. Peter die hl. Messe und ging dort zur Kommunion. Wieder daheim, tat sie mir gegenüber ihre „Pflicht“… Da kein Holz mehr im Haus war, um das Essen zu kochen, wollte sie während der Zubereitung auf das Feld gehen und welches holen.“

Normalerweise ging Antonia nie allein und so bat sie Annedda, die dreizehnjährige Tochter der Familie Castangia, sie zu begleiten. Annedda berichtet in diesem Zusammenhang: „Nachdem sie darauf bestand, habe ich schließlich eingewilligt und wir gingen nach Hause, um es meiner Mutter zu sagen… Nachdem wir gegen 9.30 Uhr in der Ortschaft Ovadduthai angekommen waren, begannen wir, nur wenig voneinander entfernt, Holz zu sammeln.“ Die beiden Mädchen wurden von G. I. Catgiu bemerkt, der ein Auge auf Antonia geworfen hatte. Als diese sich bückte, um Holz aufzuheben, fiel er plötzlich über sie her. Beim Aufschrei Antonias – es war gegen 10.30 Uhr – kam Annedda gerannt und sah, nach eigenen Angaben, „wie Catgiu sie auf grobe Art packte und versuchte, sie mit der Hand an ihrer Schulter zu Boden zu drücken. Mindestens dreimal hat er das in meiner Gegenwart versucht und während Antonia energisch und erfolgreich Widerstand leistete und zu mir und ihrem Vater um Hilfe schrie, hab‘ auch ich nach Onkel Austinu geschrien, in der Hoffnung, dies würde den Angreifer einschüchtern und er würde von Antonia ablassen. Vor Entsetzen bin ich dann unter Schreien und Weinen davongelaufen, überzeugt, dass es auch Antonia gelingen würde, sich loszureißen. Ich kletterte dann auf einen Stein, konnte aber nichts sehen; ich hörte nur einen verzweifelten Schrei, wie von einem Tier, das man gerade schlachtete.“

Annedda rannte nach Hause, um Hilfe zu holen, aber man glaubte ihr nicht. Als dann Antonia nicht zurückkam und ihre Eltern sie auf der lokalen Polizeiwache als vermisst meldeten, machten sich die Karabinieri, die Angehörigen und weitere Bewohner von Orgósolo gegen 12.30 Uhr unverzüglich auf die Suche und gingen zu dem Platz, den ihnen Annedda angegeben hatte. Dort fanden sie die schrecklich zugerichtete Leiche des Mädchens.
Catgiu versuchte, sämtliche Beweise zu vernichten, und tränkte in dieser Absicht auch die Flecken auf seiner Kleidung mit dem Blut vom Schwanz eines Ochsen. Am 26. Mai 1935 unter der drückenden Beweislast zusammengebrochen, gab er schließlich zu, Antonia Mesina getötet zu haben, nachdem er sie, „außer sich vor Wut“, auf einem Plateau, das vom Saumpfad aus übersehbar war, eingeholt hatte. Mit einem unterwegs aufgehobenen Stein schlug er wiederholt auf sie ein, ohne zu wissen, was er tat. Das Mädchen ging blutüberströmt und fast regungslos in die Knie, war aber noch am Leben. Er warf den Stein weg, fasste Antonia an den Haaren, zog sie über das Gestrüpp in die dahinter liegende Hochebene und tötete sie – aus Angst, sie könnte ihn verraten – mit einem zweiten Stein.

Bei der Identifizierung des Leichnams durch die Gerichtssachverständigen am 18. Mai wurden 74 Verletzungen festgestellt und der für die Autopsie zuständige Arzt bestätigte: „Antonia Mesina hat den Kampf gewonnen, aber mit dem Leben bezahlt.“

Am feierlichen Begräbnis am Sonntag, den 18. Mai 1935, nahm ganz Orgósolo teil. Die Beisetzung erfolgte auf dem Ortsfriedhof. Am 26. Februar 1939 wurden die sterblichen Überreste in einen Zinksarg umgebettet und unter dem Grabmal auf dem Friedhof bestattet.

Am 4. Oktober 1987 wurde Antonia Mesina von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Am 14. Mai 1994 erfolgte die Übertragung der Gebeine der Seligen in die Krypta der Pfarrkirche San Peter in Orgósolo, Sardinien, Italien.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1986 – 1990. Innsbruck: Resch, 2005 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 2). XIII, 298 S., 69 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-076-X, Ln, EUR 25.70 [D], 26.52 [A]

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