Andreas Resch: Anna Rosa Gattorno verw. Custo


ANNA ROSA GATTORNO
verw. Custo
(1831-1900)

GRÜNDERIN
DES INSTITUTS DER TÖCHTER VON DER
HL. ANNA

Selig: 9. April 2000
Fest: 6. Mai

ANNA ROSA GATTORNO verw. CUSTO wurde am 14. Oktober 1831 als Tochter von Francesco Gattorno und Adelaide Campanella in Genua, Italien, geboren und noch am gleichen Tag auf den Namen Rosa Maria Benedikta getauft. Als zweites von sechs Kindern (drei Buben und drei Mädchen) verbrachte sie Kindheit und Jugend in einer finanziell abgesicherten Familie von hohem sozialen Ansehen und fundierter christlichen Bildung. Der Vater, Inhaber einer florierenden Handelsfirma für Getreide, war ein strenger, grundehrlicher Mann mit hohen moralischen Ansprüchen. Die Mutter, Schwester von Federico Campanella, einem glühenden Anhänger Mazzinis und erklärtem Freimaurer, war eine Frau von tiefer Frömmigkeit, eine „heilige Frau“, wie ihre Kinder sie nannten. Das genaue Datum der Erstkommunion von Rosa ist nicht bekannt; man weiß aber, dass sie am 19. April 1843 gefirmt wurde. Dadurch entwickelten sich bei ihr eine besondere Neigung zum Gebet und ein starker Geist der Nächstenliebe.

Wie es in wohlhabenden Familien damals Sitte war, erhielt Rosa ihre schulische Ausbildung durch Privatlehrer zu Hause. Mit ihrem heiterem Gemüt, ihrer Liebenswürdigkeit und Sensibilität vor allem den Ärmsten gegenüber wusste sie sich auch zu helfen, als sie als heranwachsendes junges Mädchen zunehmend die Bewunderung von Freimaurern und Antiklerikalen auf sich zog, die wegen der Freundschaft mit ihrem Bruder Federico, der ein Gefolgsmann Mazzinis und Oberst im Stab Garibaldis war, und ihrem Onkel Federico Campanella im Hause Gattorno ein und aus gingen.

Mit 21 Jahren heiratete Rosa am 5. November 1852 auf Wunsch der Eltern und den Rat ihres Beichtvaters hin Girolamo Custo, einen Cousin dritten Grades, und übersiedelte aus geschäftlichen Gründen nach Marseille. Doch schon bald fiel aufgrund unvorhergesehener wirtschaftlicher Turbulenzen ein Schatten auf das Glück der jungen Familie, die sich daraufhin gezwungen sah, im Zeichen der Armut nach Genua zurückzukehren. Es kam noch ärger: die erstgeborene Charlotte, von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, blieb für immer taubstumm; der Versuch Girolamos, sein Glück im Ausland zu machen, endete mit seiner Rückkehr, noch verschlimmert durch eine tödliche Krankheit; die Freude über die Geburt zweier weiterer Kinder wurde getrübt durch den Tod des Mannes, der Rosa nach nicht einmal sechs Ehejahren am 9. März 1858 zur Witwe machte, nachdem diese ihn Monate hindurch Tag und Nacht liebevoll gepflegt hatte.

Als Witwe von 26 Jahren stand Rosa nunmehr allein da, mit drei kleinen Kindern, für die sie zu sorgen hatte. Das Maß war aber noch nicht voll: nur drei Monate nach dem Tod des Mannes starb auch Francesco, der Letztgeborene. Das Zusammentreffen so vieler trauriger Ereignisse führte zu einer radikalen Wende in ihrem Leben, die sie später als „Umkehr“ zur totalen Hingabe an den Herrn bezeichnete, indem sie sich ganz der Liebe zu Ihm und zum Nächsten öffnete. Sie vertiefte ihr spirituelles Leben und trat mehreren Vereinigungen bei.

Schon während der Abwesenheit ihres Mannes tat Rosa, ohne ihre Kinder auch nur im Geringsten zu vernachlässigen, gute Werke und arbeitete in den Spitälern. Von 1854 an empfing sie mit Erlaubnis des Beichtvaters täglich die hl. Kommunion. Mit der Aufnahme in den Dritten Orden trug sie unter ihrem weltlichen Gewand den franziskanischen Habit und auf der Brust ein 7 cm langes Kreuz. Von 1856 an hatte sie sich, nach einem Probejahr, mittels Gelübde auch strenges Fasten bei Brot und Wasser auferlegt. 1858, kurz nach dem Tod des Gatten, legte sie die Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams ab, zunächst jährlich, dann für immer, und fügte ab 1861 auch noch das Gelübde der Armut hinzu. 1862 erhielt sie die Gabe der verborgenen Stigmen, die sie freitags an Händen, Füßen und am Herzen besonders intensiv spürte, so als ob sie durchbohrt wären.

Obwohl sie die Stille und Zurückgezogenheit liebte, war sie bei katholischen Vereinen äußerst gefragt, weil diese in ihrer Lebensweise den inneren Kern des Evangeliums erkannten. So kam es, dass ihr im Februar 1864 die Leitung der von Don Paolo Frassinetti gegründeten „Frommen Union der Neuen Ursulinen, Töchter der hl. Maria Immakulata“ anvertraut wurde, und – auf ausdrücklichen Wunsch des Erzbischofs – auch die Revision der für die Union bestimmten Regeln.

Nach Beendigung dieses Auftrags und einer weiteren Vertiefung im Gebet erhielt sie vor dem Kreuz die Eingebung einer neuen Regel für eine eigene Gründung. Aus Angst, die Kinder verlassen zu müssen, suchte sie Rat beim hl. Kapuziner Franz von Camporosso und beim Erzbischof von Genua, in der Hoffnung, davon befreit zu werden. Stattdessen wurde sie von allen ermuntert. Da sie ihre Pflichten als Mutter jedoch immer ernster nahm, wollte sie die offizielle Bestätigung aus dem Munde von Pius IX. Der Papst hingegen befahl ihr bei der Audienz am 3. Januar 1866, die Gründung unverzüglich vorzunehmen und fügte hinzu: „Dieses Institut wird sich, gleich dem Flug einer Taube, schnell auf der ganzen Welt ausbreiten. Gott wird für deine Kinder sorgen und du gedenke Seiner in Seinem Werk.“ Sie entschied sich daraufhin, den Willen des Herrn zu erfüllen und schrieb später in ihren Memorie (Erinnerungen): „In Großzügigkeit unterbreitete ich Gott mein Angebot und wiederholte dabei die Worte Abrahams – ,Ich bin bereit, Deinem göttlichen Willen Genüge zu tun‘. Nachdem ich mich als Opfer für sein Werk dargeboten hatte, erfuhr ich viele Tröstungen.“

Nachdem sie zudem den Widerstand der Verwandten gebrochen und – nicht ohne Bedauern ihres Bischofs – die Werke in Genua aufgegeben hatte, gründete Rosa am 13. März 1866 gemeinsam mit fünf weiteren Gefährtinnen in Piacenza die neue Ordensgemeinschaft. Neben all den Glückwünschen fehlte es auch nicht an Reaktionen der Antiklerikalen, welche die Gründung als „ein neues jesuitisches Nest“ bezeichneten.

Bald darauf begegnete sie dem Lazaristenpater Giovanni Battista Tornatore, der auf ihren ausdrücklichen Wunsch die Regeln erstellte und später dann als Mitbegründer des Instituts galt. Seinem Einfluss, vor allem aber einer Eingebung von ihm ist es zu verdanken, dass Rosa den ursprünglichen Titel „Töchter der Maria Immakulata, Kleine Schwestern des hl. Franz von Assisi“ durch die aktuelle Bezeichnung Töchter von der hl. Anna (Abb.) ersetzte. Am 8. Dezember 1866 begann mit der Einkleidung der ersten fünf jungen Frauen die offizielle Präsenz des Instituts in der Kirche. Rosa Gattorno nahm das Ordenskleid am 26. Juli 1867, und am 8. April 1870 legte sie mit 12 Mitschwestern die Ordensgelübde ab.

Ganz auf die göttliche Vorsehung vertrauend und von Anfang an von einer gehörigen Portion Nächstenliebe beseelt, begann Rosa Gattorno mit dem Aufbau des Werkes Gottes, wie es der Papst genannt hatte. Es entstanden diverse Einrichtungen für den Dienst an den Armen und Kranken mit den verschiedensten Leiden, für die Alleinstehenden, die Alten und Verlassenen, die Kleinen und Wehrlosen, die Heranwachsenden und die „gefährdeten“ Mädchen, für die sie eine adäquate Ausbildung und die anschließende Eingliederung in die Arbeitswelt besorgte. Dazu kamen schon bald die Eröffnung von Volksschulen für Kinder aus armen Familien sowie – den dringlichsten Bedürfnissen der Zeit entsprechend – andere Werke zur menschlichen und seelsorglichen Förderung mit einer echten Präsenz im kirchlichen wie gesellschaftlichen Leben.

Nicht einmal zehn Jahre nach der Gründung erhielt das Institut das Decretum Laudis (1876) und 1879 die endgültige Anerkennung. In Bezug auf die Regeln hieß es warten: bis zum 26. Juli 1892.

Von allen geschätzt und anerkannt, arbeitete Gattorno in Piacenza auch mit dem inzwischen seligen Bischof Msgr. Scalabrini zusammen, vor allem bei dem von ihm gegründeten Werk für die Taubstummen.

Aber auch Mutter Rosa Gattorno blieben Prüfungen, Demütigungen, Schwierigkeiten und Drangsale jeder Art nicht erspart. Man erinnere sich nur daran, dass sie 1872 auf Anordnung des Hl. Uffiziums die von P. Tornatore erstellten Regeln vernichten und ihn selbst aus dem Institut entfernen musste. Ihr Sohn Alexander rückte von Gott ab, wenngleich er sich vor seinem Tod 1891 wieder mit Ihm versöhnte. Und Tochter Charlotte hatte nur wirtschaftliche Interessen im Sinn.

Das Institut hingegen verbreitete sich in Italien wie im Ausland von Anfang an sehr rasch. Beim Tod von Anna Rosa Gattorno am 6. Mai 1900 im Generalatshaus in Rom zählte es 368 Häuser, in denen 3.500 Schwestern ihre Arbeit verrichteten. Das Geheimnis dieser ungeheuren Dynamik bestand in einem ständigen Einheitserleben mit Gott und der vollkommenen Hingabe an Ihn: „Selbst inmitten des ganzen Lärms eines Abgrunds von Aufgaben bin ich nie ohne Verbindung mit meinem Bräutigam.“

Ihre sterblichen Überreste, die 32 Jahre nach ihrem Tod exhumiert und unverwest vorgefunden wurden, ruhen in einer eigenen Krypta im Generalatshaus der Töchter von der hl. Anna, via Merulana, 177, Rom.

Am 9. April 2000 wurde Anna Rosa Gattorno verw. Custo von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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