Andreas Resch: Angela Maria Astorch

ANGELA MARIA ASTORCH
(1592-1665)

KAPUZINERNONNE
VOM ORDEN DER
HEILIGEN CLARA

Selig: 23. Mai 1982
Fest: 2. Dezember

ANGELA MARIA ASTORCH wurde am 1. September 1592 als letztes von vier Kindern wohlhabender Eltern, Christophorus und Isabella Astorch, in Bar­celona, Spanien, geboren und auf den Namen Hieronyma getauft. Mit zehn Mo­naten verlor sie die Mutter und wurde der Amme Apollonia in Sarriä anver­traut, die sie wie eine eigene Tochter aufzog. Mit 22 Monaten kam sie zurück zum Vater und blieb bis zu dessen Tod im Elternhaus. Hieronyma war damals gerade fünf Jahre alt und wurde nun neuerlich zu Apollonia gebracht, wo sie —wiederum umsorgt wie ein eigenes Kind — vier Jahre blieb. Mit sieben Jahren erlitt sie eine schwere Vergiftung. Bereits für tot erklärt und während man schon die Vorbereitungen für die Beerdigung traf, erwachte sie zu neuem Le­ben. Die kleine Hieronyma, die eine hervorragende Ausbildung genoss, verfüg­te über einen wachen Geist und eine ungewöhnliche menschliche Reife. So schreibt sie im Rückblick auf jene Jahre in ihrer Autobiografie: „Schon um das siebte Lebensjahr begann ich meine Vernunft zu gebrauchen; und ich hörte dies von Leuten, die mich kannten. Meine Kindheit war mit diesem Alter zu En­de.“ In der Autobiografie führt sie ihre außergewöhnliche Heilung auf die Ge­bete von Mutter Angela Serafina Prat zurück, Gründerin der Kapuzinerinnen von Barcelona, sowie auf die Fürsprache der Gottesmutter — zwei sehr bedeu­tende Aspekte in Hieronymas Leben, die mit neun Jahren unter Anleitung eines Vormunds lesen und schreiben lernte, was in ihr eine echte Leidenschaft für die Lektüre von Büchern, vornehmlich in lateinischer Sprache, weckte.

Ihre ältere Schwester Isabella gehörte mittlerweile zu jener Gruppe, die un­ter Leitung von Angela Serafina Prat den Grundstein für das erste Kloster der Kapuzinerinnen-Klarissen in Spanien legte. Auch Hieronyma interessierte sich für die Gemeinschaft und war überglücklich, als sie von Bischof Alonso Coloma im Alter von erst elf Jahren Mutter Prat vorgestellt wurde. Das war am 16. Sep­tember 1603. Bei ihrem Eintritt in das Kloster brachte sie das sechsbändige Brevier mit, das sie sich vorher hatte kaufen lassen: „Mein ganzer Stolz war es, mich von lateinischen Büchern umgeben zu wissen.“

Wegweisend bei ihren ersten spirituellen Erfahrungen waren der Priester und Eremit Martin Garcia und das Beispiel der Gründerin, die über außerge­wöhnliche mystische Begabungen verfügte. Unter ihrer Leitung begann sie am 7. September 1608 unter dem Namen Angela Maria das Noviziat. Am 24. De­zember 1608 starb die ehrwürdige Mutter Prat und das Amt der Novizenmei­sterin wurde Angela Marias Schwester, Isabella, anvertraut. Ein Jahr später, am 8. September 1609, legte sie die Profess ab. Sie wurde daraufhin mit der Unterweisung ihrer Mitschwestern betraut, mit der Gestaltung des Chorgebets und — obwohl noch blutjung — durch Kapitelwahl zum Mitglied der Consulta er­nannt.
Mit erst 21 Jahren wurde Angela Maria gemeinsam mit fünf Mitschwestern zur Gründung eines Klosters nach Saragossa geschickt, wobei sie das Sekretari­at und das Amt der Novizenmeisterin übernehmen sollte. Sie übte diese Ämter von 1614 bis 1623 aus und unterrichtete anschließend vier Jahre lang die jun­gen Professen. Als Ausbildnerin folgte sie der didaktischen Methode ihrer Schwester Isabella, die damals Äbtissin in Barcelona war und nach zwei Jahren im Ruf der Heiligkeit starb. Ihre Vorstellungen von Erziehung und Ausbildung finden sich in ihrer Broschüre Prätica espiritua/ para las nuevas y novicias: je­de muss Meisterin ihrer selbst sein, den unmittelbaren Kontakt mit Gott pflegen und in den gegenseitigen Beziehungen eine Atmosphäre der Offenheit und Ehr­lichkeit walten lassen.

1626 wurde Angela Maria, 33-jährig, mit der nötigen Dispens zur Äbtissin ge­wählt. Durch Wiederwahl sollte sie der Gemeinschaft in Saragossa noch für zwei weitere Triennien vorstehen. 1627 ließ sie durch ein Breve Papst Urbans VIII. die Konstitutionen des Klosters bestätigen, die eine ausgewogene Mi­schung zwischen Strenge und echtem Gemeinschaftsgeist beinhalteten. Die Jah­re in Saragossa waren Jahre der großen „Barmherzigkeit Gottes“, wie sie die herausragenden mystischen Erfahrungen zu nennen pflegte, die sie auf Geheiß ihrer Beichtväter in fortlaufenden Berichten niederschrieb. So bemerkte sie 1636: „Beim Singen der Psalmen im Chor dringen die Worte, die von der inne­ren Anmut künden, tief in meine Seele und rauben mir diese im Flug. Das Glei­che widerfährt mir bei Versen, die von den Feinheiten der Liebe, der Dankbar­keit und dem ehrfurchtsvollen Respekt gegenüber Gott handeln.“

Außer einem Leben des Gebets und der Verbundenheit mit Gott, der umsich­tigen Leitung des Klosters und der Ausbildung der Schwestern drang ihr frucht­bares apostolisches Wirken auch durch das Sprechfenster. Zahlreich waren die Personen aus allen Schichten, Priester wie Laien, die um einen Rat oder Trost zu ihr kamen. Besondere Erwähnung verdient hier Kardinal Theodor Trivulzio aus Mailand, Vizekönig von Aragonien, mit dem sie auch nach seiner Rückkehr nach Italien einen Briefwechsel führte. All diese Kontakte waren im Kontext ih­res Verständnisses von Kirche zu sehen. Ihre größte Freude war es, sich durch die Taufe als Tochter der Kirche bezeichnen zu dürfen.
1645 ging Angela Maria nach Murcia, um ein neues Kloster zu gründen, in dem sie mehr als 15 Jahre die Ämter der Äbtissin und Novizenmeisterin inne­hatte. Da sich die Neugründung ihrem Wunsch gemäß an der Regel der hl. Kla­ra orientieren sollte, strebte sie die völlige Gleichheit unter den Schwestern an, wie es bereits in den Konstitutionen von Saragossa festgelegt war. Vom Hl. Stuhl erhielt sie einen Bescheid, der den Laienschwestern dieselben Rechte ein­räumte wie den anderen. Auch in der Art der Kleidung wurde jeder Unter­schied aufgehoben.
Neben den Problemen des Alltags hatte Angela Maria auch noch zwei Situa­tionen zu meistern, die für die Kommunität und das gesamte Gebiet eine Bedro­hung darstellten. 1648 musste sie ihre Schwestern vor einer tödlichen Epidemie schützen und 1651 zwang eine Überschwemmung zum Verlassen des Klos­ters, das großteils zerstört wurde. Die Schwestern fanden in einem Haus der Je­suiten in den Bergen Zuflucht, von wo aus sie erst 1664 in das unter Aufsicht ihrer Äbtissin restaurierte Kloster zurückkehren konnten.

Angela Maria gebrauchte ihre Autorität in der Tat als Dienerin und Mutter im Geiste des Dienstes an den Mitschwestern. So sagte sie am 3. Oktober 1642 während des Kapitels der Kommunität in Vorbereitung auf das Fest des hl. Franziskus bei ihrer Ansprache an die Schwestern über die Treue zum einge­schlagenen Lebensweg voller Begeisterung: „Es ist meine Zuneigung zu euch, die mir gebietet so zu sprechen. Ich sage euch: ich würde, wenn es notwendig sein sollte, für jede meiner Schwestern öffentlich mein Leben hingeben, ja, für ihre Heiligung würde ich es sogar auf dem infamsten Schafott öffentlich op­fern. Oft habe ich mich der Nahrung meines Geistes beraubt, um sie euch zuteil werden zu lassen, und habe mich der Tröstungen erfreut, die ihr dabei erfah­ren habt.“

Im Lauf der Jahre verspürte Angela Maria immer stärker den Wunsch nach vollkommener „Leere“ im Sinne einer echten geistigen Armut, wobei sie auch auf die mystischen Gnadenerweise verzichtete, um rein aus der liebenden Ver­bindung mit Gott zu leben. Fünf Jahre vor ihrem Tod bat sie den Herrn, sie jed­weder Fähigkeit für die Ausübung von Verantwortung zu berauben und ihr Le­ben in völliger „Selbstentleerung“ zu beenden. Sie verzichtete auf das Amt der Äbtissin und schien auf einen infantilen Zustand reduziert, im Innern aber ge­noss ihr Geist die Versenkung in Gott. Alle interpretierten diese Beeinträchti­gung als Anzeichen vorzeitiger Senilität, und die Überraschung war groß, als man nach ihrem Tod unter ihren Schriftstücken ein selbst verfasstes Gebet fand, in dem sie Gott dieses höchste Opfer anbot. So beurteilten sie ihre Schwestern fern jeder Form des Kontaktes mit der realen Welt, aber in voller Kenntnis des Göttlichen.

Am 21. November 1665 erlitt Angela Maria einen Schlaganfall mit halbseiti­ger Lähmung, jedoch unter Wahrung all ihrer geistigen Fähigkeiten, so dass sie ihre Beichte bei vollkommen klarem Bewusstsein ablegte. Beim Empfang der Sterbesakramente fiel sie in eine lange Ekstase. Sie starb ruhig und friedlich mit 73 Jahren am 2. Dezember 1665, nachdem sie mit der ihr noch verbliebenen Stimme das Pange lingua angestimmt hatte. Die Einwohner von Murcia ström­ten in Scharen herbei, um dem Leichnam von Angela Maria Astorch die letzte Ehre zu erweisen, die von allen für eine Heilige gehalten wurde.

Ihr Grab befin­det sich im Kloster Exaltación del SS. Sacramento, Poseo del Molecön 14, Mur­cia, Spanien.

Am 23. Mai 1982 wurde Angela Maria Astorch von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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