Andreas Resch: Angela von Foligno

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ANGELA VON FOLIGNO
(1248 – 1309)

Magistra Theologorum
Franziskaner-Terziarin

Seligsprechung 1693
Heiligspr.: 9. Oktober 2013

Fest: 4. Januar

ANGELA wurde um 1248 als Tochter einer wohlhabenden Familie in Foligno geboren und nach dem Tod des Vaters von ihrer Mutter recht oberflächlich erzogen. Schon bald wurde sie in die höchsten Kreise der Stadt eingeführt, wo sie einen Mann kennenlernte, den sie mit 20 Jahren heiratete und mit dem sie Kinder hatte. Ihr Leben war so unbeschwert, dass sie sich sogar erlaubte, die sogenannten „Büßer“, die damals sehr verbreitet waren, zu verachten: jene also, die, in der Nachfolge Christi, auf Hab und Gut verzichteten, um im Gebet und in der Nächstenliebe der Kirche zu dienen und sich zu heiligen.

Das schwere Erdbeben von 1279, ein Orkan und der langjährige Krieg gegen Perugia mit seinen gravierenden Folgen wirkten sich auch auf Angelas Leben aus. Sie wurde sich ihrer Sünden zunehmend bewusst und wandte sich in ihrer inneren Not an den hl. Franziskus, der ihr in einer Vision erschien, um ihn im Blick auf eine gute Generalbeichte um Rat zu fragen. 1285 legte sie bei einem Ordensbruder des hl. Franziskus in San Feliciano die Beichte ab. Drei Jahre später erfuhr der Weg ihrer Bekehrung eine weitere Wende. Als innerhalb von wenigen Monaten zuerst ihre Mutter, dann ihr Ehemann und sämtliche Kinder starben, löste sie sich von allen familiären Bindungen, verkaufte ihren Besitz und schloss sich 1291 dem Dritten Orden des hl. Franziskus an. Zu ihrem geistlichen Führer wählte sie Bruder Arnaldo. Im gleichen Jahr machte sie eine Wahlfahrt nach Assissi, wo sie besondere mystische Gnaden empfing.

In dem Buch Beatae Angelae de Fuligneo visionum et instructionum liber (Buch der Visionen und Lehren der seligen Angela von Foligno) wurden ihre Erfahrungen, Erinnerungen und Lehren ab 1285 von ihrem Beichtvater, Bruder Arnaldo, niedergelegt. Dieser schrieb die Mitteilungen Angelas wahrheitsgetreu auf und versuchte, sie in Abschnitte zu ordnen, die er „Schritte“ oder „Verwandlungen“ nannte, wobei es ihm jedoch nicht gelang, alles vollständig zu ordnen, denn was Angela in ihren Ekstasen erfuhr, blieb sozusagen nur ein „Schatten“ in ihrem Gedächtnis. So bekennt sie nach einer mystischen Entrückung: „Ich hörte wahrhaftig diese Worte, aber was ich sah und erfasste, was er [Gott] mir zeigte, weiß ich auf keine Weise und kann es nicht sagen, obgleich ich gerne darlegen würde, was ich durch die Worte verstand, die ich vernahm. Es war jedoch ein unsagbarer Abgrund.“

Angela spricht über ihr mystisches „Erleben“, ohne es durch den Verstand zu überarbeiten, denn es waren göttliche Erleuchtungen, die ihrer Seele plötzlich und unerwartet mitgeteilt wurden. Auch ihr Beichtvater hatte Schwierigkeiten, diese Erlebnisse wiederzugeben, nicht zuletzt aufgrund der großen und bewundernswerten Zurückhaltung Angelas in Bezug auf die göttlichen Gaben. Zu diesen Schwierigkeiten, ihre mystischen Erfahrungen mitzuteilen, gesellte sich noch das Problem ihrer Zuhörer, sie zu verstehen. Diese Situation macht deutlich, dass der einzige und wahre Meister, Jesus, im Herzen eines jeden Gläubigen wohnt und es ganz in Besitz nehmen will. So war es auch bei Angela, die an einen geistlichen Sohn schrieb: „Mein Sohn, wenn du mein Herz sehen würdest, so wärst du gezwungen, alles zu tun, was Gott will, denn mein Herz ist Gottes Herz und Gottes Herz ist mein Herz.“ Hier klingen die Worte des hl. Paulus an: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

An dieser Stelle sollen daher nur einige „Schritte“ des reichen geistlichen Weges der Heiligen betrachtet werden. Der erste Schritt ist in Wirklichkeit eine Vorbedingung. Sie berichtet: „Infolge der Erkenntnis der Sünde hatte die Seele große Furcht, in Verdammnis zu geraten; in diesem Schritt weinte sie bitterlich.“ Diese „Furcht“ vor der Hölle entspricht dem Glauben Angelas im Augenblick ihrer „Bekehrung“. Ihr Glaube war noch arm an Liebe zu Gott. Reue, Furcht vor der Hölle und Buße eröffneten Angela die Perspektive des schmerzhaften „Weges des Kreuzes“, der sie dann vom achten bis zum fünfzehnten Schritt auf den „Weg“ der „Liebe“ bringen sollte. Ihr Beichtvater berichtet: „Die Gläubige sagte zu mir: Ich hatte diese göttliche Offenbarung: ,Nach den Dingen, die ihr geschrieben habt, sollst du schreiben lassen, dass jeder, der die Gnade bewahren will, die Augen der Seele nicht vom Kreuz abwenden darf, weder in der Freude noch in der Trübsal, die ich ihm sende oder gewähre.‘“

In dieser Phase „fühlt“ Angela noch keine Liebe; sie sagt: „Die Seele verspürt Scham und Bitterkeit und fühlt noch keine Liebe, sondern Schmerz.“
Angela verspürt vielmehr, dass sie Gott als Wiedergutmachung für ihre Sünden etwas geben muss, doch langsam begreift sie, dass sie vor ihm „nichts ist“. Sie sagt: Nur „die wahre und reine Liebe, die von Gott kommt, ist in der Seele und führt zur Erkenntnis der eigenen Fehler und der göttlichen Güte […]. Diese Liebe bringt die Seele zu Christus, und sie versteht ganz sicher, dass sie sich nicht täuschen kann. Unter diese Liebe lässt sich keine weltliche Liebe mischen.“ So betet sie: „O mein Gott, mach mich würdig, das höchste Geheimnis zu erkennen, das deine glühende und unsagbare Liebe zusammen mit der Liebe der Dreifaltigkeit gewirkt hat: das höchste Geheimnis deiner allerheiligsten Menschwerdung für uns. […] O unergründliche Liebe! Es gibt keine größere Liebe als die, durch die mein Gott Mensch geworden ist, um mich zu Gott zu machen.“ Dennoch trägt Angelas Herz noch immer unter dem Einfluss der Vergangenheit.

Was sie von der Vergangenheit erretten wird, ist nicht ihre „Vereinigung mit Gott“ und ihr Besitz der „Wahrheit“, sondern der gekreuzigte Jesus, „seine Kreuzigung für mich“, seine Liebe. Im achten Schritt sagt sie: „Noch wusste ich nicht, ob das größere Gut meine Befreiung von den Sünden und von der Hölle und die Bekehrung zur Buße war oder seine Kreuzigung für mich.“

Auf Angelas geistlichem Weg findet der Übergang von der Bekehrung zur mystischen Erfahrung, vom Sagbaren zum Unsagbaren durch den Gekreuzigten statt. Er ist der „Gottmensch, der gelitten hat“ und zu ihrem „Meister der Vollkommenheit“ wurde. Ihre ganze mystische Erfahrung besteht also darin, eine vollkommene „Ähnlichkeit“ mit ihm anzustreben, durch immer tiefere und radikalere Reinigungen und Verwandlungen. Diesem wunderbaren Unterfangen gibt sich Angela ganz hin, um ganz in ihn verwandelt zu werden. „O Kinder Gottes, verwandelt euch ganz in den Gottmenschen, der gelitten hat, der euch so sehr geliebt hat, dass er für euch einen schändlichen und unfassbar schmerzhaften, qualvollen und bitteren Tod auf sich genommen hat. Dies geschah nur aus Liebe zu dir, o Mensch!“

Eine solche Identifizierung bedeutet auch, das zu leben, was Jesus gelebt hat: Armut, Verachtung, Schmerz, denn „durch die zeitliche Armut wird die Seele ewige Reichtümer finden; durch Verachtung und Schande wird sie zu höchsten Ehren und größter Herrlichkeit gelangen; durch geringe Buße, die sie mit Mühe und Schmerz auf sich nimmt, wird sie mit unendlicher Wonne und Trost das höchste Gut besitzen, den ewigen Gott.“ Von der Bekehrung zur mystischen Vereinigung mit dem gekreuzigten Christus, zum Unsagbaren ist Angelas erhabener Weg, dessen Geheimnis das unablässige Gebet ist: „Je mehr du betest, desto mehr wirst du erleuchtet werden; je mehr du erleuchtet wirst, desto gründlicher und klarer wirst du das höchste Gut erkennen, das in höchstem Maße gute Sein; je gründlicher und klarer du ihn erkennen wirst, desto mehr wirst du ihn lieben; je mehr du ihn lieben wirst, desto mehr wird er dich erfreuen; und je mehr er dich erfreuen wird, desto besser wirst du ihn erfassen und in der Lage sein, ihn zu verstehen. Danach wirst du zur Fülle des Lichts gelangen, weil du verstehen wirst, das du ihn nicht erfassen kannst.“

In den letzten Jahren ihres Lebens entfaltete Angela in Nachahmung der seligen Jungfrau Maria eine spirituelle Mütterlichkeit für zahlreiche Besucher aus Italien und dem Ausland, die ihre Unterweisungen suchten. Zudem half sie bei der Pflege der Leprakranken im Spital der Stadt. Die letzten Momente ihres Lebens sind in der Schrift De felici exitu beatae Angelae beschrieben.

Angela starb am 4. Januar 1309 in Foligno im Alter von 60 Jahren und wurde in der dortigen Franziskanerkirche bestattet. 1693 wurde Angela von Foligno von Papst Innozenz XII. seliggesprochen. Am 9. Oktober 2013 sprach sie Papst Franziskus per Dekret heilig.