Andreas Resch: Andreas Hyazinth Longhin

ANDREAS HYAZINTH LONGHIN
(1863-1936)

BISCHOF VON TREVISO
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER KAPUZINER

Selig: 20. Oktober 2002
Fest: 26. Juni

ANDREAS HYAZINTH LONGHIN wurde am 23. November 1863 als Sohn der armen, aber tief religiösen Pachtbauern Matteo Longhin und Giuditta Marin in Fiumicello di Campodarsego (Provinz und Diözese Padua) geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Hyazinth Bonaventura getauft. Seine Kindheit verbrachte er im Schoß der Familie, wo ihm die Mutter die Fundamente des christlichen Glaubens vermittelte und ein Beispiel an Religiosität und Nächstenliebe vorlebte. Der Vater war der Herr im Haus: „Wenn mein Vater sein Wort erhob, kommandierte er; man hatte weder zu antworten noch Bemerkungen zu machen, man musste gehorchen.“ Mit sieben Jahren besuchte Hyazinth zum ersten Mal die Volksschule, wobei ihm der Vater die Worte mit auf den Weg gab: „Denk daran, Hyazinth, dass du allein zur Schule zu gehen und allein zurückzukehren hast!“ Und Hyazinth ging allein hin und kehrte allein zurück. Am 12. November 1871 empfing er das Sakrament der Firmung und 1876 wurde er mit 13 Jahren zur Erstkommunion zugelassen.

Indes, für den Vater wäre Hyazinth, als einziger Sohn, eine Hilfe gewesen und sein Nachfolger bei der Feldarbeit. Dieser spürte jedoch zunehmend die Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben als Kapuziner. Es war allerdings schwer, dafür die Erlaubnis des Vaters zu bekommen, der sagte: „Priester ja, Ordensmann nein!“ Erst am 25. Juli 1879 gab er seine Zustimmung. Am 27. August 1879 begann Hyazinth im Alter von 16 Jahren mit der Einkleidung das Noviziat im Orden der Kapuziner in Bassano del Grappa (Vicenza), wobei er den Namen Bruder Andreas von Campodarsego annahm. Nach Beendigung des Noviziats legte er am 28. August 1880 die einfachen Gelübde ab und begann in Padua mit den humanistischen Studien; er blieb dort vier Jahre. Am 4. Oktober 1883 legte er die feierlichen Gelübde ab. 1884 ging Bruder Andreas in das Kloster des Allerheiligsten Erlösers nach Venedig, um an den theologischen Studien teilzunehmen. Nach dem zweiten Jahr Theologie wurde er, einem damaligen Privileg der Kapuziner entsprechend, mit 23 Jahren zum Priester geweiht. Nach Abschluss der Studien bestellte man ihn am 12. Oktober 1888 zum Direktor und Lehrer des seraphischen Seminars und des Vor-Noviziats in Udine. Er hatte die Aufgabe, die jungen Männer spirituell auf den Eintritt in das einjährige Noviziat vorzubereiten, wobei er sich als sicherer Führer und weiser Lehrmeister erwies. Am 10. September 1889 wurde Longhin zum Direktor und Lektor für Philosophie am Gymnasium von Padua bestimmt. 1891 erfolgte die Versetzung in das theologische Studentat von Venedig und 1902 die Ernennung zum Minister der Kapuziner der Ordensprovinz Venedig. Während dieser Zeit als Lehrender und Provinzialminister widmete sich Bruder Andreas verschiedenenorts besonders dem Predigen. Anlässlich einer Predigt in Mestre musste man die Bänke aus der Kirche tragen; ein anderes Mal, bei seinen Adventpredigten 1903 in Mogliano (TV), quoll die große Kirche bei jedem Fest von Menschen geradezu über, die hingerissen seinen Worten lauschten.

Aufgrund seiner unablässigen Predigttätigkeit, getragen von einer breiten Bildung, war er in Padua und im gesamten Patriarchat von Venedig bereits bekannt, als dort am 24. November 1884 der neue Patriarch, Kardinal Joseph Sarto, Einzug hielt, der bald davon erfuhr und Bruder Andreas nicht nur als Prediger, sondern auch bei vielfältigen heiklen Aufgaben in der Diözese einsetzte.

Am 4. August 1903 wurde Kard. Sarto zum Papst gewählt, wobei er den Namen Pius X. annahm. Am 13. April 1904 ernannte er Bruder Andreas persönlich zum Bischof von Treviso und wollte, dass dieser wenige Tage später, am 17. April, in Rom in der Kirche Santa Trinità dei Monti von Kard. Merry del Val geweiht werde.
Der neue Hirte traf am 6. August 1904 in der Diözese ein, nachdem er zwei Pastoralbriefe vorausgeschickt hatte, die sein Reformprogramm anzeigten. Im darauffolgenden Jahr begann er die erste Pastoralvisitation, die fast fünf Jahre dauerte. Er wollte seine Kirche, eine der größten und bevölkerungsreichsten im Veneto, kennenlernen und einen persönlichen Kontakt mit seinem Klerus herstellen, dem er seine pastoralen Bemühungen widmen wollte. Er hatte auch eine Annäherung an die organisierten Laien im Plan, die gerade damals im Bereich der katholisch-sozialen Bewegung harten Prüfungen ausgesetzt waren. Die Visitation beschloss er mit der Feier der Synode, um in der Diözese die von Pius X. eingeleiteten Reformen durchzuführen. Dieser beschrieb Bischof Andreas am 12. August 1907 mit folgenden Worten: „Er ist einer meiner bevorzugten Söhne, den ich meiner geliebten Diözese geschenkt habe, und ich freue mich jedes Mal über das Lob, das ich über ihn höre, dass er wirklich ein heiliger, gebildeter, ein Bischof von altem Schrot und Korn ist, der in seiner Diözese einen unauslöschlichen Eindruck seines apostolischen Eifers hinterlassen wird.“

In der Tat hegte er, nach dem Beispiel Pius’ X., neben der Verkündigung des Wortes den apostolischen Wunsch, dass den Kindern, den Jugendlichen in Verbänden und Vereinen und den katholischen Erwachsenen Katechismusunterricht zuteil werde, mit kulturellen Wettbewerben, Studientagen, Katechistenschulen und Katechesekongressen. Ein besonderes Anliegen waren ihm auch seine Priester. So reformierte er das Diözesanseminar durch eine Aufwertung der Studien und der spirituellen Formung. Er förderte die geistlichen Exerzitien des Klerus mit einem dauerhaften Ausbildungsprogramm, das er jedes Jahr selbst entwarf. Den seelsorglichen Aktivitäten gab er eine klare Ausrichtung und unterzog diese bei den drei aufeinanderfolgenden Pastoralvisitationen jeweils einer Prüfung.

Als der Erste Weltkrieg (1914 –1918) ausbrach, befand sich Treviso auf der Frontlinie: es erlebte Invasionen und die ersten Luftangriffe, welche die Stadt und weitere 50 Pfarreien zerstörten. Bischof Longhin verharrte auf seinem Posten, selbst als die zivilen Obrigkeiten alles hinter sich ließen, und er wollte, dass auch seine Priester blieben, sofern sie nicht ihre flüchtende Herde begleiten mussten. Mit heldenhaftem Mut leitete er das Schicksal der Stadt, war religiöser, moralischer und weltlicher Bezugspunkt für die gesamte in den Konflikt verstrickte Gemeinschaft. Er kümmerte sich um den Beistand der Soldaten, um die Pflege der Armen und Kranken. Allen sprach er Mut zu, blieb stets unparteiisch und für kriegerische Propaganda unempfänglich. Dennoch wurde er des Defätismus bezichtigt und einige seiner Priester wurden festgenommen und verurteilt.

In den anstrengenden Jahren der materiellen und spirituellen Neustrukturierung nahm Bischof Longhin die zweite Pastoralvisitation wieder auf, die er unterbrochen hatte. In Anbetracht der großen sozialen Spannungen, die selbst die Katholiken spalteten, war er eine sichere Leitfigur. Mit Nachdruck im Sinne der Evangelien zeigte er, dass Gerechtigkeit und sozialer Friede den geraden Weg der Gewaltlosigkeit und der Einheit der Katholiken verlangten. Es kam zur Erstarkung der faschistischen Bewegung, die in Treviso für manche Gewaltexzesse, vor allem gegen die katholischen Organisationen, verantwortlich zeichnete. Longhin unterstützte die Leghe Bianche, eine vorwiegend agrarische christliche Bewegung, die 1919 zu dem Zweck gegründet wurde, der Ausbreitung der „Leghe Rosse“ sozialistischer Prägung Einhalt zu gebieten, wobei er als Bischof der Armen, der Arbeiter und der Bauern hervortrat. 1920 gründete er in Treviso das bischöfliche Kolleg „Pius X.“, um den Jugendlichen eine christliche Ausbildung zu sichern.

Wegen seiner Gaben als weiser und eifriger Hirte wurde Bischof Longhin am 24. März zum Apostolischen Administrator der vakanten Diözese von Padua und am darauffolgenden 19. Juli zum Visitator und Apostolischen Administrator der Diözese Udine ernannt, um in die zwischen Klerus und Bischof vorherrschende Zwietracht wieder Frieden zu bringen. Aus diesem Anlass begab er sich zweimal pro Woche nach Udine, um alle Priester, einen nach dem andern, anzuhören. Am Schluss seiner Mission hinterließ er sowohl im gesamten Klerus als auch unter den Laien ein Gefühl der Genugtuung. Der Heilige Stuhl verlieh ihm in Anerkennung seines Einsatzes den Titel eines Erzbischofs. Wegen seines Rufes der Heiligkeit, Umsicht und Weisheit wurde er von den anderen Bischöfen des Veneto als Berater und sichere Leitfigur angesehen.

Von 1926 bis 1934 unternahm Bischof Longhin die dritte Pastoralvisitation, um den Glauben der Pfarrgemeinden zu stärken. Die streitende Kirche war nach seiner Konzeption eine ganz auf Heiligkeit ausgerichtete und zum Martyrium bereite Kirche. Dieses Martyrium erreichte ihn justament bei dieser letzten Visitation. Als er sich im Juli 1932 zu einer kurzen Erholung in Montecatini Terme befand, erlitt er einen Zusammenbruch. Er erholte sich relativ rasch und kehrte zu seiner Tätigkeit zurück, musste jedoch seinen Arbeitsrhythmus einschränken, was ihn veranlasste, dem Heiligen Stuhl seinen Verzicht auf die Diözese anzubieten. Dieser wurde nicht angenommen, wie sein letzter Sekretär erzählt: „Mit zunehmender Krankheit wollte er, dass ich ihm die geistliche Lesung halte. Ich las ihm das Leben des hl. Alphons Maria de’Liguori vor. Als ich zu der Stelle kam, wo der Heilige auf die Leitung der Diözese verzichtete, was vom Papst angenommen wurde, zeigte sich Longhin sehr bewegt und meinte mit Tränen in den Augen: ‚Und ich? Warum nimmt man meinen Verzicht nicht an?‘ In Wahrheit wurde sein Verzicht nie angenommen, wenngleich er dreimal wiederholt wurde.“

Als Mussolini am 2. Oktober 1935 die Kriegserklärung an Äthiopien ankündigte, folgte Longhin seiner Rede am Fenster mit dem Rosenkranz in der Hand. Plötzlich sagte er: „Wo sind wir? Ich kann nicht mehr sehen.“ Es war der Beginn eines echten Leidensweges, doch Bischof Longhin beklagte sich nie. Im Februar 1936 erlitt er durch eine Lähmung den Verlust seiner Sprache und von dem Augenblick an verschlechterte sich sein Gesundheitszustand bis hin zu völligem Stillstand und Momenten der Bewusstlosigkeit. Inzwischen wurde ein Apostolischer Administrator ernannt, der bei der Vorstellung seines Beglaubigungsschreibens in der Kurie und im Episkopat sagte: „Dem Bischof darf meine Ernennung nicht zu Ohren kommen. Der Heilige Vater hat es so angeordnet. Er will, dass Msgr. Longhin sein Leben als Bischof von Treviso beschließt.“ Und so war es. Longhin starb am 26. Juni 1936 in Treviso in völliger Hingabe an den Willen Gottes und umgeben vom Ruf der Heiligkeit.

Seine sterblichen Überreste ruhen in der Kathedrale von Treviso. Bei der Identifikation des Leichnams vom 12.– 22. November 1984 wurde dieser „unversehrt mit größtenteils mumifizierten weichen Teilen“ vorgefunden.

Am 20. Oktober 2002 wurde Andreas Hyazinth Longhin von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 2001 – 2004. Innsbruck: Resch, 2015 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 6). XIV, 482 S., 110 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-099-5, Ln; EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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