Andreas Resch: Alois Scrosoppi

ALOIS SCROSOPPI
(1804-1884)

ORATORIANER UND GRÜNDER
DER SCHWESTERN VON DER GÖTTLICHEN VORSEHUNG

Selig: 4. Oktober 1981
Heilig: 10. Juni 2001
Fest: 3. April

ALOIS SCROSOPPI wurde am 4. August 1804 als Sohn des Gold­schmieds Domenico Scrosoppi und der Antonia Lazzarini, Witwe des Adeligen Francesco Filaferro, in Udine, Italien, geboren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Alois. Für die Mutter war er das vierte, für den Vater das zweite Kind. Die Familie ließ ihm eine fundierte religiöse Erziehung zuteil werden. Drei Söhne folgten der Berufung zum Priester: Karl Filaferro (1786 – 1854) aus erster Ehe, der zu den Oratorianern bzw. Philippinern von Udine ging, so­wie Johann Baptist und Alois Scrosoppi. Karl, seit 1809 bei den Philippinern, über denen das Schwert der napoleonischen Unterdrückung hing, wies Alois den Weg zum Priestertum. Er hielt ihn zum regelmäßigen Besuch des Oratori­ums an, wo er den hl. Philipp Neri schätzen lernte.

Nach neun Jahren im Seminar von Udine unter der Leitung hervorragender Erzieher empfing Alois Scrosoppi am 27. März 1827 die Priesterweihe, wenngleich er noch keinerlei klare Vorstellungen von seiner Zukunft hatte. Zunächst woll­te er Kapuziner werden, aber sein Grundsatz „nur das zu wollen, was Gott will“ ließ ihn einen anderen Weg einschlagen. 1829 nahm er die Einladung seines Stiefbruders P. Karl an, Vizedirektor der „Casa delle Derelitte“ zu werden, einer Art Waisenhaus, in das arme und verlassene Mädchen aufgenommen wurden, um ihnen ein Dach über dem Kopf, Essen, Erziehung und Ausbildung zu bieten. Im Konkreten war er „Handlanger und Laufbursche“ von Pater Karl, der die Leitung des Hauses übernommen hatte. Die Einrichtung, obwohl erst wenige Jahre alt, war heruntergekom­men und stand kurz vor dem Ruin. Erst im Jahre 1817 nämlich hatten zwei from­me Priester, der ehemalige Philippiner Gaetano Salomonio und der frühere Barnabit Andrea Scipioni in Borgo Ronchi winzige Räumlichkeiten zur Unterbringung verlassener Waisenmädchen gemietet. Da beide schon fortgeschrittenen Alters waren, galt ihre Sorge der Zukunft dieser armen Kin­der. In dieser Situation kam ihnen P. Karl zu Hilfe, der sich 1822 das schwere Erbe aufbürdete. Auf der Suche nach einem tatkräftigen Mitarbeiter fand er schließlich in seinem Stiefbruder Alois die nötige Unterstützung.

Alois machte für das Haus den Bettler, wobei er einerseits großzügige Almo­sen erhielt, andererseits aber auch Beleidigungen und Demütigungen hinneh­men musste. Da er alles „in Freude und Gelassenheit“ ertrug, gewann er langsam die Sympathien der Menschen. Gleichzeitig wurde sein Einsatz immer mehr zum innovativen Motor des Projekts. So unterbreitete er dem Bruder ei­nes Tages den Vorschlag, das Haus mit Mitteln aus dem Familienbesitz zu er­weitern, vertraute er doch der göttlichen Vorsehung, welche die Wohlgesinnten schon zur Nächstenliebe anhalten würde, wenngleich die Zeiten beileibe keinen An­lass zu einem Wagnis boten. Das erneuerte und 1837 eingeweihte Haus bot Platz für 95 Interne und 230 Externe. 1839 erhielt es seine offizielle Anerkennung. Was jedoch blieb, waren die vielfältigsten Schwierigkeiten der Erhal­tung, die finanziellen Sorgen, und die vielen Demütigungen, die Scrosoppi er­dulden musste.

In diesem ständigen Kampf, den Gästen eine qualifizierte Ausbildung zu garantieren und die nötigen finan­ziellen Mittel aufzubringen, kam ihm die Idee, eine Schwesterngemeinschaft zur Mithilfe bei der Erziehung und Betreuung der Waisen zu gründen. Am 1. Februar 1837 traten die ersten sieben jungen Frauen in das Institut ein. Die qualifizierteste unter ihnen war Lucia de Giorgio, die sich für die beiden Brüder als große Hilfe erwies und sich um die Organisation und die interne Ordnung der Mädchengemeinschaft kümmerte. 1840 ersuchten die Brüder Scrosoppi die Gräfin Franca di Colloredo, Präsidentin des Collegio Dimesse, um ihre Unterstützung und die Übernahme der Leitung des Instituts. Dieses nahm inzwischen bereits konkretere Formen an, als nämlich zu Weih­nachten 1845 versuchsweise ein Triennium mit den ersten sieben jungen Frauen bewilligt wurde, die mit Genehmigung des Diözesanbischofs das Or­denskleid anlegten und sich zu den drei Gelübden verpflichteten. 1846 wurde Scrosoppi Oratorianer. Am 23. Dezember 1848 wurden die Konstitutionen an­genommen, die Bezeichnung Schwestern von der Göttlichen Vorsehung des hl. Kajetan eingeführt und ein eigenes Ordenskleid beigestellt.

Als es am 17. März 1848 auch in Udine zur Revolution gegen die österrei­chische Oberhoheit kam, ließ sich Alois mit Kokarde in der Stadt sehen und nahm dort an der allgemeinen Freude teil. Im April aber kehrten die Österreicher, die sich zurückgezogen hatten, wieder und begannen Udine zu bombardieren. Am Karfreitagabend segnete P. Alois acht Lehrerinnen und entsandte sie als Beistand für die Verwundeten beider Lager mit einem ebenso schmerzlichen wie herzlichen Gruß: „Geht… und auf Wiedersehen im Paradies!“ 1855 schickte er die Schwestern zu den Cholerakranken und während der Kriegswirren von 1859 und 1866 in die Lazarette. Von 1857 an verbreiteten sich die Schwestern von der Göttlichen Vorsehung in andere Diözesen von Veneto, Trentino und Istrien, sodass es 1884 bereits 12 Häuser gab.

Am 29. Januar 1854 starb P. Karl und bald darauf wurde P. Alois zum Obern der Philippiner gewählt, was er bis zum Jahre 1866 blieb, als die Kon­gregation ungeachtet energischer Proteste aufgelöst wurde. Von da an widme­te er sich vor allem dem Aufbau der Kongregation der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung und bezog eine Wohnung in deren Haus.

Um die päpstliche Anerkennung der Schwesterngemeinschaft zu erreichen, begann er ab 1860 an der Verbesserung ihrer Konstitutionen zu arbeiten, bis dann am 7. Februar 1862 Pius IX. das „Decretum laudis“ herausgab, dem am 7. August desselben Jahres die offizielle Ablegung der Gelübde von 20 Schwestern und weiteren sieben in Portogruaro folgte. Am 22. September 1871 approbierte Pius IX. das „fromme Institut“ von neuem und bestätigte schließlich am 23. September 1891, sieben Jahre nach Scrosoppis Tod, per Dekret der Kongregation der Bischöfe und Regularen Konstitutionen und Ordensregel.

Scrosoppis Arbeit beschränkte sich aber nicht nur auf diese Einrichtung. Auf eigene Kosten ließ er die Fassade der Kirche der hl. Magdalena erneuern, gründete in Orza­no eine öffentliche Schule und eröffnete 1855 das Haus der „Fürsorge“ für ehemalige Schülerinnen, die nunmehr im Arbeitsleben standen, als Ort der Ruhe und Zuflucht. Im Pressebereich gab er die Zeitung Giornale del Popolo heraus und besorgte die Veröffentlichung von Heiligenbildchen, Andachtsbroschüren für das Volk sowie kleineren religiösen und allgemeinen Schriften.

Neben diesem Einsatz für die kulturelle und geistige Bildung kümmerte er sich in besonderer Weise um Bedürftige aller Art. In Udine errichtete er ein Institut für taubstumme Frauen, er setzte sich sehr für die armen Klarissen ein, trug mit Geldspenden zur Gründung des Kollegs „Giovanni da Udine“ bei, un­terstützte die bedürftigen Priesterkandidaten im Seminar und das diözesane Hilfswerk für arme Priester und unternahm um 1876 sogar den Versuch, ein Erholungsheim für sie zu errichten, was leider nicht gelang. Ebenso förderte er die Patronatsschule für die Kinder aus dem Volk, die katholische Schule und die katholische Tageszeitung Il cittadino italiano.

Dieses intensive apostolische und soziale Wirken entsprang seinem jugendli­chen Bestreben: „Ich will mich heiligen, o Herr, und damit auch die anderen.“ Die ständige Triebfeder seines Bemühens war Jesus von Nazareth. Daher wollte er seine geistlichen Schwestern einzig und allein das Leben von Nazareth leh­ren. Dort fand er alles: Glauben, Arbeit, Ruhe, die Erhabenheit des Alltäglichen oder Gewöhnlichen und – vor seinen Augen wie im Herzen – den heranwachsen­den Jesus, der auch an Weisheit und Gnade zunahm; Maria, die Magd, Braut und Mutter, zutiefst demütig und doch Königin; und Josef, bereitwilliges und traumverlorenes Instrument der Vorsehung. Zunächst 30 Jahre Nazareth, dann der Berg der Seligpreisungen, der Tabor, Golgo­tha, der Himmel.

So lebte Alois den Grundsatz: handeln, dulden, schweigen. Und wie Jesus woll­te er den Menschen Diener sein, vor allem den Armen. Diese Einstellung übertrug er auf seine Schwestern, die heute in Europa, Lateinamerika, Afrika und Indien tätig sind und dort den Geist von Nazareth leben, wie ihn der Heilige gelebt hat, von dem zu lesen ist: „Welcher Vergehen wegen die Kinder auch immer zu ihm geschickt wurden – stets freuten sie sich, weil er Nachsicht mit ihnen üb­te.“ Jenen, die ihn beschimpften und zuweilen sogar die Hunde auf ihn hetzten, wenn er sich mit seinem Esel zur Almosensammlung für seine Schützlinge aufmachte, begegnete er gelassen und vornehm: „Das ist für mich, der ich ein armer Sünder bin, aber es ist nicht genug für meine Waisen: was gebt ihr mir für sie?“

Ende 1883 war Scrosoppi aufgrund ständig hohen Fiebers und eines streuenden Hautausschlags, der Narben verursachte, gezwungen, jedwede Tätigkeit einzustellen. Vom Leben aufgezehrt starb er nach längerem schmerzhaften Leiden am 3. April 1884, dem Tag der Schmerzensmutter, im Alter von 80 Jahren. Die gesamte Presse, auch die antiklerikale, berichtete über sein Ableben mit Worten der Wertschätzung und Bewunderung. An seiner Beerdigung nahm eine große Menschenmenge teil. Er wur­de auf dem Friedhof neben dem Kirchlein von Orzano beigesetzt, das er nach den gleichen Maßen wie das Gotteshaus von Loreto hatte erbauen lassen. 1952 wurden die sterblichen Überreste nach Udine überführt, wo sie in der „Cappella delle Suore della Provvidenza“ (Kapelle der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung), via P. Luigi Scrosoppi, 2, ruhen.

Am 4. Oktober 1981 wurde Alois Scrosoppi von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-0, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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