Andreas Resch: Alois Orione


ALOIS ORIONE
(1872-1940)

PRIESTER UND GRÜNDER
DER SÖHNE DER
GÖTTL. VORSEHUNG,
DER KLEINEN
MISSIONSSCHWESTERN
DER NÄCHSTENLIEBE,

DER EREMITEN DER GÖTTL. VORSEHUNG UND DER
SAKRAMENTINE-
RINNEN

Selig: 26. Oktober 1980
Heilig: 16. Mai 2004
Fest: 12. März

ALOIS JOHANNES ORIONE wurde am 23. Juni 1872 in Pontecurone (Ales­sandria), Diözese Tortona, Italien, als Sohn von Vittorio Orione und Carolina Feltri geboren und auf den Namen Alois Johannes getauft. Der Vater, der als Soldat unter Garibaldi gedient hatte und eine leicht antiklerikale Haltung vertrat, war von Beruf Pflasterer, während die Mutter, Hausfrau und Analphabetin, einen tiefen Glauben und hohe erzieherische Qualitäten besaß, womit sie den Kindern auch den Vater ersetzte, der arbeitsbedingt die meiste Zeit des Jahres außer Haus war. So wuchs Alois als das jüngste von vier Geschwistern in recht bescheidenen Verhältnissen auf und teilte bereits von Anfang an die triste Lage ei­nes Großteils der arbeitenden Masse.

Seine Kindheit verbrachte er unter der weisen Anleitung seiner Mutter; einerseits arbeitete er auf den Feldern, andererseits drückte er die Schulbank in seinem Heimatdorf. Seine Bildung verdankte er auch dem Beispiel einiger herausragender Priester. Und obwohl er zunehmend eine Berufung zum Priestertum verspürte, zog er zunächst drei Jahre lang (1882–1885) mit seinem Vater durch die Straßen von Monferrato, klopfte Steine und beförderte Schubkarren.

Im September 1885 wurde Alois mit nur 13 Jahren in den Franziskanerkonvent von Voghera aufgenommen, doch schwächte ihn eine Lungenentzündung derart, dass er nach Hause zurückkehren musste. Nach seiner Genesung half er seinem Vater wieder beim Legen von Pflastersteinen. Auf Betreiben des Pfar­rers begab er sich im September 1886 nach Turin, um dort als Interner in das Oratorium des hl. Johannes Bosco einzutreten, der ihn sehr schätzte und ihm versprach: „Wir werden immer Freunde bleiben.“ Am 4. Oktober des Jahres wurde Alois in das Oratorium der Salesianer von Valdocco aufgenommen, wo er drei Jahre blieb.

Seine Begegnung mit Don Bosco war ausschlaggebend für seinen Einsatz bei der Jugend. Ebenfalls großen Einfluss auf ihn hatten die Werke der Nächsten­liebe von Giuseppe B. Cottolengo, dessen „Kleines Haus der Göttlichen Vorsehung“ sich unweit vom Oratorium von Valdocco befand. Nach Abschluss der dreijährigen Studien war die Zeit gekommen, mit dem Noviziat bei den Salesianern zu beginnen. Doch aus einer plötzlichen und bis heute ungeklärten Eingebung heraus verwarf Alois diesen Gedanken völlig unerwartet und kehrte nach Tortona zurück, wo er am 16. Oktober 1889 in das dortige Diözesanseminar eintrat und einen zweijährigen Kurs in Philosophie belegte. Die Armut der Familie und der Tod des Vaters im Jahre 1892 machten es ihm als einfachem Studenten unmöglich, weiterhin die Seminargebühren zu entrichten, und so bat er den Rektor, auch den Sommer über im Seminar bleiben zu dürfen, um dort zu arbeiten. Es wur­de ihm daraufhin das Amt des Domkustoden übertragen und zu Beginn des Theologie-Kurses wurde er für diese Aufgabe fest angestellt. Orione wohnte in einer Dachkammer über dem Dom und erhielt ein bescheidenes Monatsgehalt. Davon überzeugt, dass es seine Aufgabe war, sich um die christliche Erziehung der Knaben zu kümmern, begann er diese um sich zu versammeln und im Kate­chismus zu unterweisen. Der Bischof, der sein Bemühen erkannte, stellte ihm den Garten des Bischofssitzes zur Verfügung, wo am 3. Juli 1892 das erste Oratorium „San Luigi“ entstand. Im Jahr darauf gründete Orione ein Kolleg na­mens „San Bernardino“, das schon bald von mehreren hundert Jungen frequentiert wurde.

Am 13. April 1895 wurde Alois Orione zum Priester geweiht; im Kreise seiner Schützlinge, die inzwischen in das ehemalige Klosters der hl. Klara übersiedelt waren, feierte er seine Primiz. Von da an engagierte er sich verstärkt in der Jugendseelsorge und eröffnete der Reihe nach neue Häuser in Tortona, Noto auf Sizilien und Sanremo (1899). Gleichzeitig sammelten sich Kleriker und Priester um ihn, die in Gemeinschaft lebten und die erste Zelle seiner Ordenskongregation der Söhne der Göttlichen Vorsehung bildeten. Ein genaues Gründungsda­tum anzuführen ist schwierig, es sei denn, man bezieht sich auf die erste offi­zielle Anerkennung durch das Approbationsdekret des Bischofs von Tortona, Msgr. Bandi, vom 21. März 1903. Es folgten die Approbationen weiterer Bischöfe, das „Decretum Laudis“ mit der Approbation der Konstitutionen am 24. April 1944 und schließlich die endgültige kirchliche Approbation am 20. November 1954.

Zur täglichen Arbeit Don Oriones gehörte nicht nur sein Einsatz für die Ju­gend, sondern auch häufiges Predigen in der Stadt und den angrenzenden Dör­fern, Armen- und Krankenbesuche, der Kampf gegen das Freimaurertum und die Verbreitung seriöser Schriften.

Da er davon überzeugt war, dass apostolisches Wirken sein eigentliches Fundament nur in Kon­templation und Selbstaufgabe haben könne, gründete er 1889 die Eremiten der Göttlichen Vorsehung, bei denen auch Blinde aufgenommen wurden.

Anlässlich der Erdbebenkatastrophe von Messina und Reggio Calabria im De­zember 1908 besuchte Don Orione die betroffenen Gebiete und half, wo er konnte. Vor allem kümmerte er sich um die Waisen, die Aufnahme in sei­nen Häusern fanden. Er wurde damit zum Koordinator zwischen staatli­chen und kirchlichen Hilfsmaßnahmen. Auf ausdrücklichen Wunsch Pius’ X. übernahm Don Orione für drei Jahre das Amt des Generalvikars der Diözese von Messina. Ebensolchen Einsatz zeigte er beim Beben in Marsica im Jahre 1915, wo er vielen Waisen das Leben rettete, Unterricht erteilte und Arbeit verschaffte. Wiederholt reiste er durch Italien, auf der Suche nach geeignetem Personal und Priesterberufungen, und um Unterstützung für die Wer­ke der Nächstenliebe zu werben, die zahlenmäßig immer stärker zunahmen.

Um all diese Initiativen weiter voranzutreiben, gründete er am 29. Juli 1915 die Kongregation der Kleinen Missionsschwestern der Nächstenliebe, die sich in erster Linie um die Armen und Kranken und um die Aufgaben in Kü­che, Garderobe und Wäscherei auch in Schulen und Ausbildungszentren kümmern sollten. Zudem oblag ihnen die Leitung von Kindergärten und die Hinführung der weiblichen Jugend zu einem christlichen Leben; dies sollte über Jugend­heime, Werkstätten und verschiedene pfarrliche Einrichtungen geschehen.

Dem weiblichen Zweig seines Hilfswerkes fügte er am 15. August 1927 aus einem persönlichen Bedürfnis heraus die beschauliche Vereinigung der blinden Sakramentinerinnen hinzu, die gemeinsam mit den blinden und sehenden Eremiten (1889) den kontemplativen Teil der Ordensgemeinschaft bilden, der sich ausschließlich dem Apostolat der Nächstenliebe verschrieben hat.
Im Bemühen um die Evangelisierung entsandte Don Orione seine Brüder und Schwestern ab 1914 nach Brasilien, Argentinien und Palästina.
Inzwischen breitete sich auch sein wohltätiges Werk, das mit ar­men Knaben begonnen hatte, weiter aus, und so entstanden nach 1915 jene Caritasheime, die sich – dem Beispiel des Kleinen Hauses der Göttli­chen Vorsehung in Turin folgend – jedweder Form von Bedürftigkeit öffneten und da­her im Volksmund „Piccoli Cottolengo“ genannt wurden.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich Don Orione für die Verbrei­tung des Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung in Europa, Amerika und Ozeanien ein. In den Jahren 1921 und 1934 begab er sich anlässlich des Inter­nationalen Eucharistischen Kongresses persönlich nach Lateinamerika, um die begonnenen Projekte zu unterstützen. Sein zweiter Aufenthalt dort erstreckte sich über drei Jahre, in denen er Schulen, Plantagensiedlungen, Pfarreien, Waisenhäuser und Caritasheime, „Piccoli Cottolengo“, errichtete.

Als Prediger, Beichtvater und unermüdlicher Organisator von Pilgerfahrten, Volksmissionen, Prozessionen und Wanderkrippen war es ihm ein Anliegen, dass der Glaube in sämtliche Formen menschlichen Lebens Eingang finde.

Gesundheitlich geschwächt, verbrachte Don Orione die letzten drei Jahre ständig in Tortona, wobei er einmal pro Woche die „Piccoli Cottolengo“ von Mailand und Genua besuchte. Von seinen Mitbrüdern und den Ärzten ließ er sich schließlich zu einigen Tagen Erholung in der Villa Santa Clotilde in Sanremo überreden, wo er nur kurze Zeit später, am 12. März 1940, starb. Er hinterließ 820 Ordensangehörige, davon 220 Priester, mit 102 Häusern und Hilfswerken, eingeteilt in 4 Kirchenbezirke und verstreut in Italien, Albanien, auf Rhodos, in Po­len, Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay, den Vereinigten Staaten sowie Eng­land. Die Schwestern zählten bereits mehrere Hundert.

Nach einem feierlichen Leichenzug wurden die sterblichen Überreste Don Oriones in der Krypta der von ihm in Auftrag gegebenen Wallfahrtskirche Ma­donna della Guardia in Tortona beigesetzt. Bei der Öffnung des Sarges im Jahre 1965 erwies sich der Leichnam als völlig unversehrt und wurde erneut am genannten Ort bestattet, wo er nunmehr in einem Schrein verehrt wird.

Das hervorstechendste Merkmal von Don Oriones Charisma ist zweifellos die „göttliche Nächstenliebe, erhaben und universal, die allen Gutes tut, immer nur Gutes, niemandem je etwas Böses“. Die „Nächstenliebe öffnet die Augen für den Glauben und wärmt die Herzen mit der Liebe zu Gott. Es bedarf der Werke der Liebe: sie sind der höchste Lobpreis des katholischen Glaubens“.

Am 26. Oktober 1980 wurde Alois Orione von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-0, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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