Andreas Resch: Alfred Ildefons Schuster O.S.B.

ALFRED ILDEFONS SCHUSTER O.S.B.
(1880-1954)

KARDINAL-ERZBISCHOF
VON MAILAND

Selig: 12. Mai 1996
Fest: 30. August

ALFRED ILDEFONS SCHUSTER wurde am 18. Januar 1880 im Spital von S. Giovanni in Laterano, Rom, Italien, geboren und am darauffolgenden Tag auf den Namen Alfred Ludwig Alois getauft, wobei der zweite Name bis zur Annahme des Ordensnamens Ildefons vorherrschend blieb. Sein aus Deggendorf in Bayern stammender Vater Johann Schuster (1819 –1889) war Chef-Schneider der päpstlichen Zuaven. Nach Aufhebung des Kirchenstaates arbeitete er weiterhin als Schneider und führte ein einfaches, aber ehrbares Leben. 1879 heiratete er in dritter Ehe Anna Maria Tutzer (1849 – 1912) aus Bozen in Südtirol. Mit ihr hatte er zwei Kinder, Alfred und Julia (1884).

Alfred war ein sehr kränkliches Kind. In den ersten Jahren verzweifelte die Mutter beinahe, weil der Kleine immer am Rand des Todes schwebte. Sie eilte in die Kirche S. Agostino und flehte zur Muttergottes, sie möge ihn retten. Ihre Gebete wurden erhört und so erzog sie Alfred zu einem tief christlichen Leben mit einer besonderen Verehrung für die Gottesmutter. Am 19. September 1889 starb der Vater. Während die Kinder aus der früheren Ehe bei Verwandten mütterlicherseits unterkamen, überlebten Albert und Julia nur durch den Fleiß der Mutter, die sich stundenweise als Putzfrau verdingte, und mit Hilfe der Nachbarn. Alfred war ein sensibler Junge mit einer ausgeprägten Intelligenz, ein Einzelgänger, dem seine Schwester die einzige treue Freundin war. Nach dem Kindergarten besuchte er die Volksschule und trat dann im November 1891 im Alter von 11 Jahren in das Klosterschülerheim der Benediktinerabtei St. Paul außerhalb der Mauern ein, wo er seiner Berufung inne wurde, auf die er in einem Brief vom 22. Januar 1907 zu sprechen kommt: „Es ist gut, dass unser spirituelles Wohlergehen so wenig als möglich von den Menschen, den Büchern, Bildern und Orten abhängt, denn im Letzten sind das alles Nebensächlichkeiten… man muss diesen ganzen weltlichen Ballast abwerfen, um… zur innersten Teilnahme am Leben Jesu zu gelangen.“

Nach Beendigung der Studien begann Alfred Ludwig am 13. November 1896 das Noviziat, um Benediktinermönch zu werden, und nahm den Namen Ildefons an. Um die Mutter nicht in Armut zu stürzen, riet man ihm zum Weltpriestertum. Sie aber meinte: „Mach dir keine Sorgen um mich! Wende dich an den hl. Josef, damit er dir den rechten Weg zeige, und diesem folge dann offen und freimütig!“ Von da an hielt er sich an das Programm des hl. Benedikt: ora, labora et noli contristari (Bete, arbeite und sei unbekümmert!). Am 13. November 1899 legte er die einfachen Gelübde ab. Nach dem Philosophiestudium am Benediktinerkolleg S. Anselmo mit Promotion am 28. Mai 1903 und dem Theologiestudium in der Abtei St. Paul wurde Schuster nach der ewigen Profess am 13. November 1901 am 19. März 1904 in San Giovanni in Laterano zum Priester geweiht. Seine erste hl. Messe feierte er in St. Paul in Anwesenheit seiner Mutter und der Schwester, die dann Barmherzige Schwester vom hl. Vinzenz von Paul wurde.

Schusters monastisches Leben war von einer ziemlich steilen Karriere gekennzeichnet: Schon bald (15. Mai 1908) wurde er zum Novizenmeister ernannt, dann zum Generalprokurator seiner Kongregation (22. September 1915) und wenige Monate später zum Prior des Klosters (24. Dezember 1915). Am 26. März 1918 schließlich wählten die Mönche der Abtei von St. Paul Ildefons Schuster zu ihrem Abt. Auch als solcher hegte er, wie schon in ganz jungen Jahren, großes Interesse für die christliche Archäologie, die Liturgie, die Geschichte der Mönche und die sakrale Kunst, und widmete diesen Studien, wie die vielen Beiträge in verschiedenen Zeitschriften zeigen, jede freie Minute bis an sein Lebensende.

Inzwischen begann sich sein Amt durch neue Aufgaben über die Mauern der Abtei hinaus auszudehnen. So wurde Schuster zu Vorlesungen für Theologie an das Institut für Sakrale Musik (1910) und für Liturgie an das Päpstliche Orientalische Institut (1917) berufen, dem er auch als Leiter vorstand (1919). Er unterrichtete Kirchengeschichte am Internationalen Kolleg S. Anselmo (1918), wurde Konsultor der Ritenkongregation, sowohl für die liturgische Sektion (1914) als auch für die Sektion der Heiligsprechungen (1918), und Zensor der Akademie der Heiligen Liturgie (1919). Ferner ernannte man ihn zum Präsidenten der Kommission für Sakrale Kunst und schließlich zum apostolischen Visitator für die Seminare.

Am 26. Juni 1929 ernannte ihn Pius XI. zum Erzbischof von Mailand und am 15. Juli zum Kardinal. Am Sonntag, den 21. Juli, weihte ihn der Papst selbst in der Sixtinischen Kapelle zum Bischof. Schuster definierte seine neue Aufgabe als die eines „Gepäckträgers“ der Ambrosianischen Kirche: „Für uns gibt es nur Lasten zu tragen.“ Zum Vorbild erkor er sich seinen Vorgänger, den hl. Karl Borromäus, und ahmte vor allem dessen Eifer in der Verteidigung des Glaubens und in der Förderung der Seelsorge nach, ebenso seinen Lebensstil als Bischof.

Schusters Tag begann, wo immer er sich aufhielt, um 3.30 Uhr und endete um 21.00 Uhr: vier Stunden Gebet begleiteten die Audienzen und Visiten. Schuster legte allen den Primat des Gebets ans Herz. So wollte er auch, dass seine Priester und Seminaristen geformt würden, und besorgte für sie den Bau des Großen Seminars von Venegono, hineingepflanzt in einen Pinienhain, wie er zu sagen pflegte, um sich so in einem gesunden Klima in Studium und Gebet zu sammeln. Das Priesteramt, so seine Worte, erfordere „physische Kraft, einen gediegenen Glauben, einen Geist, der sich naturgemäß mit der Betrachtung der göttlichen Dinge befasst, sowie einen gebildeten Intellekt“, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorzuholen vermag. Außerdem schlug er vor, dass der Klerus das Volk zu vertieftem und täglichem Gebet anleiten solle: „Wie dankbar wäre ich Pfarrern, die ihre Schäflein morgens und abends zum gemeinsamen Gebet in der Kirche, zu einer kleinen Meditation, zur Gewissenserforschung oder zum abendlichen Besuch des Allerheiligsten Altarsakramentes animieren.“

Zum Gebet gesellte sich bei Schuster eine nicht enden wollende Bürde an Arbeit: So hielt er fünf Diözesansynoden ab, die erste schon bald nach seiner Ankunft, die übrigen nach den Pastoralbesuchen. Bei den Visiten und Synoden empfahl er, dass die Katechese als „Grundvoraussetzung einer jeden seelsorglichen Tätigkeit“ die Lebensgrundlage der über 900 Gebetsstätten der Diözese bilde. Ebenso empfahl er die Katholische Aktion und die Einbindung der Laien zur Belebung der Pfarre.
Neben den fünf Diözesansynoden und fünf Pastoralbesuchen in der Mammut-Diözese sowie seiner regelmäßigen Anwesenheit im Dom zu Messfeier und Predigt an jedem Festtag fand er sich überall dort ein, wo das Wort des Bischofs geboten war.

Alfred Ildefons Schuster war der erste italienische Bischof, der entsprechend dem soeben unterzeichneten Konkordat den Schwur in die Hände des Königs leistete. Mit diesem Abkommen wurde er jedoch keineswegs zu einer Marionette der Regierung. Man denke nur an die Aggressionen gegenüber der Katholischen Aktion und den Oratorien von 1931. Schuster begab sich höchstpersönlich in jene Oratorien, richtete am 31. Mai 1931 ein Pastoralschreiben an den Klerus und widersetzte sich der feierlichen Einweihung des Hauptbahnhofs von Mailand, womit er das Fernbleiben von König Viktor Emanuel III. und Benito Mussolini erzwang. Wenig überraschend daher das 1933 verfasste Urteil des Informanten der Geheimpolizei: „Entgegen allem Anschein ist er (Schuster) ein überzeugter und unversöhnlicher Feind des Faschismus. Keiner der Prälaten ist dem Regime gegenüber so feindlich eingestellt wie der derzeitige Erzbischof von Mailand, und daher würde Mussolini gut daran tun, dafür zu sorgen, dass er aus der Stadt verschwindet.“ Am 13. November 1938 verurteilte Schuster im Dom mit pathetischen Worten die Rassengesetze: „Eine Art Häresie entsteht in einigen ausländischen Ländern, die sich überall verbreitet. Sie wird Rassismus genannt.“

Gleichzeitig setzte sich Schuster mit ganzer Kraft für die Armen ein, insbesondere im Zweiten Weltkrieg, wo er zur Anlaufstelle für alle Notleidenden wurde. Mit Hilfe des Hl. Stuhles erwirkte er bei den Alliierten die Einstellung der im August 1943 begonnenen „Teppich-Bombardements“ auf Mailand. Im April 1945 bot er sich als Vermittler zwischen der Faschistischen Sozialrepublik und dem deutschen Kommando einerseits und den Partisanen und Alliierten andererseits an, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Nach dem Friedensschluss gründete er die Domus Ambrosiana – 13 Gebäude für junge Eheleute in schlechten Wohnverhältnissen, die mit Spenden der Gläubigen finanziert wurden – und die Caritas Ambrosiana, um den völlig Mittellosen zu helfen. Er förderte die Kultur von Priestern und Laien, so z. B. die Entwicklung der Università Cattolica, und gründete 1931 die Hochschule für Ambrosianischen Gesang und Kirchenmusik. 1848 eröffnete er zwei Kulturzentren: das Ambrosianeum und das Didascaleion und am 2. Juli 1954 weihte er schließlich das Priesterkollegium Maria Immacolata für junge Priester ein.

Anschließend zog sich Schuster in das Seminar von Venegono zurück, wo er am 30. August 1954 starb. Seine letzte Ruhestätte fand er im Dom zu Mailand. Als 1985 die Identifizierung des Leichnams stattfand, den man unmittelbar nach dem Tod einbalsamiert hatte, befand sich dieser in einem perfekten Zustand der Konservierung und wurde von neuem im Dom beigesetzt, wo er jetzt zur öffentlichen Verehrung durch die Gläubigen ausgestellt ist.

Am 12. Mai 1996 wurde Alfred Ildefons Schuster von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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