Andreas Resch: Alfonsa von der Unbefleckten Empfängnis

ALFONSA VON DER
UNBEFL. EMPFÄNGNIS
(Anna Muttathupadathu)
(1910-1946)

PROFESSNONNE
DER KONGREGATION DER KLARISSEN
VOM DRITTEN ORDEN
DES HL. FRANZISKUS

Heilig: 12. Oktober 2008
Fest: 28. Juli

ALFONSA VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS wurde am 19. August 1910 in Kudamaloor in der Region Arpookara, Diözese Changanacherry, Indien, als Tochter einer alten und vornehmen Familie (Muttathupadathu) geboren, die sich allerdings seit kurzem in großen finanziellen Schwierigkeiten befand. Die Geburt war zudem von einem schweren Unfall der Mutter überschattet, die im 8. Monat ihrer Schwangerschaft – während sie auf einer Matte im Vorraum des Hauses ausruhte – durch eine Schlange, welche sich an ihren Hals schmiegte, abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde. Darüber war sie so erschrocken, dass sie wenige Tage darauf, früher als erwartet, ein Mädchen zur Welt brachte, das eine Woche später im syro­malabarischen Ritus auf den Namen Annakutty getauft wurde. Die Anhänger des syro­-malabarischen Glaubens gehören der hinduistischen Kultur an, sind von der Religion her Christen und der östlichen Gebetsart verhaftet.

Nach drei Monaten starb die Mutter, was der kleinen Annakutty eine traurige Kindheit bescherte. Lediglich die Zeit, die sie im Haus ihrer Großmutter zubrachte, konnte sie etwas aufheitern. Erzogen wurde das Mädchen im gesellschaftlich-­religiösen Kontext der katholischen Familien des syro­malabarischen Ritus.

Nach Erreichen des schulfähigen Alters im Jahre 1917 besuchte Annakutty die öffentliche Schule von Arpookara. Da es dort keine katholische Schule gab, musste sie mit der hinduistischen vorlieb nehmen. Nach Ende des ersten Abschnitts übersiedelte das Mädchen mangels weiterführender Schulen im Dorf 1920 zu ihrer Tante Anna Murickal nach Muttuchira. Diese fing aber schon bald an, Annakutty zur Heirat zu drängen, was dazu führte, dass sie – um die Tante von ihrem Vorhaben abzubringen – einen schweren Unfall provozierte, bei dem sie sich ernsthafte Verbrennungen an den Beinen zuzog.

Nachdem Annakutty ihre Studien nach krankheitsbedingter Unterbrechung wieder aufgenommen hatte, legte sie 1927 die Prüfungen 6. Grades ab und erhielt daraufhin am 2. August 1928 die Erlaubnis, in die Kongregation der Franziskaner­-Klarissen in Bharananganam einzutreten, wo sie bis 1930 als Probandin blieb. Die Zulassung zum Noviziat musste jedoch aufgrund einer langwierigen Krankheit vorerst aufgeschoben werden. Erst am 19. März 1931 konnte sie in das Noviziat von Changanacherry eintreten, wobei sie den Namen Sr. Alfonsa von der Unbefleckten Empfängnis annahm. Nach Ablegung der zeitlichen Gelübde 1932 wurde sie am 12. August 1936 trotz labiler Gesundheit zur Ewigen Profess zugelassen.
Die Zeit zwischen 1930 und 1935 war von ernsthaften Erkrankungen und moralischen Zweifeln gekennzeichnet. Von 1936 bis zu ihrem Tod (1946) konnte Sr. Alfonsa ihren Beruf als Lehrerin wegen wiederholter Unpässlichkeit nur kurzfristig ausüben. So unterrichtete sie ein Jahr lang in Vakakkadu, woran sie jedoch letztendlich von der sie seit Jahren quälenden Tuberkulose gehindert wurde. Man teilte ihr daraufhin andere Aufgaben zu, die mit ihrer gesundheitlichen Verfassung besser vereinbar waren. Sr. Alfonsa galt als sehr zurückhaltend, zeigte ihren Mitmenschen gegenüber großes Mitgefühl und trug ihr persönliches Leid in aller Stille. Von 1939 an folgte eine schmerzhafte Erkrankung der anderen; 1945 war schließlich der Höhepunkt erreicht. Eine metastasierende Geschwulst machte ihr letztes Lebensjahr zu einem permanenten Todeskampf. Sie sagte: „Ich spüre, dass mich der Herr zum Leiden ausersehen hat… Ein Tag ohne Leiden ist ein verlorener Tag für mich.“

In dieser gottergebenen Opferhaltung beschloss Sr. Alfonsa am 28. Juli 1946 um 12.30 Uhr heiter und gelassen ihren irdischen Lebensweg im Kloster der Klarissen in Bharananganam, wo man sie als liebenswerte und heiligmäßige Schwester in Erinnerung behielt.

Tatsächlich war ihr kurzes und nach außen unscheinbares Leben von einer tiefen Spiritualität geprägt, wie durch Zeugenaussagen eindrucksvoll belegt ist. So berichtet ein Pfarrer, dass Sr. Alfonsa ihm des öfteren, sowohl mündlich als auch schriftlich, anvertraut hatte, sich dem Herrn opfern zu wollen. Die Heroizität ihres Leidens hatte einen eindeutigen Bezugspunkt: „Als mein Bräutigam verwundet am Kreuz hing, hatte er niemanden, der ihm zur Seite stand und Trost spendete; ich, seine Braut, hingegen habe viele, die mir helfen und mich trösten. Daher ist mein Leiden nicht zu vergleichen mit dem Leiden des Herrn.“

Diese Geisteshaltung gegenüber der Bedeutung von Leid und Schmerz im Hinblick auf den Tod Christi am Kreuz und seine Auferstehung entwickelte sich schrittweise, ging aber – wie eine Mitschwester versichert – bereits auf Alfonsas Kindheit zurück. Gleichzeitig verbreitete sie eine beeindruckende Heiterkeit und Freude, wie auch ein brahmanischer Arzt bestätigte, der nach einem Besuch bei Sr. Alfonsa einem Freund seine Verwunderung darüber ausdrückte und davon schwärmte, mit welcher Gelassenheit und welchem Frohsinn die Schwester die furchtbaren Schmerzen ertrug, die ihr der Tumor, der sich im ganzen Körper ausgebreitet hatte, bereitete.

Sr. Alfonsas Zeugnis vom Wert des Leidens untermauerte auf exemplarische Weise der Bischof von Tellicherry, Msgr. Sebastian Vallolopil, der die Selige gut kannte: „Sr. Alfonsa ist Mittlerin einer Botschaft von unschätzbarem Wert gerade für diese Welt: nämlich davon, dass der Schmerz kein Übel ist; dass die Prüfungen und Schwierigkeiten des Lebens, wenn sie – aus Liebe zum Herrn – mit Freuden angenommen und getragen werden, ein Verdienst bedeuten, das zu erwerben es keiner außergewöhnlichen oder spektakulären Aktionen bedarf. Wenn wir täglich das Kreuz auf uns nehmen und dies aus Liebe zum Herrn mit Freude tun, erfährt unser christliches Leben eine enorme Aufwertung und wir dürfen großen Lohn erhoffen. Dies ist Sr. Alfonsas überwältigendes Vermächtnis an die Welt von heute – sie, die in ihrem kurzen Leben nichts Aufsehenerregendes und, menschlich gesehen, Bedeutsames vollbracht hat, ist abgebrannt wie eine Kerze, um anderen zu leuchten.“

Tatsächlich verbreitete sich der Ruf ihrer Heiligkeit auf außergewöhnliche Weise. Tausende von Menschen pilgern alljährlich zu ihrem Grab – nicht nur Katholiken, auch Muslime und Hindus, die von ihrem beispielhaften Leben und ihrer Wundertätigkeit angezogen werden. Aus diesem Grund unternahmen am 27. Januar 1947 auch die Angehörigen eines behinderten Kindes eine Wallfahrt zum Grab der Seligen. Schon vom Tag der Geburt an, dem 1. Oktober 1936, war dessen Missbildung für jeden ersichtlich: an beiden Beinen kongenital verdrehte Füße. Als das Kind zu laufen begann, berührte es den Boden jeweils mit dem Fußrücken. Eine chirurgische bzw. orthopädische Behandlung wurde nicht durchgeführt. Da man die Krankheit sich selbst überließ und sich das Kind weiter auf die gewohnte Art fortbewegte, wurden die angeborenen Anomalien schließlich irreversibel. Nach der Rückkehr von der Wallfahrt, in der Nacht vom 29. zum 30. Januar 1947, verschwand die Deformation und der Bub konnte normal zur Schule gehen. Die Heilung erfolgte plötzlich, war vollständig und dauerhaft, wie auch die Kontrollen der Ärzte bestätigten, die lediglich leichte Modifizierungen von Fußsohlen und Fußrücken feststellten.

Nachdem sich Alfonsas Ruf der Heiligkeit immer stärker verbreitete, wurden die sterblichen Überreste am 13. April 1957 in die Pfarrkirche von Bharananganam übertragen.

Am 12. Oktober 2008 wurde Sr. Alfonsa von der Unbefleckten Empfängnis (Anna Muttathupadathu) von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem sie Papst Johannes Paul II. bereits am 8. Februar 1986 in Kottayam, Indien, seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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