Andreas Resch: Alfons von Orozco

ALFONS VON OROZCO
(1500-1591)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS VOM
HL. AUGUSTINUS

Heilig: 19. Mai 2002
Fest: 19. September

ALFONS VON OROZCO wurde am 17. Oktober 1500 in Oropesa, Toledo, Spanien, geboren, wo sein Vater Statthalter der dortigen Festung war. Bei der Taufe erhielt er den Namen Alfons. 1508 übersiedelten die Eltern nach Talavera de la Reina, Provinz Toledo, wo Alfons seine erste schulische Ausbildung erhielt und drei Jahre hindurch „seise“ (Sängerknabe) der Kathedrale von Toledo war. Dort studierte er die Kunst der Musik, die er dann leidenschaftlich liebte. Noch keine 14 Jahre alt, schickten ihn die Eltern zum Studium von „Kunst“ und „Recht“ an die Universität von Salamanca, wo sich bereits sein älterer Bruder Franz befand.

Im Zuge der Fastenpredigten, die der Augustinerprofessor P. Thomas von Villanova 1520 im Dom der Stadt über den Psalm In exitu Israel de Aegypto hielt, spürte Alfons die in ihm wachsende Berufung zum geweihten Leben. Kurz darauf, am 8. Juni 1522, trat er – angetan vom Nimbus der Heiligkeit des Konvents vom hl. Augustinus in Salamanca – gemeinsam mit seinem Bruder Franz in das dortige Noviziat ein. Novizenmeister war der beispielhafte und heiligmäßige Ordensmann Alois von Mantoya, der auf die gesamte damalige Generation erheblichen Einfluss ausübte. Nach Beendigung des Noviziats legte Alfons am 9. Juni 1523 in die Hände von Thomas von Villanova, mittlerweile Prior des Hauses, die Gelübde ab. Sein Bruder Franz verstarb während des Noviziats.

Der größte Historiker des Ordens, P. Thomas de Herrera, beschreibt das Umfeld des Noviziatshauses, in dem Alfons Novize war, als eine Oase der Glückseligkeit aufgrund der Tatsache, dass dort besonders heiligmäßige Personen aufeinandertrafen: „Prior war der heilige Thomas von Villanova, selbst Mitglied des Konvents; Novizenmeister der heilige Alois von Montoya, der ebenfalls dem Haus angehörte. Glückliche Zeiten, in denen der Prior, der Novizenmeister und so viele Novizen Heilige waren! Und was noch außergewöhnlicher ist: Sogar der Prokurator des Konvents, der ehrwürdige P. Franz vom Kreuz, war einer der neuen Augustiner, die sich vor allem im mexikanischen Reich durch Heiligkeit hervortaten.“

In der Tat bildete der Orden des hl. Augustinus zur damaligen Zeit in Spanien einen Kontrapunkt zur schweren Krise, welche die Kongregation in Zentral- und Nordeuropa durchmachte. Die lutherische Reform und das Schisma Heinrichs VIII. wirkten sich auf mehrere Augustinerprovinzen negativ aus, während der Vorstoß der Türken die ungarische Provinz in die Krise stürzte.

Nach Ende der Studien wurde Alfons 1527 auf Anordnung der Obern, wie er selbst in aller Bescheidenheit bemerkt, zum Priester geweiht. Die Obern erkannten in ihm eine so tiefe Spiritualität und eine dermaßen große Begabung zur Verkündigung des Wortes Gottes, dass sie ihn schon bald zum Prediger ernannten – eine Aufgabe, die er zunächst im dortigen Augustinerkonvent und dann 1528 in Hara (Rojo) ausübte. Von 1537 an war er Prior der Konvente von Storia, Medina del Campo, Granada, Sevilla und Valladolid. Obwohl streng zu sich selbst, erwies sich Alfons in seiner Amtsführung als durchaus verständnisvoll. Weder wollte er, dass man der Kommunität eine ungebührliche Strenge auferlegte, der nicht jedermann Folge leisten konnte, noch war es sein Bestreben, dass sich die Konvente nur durch Almosen erhielten, weil diese Methode „dem Gebet und der Kontemplation“ abträglich sei.

Vom Wunsch getragen, das Geschenk des Martyriums zu empfangen, schiffte sich Alfons 1549 als Missionar nach Mexiko ein, doch erkrankte er während der Überfahrt bei den Kanaren an Gicht, weshalb ihn die Ärzte, die um sein Leben bangten, an der Weiterreise hinderten.

Als er Oberer des Konvents von Valladolid, der damaligen Hofresidenz, war, ernannte ihn Kaiser Karl V. 1554 zum Hofprediger, und als der Hof 1561 nach Madrid verlegt wurde, musste auch Alfons in die neue Hauptstadt übersiedeln, wo er fortan im Augustinerkonvent San Felipe El Real wohnte. Wenngleich er eine Aufgabe hatte, die ihn nicht unmittelbar der Jurisdiktion seiner Ordensoberen unterstellte und ihm ein Einkommen garantierte, wollte er unter Verzicht auf jegliche Privilegien so bescheiden wie sonst keiner unter seinen augustinischen Mitbrüdern leben, und in vollem Gehorsam.

Persönlich arm und durch die Ordensgelübde zur Armut verpflichtet, nahm er täglich nur eine Mahlzeit zu sich, benutzte ein Brett als Liege und Kletterpflanzen als Matratze. Er schlief höchstens drei Stunden und behauptete, dies würde ihm für den neuen Tag reichen. In seiner Zelle befanden sich lediglich ein Stuhl, eine Öllampe, ein Besen und ein Dutzend Bücher. Er wählte die Zelle neben dem Eingang, um sich besser der Armen annehmen zu können, die um Hilfe anklopften. Ohne seine übrigen Aufgaben, z. B. die des Hofpredigers, zu vernachlässigen, nahm er täglich am Chorgebet teil, besuchte die Kranken in den Spitälern, die Gefangenen in den Kerkern, die Armen entlang der Straßen und in den Häusern. Den Rest des Tages verbrachte er im Gebet, beim Schreiben von Büchern und mit der Vorbereitung seiner Predigten. Er predigte in sehr einfachen Worten, voller Enthusiasmus und Mitgefühl und manchmal sogar mit Tränen in den Augen, wobei er die Güte und Barmherzigkeit Gottes auch im Tonfall zum Ausdruck brachte; er tat dies sowohl im Palast, vor dem König und seinem Hofstaat, als auch vor dem Volk in den Kirchen, in die er eingeladen wurde.

In den verschiedensten sozialen Bereichen genoss Alfons große Popularität. Hohe Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kultur, wie die Prinzessin Isabel Clara Eugenia, die Herzöge von Alba und Lerma oder die Literaten Francisco de Quevedo und Lope de Vega, legten bei seinem Heiligsprechungsprozess Zeugnis ab. Sein Verkehren in der höheren Gesellschaft machte ihn jedoch nicht abtrünnig von seinem Lebensstil. Das Volk, das ihn, zu seinem Unbehagen, „den Heiligen von San Felipe“ nannte, liebte ihn vor allem wegen seiner Sensibilität, mit der er es verstand, ausnahmslos auf jeden zuzugehen.

Im Zuge eines mystischen Erlebnisses glaubte er sich von der seligsten Jungfrau Maria aufgefordert, in Latein und in der Volkssprache zu schreiben. So verfasste er über 80 Werke in Latein und Kastilisch. Die Einfachheit einiger Titel zeigt klar die pastorale Absicht des Autors: Regla de vida cristiana (1542), Vergel de oración y monte de contemplación (1544), Memorial de amor santo (1545), Desposorio espiritual (1551), Arte de amar a Dios y al próximo (1567), Libro de la suavidad de Dios (1576), Tratado de la corona de Nuestra Señora (1588). Seine Schriften wie seine Tätigkeit entsprangen seinem kontemplativen Herzen sowie der Lektüre der Heiligen Schrift. Als Marienverehrer war er überzeugt, in ihrem Auftrag zu schreiben. Er war somit einer der ersten spirituellen Autoren, die in Spanien die Lehre des christlichen Lebens in der Volkssprache verbreiteten.
Alfons hegte eine besondere Liebe zu seinem Orden und interessierte sich für dessen Geschichte und Spiritualität. Damit wollte er die Leser zur Nachahmung der vorbildlichsten Gestalten des Ordens animieren. Mehr noch: getrieben vom Wunsch einer internen Reform, gründete er verschiedene beschauliche Konvente von Augustinern und Augustinerinnen. Er hatte die Gabe der Unterscheidung der Geister und des Weitblicks und vollbrachte außergewöhnliche Taten, welche die Menschen als „Wunder“ bezeichneten, so z. B. in mehreren Fällen Wiederbelebungen von Personen, die als tot galten.

Im August 1591 wurde Alfons von einem starken Fieber befallen und doch fehlte er bei der hl. Messe keinen einzigen Tag; nie hatte er es während seiner verschiedenen Erkrankungen jemals unterlassen, das hl. Messopfer mitzufeiern. In scherzhaftem Ton pflegte er dann zu sagen: „Gott tut niemandem weh.“ Während seiner Krankheit besuchten ihn König Philipp II. mit seinen Kindern Philipp und Isabella sowie der Kardinal-Erzbischof von Toledo, Gaspar de Quiroga, der ihm bei den Mahlzeiten half und sogar um seinen Segen bat. Auch viele andere Persönlichkeiten stellten sich ein, denn des Hofpredigers Ruf der Heiligkeit hatte sich in der ganzen Stadt verbreitet.

Alfons starb, wie er vorausgesagt hatte, in dem von ihm gegründeten Kolleg in Madrid, genannt Doña Maria de Aragón, am Donnerstag, den 19. September 1591, zur Mittagszeit, wobei er bis zum letzten Atemzug seine Liebe zu Gott bezeugte. Die Nachricht von seinem Tod bewegte die ganze Stadt. Scharenweise kamen die Bewohner Madrids in das Aufbahrungszimmer bzw. drängten sich vor der Kirche des Kollegs, wo sie fast die Türen eindrückten, um Reliquien mitzunehmen: Holzsplitter von seinem Bett, Fragmente seiner Kleider, Schuhe und Bußgürtel. Der Kardinal-Erzbischof nahm das Holzkreuz an sich, das P. Alfons viele Jahre herumgetragen hatte.

Aufgrund sich ständig ändernder historischer Gegebenheiten wurden seine sterblichen Überreste an verschiedene Orte gebracht. Derzeit ruhen sie in der Kirche der von ihm gegründeten Augustinerinnen, calle Granja 9, Madrid, Spanien.

Am 19. Mai 2002 wurde Alfons von Orozco von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Leo XIII. am 15. Januar 1882 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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