Andreas Resch: Agnes von Jesus Galand de Langeac


AGNES VON JESUS GALAND DE LANGEAC
(1602-1634)

PROFESS-NONNE
DES ORDENS
DES HL. DOMINIKUS

Selig: 20. November 1994
Fest: 19. Oktober

AGNES VON JESUS GALAND DE LANGEAC wurde am 17. November 1602 in Le Puy-en Velay (Haute-Loire) geboren, das seit dem frühen Mittelalter ein Marienwallfahrtszentrum (heute Domkirche) und gleichzeitig Ausgangspunkt für Wallfahrten nach Santiago de Compostela war. Ihr Vater Pierre betrieb einen kleinen Messerladen, der der Familie mit sieben Kindern ein bescheidenes Einkommen sicherte. In diesem vertrauten Umfeld einer einfachen Handwerkersfamilie fand Agnes ein günstiges Klima vor, um ihre natürlichen Fähigkeiten zu entwickeln.

Als sie fünf Jahre alt war, übergab sie ihr Vater einem Lehrmeister, der wie er Mitglied der Kongregation der heiligen Jungfrau war. Vom starken Wunsch getragen, Gott zu lieben, widmete sich Agnes unaufhörlich dem Gebet. Mit sieben Jahren folgte sie ohne Vorbehalt einer inneren Stimme, die ihr auftrug „Dienerin der heiligen Jungfrau“ zu werden. Die Entscheidung dazu traf sie nach dem Gottesdienst vor dem Marienaltar in der Kathedrale von Le Puy: „Heilige Jungfrau, da es Euer Wille ist, dass ich Eure Dienerin sei, bin ich dies von dieser Stunde an, und ich gelobe, Euch mein ganzes Leben lang zu dienen.“ Bruderschaften der Diener Mariens gab es damals in Spanien und Italien, nicht aber in Frankreich. Agnes kannte weder die Lehre noch die Praxis dieser geistigen Strömung. Ihre Ausrichtung verwies jedoch auf die französische Schule und die Person von Ludwig Maria Grignion von Montfort. Ohne ihre geistige Haltung kundzutun, trug Agnes zum Zeichen der Verbundenheit mit der Jungfrau Maria acht Jahre hindurch um ihre Hüften eine kleine Kette aus Filz. Mit acht Jahren empfing sie die Erstkommunion, mit neun begann sie zu Ehren des Hl. Geistes, täglich das Stundengebet zu pflegen.

Die Bedeutung der Sakramente war ihr von ihrem Lehrer vermittelt worden. Das Sakrament der Versöhnung öffnete ihr Herz der unendlichen Liebe Jesu für die Sünder, die ihren Ausdruck im Mysterium der Passion fand. In ihrer Opferbereitschaft ging Agnes bis zum Wunsch, sich aus Liebe völlig mit dem Leiden Christi zu identifizieren. So pflegte sie in der Passionszeit, mit einem schweren Kreuz beladen die Treppe im Elternhaus hinaufzusteigen. Zu ihrem Vater sagte sie: „Schau her, wie Jesus das Kreuz zum Kalvarienberg trägt!“

Agnes war aber auch ein anmutiges Mädchen und bei den Gleichaltrigen sehr beliebt. Da sie eine starke Persönlichkeit war, hielt sie ihre Spielkameraden zu wohltätigen Werken für die Armen und zu häufigen Besuchen des Heiligtums Unserer Lieben Frau von Puy an. In ihrem innersten Kern war Agnes von einer grenzenlosen Liebe zu Jesus Christus, ihrem „Freund“, erfüllt. Von Kindheit an verharrte sie jede Nacht mindestens eine Stunde im Gebet, um Jesus in seiner Einsamkeit im Garten Getsemane beizustehen. Im Umgang mit ihren gleichaltrigen Kameraden bemerkte sie auch deren große religiöse Ignoranz und fühlte sich zum Apostolat berufen, doch wurde der Wunsch, sich Gott zu weihen, immer stärker und unterdrückte jede andere Entscheidung.
Agnes lebte mit ihrem Vater in der Nähe des 1221 vom Seligen Bertrand de Garrigues gegründeten Dominikanerinnenklosters von Puy. Zur damaligen Zeit erfuhr die Gemeinschaft wegen der von P. Sebastian Michaëlis O.P. (1543 – 1618) eingeleiteten Reformen gerade einen neuen Aufschwung. Agnes nahm jeweils am Stundengebet teil. 1621 trat sie in den Büßerorden des hl. Dominikus (Dritter Orden) ein. 1623 wurde sie als Laienschwester in das im gleichen Jahr im Städtchen Langeac errichtete Kloster der hl. Katharina von Siena aufgenommen, das zusammen mit 31 weiteren Klöstern der von P. Michaëlis in Südfrankreich initiierten Reformbewegung angehörte.

Als Dominikanerin mit dem neuen Namen Agnes von Jesus trat sie ganz in die Fußstapfen der Namensgeberin des Klosters von Langeac, der hl. Katharina von Siena. Dies galt sowohl für ihr Inneres, wo sie sich mit Christus identifizierte, als auch nach außen, was sich in Gebeten und Bußübungen für die Kirche und die Priester äußerte.

Am 2. Februar 1625 legte sie die feierlichen Ordensgelübde als Chorschwester ab. Im Jahr darauf wurde sie zur Novizenmeisterin und 1627 zur Priorin ernannt. Ihr Ruf der Heiligkeit bescherte ihr Lob und Verleumdungen gleichermaßen, was sie jedoch gelassen ertrug. 1631 wurde sie aufgrund neidischer Anschuldigungen als Priorin abgelöst. Noch im selben Jahr erschien ihr die Jungfrau Maria und sagte zu ihr: „Bitte meinen Sohn für den Abt von Pébrac!“ Obwohl Agnes den genannten Priester nicht kannte, betete sie drei Jahre hindurch für den jungen Kirchenmann, litt für ihn und brachte Opfer, damit er sich zu einem Leben bekehre, das seinem Stande entsprach.

Es handelte sich um Jean-Jacques Olier, den berühmten Gründer der Gesellschaft der Sulpizianer und Reformator der Seminare. 1608 als Sohn eines Parlamentsrates in Paris geboren, war Olier schon in jungen Jahren Besitzer mehrerer „Lehen“, darunter jenes der 14 km von Langeac entfernten Abtei von Pébrac. In der von Regularkanonikern des hl. Augustinus bewohnten Abtei herrschte damals ein sehr lockerer Lebensstil. Nach seiner Weihe 1633 entschloss sich Olier zu einer Volksmission in Alvernia und zu einer Visitation besagter Abtei, die er reformieren wollte. Übrigens zog er diesbezüglich den Seligen Alain de Solminihac, Abt von Chancelade und später Bischof von Cahors, ins Vertrauen.

Der hl. Vinzenz von Paul, Oliers Spiritual und ein Freund von Alain de Solminihac, half seinem Beichtkind anlässlich der auf die Volksmission in Alvernia vorbereitenden Exerzitien. Olier hatte dabei die Vision einer Nonne mit tränenüberströmtem Gesicht, die ihm das Kreuz und den Rosenkranz zeigte. Olier, der von dieser Erscheinung sehr beeindruckt war, begab sich auf die Suche nach ihr – in der Überzeugung, dass sie für ihn betete. Nach seiner Rückkehr in die Abtei in der Nähe von Langeac erkannte er einige Monate später in Mutter Agnes, die er 1634 aufsuchte, jene Nonne. Die junge Priorin, die 1634 wiedergewählt worden war, wies ihn auf seine Mission hin: „Gott hat Euch dazu ausersehen, im Königreich Frankreich die ersten Seminare zu eröffnen.“ Dies geschah jedoch erst im Dezember 1641 in Vaugirard, dann 1643 mit der Übersiedlung der jungen Gemeinschaft in die Pfarrei St-Sulpice in Paris, wo Olier Pfarrer war und die Gesellschaft der Priester von St-Sulpice errichtet wurde. Die Historiker versichern, dass die 32-jährige Priorin in ihren Gesprächen mit dem um sechs Jahre jüngeren Priester im Sommer 1634 diesen dazu ermuntert hatte, seine Einheit mit Jesus zu vertiefen, die Reform seiner Abtei in Angriff zu nehmen und sich auf seine Berufung als Gründer von Seminaren vorzubereiten.

Außer den Gesprächen tauschten Olier und Mutter Agnes noch einige Briefe aus, die leider nur bruchstückhaft erhalten sind. Sie zeugen von der großen spirituellen Vertrautheit der beiden und der Glaubenstiefe, die sie besaßen. Besonders zu erwähnen ist, dass Mutter Agnes erheblich dazu beitrug, dass im Herzen ihres „Bruders“ (den sie auch ihren „Vater“ nannte) die Verehrung des Kreuzes Christi und die Hingabe an die Jungfrau Maria wuchsen.

Kurz vor ihrem Tod, am 19. Oktober 1634, hatte Mutter Agnes bei P. Charles de Condren interveniert, damit er sich um Olier kümmere. Unter seiner Führung ließ sich dieser verstärkt vom Wirken des Hl. Geistes leiten und übernahm die großen theoretischen Grundzüge dessen, was man heute als die französische Schule der Spiritualität bezeichnet. So verfasste er beispielsweise das berühmte „O Jesus, der Du in Maria lebst, komm’ und lebe in uns“.

Damals wie heute sehen sich Oliers Jünger als die geistigen Erben von Mutter Agnes. Sie wurde direkt oder indirekt mit der Erneuerung des Lebens der Priester in Frankreich in Verbindung gebracht und erfüllte in diesem Sinne eine kirchliche Mission von weitreichender Bedeutung.

Darüber hinaus ist Mutter Agnes eine Vertreterin des 17. Jahrhunderts in Frankreich, des „großen Zeitalters des Geistes“, und reiht sich damit in die Gruppe jener Frauen ein, die zur Erneuerung des geistigen Lebens in Frankreich beitrugen.

1655 ließ Olier den Leichnam von Agnes von Jesus in einen neuen Sarkophag umbetten und widmete sich einer ersten Biografie über sie. Ihr Grab befindet sich in der Klosterkapelle der Dominikanerinnen, 2, rue du Pont, Langeac, Frankreich.

Am 20. November 1994 wurde Agnes von Jesus Galand de Langeac von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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