Andreas Resch: Ägidius Maria vom hl. Joseph Pontillo

ÄGIDIUS MARIA VOM HL. JOSEPH PONTILLO
(Franziskus Antonius)
(1729-1812)

PROFESSBRUDER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER
(FRANZISKANER)

Heilig: 2. Juni 1996
Fest: 7. Februar

ÄGIDIUS MARIA VON HL. JOSEPH PONTILLO (Franziskus Antonius) wurde am 16. November 1729 als Sohn von Cotaldo Pontillo und Grazia Procaccio in Tarent, Italien, geboren. Bei der Taufe erhielt er den Namen Franziskus Antonius Pasquale. Die Armut der Familie und der Mangel an öffentlichen Schulen ermöglichten ihm nicht einmal die minimalste Grundausbildung. So musste er sich schon als Kind in einem Mattengeschäft verdingen. Mit zehn Jahren kam er dann in die Lehre, um das harte Handwerk seiner Eltern zu erlernen und ebenfalls ein guter „Seiler“ und erfahrener „Mattenhersteller“ zu werden.

Mit 18 Jahren verlor Franziskus den Vater. Die volle wirtschaftliche Verantwortung für die Mutter und die drei jüngeren Brüdern lastete fortan auf seinen Schultern. Sein tiefer christlicher Glaube, den ihm die Eltern vermittelt hatten, half ihm alle Schwierigkeiten zu bewältigen und stets auf die Vorsehung des himmlischen Vaters zu hoffen. Er gab den Beruf des Mattenherstellers auf und wandte sich dem etwas rentableren Geschäft des Seilers zu. Von seinem Verdienst zweigte er auch einen Teil für die Armen ab, für sich persönlich behielt er nichts.
Bald darauf heiratete die Mutter ein zweites Mal, sehr zum Missfallen von Franziskus, doch Gottes Pläne waren genau vorgezeichnet. Der von seinen Tugenden beeindruckte Stiefvater befreite ihn schließlich von der Last der Familie und ließ ihn über seinen Verdienst frei verfügen, womit er ihm der Verwirklichung seines Traumes, nämlich Ordensmann zu werden, näher brachte.

Im Februar 1754 realisierte Franziskus seinen lange gehegten Wunsch, „nur für den Herrn zu denken und zu arbeiten“ und trat bei den Minderbrüdern (Alcantariner) in Tarent ein, die seit kurzem in der Stadt weilten und ihn als Laienbruder aufnahmen. Am 27. Februar 1754, bei der Einkleidung mit dem Franziskanerhabit, begann er das Noviziat in Galatone (Lecce) und nahm den Ordensnamen Bruder Ägidius von der Gottesmutter an. In diesem Umfeld von Formation und religiöser Vervollkommnung fühlte er sich in seinem Element und zog schon bald die Bewunderung der Oberen und der Mitbrüder auf sich. Nach Beendigung des Noviziats legte er am 28. Februar 1755 die Ordensprofess ab und fügte seinem Namen noch jenen des hl. Joseph hinzu, um damit den Zimmermann aus Nazareth zu ehren und sich fortan zu bemühen, dessen absolute Hingabe im Dienst an Gott und den Brüdern nachzuahmen.

Von Februar 1755 bis Mai 1759 diente Ägidius im Konvent von Squinzano (Lecce) als Koch der Kommunität und wurde nach einem kurzen Aufenthalt im Konvent von Capurso (Bari) nach Neapel versetzt, wo die Minderbrüder Alcantariner von Lecce in S. Pasquale a Chiaia ein kleines Hospiz unterhielten, das während des Kapitels von 1759 zum „Guardianat“ erhoben wurde. In diesem Konvent arbeitete er etwa 53 Jahre lang, bis zu seinem Tod, und erlangte durch sein heiligmäßiges Leben Berühmtheit.

Anfangs oblag ihm die Aufgabe eines Kochs, anschließend arbeitete er in der Wollspinnerei des Konvents und übte das Amt eines Pförtners aus, das – den Regeln der Alcantariner entsprechend – jeweils dem besten der Laienbrüder anvertraut wurde, weil von seinem Verhalten nicht selten die Wertschätzung und der gute Ruf des Klosters abhingen. Die Freundlichkeit, Geduld und Nächstenliebe, die Ägidius den Armen erwies, von denen es in der Stadt sehr viele gab und die Tag für Tag an die Klosterpforte klopften, sorgten dafür, dass sein Name und seine Tugenden von ihnen hoch gepriesen wurden und sich in ganz Neapel herumsprachen. Mit franziskanischem Eifer und tätiger Nächstenliebe widmete er seine ganze Kraft dem Dienst an den Geringsten und Leidenden und drang tief in das Geflecht der Stadt ein, wo es in jenen schwierigen Jahren– aufgrund der politischen Ereignisse, die das damalige Königreich Neapel in Mitleidenschaft zogen und selbst vor der Kirche und ihren Hirten nicht Halt machten – ausgeprägte soziale Spannungen und skandalöse Formen von Armut gab.

All das ließ die Oberen zur Überzeugung gelangen, dass Bruder Ägidius ein Licht war, das nicht verborgen bleiben durfte, sondern dass er durch die Tugenden, die er verströmte und die aus seinen Worten und seinem Verhalten hervorgingen, viel mehr zur Ehre Gottes beitragen konnte, wenn er Seiner Barmherzigkeit Seelen zuführte. So übertrug man ihm die Aufgabe eines Bettelmönchs, die er 50 Jahre hindurch erfüllte. Und man ersuchte ihn, die Schwelle des Klosters nicht nur zum Almosensammeln zu überschreiten, sondern vor allem, um Licht und Hoffnung in die Herzen der Menschen zu tragen.

So war Ägidius von dem Tag an, an dem man ihn mit dieser Aufgabe betraute, ständig unterwegs, streifte durch die Straßen und Gassen, über die Plätze, durch die Stadtviertel und die Häuser Neapels. Einen Großteil des Tages verbrachte er mit Umherziehen und Betteln, doch gerieten seine Rundgänge vielmehr zu Besuchen der Nächstenliebe und zum Beispielgeben als zum Sammeln von Spenden für seinen Quersack. Alle erhielten Anteil an seinem inneren Frieden. Danach kehrte der passionierte Tröster, das Herz voller Tränen und Leid, in den Konvent zurück und begab sich nachts, nach dem Chorgebet, zu Füßen seiner „Brunnenmadonna“, die unter dieser Bezeichnung im Konvent verehrt wurde, um sein Herz auszuschütten und Gesundheit zu erflehen für die Kranken, die Vorsehung anzurufen für die armen Familien, und Frieden zu erbitten für die Unglücklichen sowie Reue und Vergebung für die Unterdrücker des Volkes.

Seine Anwesenheit am Bett der Kranken und Sterbenden war mehr als erwünscht. Keiner, ob nun Skeptiker oder Glaubender, Bürgerlicher oder Adeliger, empfand es als unter seiner Würde, an ihn heranzutreten, um sich in den Schwierigkeiten des Lebens Rat zu holen und ihn um das Gebet zu ersuchen. Zahllos sind die außergewöhnlichen oder wunderbaren Ereignisse, welche Bruder Ägidius bei seiner Mission, Gutes zu tun und Frieden zu stiften, begleiteten, sodass er sich noch zu Lebzeiten die volkstümliche Bezeichnung eines „Tröster[s] von Neapel“ erwarb. „Liebt Gott, liebt Gott“, pflegte er jenen gegenüber zu wiederholen, die ihm auf seinem anstrengenden Rundgang durch die Straßen der Stadt tagtäglich begegneten. Es wurden ihm zudem Prophezeiungen, plötzliche Heilungen, Apporte von Gegenständen, Früchten und Fischen, Totenerweckungen, Speisenvermehrung u. Ä. nachgesagt, die ihn in Neapel so populär machten, dass die Obrigkeiten während der französischen Besatzung sogar Tumulte befürchteten, wenn sie die Menschenmenge sahen, die ihm folgte oder sich bei seinem Vorbeigang versammelte.

Im Folgenden sei nur die bekannteste und wohl typischste Episode erwähnt: Die Brüder von S. Pasquale hatten eine Kalbin, „Catarinella“, die durch die Straßen von Neapel streifte und die jedermann kannte, weil sie ein Metalltäfelchen mit der Aufschrift S. Pasquale um den Hals trug. Abends kehrte sie immer von selbst zum Konvent zurück. Einmal war das nicht der Fall. Die Brüder, die darüber sehr betrübt waren, erzählten dies Bruder Ägidius, der am darauffolgenden Morgen geradewegs zu einem Metzger in der Volkszone von „Pignasecca“ ging und ohne Umschweife mit fester Stimme sagte: „Nimm den Schlüssel und die Laterne und folge mir in die Grotte. Catarinella – wo hast du sie hingetan?“ Die Grotte war zur damaligen Zeit der Kühlraum. Der schurkische Metzger wurde von solcher Furcht ergriffen, dass er sich dem Befehl nicht widersetzte. Die Kalbin war indes bereits zerlegt und gehäutet. Bruder Ägidius ließ das Fell ausbreiten, mit allen Innereien an ihrem natürlichen Platz. Dann fügte er die Fellteile an ihren äußeren Rändern zusammen und sagte, während er das Kreuzzeichen schlug, mit lauter Stimme: „Im Namen Gottes und von S. Pasquale, steh auf, Catarinella, und… husch, husch, zurück zum Konvent!“ Es folgte ein kräftiges Muhen, ein Schütteln aller Glieder, die Kalbin schnellte hoch und war genauso lebendig und munter wie ehedem. Das Aufsehen war enorm und das Tier wurde in Prozession von Pignasecca zum Konvent von S. Pasquale in Chiaia geleitet.

Das Leben von Bruder Ägidius war im Wesentlichen jedoch kontemplativer Art, wie sein langes nächtliches Gebet vor dem Allerheiligsten Altarsakrament, seine kindliche Verehrung der Mutter Gottes, seine Liebe zum Geheimnis der Geburt des Erlösers und seine Verehrung für die Heiligen bezeugten. Und gerade weil „kontemplativ in der Handlung“, besaß er die Fähigkeit, das Leid und die Armut der Brüder wahrzunehmen, und brannte vor Güte und Nächstenliebe.

An einer schweren Form von Ischias leidend, wurde Bruder Ägidius zudem noch von einem beklemmenden Asthma und von Perikarditis (Herzbeutelwassersucht) befallen. Er ertrug jedoch alles bei voller Klarheit, in Hingabe und Gottvertrauen und starb, sich der Muttergottes anempfehlend, am 7. Februar 1812, am ersten Freitag des Monats, im Alter von 82 Jahren – betrauert von ganz Neapel, während die kleinen Glocken der ärmlichen Franziskanerkirche zum Gedächtnis der Menschwerdung des Wortes im Schoße Mariens einluden.

Sein Leichnam wurde in der Konventkirche von S. Pasquale in Chiaia, Piazza S. Pasquale, Neapel, Italien, beerdigt, wo Bruder Ägidius heute noch als Zeuge der Liebe mit seiner einfachen und volkstümlichen Sprache verehrt wird, vor allem aber als einer mit einem armseligen und dennoch fröhlichen Leben, der die Mitbrüder in der Sicherheit bestärkte, dass Gott lebt und inmitten seines Volkes wirkt.

Am 5. Februar 1888 wurde Ägidius Maria vom hl. Joseph von Papst Leo XIII. seliggesprochen und am 2. Juni 1996 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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