Begriffe An

Begriffe An

An (Anu) hat im Sumerischen die Bedeutung von „Oben“, „Himmel“, und wird in der Keilschrift mit demselben Zeichen wie das Wort „Gott“ (dingir) geschrieben. Als Gattin wird Ki (Erde) oder die Göttin > Antum genannt. Als oberster Gott des sumerischen Pantheons hat A. seinen Kultmittelpunkt in Uruk. In der babylonischen Zeit schwindet jedoch seine Verehrung, zumal er den Menschen meist nicht gesonnen ist und ihnen seinen Dämon > Lamaschtu und die Todesgöttin > Mamitu schickt.

Bei den Hurritern galt Anu als Nachfolger von > Alalu, wurde aber nach neunjähriger Herrschaft von > Kumarbi entthront.

Lit.: Dhorme, Édouard: Les religions de Babylonie et d’Assyrie. Paris: Presses Univ. de France, 21949; Bottéro, Jean: La Religion Babylonienne. Preface par Édouard Dhorme. Paris: Presses Univ. de France, 1952; Wohlstein, E.: Die Gottheit An-Anu in sumerisch-arkadischen Urzeitmythen. In: Beiträge zu Geschichte, Kultur und Religion des Alten Orients. In memoriam Eckhard Unger. Hg. von Manfred Lurker. Baden-Baden: Koerner, 1971.

Ana (oder Anu), keltisch-irische Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit. Als Mutter der Götter sind nach ihr bei Killarney in Munster zwei Hügel mit „Da Chich Anann“ benannt, d. h. „die zwei Brüste der Ana“.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Anabasis (griech., „das Aufsteigen“). Die A. ist die Beschreibung des Feldzuges von Kyros gegen Ataxerxes durch den Athener Xenophon.

In der > Mystik bezeichnet A. das beglückende Gefühl des Emporsteigens, weil das Erleben des Hinaufsteigens von der Vorahnung der herbeigesehnten mystischen Vermählung getragen wird.

Lit.: Lendle, Otto: Kommentar zu Xenophons Anabasis: (Bücher 1 – 7). Darmstadt: Wiss. Buchges. [Abt. Verl.], 1995; Xenophon: Des Kyros Anabasis: der Zug der Zehntausend. Übers., Einl. und Anm. von Helmuth Vretska. Stuttgart: Reclam, 1999; Lexikon der Psychologie: in fünf Bänden. Heidelberg; Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000.

Anachitis, ein Stein, den man bei der Beschwörung verwendet, um die Geister aus dem Wasser zu rufen, während der > Synochitis genannte Stein die Geister während der Befragung zum Verweilen zwingt.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Anachoret (griech., „der Zurückgezogene“) > Einsiedler.

Anaël, Großfürst der Hölle unter dem Planeten Venus, dessen Herrscher Haniel heißt. Der Name findet sich bereits in Num 34, 23, 1 Chron 7, 39, wird griechisch mit Aniel und in der Vulgata mit Haniel wiedergegeben. Als Engelname findet er sich in jüdischen und griechischen Zaubertexten sowie auf koptischen Amuletten, als Stundenengel der 7. Stunde des Freitags und als Engel der Aphrodite. Aus solchen Verzeichnissen ist der Name wohl auch in Fausts „Höllenzwang“ übergegangen. A. erscheint jeden Freitag als schöne Jungfrau. Er ist der Erzengel der persönlichen Liebe, der Schönheit, des Maßes und der Freude am Leben und Dasein mit dem Attribut: Muschel und Schleiergewand.

Lit.: Jüdisch-babylonische Zaubertexte / Hg. und erklärt von R. Stübe. Halle : Krause, 1895; Kiesewetter, Carl: Faust in der Geschichte und Tradition: mit besonderer Berücksichtigung des occulten Phänomenalismus und des mittelalterlichen Zauberwesens. Osnabrück: Kuballe, 1983.

Anagami (sanskr., „Nie-Wiederkehrer“). Bezeichnung derjenigen Anhänger des > Hinayana, die sich auf der 3. Stufe des überweltlichen Pfades befinden, nachdem sie die fünf niederen Fesseln, den Ich-Glauben, den Zweifel, das Hängen an Riten und Regeln, die Begierden und den Groll abgelegt haben. Der A. gelangt in die geistgezeugte Welt, von wo aus er das > Nirwana erreicht und nie wieder in die Welt zurückkehrt.

Lit.: Fischer-Schreiber, Ingrid et al. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen. Bern; München; Wien: Scherz, 1986.

Anagoge (griech., „Hinaufführung“). 1. Erhebung des Geistes zur Schau der Gottheit. 2. In der platonischen und neuplatonischen Philosophie der Aufstieg zu höherer Erkenntnis der Ideen, des Guten, des Göttlichen. 3. Erläuterung eines Textes durch Hineinlegen eines höheren Sinnes. 4. Deutungsweise von Träumen, Mythen usw., die das Symbol nicht analytisch auf einen Gehalt zurückführt, sondern es ethisch-moralisch einem Ideal zuordnet. Freud hat dies als Rückfall in voranalytische Zeit abgelehnt.

Lit.: Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1. Stuttgart: Verlag J. B. Metzler, 1995; Silberer, Herbert: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Sinzheim: AAGW, Archiv für Altes Gedankengut und Wissen, Frietsch, 1997.

Anagramm (griech.). Wortneubildung durch Buchstaben- oder Silbenvertauschung innerhalb eines Wortes (z. B. Berger – Gerber). Die Kabbalisten bezeichnen diese Methode als Themurah.

Lit.: Thomas, Carmen: Das Anagramm-Geheimnis: vom Sinn und Hintersinn im Namen. München: Drömer, 2000.

Anahana (sanskr. anapana), jap. Lesart des Sanskrit-Wortes anapana, das im indischen Yoga die Regelung des Atems bezeichnet. Da im japanischen Yoga der Atem nicht „kontrolliert“ oder „geregelt“ wird, bedeutet A. hier den natürlichen, rhythmischen Fluss des Atems. Der Atem spielt im > Zazen des Zen zwar auch eine Rolle, aber nur so weit als man des Atmens gewahr ist, ohne es allerdings zu beeinflussen.

Lit.: Diener, Michael S.:  Das Lexikon des Zen: Grundbegriffe und Lehrsysteme, Meister und Schulen, Literatur und Kunst, meditative Praktiken, Geschichte, Entwicklung und Ausdrucksformen von ihren Anfängen bis heute. Bern; München; Wien: Otto Wilhelm Barth Verlag, 1992.

Anahata-Chakra, ein Energiezentrum, das
in der Herzgegend innerhalb des Energiekanals > Sushumna
liegt. Im > Kundalini-
Yoga entsprechen diesem Zentrum die Thymusdrüse und der Plexus cardiacus. Von diesem Chakra strahlen fünfzehn > Nadis (Energiekanäle) aus, welche die Blütenblätter dieses Lotos darstellen. In diesem Zentrum wird auch der Klang Anahat
offenbar. Wer dieses Zentrum meditiert, beherrscht in vollkommener Weise > Vayu-Tattva, die Luft-Eigenschaft, vermag durch die Luft zu fliegen und in den Körper anderer einzudringen. Körperliche Liebe und andere göttliche Eigenschaften werden ihm zuteil.

Lit.: Sivananda Radha, Swami:  Kundalini-Praxis: Verbindung mit dem inneren Selbst / Helmut Degner [Übers.]. Freiburg i. Br.: Bauer, 1992.

Anahata-Shabda (sanskr., „unangeschlagener Klang“). Mystischer Klang, oft auch Sphärenmusik genannt, der in einem gewissen Stadium der spirituellen Entwicklung wahrgenommen werden kann. Auch > OM wird zuweilen A. genannt.

Lit.: Fischer-Schreiber, Ingrid et al. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen. Bern; München; Wien: Scherz, 1986.

Anahit, aus Persien übernommene wichtigste weibliche Gottheit (> Anahita) im alten Armenien, wobei sie wahrscheinlich eine ältere bodenständige Muttergottheit in sich aufgenommen hat. Sie wurde als Schutzgöttin Armeniens, als Spenderin des belebenden Wassers und als Garant der Fruchtbarkeit verehrt und vom Volk als „Goldmutter“ gepriesen, dargestellt als schönes Mädchen mit reichem Schmuck und Sternenkranz.

Lit.: Saul, Bertha: Die Armenier. Potsdam: Tempelverl., 1922; Ishkol-Keropian, K.: Mythologie der vorchristlichen Armenier. In: Wörterbuch der Mythologie. Bd. 4. 1986; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: Area, 2004.

Anahita („die Makellose“), ursprünglich semitische Göttin, der > Anath verwandt, wurde als Fruchtbarkeits- und Siegesgöttin in das Pantheon des Parsismus aufgenommen. Im Westen taucht sie zuerst in den Inschriften des Großkönigs Artaxerxes II. (404 – 359) auf, wo sie zusammen mit > Ahura Mazda und > Mitra angerufen wird. A. gilt in der altiranischen Mythologie als Beschützerin der guten Geister > Amesha Spentas sowie als Schutzgöttin der Frauen und der Fruchtbarkeit und als Göttin des Wassers. Dargestellt wurde A., als deren Vorbild die babylonische Fruchtbarkeitsgöttin > Ischtar gilt, in einem Gewand aus strahlendem Gold, auf dem Haupt trägt sie eine mit Edelsteinen besetzte Krone und in der Hand manchmal einen Wasserkrug. In ihrer Begleitung finden sich die ihr heiligen Tiere, Taube und Pfau. Der bekannte Geograph Strabo berichtet von ihrem Kult, zu dem auch die Tempelprostitution gehörte, dass sogar die Töchter der Vornehmen sich ihr zu Ehren prostituierten. A. besitzt große Tempel mit Herden von ihr geweihten Kühen. Ihre Verehrung war auch in Armenien unter dem Namen Anahit und in Kleinasien unter Anaïtis stark verbreitet. Im awestischen Kalender sind ihr der 10. Tag und der 8. Monat geweiht. In der mittelpersischen Tradition heißt sie Ardvi und seit dieser Zeit ist Anahita der Name des Venussterns (neupersisch nahid). Die A. in spätantiker Zeit zugedachten Aspekte von Lebenskraft, Weisheit und Zauber führten zur Gleichsetzung mit > Aphrodite, > Athena und > Hekate.

Lit.: Windischmann, Friedrich H. H.: Die persische Anahita oder Anaitis: ein Beitrag zur Mythengeschichte des Orients. München: Verl. d. K. Akademie, 1858; Blochet, Edgar: Le culte d‘Aphrodite-Anahita chez les Arabes du paganisme. Paris: Maisonneuve, 1902; Anahita: Grundlegendes zur arischen Metrik; Yast V. metrisch / hg., übers. u. erklärt von Hermann Weller. Stuttgart; Berlin: Kohlhammer, 1938.

Anakiter (Enakiter), hochgewachsene und gefürchtete Krieger, die im Volksglauben als Riesen galten. Bei der Landnahme Israels wohnten sie in und um Hebron (Num 13, 22), von wo sie von Kaleb vertrieben wurden. Reste fanden sich dann nur noch in den Philisterstädten Gaza, Gat und Aschdod: „Im Land der Israeliten blieben keine Anakiter übrig; nur in Gaza, Gat und Aschdod verblieben sie“ (Jos 11, 22).

Analgesie oder Analgesia, Analgie (griech. algos, Schmerz), Aufhebung der Schmerzempfindung, vor allem als Folge einer Schädigung der Schmerzleitung oder durch künstliche Blockade der Schmerzbahn bzw. durch Ausschaltung der Schmerzzentren (Narkose). Im weiteren Sinn wird unter A. die psychoneuromotorische und therapeutische Schmerzunempfindlichkeit verstanden. Hier spricht man jedoch fachlicher von Analgie, der Schmerzunempfindlichkeit bei normalem oder verändertem Bewusstsein. Im Gegensatz zu Analgesie bedeutet Analgie nicht auch Reizunempfindlichkeit.

Analgesie lässt sich durch > Hypnose induzieren und tritt in tieferen Stadien des > Somnambulismus, im > Yoga, in > Ekstase und anderen Formen veränderter Bewusstseinszustände auf, kann aber auch Folge eines angeborenen Fehlens der Schmerzempfindung und der Schmerzreaktionen bei normaler Reflexerregbarkeit sein.

Lit.: Adams, Hans-Anton: Analgesie, Sedierung und Anästhesie in der Notfallmedizin. Bremen u. a.: UNI-MED-Verl., 2001.

Analoges Wissen, auch „ikonische Kommunikation“ genannt, ist das durch nonverbale, affektive Kommunikation und Wahrnehmung – einschließlich Phantasie, Träume, Kunst, Körpersprache, Gestik und Intonation – erworbene Weltverständnis im Gegensatz zum verbal-rationalen und abstrakten (digitalen) Wissenserwerb.

Lit.: Gruber, Elmar:  New-Age-Wörterbuch: 300 Schlüsselbegriffe von A – Z. Mit aktuellen Literaturhinweisen. Orig.ausgabe. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 1986.

Analogie (griech. ana logon, nach Verhältnis, von Cicero mit proportio, Entsprechung, comparatio, Ähnlichkeit, übersetzt), bezeichnet die Gleichheit von Verhältnissen, die Übereinstimmung verschiedener Gegenstände in bestimmten Merkmalen. So ist der Analogieschluss ein methodisches Mittel, um bestimmte Sachverhalte verschiedener Gebiete in eine Beziehung zu bringen. Dabei unterscheidet man zwischen struktureller und funktioneller Ähnlichkeit. Strukturelle A. ist die Übereinstimmung zweier Systeme hinsichtlich bestimmter Merkmale einer bestimmten Elementegruppe. Funktionelle A. kennzeichnet die gleichwertige Leistungsfähigkeit zweier nach Elementen und Struktur verschiedener Systeme hinsichtlich einer bestimmten Aufgabe. So bedeutet in der Biologie A. die Ähnlichkeit funktionell gleichwertiger, aber morphologisch verschiedenartiger Organe.

Während in der Naturwissenschaft nach Ursachen und ihren Wirkungen gesucht wird und in den Geisteswissenschaften der logische Schluss von zentraler Bedeutung ist, steht in der natur- und geisteswissenschaftlichen Betrachtung der Paranormologie die A. im Mittelpunkt.

Eine besondere Rolle spielt dabei die A. in der > Volksmedizin bei der Annahme einer geheimnisvollen > Sympathie zwischen den Kräften und Dingen des Alls sowie als magisches Prinzip bei Zauberhandlungen: Gleiches soll durch Gleiches bewirkt oder geheilt werden (similia similibus curantur). Zur magischen Praxis des > Analogiezaubers gehören auch > Amulett und > Talisman. Ebenso beruht die > Astrologie auf der Analogie von irdischem und himmlischem Geschehen. Durch Analogie entstehen ganze Symbolreihen: Himmel – Weiß – Licht – Tag – Leben; Erde – Schwarz – Finsternis – Nacht – Tod. In den Rahmen der A. fällt auch die Parallelisierung > Makrokosmos – Mikrokosmos.

Auch innerhalb des Mikrokosmos findet man Analogien, wie in der Verwandtschaft zwischen Empfindungen verschiedener Sinne, z. B. tiefen Tönen und dunklen Farben, sowie innerhalb der Empfindungen und des Denkens selbst. > Analogiedenken.

Da A. letztlich von der Erkenntnisfähigkeit bzw. -tätigkeit des Menschen abhängt, ist es auch eine der philosophischen und theologischen Einsichten, dass man die Wirklichkeit Gottes, die christlichen Glaubenswahrheiten und die grundlegende menschliche Wirklichkeit nur analog und nicht wirklich erfassen kann.

In besonderem Ausmaß kommt die A. nicht zuletzt im > Symbol zum Tragen.

Lit.: Ruh, Kurt (Hg.): Altdeutsche und niederländische Mystik. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1964, S. 275 – 308; Höffding, Harald: Der Begriff der Analogie. Sonderausgabe. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1967; Langhein, A. W. Heinrich: Das Prinzip der Analogie als juristische Methode: ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert. Berlin: Duncker und Humblot, 1992; Behrens, Mathias: Analogie und Mystik: ein philosophisch-theologisches Gespräch mit dem heiligen Johannes vom Kreuz. St. Ottilien: EOS-Verl., 2000; Coenen, Hans Georg: Analogie und Metapher: Grundlegung einer Theorie der bildlichen Rede. Berlin: de Gruyter, 2002.

Analogiedenken. Alles Denken in Esoterik und Magie ist durch ein Denken in Entsprechungen gekennzeichnet, das akausale wie alogische Beziehungen zwischen zwei Geschehnisabläufen, Zuständen oder Gegenständen aufzeigt.

Lit.: Mattig, Ruprecht: Symbole verstehen lernen: die Bedeutung von Mythos und Analogiedenken für die Symbolerziehung. Berlin: Logos-Verl, 2003.

Analogiegesetze. Nach der hermetischen Philosophie wurde im Universum alles nach genauen Gesetzmäßigkeiten geschaffen. „Dasjenige, welches Unten ist, ist gleich demjenigen, welches Oben ist: Und dasjenige, welches Oben ist, ist gleich demjenigen, welches unten ist, um zu vollbringen die Wunderwerke eines einzigen Dinges.“ Diese Aussage wird meist verkürzt mit den Worten „wie oben, so unten“ wiedergegeben. Das Studium der praktischen Anwendung dieser Gesetzmäßigkeit wird insbesondere in der > Kabbala gepflegt.

Lit.: Endres, Franz Carl:  Mystik und Magie der Zahlen. 3., überarb. u. verm. Aufl. Zürich: Rascher, 1951.

Analogiezauber. Magische Praktik, durch die Ähnliches durch Ähnliches im Ritual hervorgebracht wird. Die gebräuchlichste Form ist der > Bildzauber, bei dem die bildliche Darstellung eines lebenden Menschen feindlichen Angriffen ausgesetzt wird, damit er von ihnen getroffen werde. So sind auch die Höhlenbilder der Jagdszenen des Homo sapiens im Sinne des Analogiezaubers zu verstehen. Diese Technik wird positiv in der Therapie eingesetzt, z. B. bei Phobien. Die Phobie wird als feindliche Kreatur, etwa Spinne, Schlange oder Drachen, visualisiert und in der Phantasie zum Schrumpfen gebracht, um so die Angstsymptome zu mindern. Nach einem balkanischen Brauch wird bei anhaltender Dürre ein Mädchen mit grünem Laub bekleidet und mit Wasser begossen.

Lit.: Leuzinger, Elsy: Kunst der Naturvölker. Nachdr. Berlin u. a.: Propyläen-Verl, 1985;  Bohnke, Ben-Alexander:  Esoterik: die Welt des Geheimen. Düsseldorf; Wien; New York: Econ, 1991.

Analyse (griech. analysis, Auflösung), Zergliederung einer Einheit in eine Vielheit im Gegensatz zur > Synthese. Im Einzelnen unterscheidet man mehrere Formen der Analyse – so die phänomenologische Analyse als Herausarbeitung von Bewusstseinsinhalten, während die psychologische Analyse einen Bewusstseinsinhalt in seine Teile zerlegt. In der Paranormologie dient die A. der Aufgliederung der paranormalen Phänomene in Teileinheiten und Teilzusammenhänge, um Echtheit und Unechtheit zu prüfen.

Lit.: Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen. Innsbruck: Resch, 1992 (Imago Mundi; 13); Philosophiegeschichte und logische Analyse: Philosophiegeschichte im Überblick = Logical Analysis and History of Philosophy. Paderborn: mentis, 1998; Resch, Martin: Analyse psychischer Belastung: Verfahren und ihre Anwendung im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Bern u. a.: Huber, 2003.

Analytische Psychologie, Bezeichnung der Psychologie von > C. G. Jung, auch Komplexe Psychologie genannt, die das weitaus umfassendste System der Tiefenpsychologie enthält.

Jung versteht Psyche als Gesamtheit aller psychischen Prozesse, bewusste wie unbewusste, und teilt sie – ontogenetisch gesehen – in folgende Schichten ein:

a)  Das Bewusstsein mit vier angeborenen Funktionen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuition. Diese Funktionen können im einzelnen Individuum nach dem Einstellungstypus Extraversion / Introversion verschieden gewichtet sein. Von der jeweils gegebenen Typologie hängt auch die Art des allgemeinen psychischen Verhaltens des einzelnen Menschen zu seiner Umwelt ab, was Jung als Persona bezeichnet. Sie stellt einen Ausschnitt des Ichs dar, der sich ausschließlich auf das Verhältnis zu den Objekten, zum Außen bezieht und einen Kompromiss zwischen Individuum und Sozietät bildet. So hat eine richtig funktionierende Persona drei Faktoren Rechnung zu tragen: dem eigenen Ich-Ideal, dem Bild, das sich die Umwelt von jemandem macht, dem Umweltideal, sowie den physisch und psychisch gegebenen Bedingtheiten, die der Verwirklichung des Ich- und Umweltideals Grenzen setzen.

b)  Das Unbewusste umfasst zwei Bereiche, das persönliche Unbewusste und das kollektive Unbewusste.

Das persönliche Unbewusste enthält Vergessenes, Verdrängtes, unterschwellig Wahrgenommenes, Gedachtes und Gefühltes aller Art.

Das kollektive Unbewusste mit den genuinen Wesenszügen des Menschen muss in folgende Zonen geschieden werden: Zone der Emotionen und primitiven Triebe, über die u. U. noch eine bestimmte Ich-Kontrolle möglich ist; Zone der Invasionen (Visionen, Halluzinationen, Neurosen und Psychosen sowie der schöpferischen Geister), die elementar hervorbrechen, nie ganz bewusst zu machen sind und einen völlig autonomen Charakter haben; Zone des nie Bewusstzumachenden, des kollektiven Unbewussten, die zentrale Kraft, aus der sich einst die Einzelpsychen ausgeschieden haben.

Was die Äußerungsformen des Unbewussten betrifft, so lassen sich folgende Erscheinungsformen unterscheiden: Symptome als Stauung eines gestörten Energieablaufs; Komplexe als seelische Persönlichkeitsteile, psychische Inhalte, die sich vom Bewusstsein abgetrennt haben und autonom funktionieren; Archetypen als angeborene Abbilder von instinktiven, d. h. psychisch notwendigen Reaktionen auf bestimmte Situationen; Synchronizität als Prinzip akausaler Zusammenhänge.

Dieses psychische System befindet sich nach Jung in dauernder energetischer Bewegung, die von der Libido aufgrund der Gegensatzstruktur der Psyche getragen wird. Unter Libido versteht man die Gesamtheit jener psychischen Energie, die sämtliche Formen und Tätigkeiten des psychischen Systems durchpulst und miteinander verbindet; die Gegensatzstruktur ist ein der menschlichen Natur inhärentes Gesetz zur Selbstregulierung.

c)  Individuation: Wie Freud hat auch Jung ein Modell der Persönlichkeitsentwicklung erstellt, wobei er zu den wenigen Psychologen gehört, die die psychische Entfaltung bis zum Alter hin gestalten. Diese Entwicklung nennt er Individuation, die folgende Stufen umfasst: die Erfahrung des Schattens als Begegnung mit jener Uranlage, die man nicht aufkommen lässt, weil sie zu den bewussten Prinzipien im Gegensatz steht; die Begegnung mit der Gestalt des „Seelenbildes“, anima beim Mann, animus bei der Frau, als komplementär-geschlechtlicher Anteil der Psyche; die Begegnung des Mannes mit dem Archetypus des Alten Weisen, der Personifikation des geistigen Prinzips, und die Begegnung der Frau mit der Magna Mater, der Erdmutter, dem stofflichen Prinzip; die Begegnung mit dem Selbst als dem letzten Erfahrbaren in und von der Psyche. Das Selbst ist nämlich eine dem Bewusstsein übergeordnete Größe, die nicht nur den bewussten, sondern auch den unbewussten Psycheteil umfasst.

Somit ist nach Jung die Individualpsyche ein Teil der Universalpsyche, der nach dem Tod in die Universalpsyche aufgeht. Sie ermöglicht die Allverbundenheit und die Individualität.

Was schließlich die religiöse Dimension des Menschen betrifft, so sagt Jung: „Jegliche Aussage über das Transzendente soll streng vermieden werden, denn sie ist stets nur eine lächerliche Anmaßung des menschlichen Geistes, der seiner Beschränktheit unbewusst ist. Wenn daher Gott oder Tao eine Regung oder ein Zustand der Seele genannt wird, so ist damit nur über das Erkennbare etwas ausgesagt, nicht aber über das Unerkennbare, über welches schlechthin nichts ausgesagt werden kann.“ (Kommentar, S. 50)

Lit.: Jung, C. G.: Gesammelte Werke. Solothurn; Düsseldorf: Walter, 1964 ff.; Jung, C. G.: Kommentar zu „Das Geheimnis der goldenen Blüte“. Zürich: Rascher, 61947, S. 50; Jacobi, Jolande: Die Psychologie von C. G. Jung: eine Einführung in das Gesamtwerk / Mit einem Geleitwort von C. G. Jung. 5., rev. u. erg. Aufl. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1967.

Anamali, Teufelszeichen, auch Teufelsmal, Teufelskratz, Stigma diaboli, war in Deutschland, schon lange bevor man Hexen verfolgte und verbrannte, ein Zeichen dafür, dass der Satan dem Körper seiner Opfer als Sinnbild seines Eigentumsrechts (an Leib und Seele) ein Zeichen aufdrückte, genauso wie z. B. Besitzer von Rinderherden die einzelnen Tiere mit einem Brandzeichen versehen. Die Stelle, wo dies bei den Höllenopfern geschah, hielt man für unempfindlich, mochte das Stigma hinter den Ohren, unter den Augenbrauen, auf der Achsel, der Brust oder am Rücken angebracht sein.

Nach diesem Teufelszeichen wurde seitens der Richter eifrigst gefahndet. Auch unterließen diese es nicht, die Hexen nach ihren Mitgenossinnen zu befragen, und ob sie die Kameradinnen am „Teufelskratz“, jenem meist einem Krötenfuß gleichenden Zeichen, zu erkennen vermöchten. Die Richter gingen dabei von der Überzeugung aus, dass die Hexen sich untereinander kennen müssten. Jenes Hexenzeichen glaubten die Gerichtsknechte entdeckt zu haben, wenn sich irgendein Fleck oder eine Narbe am Körper der angeschuldigten Person fand, eine Stelle, die nicht blutete, wenn man eine Nadel in sie stieß oder sie ritzte. Es wurde angenommen, dass gerade ältere Personen, welche im Ruf standen, große Zauberer oder Zauberinnen zu sein, zwei oder drei Merkmale aufwiesen. Da es dem menschlichen Körper selten an Schrammen, Flechten und anderen Malen fehlt, fiel es den Hexenmeistern nicht schwer, „ausgemachte Höllengezeichnete“ zu ermitteln.

Lit:: Grimm, Jakob: Deutsche Mythologie. Überarb. Reprint d. Orig.ausg. v. 1943 nach d. Exemplar d. Verlagsarchivs. Coburg: K. W. Schütz-Verlag, o. J.

Anamelech, Überbringer schlechter Nachrichten bei den Assyrern, ein düsterer Dämon, sein Name bedeutet „guter König“. Manche Quellen schildern ihn als die Mondgottheit im Gegensatz zu > Andramelech, dem Sonnengott.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Anamnese (griech. anamnesis, Erinnerung). In der Psychodiagnostik Darstellung der Vorgeschichte einschließlich der Beschreibung der aktuellen Situation und das Sammeln, Ordnen sowie diagnostische Verarbeiten der Informationen.

In der Philosophie Wiedererinnerung an Ideen, von denen die „Seele“ im Zustand ihrer Präexistenz (nach Platon) erfahren haben soll.

Biblisch ist die Anamnese nach dem AT ein Erinnern der israelischen Ursprungsgeschichte und deren historischer Heilsereignisse in Vergangenheit und Gegenwart mit Blick auf die Zukunft. Im NT versteht sich die gesamte Evangelientradition als A. der Christusoffenbarung. Theologisch ist A. das Vergegenwärtigen des Heilswirkens Christi in der Geschichte und Gegenwart der Kirche wie im Leben von Einzelpersonen als Wegweisung für die Zukunft.

In den Theorien der > Reinkarnation bezeichnet A. das Erinnern früherer Existenzen.

Lit.: Schottroff, Willy: Gedenken im Alten Orient und im Alten Testament: Die Wurzel zakar im semit. Sprachkreis. 2., erw. Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl, 1967; Metz, Johann Baptist: Glaube in Geschichte und Gesellschaft: Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie. 5. Aufl., Nachdr. der 4. Aufl. 1984 / mit einem neuen Vorw. des Autors. Mainz: Matthias-Grünewald-Verl, 1992; Osten, Peter: Die Anamnese in der Psychotherapie: klinische Entwicklungspsychologie in der Praxis. 2., völlig neu bearb. und erw. Aufl. München u. a.: Reinhardt, 2000; Dahmer, Jürgen: Anamnese und Befund: die ärztliche Untersuchung als Grundlage klinischer Diagnostik; 10 Tabellen. Unter inhaltlicher und redaktioneller Mitarb. von Matthias Krüger. 9., völlig überarb. und erw. Aufl. Stuttgart u. a.: Thieme, 2002.

Anancithidus, nach Camillus Leonardus (16. Jh.) ein „nekromantischer Stein“, der vor bösen Geistern schützt.

Lit.: Leonardus, Camillus: Speculum lapidum. Parisiis: Senestre & Gillius, 1610.

Ananda (sanskr., Wonne), 1. Freude und Glückseligkeit, die keinen materiellen Bedingungen unterliegt. Sie wird nur im > Samadhi erfahren und ist dem göttlichen Bewusstsein gleichzusetzen. 2. Ferner der Name des bedeutendsten Schülers des historischen > Buddha. Er ist einer der „Zehn Großen Jünger des Buddha“, war ein Vetter desselben und trat dem buddhistischen Orden zwei Jahre nach dessen Gründung bei. Bedeutend für die Geschichte des Buddhismus wurde er, als er im 20. Jahr der Lehrtätigkeit des Buddha zu dessen persönlichem Diener avancierte. Dank seines überragenden Gedächtnisses vermochte er die Lehrreden Buddhas festzuhalten. Seine Darlegung derselben bildete die Grundlage für die Kodifizierung des > Sutra-Pitaka beim 1. Konzil. A. war es auch, der das Mordkomplott des > Devadatta gegen den Buddha vereitelte. Auf seine Intervention hin bewilligte Buddha die Gründung des Nonnen-Ordens.

Lit.: Fischer-Schreiber, Ingrid u. a. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen . Bern u. a.: Scherz, 1986; Encyclopedia of Buddhism / Robert E. Buswell, Jr., editor in chief. New York u. a.: Macmillan Reference USA, Thomson Gale, 2004.

Anandamaya-Kosha (sanskr., „Körper der Seligkeit“). Die letzte Hülle, die das Selbst verdeckt, auch Seligkeitshülle oder Ursachenhülle genannt.

Lit.: Fischer, Ingrid u. a. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen. Bern u. a.: Scherz, 1986.

Anandamayi Ma, Sri (1896 – 1982), indische Mystikerin. Am 30. 4 .1896 als Nimala (Reine) Bhattachari und Tochter frommer Brahmanen in Kheora im Distrikt Comilla in Bangladesch geboren, besuchte sie mit fünf Jahren die Volksschule, doch zog sie fromme Gesänge den Büchern vor, wobei sie öfters das Bewusstsein verlor. Im Alter von 12 Jahren wurde sie mit Ramani Mohan Chakravarty verheiratet, aber ihre Trancezustände dauerten an, sodass sie mehr Guru als Frau ihres Mannes war, dem sie den Namen „Bholanath“ gab. Mit 18 Jahren zog sie sich in das Dorf Bajitpur in Ostbengalen zurück. Dort nahm sie während der fünf Jahre ihres Aufenthaltes spontan Yogasitze ein und sagte > Mantras auf. Mit 26 Jahren begann sie eine dreijährige Periode des Schweigens, nur unterbrochen von Gebärden. 1923 kehrte sie nach Hause zurück. Ihr Mann ließ sie von verschiedenen heiligen Männern und Exorzisten prüfen, die sie jedoch alle für spirituell hielten.

Mit 27 Jahren zeigte sie große Kenntnis in spirituellen Lehren und obwohl sie keine Ausbildung in den Schriften hatte, war es ihr ein Leichtes, mit Fachprofessoren zu diskutieren. Einer ihrer Anhänger, Hara Kumar, begann sie „Ma“ (Mutter) zu nennen und verehrte sie als Heilige. 1924 verzichtete der Parlamentarier Jyotish Chandra Roy auf sein weltliches Leben, wurde ihr Schüler und nannte sie „Anandamayi“ (Glückselige). 1924 ging A. M. mit Bholanath („Pitaji“ oder Vater genannt) nach Dehra Dun im Himalaja, wo sie einen > Aschram gründeten, von dem aus in ganz Indien weitere Aschrams mit Schulen und karitativen Einrichtungen entstanden. Als ihr Ruf auch im Ausland bekannt wurde, kamen Verehrer aus England, Deutschland, Frankreich und den USA. Sie selbst hat Indien nie verlassen. In den USA versammelten sich ihre Schüler unter Matri Satsang.

W.: Sri Matri Vani. 2 Bde. Varnasi, Indien: Shree Shree Annandamayee Charitabe Society, 1977; Sad Vani. Calcutta, Indien: Shree Shree Annandamayee Charitabe Society, 1981; Leben der Hingabe. Heilbronn: Verl. Heilbronn, 21992; Leben und Weisheit der Glückseligen Mutter Anandamayi Mâ. Lohmar: Ed. Maitri, 1995.

Lit.: Matri satsang / Anandamayi, Ma. Stühlingen: Mangalam-Verlag Schang, 1985; Worte der Glückseligen Mutter Anandamayi Ma. Stegen-Eschbach bei Freiburg: Mangalam-Verlag Schang, 1986.

Ananga > Kama.

Anangama > Alurwa.

Ananisapta (A.N.A.N.I.S.A.P.T.A.), steht für: Antidotum Nazareni auferat necem intoxicationis, sanctificet alimenta poculaque trinitas. Amen. Ein Amulettspruch, der am Hals getragen bereits bei dreimaligem Aussprechen Wirkung gegen Entzündungen, insbesondere bei Zahnschmerzen, zeigen und Wohlbefinden hervorrufen soll.

Lit.: Vollmer, Walter: Wörterbuch der Mythologie aller Völker. Neu bearb. von W. Binder. Holzminden: Reprint-Verl. Leipzig, 1979.

Ananke (griech., Notwendigkeit), Schicksalsgöttin bei den alten Griechen. Bei Platon Mutter der > Moiren. Nach der Lehre der > Orphiker durchmisst sie, die selbst unkörperlich ist, die ganze Welt. Dargestellt wird sie als Weltenlenkerin mit der Spindel.

Nach philosophischem Verständnis ist A. eine kosmologische Vorstellung eines inneren notwendigen Zusammenhangs der Welt.

Lit.: Schreckenberg, Heinz: Ananke: Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs. München: Beck, 1964; Cixous, Hélène: Anankè. Paris: Des Femmes, 1979; Escobar Moncada, Jairo: Chora und Chronos: Logos und Ananke in der Elemententheorie von Platons „Timaios“. Wuppertal: Deimling, 1995.

Ananse (Nannj), mythisches Urwesen in der Gestalt einer Spinne, das bei den Aschanti an der Westküste Afrikas (Goldküste), das Material hervorbrachte, aus dem > Nyame, der höchste Himmelsgott, die ersten Menschen schuf.

Die Okkultisten des > Ordo Templi Orientis (O. T. O.) griffen die Ananse-Mythologie auf und verwenden das Spinnennetz für die magische Erkundung der dunklen, abgekehrten Seite vom > Baum des Lebens.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Ananta > Nagas.

Anaon, „Gespenstergemeinschaft“ bestehend aus der Gruppe der Toten, die auf den Friedhöfen wohnen, nachts aber in ihre alten Wohnungen zurückkehren. Am Abend des Allerseelentages findet die Anaon-Prozession statt. Auch am Heiligen Abend und am Abend vor dem Johannistag wird diese Gespenstergemeinschaft nach bretonischem Volksglauben sichtbar.

Lit.: LeBraz, Anatole: La Légende de la mort chez les Bretons armoricains / Préf. et notes par G. Dottin. Paris: Honoré Champion, 1922.

Anapana-Sati, Atmungsachtsamkeit, buddhistische Atemmeditation, bei der die Betrachtung des Atems in seinem Kommen und Gehen bei entsprechender Körperhaltung und Körperfühlung im Mittelpunkt steht, um eine Formung des Geistes und die Harmonisierung des Körpers herbeizuführen.

Lit.: Phra Thepwisutthimethi: Anapanasati: die sanfte Heilung der spirituellen Krankheit / Buddhadasa Bhikkhu. Hg.: Buddhistische Gesellschaft München e. V. [Übers. vom Engl. ins Dt.: Manfred Wiesberger]. München: Buddhistische Ges., 2002.

Anaphora (griech., „das Hinauftragen“). 1. A. begegnet man in der Antike in vielfältiger Bedeutung, wie „Meldung“, „Eintragung“. Die vereinzelt belegte Bedeutung von „Darbringung“ kommt in der Septuaginta häufig vor, wobei das ursprüngliche Bild des Rauchopfers in Richtung eines allgemeinen Opferverständnisses erweitert wird, was zur spezifischen Bedeutung für das Hochgebet der Kirche führte. A. ist die sprachliche Gestalt der sakramentalen Vergegenwärtigung Christi in der Eucharistie.

2. In der > Astrologie ist A. das Gestirn, das auf Merkur oder Mond folgt. 3. In einer Sonderbedeutung bezeichnet A. das zweite Haus im Horoskop.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981; Mazza, Enrico: L‘anafora eucaristica: studi sulle origini. Roma: C.L.V.-Edizioni Liturgiche, 1992; Budde, Achim: Die ägyptische Basilios-Anaphora: Text – Kommentar – Geschichte. Münster: Aschendorff, 2004.

Anaphrodisiakum, die Sexualkraft hemmendes Mittel, wie z. B. die Samen des Mönchspfeffers (Vitex agnus-castus L.), einer zu den Verbenaceae gehörigen Pflanze, der > Affodill (Asphodelus ssp.) oder die > Akelei (Aquilega vulgaris L.) als > Amulett getragen. Ein A. kann mitunter auch zur Geburtenkontrolle benutzt werden, etwa in der „Hexenmedizin“ (Müller-Ebeling, 97).

Lit.: Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Bautier, Robert-Henri: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 – 6, München; Zürich: Artemis, 1980 ff., Bd. 7 – 9. München: LexMA, 1995 ff., Registerbd. Weimar; Stuttgart: J. B. Metzler, 1999; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Anarazel, einem alten Aberglauben zufolge einer der Dämonen, dem die Bewachung der unterirdischen Schätze obliegt, die er von einem Ort zum andern trägt, um sie vor den Menschen zu verbergen. Zusammen mit seinen Gefährten Gaziel und Fécor erschüttert er die Fundamente der Häuser, beschwört Gewitter herauf, schwingt um Mitternacht die Glocken, bewirkt Geistererscheinungen und ruft vielfältigen Schrecken hervor.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984, 1. Bd.

Anareta, Lebensvernichter, jenes Gestirn, das auf den > Hyleg, das bestgestellte Gestirn, den schlimmsten Aspekt richtet.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Anargyroi (griech., „ohne Silber“ = Geld, Uneigennützige, Unentgeltliche), Gruppe von Heiligen der Ostkirche, die z. T. zu Lebzeiten Ärzte waren, ihre Tätigkeit umsonst ausübten und denen auf jedem Fall nach dem Tod Heilkraft und Heiltätigkeit zugesprochen wurden. Die Gruppe umfasst weit über 40 Heilige, davon ein Viertel Frauen. Ihr Kult entstand Ende des 4. Jhs., Anfang 5. Jh. in Syrien (darunter Kosmas und Damian) sowie in Ägypten.

Lit.: Lucius, Ernst: Die Anfänge des Heiligenkults in der christlichen Kirche. Hg. von Gustav Anrich. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Tübingen 1904. Frankfurt / M.: Minerva-Verl., 1966.

Anastasia, Heilige und Märtyrerin, erlitt wahrscheinlich unter Diokletian um 304 in Sirmium (Serbien) den Märtyrertod und wurde in den römischen Donauprovinzen sehr verehrt (Fest: 25. Dez.). Ein Stück der Hirn­schale der Heiligen befindet sich seit 1053 in Benediktbeuern (Bayern). Die Reliquie wird Kopf­leidenden zur Heilung auf das Haupt gelegt. Ähnliche Heilkraft sprach man den Anastasiahäublein zu, Häubchen aus schwarzem Taft, die während einer Messe der Hirnschale der Heiligen aufgesetzt wurden. Außerdem sollen die sog. Anastasiazettel heilend wirken. A. gilt als Patronin gegen Kopf- und Brustleiden sowie Prozesszensur.

Lit.: Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch: in 2 Bd. Mit d. wiss. Einl. z. Ausg. Leipzig 1939 von Otto Mausser u. mit e. Vorw. von 1961 von Otto Basler. Aalen: Scientia-Verlag, 1983.

Anästhesie (griech. anaesthesia, Empfindungslosigkeit), Unempfindlichkeit gegenüber somato- und viszerosensiblen Reizen. Physiologisch unterscheidet man je nach Art und Ort der Beschädigung sensibler Nervenbahnen lokale, totale, periphere, Leitungs- und zentrale A. Bei partieller A. sind nur einzelne Empfangsformen aufgehoben. Bei künstlich herbeigeführter A. unterscheidet man allgemeine A. (Vollnarkose) und Lokalanästhesie. Zu einer somatischen A. kommt es auch bei Zuständen der > Biokömese und > Biostase.

Psychisch kann eine A. pathogen oder durch Ausnahmezustände bedingt sein. So ist die pathogene Anästhesie charakteristisch für die Melancholie. In Ausnahmezuständen tritt A. meist spontan auf, wie in Zuständen der Trance und der Ekstase, kann aber auch durch intensive Versenkung in einen personumgreifenden Inhalt ausgelöst werden, z. B. bei Folter und Torturen, bei Totstellreflexen und Ohnmachstreaktionen. In tieferen Stadien des > Somnambulismus kann es zu einer spontanen A. kommen. Die A. kann psychisch aber auch direkt hervorgerufen werden, etwa durch > Suggestion, > Hypnose, akustische, optische und taktile > Halluzinationen.

Lit.: Ramsay, W.: Partial Anaesthesia. In: Proc. SPR. Bd. 9 (1893 / 94) Nr. 25; Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände. Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990; Resch, Andreas:  I veggenti di Medjugorje. Ricerca psicofisiologica 1998 / M. e. Vorw. v. Ivan Landeka. Innsbruck: Resch, 2000; Roewer, Norbert: Taschenatlas der Anästhesie. 2., akt. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2004.

Anat(h), phönikisch-kanaanäische Göttin, deren Name als „Vorsehung“ bzw. „Vorsorge“ gedeutet wird. Sie ist die jungfräuliche Schwester, aber auch die Gattin von > Baal. Nach den Ugarit-Texten rächt sie ihren toten Bruder am Todesgott > Mot und ist auch sonst voller Grausamkeit. So trägt sie Hände und Köpfe ihrer Opfer als Schmuck. Verschiedene vorderasiatische Volksstämme übernahmen sie als Göttin der Natur- und Lebenskraft. Dabei ging sie z. T. in die Gestalten von > Astarte und > Atargatis über. Seit der Ramessidenzeit (1306 – 1080 v. Chr.) wurde sie auch in Ägypten verehrt und besaß in der unterägyptischen Stadt Tanis einen Tempel. Wie Astarte galt sie als Kriegsgöttin mit den Attributen Schild, Speer und Streitaxt, auf dem Haupt eine hohe Krone mit zwei Straußenfedern. A. wird auch im Alten Testament genannt (Ri 3, 31; 5, 6.). In Oberägypten wurde eine Anat-Jahu erwähnt, d. h. die Göttin wurde in Verbindung mit Jahwe gebracht.

Lit.: Kapelrud, Arvid Schou: The Violent Goddess: Anat in the Ras Shamra Texts. Oslo: Universitetsforlaget, 1969; Helck, Wolfgang: Betrachtungen zur Grossen Göttin und den ihr verbundenen Gottheiten. München [u. a.]: Oldenbourg, 1971.

Anathema (griech.) bedeutet etwas (der Gottheit) Anheimgegebenes, und zwar als Weihegabe (Lk 21, 5) oder als ihrem Fluch Verfallenes. In dieser zweiten Bedeutung verwendet das NT ganz im Zuge der alttestamentlichen Bannflüche (herem; LXX: anathema) wie auch des Ausschlussverfahrens in Qumran das A., um die Grenzen der christlichen Gemeinschaft zu markieren. Die Vollmacht zum Ausschluss aus der Kirche wird auf Jesus zurückgeführt (Mt 16, 18 – 19; 18, 15 – 18; Joh 20, 23). Ziel ist die Umkehr des Sünders, nicht seine Vernichtung. In der alten und mittelalterlichen Kirche wird die Verhängung des A. identisch mit der > Exkommunikation (Konzil von Nizäa 325; 4. Konzil von Toledo 633) und bleibt dies bis zum Vat. II. Das Kirchenrecht kennt seit dem neuen Kodex von 1983 den Begriff A. nicht mehr.

Lit.: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1. Freiburg: Herder, 1996; Denzinger, Heinrich: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrmeinungen. Freiburg: Herder, 392001.

Anatman (sanskr. anatman, öfter nairatmya, Pali: anatta, Nicht-Selbst), Nicht-Wesenhaftigkeit als eines der drei Merkmale alles Seienden (> Trilakshana). Die A.-Lehre ist eine der zentralen Lehren des Buddhismus. Sie besagt, dass kein Selbst (> atman) im Sinne einer unvergänglichen, unabhängigen Substanz oder Seele innerhalb eines individuell Seienden existiert. Dies bedeutet die Leugnung jeder Vorstellung eines „Selbst“ oder „Ego“. Denn das Ich im buddhistischen Sinn ist nichts als eine aus den fünf Daseinsgruppen (> Skandha) zusammengesetzte, vergängliche empirische Persönlichkeit.

Lit.: Fischer-Schreiber u. a. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen. Bern; München; Wien: Scherz, 1986; Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004, S. 87 – 92.

Anatta > Anatman.

Anaxagoras (500 / 496 – 428), griechischer Philosoph aus Klazomenai an der Küste Kleinasiens; studierte Philosophie in Athen bei > Anaximenes von Milet und unterrichtete später selbst Philosophie, wobei > Sokrates und > Euripides neben anderen bedeutenden Persönlichkeiten zu seinen Schülern zählten. Wegen seiner astronomischen Theorie der Gottlosigkeit angeklagt, musste er Athen verlassen. Er hatte behauptet, die Sonne bestehe aus glühendem Gestein.

A. lehrte die Unveränderlichkeit des ursprünglichen Stoffes sowie die unendliche Teilbarkeit der Materie und des Raumes, denn wie oft man einen Gegenstand auch zerteilen mag, immer stoße man auf etwas, das Elemente von derselben Art wie das Ganze enthält. Zur Erklärung, dass es verschiedenartige Dinge gibt, führt er den Begriff der „Weltvernunft“ (ς) ein. Die Weltvernunft hat die Weltentwicklung begonnen und ist Garant für die Erhaltung alles Lebenden.

A. verstarb 428 in Lampsakos.

Lit.: Diels, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker. Nach d. von Walther Kranz hg. Aufl. Mit Einführungen u. Bibliographien von Gert Plamböck. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1963.

Anaximander (ca. 610 – ca. 546), ionischer Naturphilosoph aus Milet, Schüler von > Thales und sein Nachfolger. Von seinem vermutlich „Über die Natur“ betitelten Werk, der ersten bekannten Prosaschrift der Griechen, sind nur wenige Zeilen erhalten. A. entwarf als erster eine Erdkarte und einen Himmelsglobus, wobei er erstmals die sichtbare Halbkugel des Himmels zu einer Vollkugel ergänzte. Zudem soll er die Sonnenuhr erfunden und Erdbeben vorhergesagt haben. Die Erde ist für A. eine inmitten der Welt freischwebende Säule. Die Gestirne deutet er als Feuer. Alles geht aus einem Stoff, dem Grenzenlosen hervor, das er Apeiron nennt. Aus ihm entstehen durch Rotation Gegensätze, aus welchen sich erst die unbelebte, dann die belebte Natur bildete, während der Mensch aus einem fischähnlichen Wesen anderer Art entstand. Hier klingt bereits ein biologischer Entwicklungsgedanke an, denn alles Werden wird von einem allgemeinen naturimmanenten Gesetz bestimmt.

Lit.: Diels, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker. Nach d. von Walther Kranz hg. Aufl. Mit Einführungen und Bibliographien von Gert Plamböck. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1963; Hölsher, Uvo: Anfängliches Fragen: Studien z. frühen griech. Philosophie. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1968.

Anaximenes (zwischen 585 und 528 – 525), ionischer Naturphilosoph aus Milet. Von seinen Schriften sind nur wenige Zeilen erhalten. A. setzte die von > Thales und > Anaximander gemachten Vorstellungen über die Zusammensetzung der Welt fort und sah den Ursprung und Urgrund aller Dinge in der nicht nur als Element, sondern zugleich als lebensspendendes, dynamisches, seelisches und sogar göttliches Prinzip verstandenen Luft. Aus ihr entstehen durch Verdünnung Feuer und durch Verdichtung zunächst Wind, dann Wolken, Wasser, Erde und schließlich Steine. Die qualitativen Differenzierungen wie die Entstehung der Lebewesen führt er auf eine Rotation, gefolgt von Verdünnung und Verdichtung zurück. Die Gestirne, auch die Erde, haben die Form von auf der Luft schwimmenden Scheiben und bewegen sich um die Erde herum.

Lit.: Diels, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker. Nach d. von Walther Kranz hg. Aufl. Mit Einführungen und Bibliographien von Gert Plamböck. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1963; Hölsher, Uvo: Anfängliches Fragen: Studien z. frühen griech. Philosophie. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1968; Röd, Wolfgang: Von Thales bis Demokrit. 2., überarb. und erw. Aufl. München: Beck, 1988.

Anaya > Machluf, Scharbel.

Anbauen. Das > Fieber wird „gewendet“ oder „angebaut“, indem man Leinsamen unter Aussprechen eines Segens auf dem Acker anbaut: Wie der Same aufgeht, muss das Fieber weichen.

Lit.: Höfer, Matthias: Etymologisches Wörterbuch der in Oberdeutschland, vorzüglich aber in Oesterreich üblichen Mundart 3. Linz: Kastner, 1815, S. 131.

Anbay, vorislamischer Orakelgott und „Herr des Rechtes“ in Südarabien. Als „Sprecher“ weist A. auf den über ihm stehenden Gott > Amm hin.

Lit.: Höfner, Matthias: Anby. Wörterbuch der Mythologie (WdM 1), 1965.

Anbinden. Heilkräftige Mittel werden angebunden, umgeknüpft, um Arm, Hals und Leib getragen. Im Mittelalter sprach man von ligamenta, ligaturae, phylacteria. Neuerdings werden solche Anhängsel auch um die Füße gelegt.

Lit.: Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie. Coburg: Schütz-Verl., 2001.

Anblasen der Augen, Methode des > animalischen Magnetismus, um den magnetischen Schlaf zu beenden. Neuere Versuche bestätigen, dass bei Versagen von Verbalsuggestionen beim Wecken aus der > Hypnose auch A. möglich ist. Dies besagt, dass Hypnose nicht nur ein verbal suggestives Phänomen ist. > Anhauchen.

Lit.: Bernheim, Hippolyte: Die Suggestion und ihre Heilwirkung. Autoris. dt. Ausg. / von Sigm. Freud. Fotomechan. Nachdr. d. Ausg. Leipzig u. Wien 1888. Tübingen: Ed. diskord, 1985.

Anceps (lat., doppelköpfig). In der Astrologie androgyner Planet, der – bedingt durch die jeweilige Stellung zu den Planeten – zwischen männlich und weiblich schwankt, z. B. Merkur.

Lit.: Lexikon der Astrologie. München: Goldmann, 1981.

Anchises (griech.), Herrscher von Dardanos bei Troja, Sohn des Kapys und der Thémis, Enkel des Assarakos. > Zeus ließ > Aphrodite in Liebe zum schönen A. entbrennen. Aus dieser Verbindung ging > Aeneas hervor. Da A. das Gebot der Aphrodite, ihren Namen nicht zu nennen, übertrat, wurde er durch einen Blitz von Zeus gelähmt. Als am Ende des Trojanischen Krieges Troja in Flammen aufging, trug Aeneas seinen Vater aus der brennenden Stadt. A. starb auf der Flucht in Drepanum auf Sizilien.

Dieses Motiv des Sohnes, der auf seinen Schultern den greisen Vater rettet, wurde in der Kunst sehr beliebt.

Lit.: Homer: Ilias, II, 819 – 21; V, 260 – 73; XX, 215 – 40; Apollodoros: Bibliothek, III, xii, 2; Ovid: Metamorphoses, XIII, 623 – 42; XIV, 82 – 119.

Ancitif, wenig bekannter Dämon, der im Zuge der „Besessenheitsfälle“ im Kloster Saint-Louis de Louviers in der Normandie 1647 den Körper der Nonne Barbara vom hl. Michael in Besitz genommen haben soll.

Lit.: Histoire de Magdelaine Bavent, religieuse du monastère de Saint-Louis de Louviers… [Microforme]: ensemble l‘interrogatoire de Magdelaine Bavent, de plus l‘arrest donné contre Mathurin Picard, Thomas Boullé et ladite Bavent, tous convaincus du crime de magie / Desmarets / Hachette: Bibliothèque nationale / 1975.

Andacollo. Marienwallfahrtsort in Mittel-
chile. Im 16. Jh. soll dort der Indio-Bevölkerung die Muttergottes erschienen sein. Das Bild, das Maria mit dem Jesuskind und einer Blume in der Hand zeigt, wird seit Jahrhunderten von religiösen Bruderschaften, den sogenannten
Chinos, verehrt. Jeweils am 26. Dezember erreicht die Verehrung mit kultischen Tänzen indianischen Ursprungs und spanischen Liedern ihren Höhepunkt. Weder kirchliche noch weltliche Eingriffe vermochten das karnevalartige Treiben zur Weihnachtszeit zu beeinflussen.

Lit.: Ramirez, J. R.: La Virgen de Andacollo. La Serena, 1873; Uribe, J.: La Virchen de Andacollo y el Niño de Dios de Sotaquí. Santiago, 1974.

Andalusit, nach der Landschaft Andalusien benannter Stein, auch wenn er dort selten vorkommt. Manche Exemplare des Heilsteines weisen durch Kohlenstoffeinlagerung ein schwarzes Kreuz auf; sie heißen Chiastolith, während die intensiv-grüne Variante Viridin (lat. viridis, grün) genannt wird. Der A. kann ferner bräunlich-rot, seltener auch violett und bisweilen, je nach Blickwinkel, rot und grün gleichzeitig sein. Der Stein ist ein Alumosilikat und soll im geistigen Bereich bei der Identitätssuche und Verwirklichung der Lebensaufgabe sowie bei der Selbstentfaltung eines Menschen wirksam sein. Er wird mit der geistigen Qualität der Großzügigkeit assoziiert, weshalb er die Weite der individuellen Persönlichkeit offenlegen soll. Auf der körperlichen Ebene wir der A. vor allem bei Magen-Darmbeschwerden und bei Hauterkrankungen eingesetzt.

Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.

Andenglühen oder die Andenlichter werden meist nachts in der Nähe von Berggipfeln beobachtet. Obwohl die Mehrzahl dieser Berichte von den Anden in Bolivien, Chile und Peru stammt, wurde das Phänomen auch in den europäi­schen Alpen, in Mexiko und Lappland aufgezeichnet. Es komme auch bei wolkenlosem Himmel vor. Manchmal sei es nur ein Blitz, wobei das Glühen in anderen Fällen unausgesetzt über Stunden hinweg wirksam bleibe. „Sehr geringe Feuchtigkeit wird häufig als dominierender meteorologischer Faktor erwähnt, wenn Andenlichter gesehen wer­den. Wahrscheinlich ist, dass die Andenlichter kein Blitz sind, sondern ein Elms­feuer in großem Maßstab, bei dem viele Punkte auf einer Bergspitze eine Scheitelentladung erleben.“ Die Sonnenflecken erhöhen den elektrischen Feldgradienten, also das Gefälle des Feldes der Erde. „In anderen Worten, das Glühen von Bergspit­zen und ,Auroras‘ könnten beide von der Sonnenaktivität stimuliert werden“ (Corliss, G1 – 94).

Lit.: Corliss, William R.: A Catalog of Geophysical Anomalies. Glen Arms: Sourcebook Project, 1976.

Anderl von Rinn > Andreas Oxner.

Andernach-Kell, Maria – Königin der Märtyrer. 1388 sahen Hirten aus Kell in Deutschland im dichten Dornengestrüpp ein helles, flackerndes Licht wie von einer Fackel. Diese Lichterscheinung wiederholte sich mehrfach und wurde von vielen wahrgenommen. Als man der Sache auf den Grund gehen wollte, fand man mitten im Gestrüpp eine Pietà. Man brachte das Marienbild in die Pfarrkirche, doch am nächsten Morgen war die Statue wieder an ihrem alten Platz unter den Dornen. Nachdem sich dies zweimal wiederholt hatte, baute man im Wald eine Marienkapelle. Es entwickelte sich eine lebendige Wallfahrt zu Maria – Königin der Märtyrer, die heute in der Pfarrkirche St. Lubentius in Andernach-Kell verehrt wird und für die das Pfarramt St. Johannes d. Täufer, Burgbrohl, Diözese Trier, zuständig ist.

Lit.: Die deutschen Wallfahrtsorte: ein Kunst- und Kulturführer zu über 1000 Gnadenstätten / hg. von Susanne Hansen. Augsburg: Pattloch, 1991.

Andersen, Hans Christian, dänischer Märchendichter, geb. 2.04.1805 in Odense auf Fünen, gest. 4.08.1875 in Kopenhagen. In seinen weltberühmten Märchen klingen zahlreiche paranormale Motive an. So sieht etwa das Kind in dem Märchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ im Lichtschein der Hölzchen seine verstorbene Großmutter. Schon als 14-Jähriger war A. von der Idee beseelt, einmal berühmt zu werden, obwohl ihn seine Mutter wegen der ärmlichen Verhältnisse zum Schneider ausbilden lassen wollte. A. schreibt darüber: „Es war ein völlig unerklärlicher Trieb, der mich leitete; ich weinte, ich bat, und zuletzt gab meine Mutter nach, ließ aber doch erst eine alte sogenannte kluge Frau vom Hospital holen, um aus der Karte und dem Kaffee mein künftiges Schicksal zu prophezeien. ,Ihr Sohn wird ein großer Mann werden‘, sagte die Alte, ,und ihm zu Ehren wird Odense einmal illuminiert werden‘  “ (Andersen, 33). Nicht nur seine Berühmtheit, sondern auch die Beleuchtung von Odense ging in Erfüllung, nämlich als die Stadt A. am 6.12.1867 zum Ehrenbürger ernannte und ihm zu Ehren ein glänzendes Fest veranstaltete.

Lit.: Andersen, Hans Christian: Das Märchen meines Lebens ohne Dichtung. Berlin, 1914; Rosenberger, Ludwig (Hg.): Geisterseher. Eine Sammlung seltsamer Erlebnisse berühmter Persönlichkeiten in Selbstzeugnissen und zeitgenössischen Berichten. München: Ernst Heimeran, 1952.

Anderson, Margaret L., amerikanische Parapsychologin und Professorin für Pädagogik, wurde am 1. Februar 1920 in Mount Vernon, Illinois, USA, geboren, studierte an der Universität von Illinois, machte dort den M.A. und unterrichtete an mehreren Instituten. 1950 trat sie in das Laboratorium von J. B. > Rhine in Durham ein und begann mit Rhea > White ASW-Experimente mit Kindern. Sie stellte die These auf, dass ein positives Lehrer-Schüler-Verhältnis ASW fördere, während ein negatives Verhältnis ASW unterbinde. Ihre Veröffentlichungen von 1956 / 57 waren außerordentlich erfolgreich. 1961 kehrte sie an die Universität Pittsburgh zurück, wo sie 1962 zum Dr. phil. in Pädagogik promovierte. In diesem Jahr war sie auch Präsidentin der Parapsychology Association. Ihre weitere Karriere machte sie an der Universität Pittsburgh im Bereich der Pädagogik bis zur Emeritierung 1985. Sie starb 1986.

W.: Clairvoyance and Teacher-Pupil Attitudes in Fifth and Sixth Grades. In: JP 21 (1957), 1; The Use of Fan­tasy in Testing for Extrasensory Perception. In: JASPR 60 (1966), 150; mit R. White: Teacher-Pupil Attitudes and Clairvoyance Test Results. In: JP 20 (1956), 141; mit R. White: A Further lnvestigation of Teacher-Pupil At­titudes and Clairvoyance Test Results. In: JP 21 (1957), 81; mit E. Gregory: A Two-year Program of Tests for Clairvoyance and Precognition with a Class of Public School Pupils. In: JP 23 (1959), 149; mit R. A. McConnell: Fantasy Testing for ESP in a Fourth- and Fifth-Grade Class. In: Journal of Psychology 52 (1961), 491.

Lit.: McConnell, R. A.: Para psychology in Retrospect: My Search for the Unicorn. Pittsburgh: Biological Sciences Department, University of Pittsburgh, 1987, p. 67; Osis, Karlis: A Tribute to Margaret L. Anderson, 1920 – 1985. In: JASPR 81 (1987), 257.

Anderswelt, von der zeitgenössischen Esoterik aus der Mythologie der Inselkelten übernommene Vorstellung von einer Weltgegend, in der Feen und andere mythische Wesen beheimatet sind. Die A. ist Ursprung und Hort der Magie, Weisheit und dichterischen Inspiration. Ihr Beherrscher ist der Gott > Dagda. Kontakte zu ihr sind auf verschiedenen Wegen möglich, vor allem durch das > Channeling.

Lit.: Evans-Wentz, W. Y.: The Fairy-Faith in Celtic Countries. New York: Lemma Pub. Corp., 1973; Matthews, Caitlin: The Celtic Book of the Dead. A Guide for Your Voyage to the Celtic Otherworld. New York: St. Martin’s Press, 1992; Hetmann, Frederik (Hg.): Die Reise in die Anderswelt: Feengeschichten und Feenglaube in Irland. Krummwisch: Königsfurt, 2004.

Anderswo, von G. N. M. > Tyrrell verwendeter Begriff zur Bezeichnung einer raum-zeit-losen anderen Ordnung als die der irdischen Welt. Wechselwirkungen zwischen der irdischen Welt und dem A. sind über das Bindeglied Mensch möglich. Eine einseitige Adaptierung an die irdische Raum-Zeit-Welt behindert die Wechselwirkungen. Erfahrbar ist A. nur über die menschliche Psyche.

Lit.: Tyrell, G. N. M: Mensch und Welt in der Parapsychologie. M. e. Nachw. v. Hans Bender. Hamburg: Broschek, 1947.

Andhaka, Dämon mit tausend Armen und tausend Köpfen in der indischen Mythologie. Als er die Gemahlin > Shivas rauben wollte, verwundete ihn dieser mit einem Pfeil. Aus dem Blut des Dämons entstanden jedoch neue Götterfeinde (> Asuras). Erst als Shiva seinen Speer auf ihn richtete, flehte er um Vergebung, wurde daraufhin zum Anführer der Scharen Shivas (> Ganas) und erhielt den Namen Bhringin.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Andhra Universität. Unter der Initiative und Leitung von K. Ramakrishna Rao bot die Andhra Universität 1967 als erste der indischen Universitäten Kurse und Forschungsprogramme für Parapsychologie im Rahmen des Instituts für Psychologie und Parapsychologie mit Möglichkeit zur Promotion an. Das Institut veröffentlicht das Journal of Indian Psychology.

Andorn (Marrubium vulgare L.) bzw. Weißer Andorn (Marrubium album GILIB.), weißblühender Lippenblütler aus Südosteuropa, der an Waldwegen zu finden ist, sich aber auch mit Dorfstraßen, Gartenzäunen, Schuttplätzen und Ödland begnügt. Der A. hat noch viele weitere Namen, so Weißer Dorant, Gotteshilfe, Weiße Leuchte, Mutterkraut und Gutsvergess.

Nach germanischer Mythologie soll der A. die Blitzkraft verkörpern, da er an derjenigen Stelle zuerst wuchs, an der ein Blitz > Donars einen Menschen verfehlte, mit dem er Händel hatte. Der „starken“ Pflanze wird demzufolge die besondere Schutzfunktion zugeschrieben, Übel abzuwenden. Vom A. wird gesagt, er stehe mit Waldgeistern, Zwergen, Nixen und Feen in näherem Kontakt. Auch Sympathiezauber gehört zum magischen Revier des Andorns.

A. wird noch heute, wie Marzell im Jahr 1977 schreibt (Marzell, 59), als > Beschreikraut gegen das „Schwinden“ der Kinder (Pädatrophie) gebraucht, wovon schon Brunfels berichtete: „darumb das es heilen ist die kranckheit der kinder genant der andorn“ (Brunfels, 1532, 84). Auch im Gegenzauber fand A. seine Anwendung.

Als Heilpflanze ist Andorn bei Herzschwäche, Lungenproblemen, Verdauungsstörungen, Leberbeschwerden, ausbleibender oder schwacher Menstruation und vielen anderen Gesundheitsstörungen von Bedeutung. A. war auch eines der vielen „Mutterkräuter“ in der Hexenmedizin, das für Abtreibungen benutzt wurde (Müller-Ebeling, 149). Die Pflanze enthält viele Bitterstoffe, Tannine, Alkaloide und Schleimstoffe.

Der > Schwarze Andorn (Ballota nigra L.) gehört in die lange Zutatenliste der > Hexensalben (Rätsch, 751).

Lit.: Brunfels, Otho: Contrafayt Kreuterbuch nach rechter vollkommener art / vnnd beschreibungen der Alten  / besst / berumptem ärtzt / vormals in Teutscher sprach / der maszen nye gesehen / noch im Truck auszgangen. Straßburg 1532. Ander Teyl. Straßburg, 1537; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 3. Stuttgart: Hirzel; Wiesbaden: Steiner, 1977; Most, Georg F.: Encyklopädie der Volksmedizin. Graz: ADEVA, 1984; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998; Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Andrade, Antonio (*1580 Oleiros, Portugal, † 19.3.1634 Goa), Jesuit. Auf seiner ersten Forschungs- und Missionsreise nach Tibet wurde A. bei der Rückreise vergiftet. Er rief daraufhin Maria um Hilfe an, die ihn heilte, sodass er gesund zurückkehren konnte. 1625 unternahm er eine zweite Reise nach Tibet, auf der er die katholische Mission in Tsaparang gründete. 1629 kehrte A. nach Goa zurück.

W.: Novo Descobrimento do Gram Cathayo, ou Reinos de Tibet (Beschr. Tibets). Lissabon, 1626 (viele Übers.; dt. 1627).

Lit.: Streit, Robert: Bibliotheca Missionum. V: Asiat. Missionslit. 1600 – 1699, 1929, 101.107; AHSJ Index Generalis, Rom 1953, 299; LThK I, 510.

Andrade, Hernani Guimãraes (*31.5.1913 Araguari, Brasilien, † 25.4.2003 Bauru), Parapsychologe, Gründer und Leiter des brasilianischen Instituts für Parapsychologie (Instituto Brasileiro de Pesquisas Psicobiofísicas, IBPP), gehört zu den bedeutesten Experten Brasiliens auf den Gebieten der Parapsychologie, Psychobiophysik, Instrumentellen Transkommunikation, Außerkörperlichen Erfahrung und des brasilianischen Spiritismus. Mit seinen zahlreichen Werken ist er der meistgenannte brasilianische Autor auf dem Gebiet der Paranormologie. An dieser Stelle seien genannt: Teoria Corpuscular do Espírito; Parapsicologia Experimental; Psi Quântico; Morte, Renascimento, Evolução; Espírito, Perispírito e Alma; Reencarnação no Brasil; Transcomunicação Instrumental; Espírito, Perispírito, Alma; A Morte – Uma Luz no Fim do Túnel.

Andrade, Mme d’, spanisches physikali-
sches Medium, das um 1920 von Dr. d’Oliveira Feijao, Prof. für Chirurgie an der Medizinischen Fakultät von Lissabon, einer langen Reihe von Experimenten unterzogen wurde, über die Madalena Frondoni-Lacombe ausführlich berichtete. Feijao, der früher von diesen Dingen nichts hielt, schrieb daraufhin: „Nun sah und beobachtete ich und ich bedaure, nicht geglaubt zu haben.“ Frondoni-Lacombe berichtet 1920 in
Merveilleux Phènomènes de l’Au-delà von einer Reihe von telekinetischen Experimenten, die häufig bei Tageslicht durchgeführt wurden. Charles > Richet schreibt in Thirty Years of Psychical Research einige besonders hervorstechende Ergebnisse den psychischen Fähigkeiten zu, die Frondoni-Lacombe unbewusst beigesteuert habe.

Lit.: Frondoni-Lacombe, Madalena: Merveilleux Phènomènes de l‘Au-delà (1920); Richet, Charles: Thirty Years of Psychical Research. Kegan Paul, 1923.

Andramelech (andra, unten, melech, König), auch Adramelech, Adrammelech, Adrammelek, Andramalech, Adar-malik, König der Unterwelt. Nach der assyrischen Mythologie ist er Gott und Baal der Stadt Sepharwajim. Angeblich wurden ihm auf dem Altar Kinder als Opfer verbrannt (2 Kön 17, 31).
Dem Namen entsprechend wird A. auch als Großkanzler der Unterwelt, als Verwalter der Garderobe des Herrschers der Dämonen und als Vorsitzender des Hohen Rates der Teufel bezeichnet. Nach den Rabbinern zeigt er sich in Gestalt eines Maultiers, manchmal in der eines Pfaus. Andere Quellen schildern ihn als Sonnengott im Gegensatz zum Mondgott > Anamelech.

Lit.: Collin de Plancy, Jacques A.: Die Kinder Lucifers: kleines Lexikon der schwarzen Engel. Hg. u. mit e. Nachw. vers. von Jakob Shadoku. Berlin: Zerling, 1989.

Andraste, Göttin aus der keltischen Mythologie, die in Britannien verehrt wurde. Die britannische Königin Boudicca hat sie der Legende nach so geschätzt, dass sie eine Reihe von Frauen der römischen Eroberer töten ließ, um A. Menschenopfer darbringen zu können.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 2002.

Andreae, Johann Valentin (*17.8.1586 Herrenberg/Württemberg, †27.6.1654 Stuttgart), lutherischer Theologe, Schriftsteller, Philosoph, Pfarrer, Superintendent und Hofprediger sowie Konsistorialrat. Von 1601 – 1606 studierte er in Tübingen Theologie, Philosophie und Mathematik und kam dabei unter den Einfluss des Theologen M. Hafenreffer, des Mathematikers M. Maestlin, des Juristen Chr. Besold, von Abraham Höltzl und Willhelm Schuckart. Er lernte so die Werke des > Paracelsus kennen und wurde durch Besold mit esoterischer Wissenschaft und den Lehren T. Campanellas bekannt. Vor allem hatte er Verbindung mit dem hermetisch-spiritistischen Freundeskreis um den Chiliasten T. Hess. In diesem Kreis, der in einer gewissen Distanz zur herrschenden lutherischen Orthodoxie pansophische Vorstellungen diskutierte und den Gedanken eines Bundes erlauchter Geister pflegte, die das Papsttum, den Islam und die scholastische Philosophie bekämpften und ein reformiertes, mit der Esoterik in Einklang stehendes Christentum herbeiführen sollten, entstanden die drei Schriften Fama Fraternitatis, oder Entdeckung der Brüderschaft des hochlöblichen Ordens des Rosenkreutzes (veröffentlicht 1614), die Confessio Fraternitatis R. C. (veröffentlicht 1615) und die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz – anno 1459 (veröffentlicht 1616). Die Chymische Hochzeit, die von A. selbst verfasst wurde, hatte den größten Einfluss. So entstand der Mythos einer bereits 120 Jahre bestehenden Geheimgesellschaft, gegründet von einem „Christian Rosenkreutz“. Ob dieser Mitarbeit wurde A. nach seinem Magisterexamen von der Universität verwiesen, worüber er in einem Bericht über ein Sozietätsprojekt an Herzog August folgende Hinweise macht: „Vor dem 23. oder 24. Jahr war es, als ich auf Anregung des Lüneburgischen Ritters Wilhelm Wense, des ganz besonderen Freundes, dieses formlose Bild einer Gesellschaft [societatis alicuius imaginem] ersonnen habe, das wir dem unwürdigen Scherz der fiktiven Bruderschaft des Rosenkreuzes entgegensetzten.“ (Brecht, S. 75)

Als A. Tübingen 1607 verlassen musste, führte er ein langjähriges Wanderleben und reiste über Strasbourg nach Genf, wo ihn die calvinische Kirchenzucht stark beeindruckte. Von dort ging es weiter nach Frankreich, dann über Österreich nach Italien. Nach Wiederaufnahme und Abschluss des Theologiestudiums wurde A. Diaconus (zweiter Pfarrer) in Vaihingen / Enz (1614 – 1620), wo er sein literarisches Werk hauptsächlich in lateinischer, aber auch in deutscher Sprache abfasste. Von 1620 – 1638 war er Spezialsuperinten­dent in Calw im Schwarzwald, wo er u. a. auch den Theophilus schrieb und zum Zeitzeugen der würt­tembergischen Katastrophe im Dreißigjährigen Krieg wurde. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er mit der Bestellung zum Hofprediger und Konsisto­rialrat in Stuttgart (1639 – 1650) und abschließend mit der Ernennung zum Prälaten des evangelischen Klosters Bebenhausen bzw. Adelberg.
Durch seine umfassende Tätigkeit verkörpert A. die protestantische Kultur Deutschlands im Übergang von der Renaissance zum Barock. Seine vielgestal­tige Persönlichkeit ist bis heute Thema heftiger Auseinandersetzungen zwi­schen den verschieden orientierten Deutern seines schwierigen Werkes, das alle wichtigen Reformbestrebungen des Protestantismus vor dem Dreißigjährigen Krieg vereinigt.

Seine gesammelten Schriften, die von Wilhelm Schmidt-Biggemann seit 1994 herausgegeben werden und an die 20 Bände um­fassen sollen, enthalten sämtliche Dichtungen, Lehrschriften und philosophischen Werke sowie eine repräsentative Auswahl der Gelegenheitsschriften und Leichenpredigten, die für die Zeit Andreaes charakteristisch sind. Den lateinischen Schriften ist eine deutsche Übersetzung beigegeben. Alle Texte sind durch Einleitung und Sachkommentare erläutert.

Andreaes zentrales Anliegen war die Durchsetzung einer „zweiten“ Reformation, welche die durch Luther vollzoge­ne Reformation der Lehre durch die Reformation des Lebens zu ergänzen und zu vervollständigen sucht. Als scharfer Kritiker der Kirchenpolitik der lutherischen Obrigkeit wie der Glaubenspraxis der lutherischen Kirche erhoffte er allein von der Kirchenzucht die notwendige Durchsetzung der Pietas im kirchli­chen und christlichen Leben. Dabei orientierte er sich besonders an der Zucht, welche die Genfer Kirche repräsentierte. Bei einem Besuch in Genf 1611 war er von den dortigen Sittengerichten so beeindruckt, dass er sich, wie er be­kannte, fortan bemühte, etwas Ähnliches auch in seiner Kirche einzuführen. Den entscheidenden Anstoß zur Durchsetzung der Genfer Erfahrungen empfing er jedoch vom Lüneburgischen Generalsuperintendenten Johann Arndt (1555 – 1621). In dessen Vier Bücher[n] vom wahren Christentum (1606 / 1610), dem bedeutendsten protestantischen Erbauungsbuch des 17. Jhs., sah Andreae die ideale Verbindung von evangelischer Frömmigkeit, und so wurde Arndt zu seinem geistigen Vater. Da das „Wahre Christentum“ besonders von den „schwärmerischen Kreisen“ begeistert aufgenommen wurde, geriet auch Andreae in den Verdacht der Häresie, sodass er sich im Widmungsbrief zu seiner Selbstbiographie zu folgender eindeutiger Erklärung gezwungen sah: „Daher bezeuge ich sowohl in der Stille als öffentlich im Lichte der christlichen Kirche gegen jene lichtscheuen Menschen heilig, dass ich mit den päpstli­chen Pfützen, dem calvinischen hochtrabenden Stolz, den Lästerungen der Photinianer, der Heuchelei der Schwenkfeldianer, der Raserei der Weigelianer, dem Unflat der Wiedertäufer, den Träumereien der Schwärmer, den Ausrechnungen der Vorwitzigen, der Schlüpfrigkeit des Synkretismus, den Greueln des Libertinismus, endlich mit der Eitelkeit und den Täuschungen irgendeines Betrügers keine Gemeinschaft weder habe, noch gehabt habe, noch haben werde.“ (Theophilus, S. 11 / 12)

Hinsichtlich der Rosenkreuzer ist nur der Satz zu vernehmen: „Ich bin sicherer als sicher, dass es die Brüder des Rosenkreuzes nie wirklich, sondern nur als Fiktion gegeben hat.“ (Brecht, S. 31)

W.: Theophilus. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, 2002.

Lit.: Brecht, Martin: J. V. Andreae und Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg; ihr Briefwechsel und ihr Umfeld. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, 2002.

Andreas (griech., „der Mannhafte“), heilig (Fest: 30. November), der Erstberufene der Apostel und Bruder des Petrus (Joh 1, 35 – 42; Mk 1, 16 – 18). Die beiden Brüder stammen aus dem hellenisierten Betsaida-Julias, einem Fischerdorf am Einfluss des Jordans in den See Tiberias. Sie tragen griechische Namen und A. konnte, anders als Petrus, gut griechisch sprechen und so als Vermittler zu hellenistischen Juden und Heiden auftreten. In späteren Berichten erscheint A. als Missionar in Pontos, Bithynien, in Gegenden südlich des Schwarzen Meeres, in den unteren Donauländern mit Thrakien und in Griechenland, wo er nach Überlieferungen aus dem 4. Jh. am 30.11.60 am schrägen Kreuz den Märtyrertod erlitt.

Aus dem 2. Jh. stammen die apokryphen Andreas-Schriften, die nach Eusebius, Historia Ecclesiastica III, 25, 6 zu den „von den Häretikern verbreiteten Büchern“ zu rechnen sind: Dazu gehören: 1. Acta Andreae (Andreasakten), von denen nur geringe Reste erhalten sind, die das Christentum als wahre Philosophie mit gewisser Nähe zur Gnosis betonen, ohne auf den historischen Jesus Bezug zu nehmen. 2. Die getrennt überlieferten Acta Andreae et Matthiae apud anthropophagos, die abenteuerliche Erlebnisse der beiden Apostel schildern. 3. Die Acta Andreae et Bartolomaei (kopt., äthiop.), die wahrscheinlich in Ägypten entstanden sind. 4. Koptisch überliefert sind die Acta Andreae et Philemonis, die die Wiedererweckung eines Neugeborenen beschreiben. 5. Acta Petri et Andreae und 6. Acta Pauli et Andreae.

Die Verehrung des Andreas nimmt in der Ostkirche eine zentrale Stellung ein. Seit 357 befinden sich die Reliquien des A. in der Apostelkirche in Konstantinopel. 1208 wurden die Gebeine nach Amalfi übertragen. Das Haupt kam 1462 nach Rom und wurde 1964 von Paul VI. an Patras zurückgegeben. Teile der angeblichen Andreas-Kreuzreliquie, seit 1250 in der Abtei St. Victor, übergab Herzog Philipp der Gute von Burgund, der 1429 unter dem Patronat des hl. Andreas den Orden vom Goldenen Vlies gestiftet hatte, 1438 der Brüsseler Palastkapelle.

Die > Legenda Aurea (um 1270) gibt eine Reihe von Wundergeschichten wohl nach dem Liber de Miraculis Beati Andreae Apostoli des Gregor von Tours wieder.

Dargestellt wird A. meist mit einem langen Bart und dem Diagonalkreuz (> Andreaskreuz).

A. ist Schutzpatron Russlands, Griechenlands, Schottlands, Siziliens, Bergwerkspatron, Patron der Fischer, Metzger, Seiler; ferner ist er zuständig für Heirat, Kindersegen, Helfer bei Gicht, Krämpfen und Rotlauf.

A. wurde auch Schutzpatron hoher Orden, so des höchsten zaristischen Ordens, begründet von Peter dem Großen, ebenso des schottischen Andreas- oder Distelordens wie auch von Gruppen der „Schottischen Maurerei“, nicht aber der Maurerei Schottlands. > Andreas-Grade, > Andreaskreuz, > Andreasloge, > Andreas-Maurerei, > Andreas-Meister, > Andreasnacht, > Andreasorden, > Andreasreiser, > Andreastag.

Lit.: Acta Andreae cum laudatione contexta et martyrium Andreae Graece: Passio Andreae Latine / A se primum edita ex Analectis Bollandianis repetiit, praefatus est, indices adiecit Max Bonnet. Parisiis: Klincksieck, 1895; Acta apostolorum apocrypha / Post Constantinum Tischendorf denuo ediderunt Ricardus Adelbertus Lipsius et Maximilianus Bonnet. [Photomechan. Nachdr. d. Ausg. von 1891]. Darmstadt: Wiss. Buchges; Bauer, Johannes: Andreas. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1. Freiburg i. Br.: Herder, 31993; Pillinger, Renate: Der Apostel Andreas: ein Heiliger von Ost und West im Bild der frühen Kirche (ikonographisch-ikonologische Studie). Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss., 1994.

Andreas Avellino (*1521 Castronuovo, Provinz Potenza, Italien, † 10.11.1608 Neapel), heilig (22.5.1712, Fest: 10. November), Theatiner. A. wurde Rechtsanwalt. Mit 27 Jahren machte er nach der Teilnahme an Ignatianischen Exerzitien eine Bekehrung durch und wurde zum Anwalt in geistlichen Belangen. Zum Priester geweiht, trat er 1556 in die vom hl. Kajetan gegründete Weltpriestergemeinschaft der Theatiner ein und verpflichtete sich durch ein Gelübde, jeweils das zu tun, was er für das Vollkommenste hielt. A. wurde in der Folge zu einem großen Ordens- und Seelenführer in der Lombardei und in Neapel.
Am 5. August 1678 stürzte der zweieinhalbjährige Scipio Arleo von einem gut 19 Meter hohen Felsen und brach sich das Genick. Die Ärzte erklärten ihn für tot. Die Mutter aber brachte ihn zur Kapelle des inzwischen seliggesprochenen Andreas Avellino, legte ihn dort auf den Altar und bat den Seligen inbrünstig um seine Fürsprache. Auf einmal verschwand der Knochen, der vom Hals herausstand, die Stirn war nicht mehr eingedrückt und der Kleine, der zwischen neun und zehn Stunden tot gewesen war, kam wieder zum Leben. (Schamoni, 64 – 69).

Lit.: Schamoni, Wilhelm: Auferweckungen vom Tode: aus Heiligsprechungsakten übersetzt. Selbstverlag, 1968.

Andreas Corsini (*30.11.1302 Florenz, † 6.1.1373 Fiesole), heilig (22.4.1629, Fest: 6. Januar), Karmelit. Nach seiner Priesterweihe und den Studien in Paris wurde er 1348 Provinzial des Ordens und 1350 Bischof von Fiesole bei Florenz. Er leitete die Diözese mit starker Hand, sorgte sich um die Armen und fungierte als erfolgreicher Vermittler in zahlreichen Konflikten, so auch im Auftrag von Papst Urban V. in Bologna, wo ihn die aufwiegelnden Visconti deshalb sogar hinter Gitter brachten. In der Kirche S. Maria del Carmine in Florenz ruht sein bis heute unverwester Leichnam. > Unverwestheit.

Lit.: Sigismondo di S.Silverio: Vita di s. Andrea Corsini fiorentino, carmelitano, vescovo di Fiesole raccolta da’ processi fatti per la sua canon. Firenze, 1683.

Andreas Hibernon (*1534 Murcia, Spanien, † 18.4.1602 Gandia), selig (22. Mai 1791, Fest: 18. April), Laienbruder der Franziskaner. Am 1. November 1557 trat er in das Noviziat des Konvents von Albacete ein, das zum Reformzweig der Diskalzeaten gehört, der 1555 vom hl. > Petrus von Alcántara in Spanien eingeführt wurde. 1563 wurde A. in den Konvent von Elche und 1574 in jenen von Valencia versetzt. In dieser Zeit schloss er Freundschaft mit dem hl. Johannes von Ribera, dem Erzbischof von Valencia, der ihn des öfteren im Konvent aufsuchte.

Den Dokumenten des Seligsprechungsverfahrens zufolge sprach A. mit einer solchen Ehrfurcht über Menschwerdung, Passion, Tod und Auferstehung Christi, dass sich alle fragten, woher dieser einfache Bruder ein solches Wissen haben konnte. Ständig meditierte er die göttlichen Geheimnisse und führte ein strenges Ordensleben. In seinen fortgeschrittenen Jahren nannten ihn die Mitbrüder den „alten Heiligen“. Eine besondere Verehrung hegte er für den Schutzengel, dem er seine volle Zeiteinteilung anvertraute. Nach Berichten aus dem Seligsprechungsverfahren hatte er auch die Gabe der > Prophetie, der > Bilokation und der > Wunderheilung. Schließlich wurde ihm vier Jahre im Voraus der Tag seines Todes kundgetan. Er starb im Konvent von Gandia am 18. April 1602. An seinem Grab ereigneten sich viele Wunder, weshalb er am 22. Mai 1791 von Papst Pius VI. seliggesprochen wurde. Seine sterblichen Überreste finden sich in der Franziskanerkirche von Murcia.

Lit.: Annales Minorum seu trium Ordinum a S. Francisco institutorum /auctore Luca Waddingo Hiberno. Ed. 3. accuratissima auctior et emend. ad exemplar ed. Josephi Mariae Fonseca ab Ebora. Ad Claras Aquas (Quaracchi) prope Florentiam, 1933.

Andreas Oxner, genannt Anderl von Rinn (16.11.1459 – 12.07.1462), selig (25.12.1752, Fest: 12. Juli, zur Zeit sistiert), Sohn des Simon und der Maria Oxner, ein Bauernbub, soll nach einer Ritualmordlegende am 12. Juli 1462 im Alter von drei Jahren in der Nähe des Dorfes Rinn bei Hall in Tirol (Österreich) angeblich von ortsfremden Juden im Zuge eines Rituals ermordet worden sein. In Tirol, vor allem in Nordtirol, wurde A. sehr bald als Märtyrer hoch verehrt und sein Grab von Wallfahrern besucht. Seine Gebeine wurden erstmals 1475 erhoben und in die Pfarrkirche von Rinn übertragen; Kaiser Max I. begünstigte die Verehrung. Am 25.12.1752 gab Benedikt XIV. für die Diözese Brixen, zu der Rinn damals gehörte, durch die Bulle „Beatus Andreas“ die Erlaubnis zum Kult (beatificatio aequipollens). Auf das bischöfliche Ersuchen um die Heiligsprechung erwiderte der Papst dem damaligen Glaubensanwalt Benedetto Veterani in der erweiterten Apostolischen Konstitution „Beatus Andreas“ vom 22.2.1755, dass die Gründe für eine Heiligsprechung nicht ausreichten.

Die Wallfahrten zu den Reliquien in der Kirche von Judenstein (alter Opfer- oder > Schalenstein?) bei Rinn wurden zum religiösen Brauch. Als die Legende bis 1954 auch in Volksschauspielen Verwendung fand, die auf den Schriften beruhten, welche der Haller Stiftsarzt Dr. Hippolyt Guarinoni 1642 herausgegeben hatte, verbreitete sich die judenfeindliche Interpretation. Die Brüder Grimm veröffentlichten die Geschichte des Anderl 1816 in ihrem ersten Band deutscher Sagen.

Am 1. Januar 1956 strich Bischof Paulus Rusch von Innsbruck den Festtag aus dem kirchlichen Kalender, am 20. Februar 1985 wurde die endgültige Sistierung des Anderl-Kultes angekündigt und im Juli 1985 wurde die Reliquienstatue mit folgender Inschrift in die Seitenwand der Kirche eingefügt:

Hier ruht das unschuldige Kind Anderl, welches der Überlieferung nach im Jahre 1462 von Unbekannten ermordet wurde. Leider wurde sein Tod Jahrhunderte lang als Ritualmord durchreisenden Juden unterstellt. Diese damals häufige und völlig unbewiesene Beschuldigung hat dazu geführt, dass Anderl irrtümlich als Märtyrer des Glaubens angesehen wurde.

Das Kind Anderl ruht hier zwar nicht als Märtyrer der Kirche, aber als mahnende Erinnerung an die vielen Kinder, die bis zum heutigen Tag Opfer der Gewalt und der Missachtung des Lebens wurden. Mit ihnen allen ist das Anderl von Rinn eingezogen in Gottes ewige Freude.“

Das Fest wurde 1989 unter dem Titel „Maria Heimsuchung“ auf den 2. Juli verlegt; am 2. Juli 1994 wurde die Beendigung des Kultes durch Bischof Reinhold Stecher per Dekret angeordnet.

So sehr die Eliminierung der Ritualmordlegende mit der antijüdischen Animosität begründet ist, so ist doch die Entfernung der Reliquienstatue vom Hochaltar und die Umwidmung der Kirche in „Maria Heimsuchung“ als schulmeisterlich zu bezeichnen. Ein Wallfahrtsort lebt von der Konkretheit (Anderl) und nicht von der Allgemeinheit (unschuldige Kinder). Dies umso mehr, als in der neuen Inschrift das Anderl als Glied der unschuldigen Kinder doch heiliggesprochen wird: „Mit ihnen allen ist das Anderl von Rinn eingezogen in Gottes ewige Freude.“ Hätte man nicht das Anderl als Symbol für alle unschuldigen Kinder auf dem Altar belassen können, wenn es doch heilig ist?

Lit.: Judenstein: das Ende einer Legende; Dokumentation. M. e. Geleitwort v. Bischof Dr. Reinhold Stecher. Innsbruck: Redaktion KIRCHE, o. J.; ActaSS Iul. III (1728), 462–470.

Andreas Salos, fiktiver Heiliger, angeblich slawischer Herkunft, der im 5. Jh. in Konstantinopel als sog. „Narr um Christi willen“ gelebt haben soll. Sein Leben wurde von Nikephoros, Priester an der Hagia Sophia, im 10. Jh. beschrieben und enthält neben Lebensbildern aus Byzanz Jenseitsreisen, Fragantworten, eine Apokalypse u.  a.  m. A. war besonders in Russland beliebt, wo er viele Nachahmer (Jurodivye) fand (Gedächtnis: 2. Oktober). Von Nikephoros wird er als Skythe, d. h. als Angehöriger jener nordischen Völker bezeichnet, die über dem byzantinischen Gebiet in Europa oder Asien wohnten. Er diente als Sklave. Da ihm als solchem das ersehnte kontemplative Leben verwehrt war, riet ihm Nikephoros, sich töricht zu stellen. Er befolgte seinen Rat und hatte Erfolg. Sein Herr legte ihn ein Vierteljahr in einer Kirche an die Ketten, dann ließ er ihn frei. Daraufhin ging A. als Tor in den Straßen von Byzanz umher. Misshandelt und verhöhnt, ließ er sich nicht abwendig machen, sondern ertrug alles in Geduld. Er fand dabei seinen inneren Weg und trat in den ekstatischen Zustand ein. Nikephoros sah ihn sogar betend über der Erde schweben und erzählt von weiteren außergewöhnlichen Ereignissen.

Lit.: Cesaretti, Paolo: I santi folli di Bisanzio. Milano: Arnoldo Mondadori, 1990; Görres, Joseph von: Hinter der Welt ist Magie / M. e. Vorw. v. Helmut Werner. München: Diederichs, 1990.

Andreas-Grade. Bezeichnung für den 4. Grad (Andreas-Lehrling-Geselle) und den 5. Grad (Andreas-Meister) der > Freimaurerei. Eine nennenswerte Bezugnahme auf den hl. Andreas ist jedoch im Lehrsystem nicht vorhanden.

Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. Freiburg i. Br.: Bauer, 1970.

Andreasi, Osanna > Osanna Andreasi.

Andreaskreuz (lat. crux decussata), Kreuz aus zwei schräggestellten Balken (X), an dem der Apostel > Andreas den Märtyrertod erlitten haben soll. Ein solches Kreuz war schon früher, etwa bei den Römern, als Weg- und Grenzkreuz im Gebrauch. Im Volksglauben wird es zum Aufspüren von Dieben, als Schutzmittel gegen Blitze und zur Abwendung von Unheil verwendet.

Lit.: Zöckler, Otto: Das Kreuz Christi: religionshistorische und kirchlich-archäologische Untersuchungen; zugleich ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte. Gütersloh: Bertelsmann, 1875; Wierus, Ioannes: De praestigiis demonum. Amsterdam: Bonset, 1967 (dt.: Wier, Johannes: Von Teuffelsgespenst, Zauberern und Gifftbereytern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden, darzu irer Straff, auch von den Bezauberten und wie ihnen zu helffen sey. Unveränd. Nachdr. [der Ausg.] Franckfurt am Mayn, Basseum, 1586. Darmstadt: Bläschke, 1969.

Andreasloge, auch Schottische Loge, mittlere Abteilung der Schwedischen Lehrart, umfasst die > Andreas-Grade. In den skandinavischen Staaten sind dies der 4. bis 6. Grad (4. schottischer Lehrling, 5. schottischer Geselle, 6. schottischer Meister), im Zinnendorfschen System der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (sog. christlicher Ritus) der 4. (Andreas-Lehrling-Geselle) und 5. Grad (> Andreas-Meister). In der A. ist nicht mehr die Rede vom Salomonischen Tempel, sondern vom Bau des zweiten Tempels unter Nehemias auf dem Grundstein des ersten. Die mit dem Aufbau des neuen Tempels beschäftigten Andreas-Maurer sind sich bewusst, dass unter dem ersten Grundstein als vollkommener Kubus Christus als der eigentliche Schlussstein des Tempels zu verstehen ist. Der Apostel > Andreas ist Schutzpatron der A., die am 30. November, dem Todestag des Apostels Andreas, im 4. Grad das Andreas-Fest feiert. Name und grüne Farbe wurden vom > Andreasorden übernommen, der jedoch mit Freimaurerei nichts zu tun hat.

Lit.: Schulz, Werner: Andreaskreuz und Christusorden: Isabella von Portugal u. d. burgund. Kreuzzug. Freiburg, CH: Universitätsverlag, 1976; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Andreas-Maurerei > Andreasloge.

Andreas-Meister > Andreasloge.

Andreasnacht. Weil der Andreastag vor Jahrhunderten einmal das Jahr beendete, ist er auch heute noch Ort für Jahresend- und Jahresanfangsbräuche. An ihm finden scherzhafte Heirats- und Liebesorakel statt, denn die Andreasnacht war Losnacht (Losen = Wahrsage, Vorhersage). Weit verbreitet war das > Apfelorakel: Ein Mädchen schälte einen > Apfel so, dass die Schale ein unzerschnittenes langes Band bildete. Dieses warf sie hinter sich. Ließ sich aus dem Apfelschalenband ein Buchstabe erkennen, so war es der erste Buchstabe im Namen des Zukünftigen. In Sachsen pflegte man das Tremmelziehen: Um Mitternacht musste ein Mädchen schweigend ein Holzscheit aus dem aufgestapelten Holz ziehen. Ein gerades und glattes Scheit kündigte einen jungen, starken Ehemann an, ein Aststück einen alten, krummen. In Böhmen wurde das Lichtlschwimmen praktiziert: Doppelt so viele Walnussschalen als versammelte Mädchen wurden, mit einer kleinen Kerze versehen, in einen großen Wasserbottich gesetzt. Jedes Mädchen hatte so sein eigenes Licht und ein weiteres, dem es im Stillen den Namen des erwünschten Zukünftigen gab. Die Nussschalen, die sich trafen, symbolisierten nach dem Orakel ein zukünftiges Brautpaar. Andernorts stiegen die Mädchen rückwärts mit dem linken Fuß zuerst ins Bett und sagten dabei:

Heiliger Andreas, ich bitt‘,

Dass ich mei Bettstatt betritt,

Dass mir erscheint

Der Herzallerliebste mein,

Wie er geht

Und wie er steht

Und wie er mi zum Traualtar führt.

In Süddeutschland und in Österreich beginnen in der Andreasnacht die Klöpflesnächte, in der die Klöpfelgeher mit Hammer und Besen gegen die bösen Mächte hinausziehen, die im Dunkeln alle Häuser umgeistern. Mit Glocken und Knarren wird gelärmt, Wände und Türen werden abgeklopft, damit alles Böse entfleucht. Natürlich erhalten die Glücksbringer freundliche Gaben.

In älteren Zeiten besuchte an diesem Abend der Belzemärtel oder Pelzmärte (eine Denomination des hl. Martin) die Kinder, belohnte oder bestrafte sie. Dieser Brauch hat sich inzwischen auf den hl. Nikolaus verlagert. Die Kinder im Riesengebirge hängen aber noch am Andreasabend ihre Socken vor das Fenster. Am Morgen sind die „Andreasstrümpfe“ mit Äpfeln, Nüssen und dem Andreaskranz, einem Hefegebäck mit Rosinen, gefüllt. Schenk- und Kaufbräuche haben sich jedoch auch in anderen Gegenden erhalten. In Schweinfurt verschenkte man Andreasbrote an die Armen und auch in Schottland backen die Bäcker am Tag ihres Nationalheiligen Andrew ein Andreasbrot; in der Schweiz und anderswo finden Andreasmärkte statt.

Lit.: Schulrat, D.: Die drei Wünsche in der Andreasnacht: Märchensp. in 1 Akt. Leipzig: O. Teich, 1931; Wacker, Gerhard: Die Andreasnacht: Nach Emil Frommels Erzählung „Wie zwei in einer Nacht kuriert wurden“. Stuttgart: Quell-Verl., 1952; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste: 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 2000.

Andreasorden, Schottischer, auch > Distelorden genannt, dessen Stiftung dem legendären schottischen König Achaius zugeschrieben wird, dem nach blutiger Schlacht ein weißes Balkenkreuz erschienen sein soll. Das Gründungsdatum des Order of the Thistle ist unbekannt. Als der Orden 1687 durch König Jakob II. und nachfolgend 1703 durch Königin Anna wiederbegründet wurde, verwies man darauf, dass er ursprünglich durch Achaius, den König von Schottland, eingesetzt worden sei. Dies wird heute als Legende angesehen. Wahrscheinlicher ist hingegen, dass die Verehrung des hl. Andreas selbst, der anlässlich der Gründung des Ordens zu dessen Patron wurde, auf König Achaius zurückgeht. Nachdem der Orden in Verfall geraten war, erhielt er durch Königin Anna 1703 seine eigentliche Verfassung, die 1723 von Georg I., 1827 von Georg IV. und 1833 von Wilhelm IV. geändert wurde.

Der Orden, welcher außer dem Souverän 16 Mitglieder (Ritter) zählt, hat nur einen Grad und führt die Devise: „Nemo me impune lacessit“ (Niemand reizt mich ungestraft!). Das Ordenszeichen besteht in einem ovalen Medaillon aus Gold, in dessen Mitte sich der hl. Andreas auf grünem Grund, das Kreuz vor sich haltend, innerhalb eines Umkreises befindet, der das Motto und, wo die Worte zusammengehen, eine Distel enthält. Die goldene Ordenskette besteht aus Disteln und Rauten; an ihr hängt der hl. Andreas, von goldenen Strahlen umgeben. Gewöhnlich wird der Orden an grünem Band über die Schulter getragen und daneben ein silberner Stern mit aufliegendem Andreaskreuz, in dessen Mitte sich auf grünem Grund eine Distel, umgeben von einem grünen Band mit der Devise befindet (daher auch Distelorden).

Wiederholt wurde der Versuch unternommen, zwischen dem ritterlichen Orden und der > Freimaurerei Beziehungen herzustellen, so zuletzt von Albert Lantoine: La Franç-Maconnerie Ècossaise en France (1930, S. 13 – 14). Doch nicht der Andreasorden ist als Quelle der Freimaurerei anzusprechen, sondern die schottische Freimaurerei übernahm im 18. Jh. zur Bestätigung ihres schottischen Charakters skrupellos alte schottische Überlieferungen. Auf diesem Weg gelangte der hl. Andreas in die Hochgradüberlieferungen der Freimaurer, ebenso wie Friedrich der Große u. a. m. So ist auch die grüne Farbe als Logenfarbe der schottischen Freimaurerei aus dem A. entlehnt.

Lit.: Lantoine, Albert: La franc-maçonnerie chez elle. 2. éd. revue, corr. et augmentée; réimpr. de l’éd. de Paris, 1927; Lantoine, Albert: Le rite écossais ancien et accepté. Genève u. a.: Slatkine, 1982; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Andreasreiser. Im 15. / 16. Jh. war das Schneiden von Zweigen statt an Barbara am Andreastag üblich (Andreasreiser). Damit verbunden waren Orakelbräuche: Frauen, die im Mittelalter am Andreastag einen Weichselzweig schnitten und ins Wasser stellten, konnten mit dessen Hilfe in der Christnacht angeblich erkennen, wer eine Hexe war. Diese trug dann nämlich ein hölzernes Gefäß auf dem Kopf. Die Zweige müssen am Andreastag zudem noch nach besonderen Regeln geschnitten und zusammengestellt werden. Grüne Lebensruten bringen besonders Glück, wenn man sie am Andreasabend um sechs, neun oder zwölf Uhr schneidet. Am besten ist es, wenn die Andreasreiser von sieben oder neun verschiedenen Bäumen oder Sträuchern stammen: Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Rosskastanie, Holunder, Himbeere, Johannisbeere, Stachelbeere. Die Zweige müssen schweigend und ungesehen geschnitten werden. Drei Zweige werden mit je einem farbigen Band gekennzeichnet. Jede Farbe bezeichnet einen Wunsch. Blüht der betreffende Zweig zu Weihnachten, geht der Wunsch in Erfüllung. Aus der Art des Wetters an Andreas schloss man auf das > Wetter zu Weihnachten: „Wenn es an Andreas schneit, der Schnee hundert Tage liegen bleibt.“

Lit.: Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste: 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen. Freiburg [u. a.]: Herder, 2000.

Andreasson-Luca, Betty, angebliche UFO-Entführte. A. behauptete als eine der Ersten, in der Nacht des 25. Januar 1967 in South Ashburnham, Massachusetts, USA, in Gegenwart ihrer Familie von > Außerirdischen in ein wartendes > UFO geführt und zu deren Planeten in einem „grünen Reich“ geflogen worden zu sein, wo sie andere fremde Wesen, Landschaften und Gebäude wahrnahm. Der Fall erregte damals großes Aufsehen. A. wurde von verschiedenen Fachleuten, darunter Raymond E. Fowler, untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass sie meinte, zu den Planeten der Außerirdischen geflogen worden zu sein. Auch steht außer Zweifel, dass sie bei ihrer Entführung visionäre Erlebnisse hatte, die kaum real gewesen sein können.

Lit.: Fowler, Raymond E.: Der Fall Andreasson: Dokumentation über die Entführung einer Frau an Bord eines UFOs. Weilersbach: Reichel, 1995.

Andreastag. Der A., 30. November, steht am Beginn eines Kirchenjahres, das mit dem 1. Advent einsetzt. An diesem Tag sollte so mancher Brauch einen Blick in die Zukunft gewähren. So haben viele heute übliche Neujahrsbräuche ihren Ursprung in diesem Feiertag, z. B. Wettervorhersagen und Liebesorakel. Gebräuchlich waren zudem das Schuhwerfen, Baum- oder Zaunrütteln, Lichtelsetzen, Scheiteziehen oder das Legen von Buchstabenzetteln.
Mancherorts war A. Schlachttermin. In den Vereinigten Staaten begeht man noch heute diesen Tag in diesem Sinne. Es gibt Rindergulasch oder Brunswick Stew.

Am A. wurde 1736 die Großloge von Schottland gegründet, die seither ihr Jahresfest an diesem Tag begeht. Ebenso wird der Tag in all jenen Systemen festlich begangen, die in ihrem Aufbau auch zur Person des Apostels Andreas Bezug haben, so in den Großlogen von Schweden, Dänemark, Norwegen und der Großen Landesloge von Deutschland.

Lit.: Wicelius, Georgius: Das ander Teil Postillen, der Epistel und Evangelien von den Heiligen Gottes, nemlich vom Feste der Hymelfart Christi Jesu an, bis auff Sanct Andreetag. Mentz: Behem, 1543; Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste: 3000 Stichwörter mit Infos, Tipps und Hintergründen. Freiburg [u. a.]: Herder, 2000; Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Andresslen, Losbrauch, mit dem heiratslustige Mädchen vor allem am Andreastag, dem 30. November, erfahren wollten, wen sie heiraten würden. Nach der am häufigsten beschriebenen Praktik muss ein Mädchen nackt mit einem Besen rückwärts gehend die Stube auskehren. Dann soll ihr der Zukünftige erscheinen. Neben der erotischen Komponente ist Nacktheit ebenso wie die Umkehrung eine wichtige Bedingung bei vielen Zauberhandlungen.

Solche Losbräuche konnten von den Obrigkeiten auch mit Verboten bedacht werden. So weist das Landgebot Herzog Maximilians I., das bis ins 18. Jh. Gültigkeit hatte, auf die „an S. Andreas, S. Thomas und der hl. Christnacht oder andern dergl. Nächten schädliche Superstitiones“ (nach Ruff, 50) hin. Noch im Patent Maria Theresias von 1766 wird gefordert, dass das in sog. „Looß-Nächten übliche Lösseln“ zwar nicht landgerichtlich, aber von jeder Ortsobrigkeit abgestraft werden sollte (VLA Patente, Sch. 2).

Lit.: Vorarlberger Landesarchiv (VLA) Patente, Sch. 2; Schmidt, Johann G: Die gestriegelte Rocken-Philosophie. Nachdr. d. Ausg. Chemnitz, Stösseln, 1718 – 1722 / hrsg. v. Hans-Joachim Poeckern. Weinheim u. a.: Acta Humaniora, VCH, 1988; Ruff, Margarethe: Zauberpraktiken als Lebenshilfe: Magie im Alltag vom Mittelalter bis heute. Frankfurt a. M.: Campus, 2003, S. 49 – 53.

Andrews, Mary, eines der frühesten Materialisationsmedien. Sie war eine völlig ungebildete Frau aus Moravia, in der Nähe von Auburn, New York, USA. Ihre Séancen wurden im Haus eines Farmers namens Keeler abgehalten, und zwar sowohl bei Dunkelheit als auch bei Licht (> Kabinett). Dabei geschah eine Reihe außergewöhnlicher Ereignisse, wie materialisierte Hände, > Leuchtphänomene, > Direkte Stimme, Wasserapporte, Erklingen eines Klaviers und Kundgaben von Verstorbenen. Die Sitzungen begannen 1871, und Frau Andrews war fast jeden Tag zugegen, ohne in Trance zu fallen. Oft verbreitete sich ein feiner Duft, ohne dass man seine Herkunft eruieren konnte. Heute beurteilt man derlei Séancen mit Zurückhaltung, weil vielfach Manipulationen festgestellt wurden. > Materialisation.

Lit.: Crowell, Eugene: The Identity of Primitive Christianity and Modern Spiritualism. New York: G. W. Carleton & Co. [etc.], 1874 – 75; Sargent, Epes: The Proof Palpable of Immortality: Being an Account of the Materialization Phenomena of Modern Spiritualism. Boston: Colby and Rich, 1881; Truesdell, John W. [from old catalogue]: The Bottom Facts Concerning the Science of Spiritualism. New York: G. W. Carleton & Co., 1883.

Andriani, Rosa Maria (1786 – 1848), spanische Franziskaner-Terziarin, Stigmatisierte. Rosa hatte bereits während einer schweren Pockenerkrankung im Alter von fünf Jahren das Verlangen, die Wundmale zu tragen. Allmählich traten zu kirchlichen Festtagen Schmerzen auf. In der Nacht des 8. Juni 1820 durchbohrten nach einem Bericht fünf feurige Strahlen ihre Hände, Füße und Seite und brachten die schon vorhandenen Stigmen zum Bluten. Der Beichtvater fand bei der Untersuchung der Stigmen am folgenden Tag, dass sie „durch und durch“ gingen und helles Blut absonderten. Die Wunden an den Füßen schienen ihm bedeutender zu sein, weil außer den Wundöffnungen der ganze Fußrücken von violetter Färbung war. Die Seitenwunde verursachte große Schmerzen, welche Rosa bis in die Schultern spürte. Außerdem tropfte Blut aus den inneren Augenwinkeln. Jedes Jahr hatte sie am 15. Oktober, am Fest der hl. Theresia von Avila, eine > Ekstase, in der ihr ein Engel erschien, der ihr angeblich das Herz durchbohrte; danach erbrach sie stets. Die Stigmen blieben trotz der Bitte um Wegnahme bis zu ihrem Tod im Jahre 1848.

Lit.: Imbert-Gourbeyre: Les Stigmatisées. Paris, 1887; Imbert-Gourbeyre, Antoine: La stigmatisation, l’extase divine et les miracles de Lourdes (1894) réponse aux libre-penseurs. Clermond Ferrand: Librairie Catholique L. Bellet, 1894.

Andrianowa, Eudikia. Am 13.2.1914 vernahm E. A. in Potschinki, Russland, eine innere Stimme, die ihr mitteilte, wo in Kolomenskoje bei Moskau eine schwarze Muttergottes-Ikone verborgen sei. Geleitet von dieser Stimme, fand sie tatsächlich die Ikone.

Lit.: Ernst Robert: Lexikon der Marienerscheinungen. Walhorn (Belgien): Edition Markus Verlag, 1984.

Androdamas. Nach altem Glauben ein magischer Stein, der im Sand am Roten Meer gefunden wurde. Er besitzt angeblich die Kraft, den Zorn zu bändigen, den Wahnsinn zu mildern und die Schwerkraft des Körpers zu verringern.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984, 1. Bd.

Androgyn (griech. anér , Mann; gyné, Frau; Mannweib). Der Gedanke der Einheit von männlich und weiblich in Form eines mannweiblichen Doppelwesens entspringt einer frühen Stufe des mythischen Denkens und findet sich in allen Kulturen. Der Ursprung dieses Denkens ist unbekannt, dürfte jedoch in der Idee des Urmenschen als Doppelmensch zu finden sein. Es geht dabei um die Suche nach der ursprünglichen Einheit der beiden später einander suchenden Gegenpole, etwa in Form des Urriesen > Ymir (germanisch), des > Purusha (indisch), des > Gayomard (pers.); oder man denke an den orphischen Urgott > Phánes, an die Urwesen in der Euryximachos-Rede (Platons Symposion), an die hermaphroditische Statue in der Dandamis-Erzählung des Bardesanes.

Eines der ältesten Zeugnisse ist die von Aristophanes erzählte Geschichte in Platons Gastmahl, nämlich dass es früher neben Mann und Frau noch ein Drittes gab, von dem jetzt nur noch der Namen übrig sei. „Denn Mannweib war damals nicht bloß ein Namen, aus beidem, Mann und Weib, zusammengesetzt, sondern ein wirkliches ebenso gestaltetes Geschlecht.“ (Das Gastmahl 189 C – 190 B)

In der > Alchemie oft irreführend als Hermaphrodit bezeichnet, dient der A. einerseits als Symbolbild für die > Materia prima, andererseits auch für den > Stein der Weisen, der die polaren Gegensätze auflöst (coincidentia oppositorum). Über die verschiedenen Systeme von > Gnosis, > Kabbala und > Astrologie drang der Gedanke, dass jede Schöpfung gewissermaßen eine Zeugung sei und daher eines männlichen und eines weiblichen Elements bedürfe, die anfänglich untrennbar verbunden waren und am Ende wieder ineinander aufgehen, in die Bilderwelt der Alchemie, der Esoterik und der Astrologie ein und findet heute im Rückgriff auf diese Bilderwelt zur Ausgestaltung des Wassermannzeitalters eine neue Blüte. Der A. wird durch die Aufhebung der Gegensätze und der Bündelung der Energie zum Symbol des ewigen Jungbrunnens als Flucht vor Zeitlichkeit und Endlichkeit.

Lit.: Androgyn: „Jeder Mensch in sich ein Paar!?“ Androgynie als Ideal geschlechtlicher Identität / hg. von Hartmut Meesmann und Bernhard Sill. Dr. nach Typoskript. Weinheim: Dt. Studien-Verl., 1994; Eliade, Mircea: Mephistopheles und der Androgyn. Aus dem Franz. von Ferdinand Leopold. Frankfurt / M.; Leipzig: Insel-Verl., 1999; Fend, Mechthild: Grenzen der Männlichkeit: der Androgyn in der französischen Kunst und Kunsttheorie 1750 – 1830. Berlin: Reimer, 2003.

Androide (griech.), ein Automat in Menschengestalt. In der Magie ein künstlich geschaffenes menschliches Wesen, das zu gewissen menschlichen Lebensäußerungen fähig ist. So wird > Albertus Magnus, Roger > Bacon, > Faust u. a. nachgesagt, dass sie ein solches Wesen geschaffen hätten. Auch die Gestalt des > Golem, der in der jüdischen Mythologie und Legende vorkommt, sowie der > Homunkulus der Alchemisten ist ein A. Als A. können neuerdings auch Roboter und „geklonte Menschen“ bezeichnet werden.

Lit.: Völker, Klaus (Hg.): Künstliche Menschen: Dichtungen und Dokumente über Golems, Homunculi, lebende Statuen und Androiden. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1994; Becker, Karin: Die Zukunft der Menschheit im Zeitalter der Androiden. Egelsbach; Frankfurt / M.; München; New York: Fouqué-Literaturverl., 2002; Kegler, Karl R. / Kerner, Max (Hg.): Der künstliche Mensch: Körper und Intelligenz im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 2002.

Androklus und der Löwe, seit dem 2. Jh. v. Chr. belegte Fabel vom Löwen, dem ein entflohener Sklave einen Splitter aus der Tatze zog. Als der Sklave wieder eingefangen und in Rom den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen wurde, begrüßte ihn der inzwischen ebenfalls gefangene Löwe sehr freundschaftlich, woraufhin der gerührte römische Kaiser den Sklaven freiließ.

Lit.: Shaw, Bernard: Androklus und der Löwe: ein altes Märchen / erneuert von Bernard Shaw u. übers. von Harald Mueller. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1971; Fühmann, Franz: Androklus und der Löwe. Ill. von Karl-Georg Hirsch. Berlin: Kinderbuch-Verlag, 1999.

Andromache (griech.), in der griechischen Mythologie Tochter des Eetion, König von Thebe in der Troas, Gemahlin > Hektors und Mutter des Astyanax. Als Hektor im Troianischen Krieg fiel, wurde sie zur Sklavin des > Neoptolemos, während man ihren Sohn tötete, um die männliche Nachkommenschaft des troianischen Herrscherhauses auszurotten. Nach der Ermordung des Neoptolemos, dessen Gattin Hermione A. stets mit Eifersucht quälte, heiratete sie den > Helenos. Ihr Schicksal hat Euripides beschrieben.

Lit.: Euripides: Andromacha. Ed. Antonius Garzya. Leipzig: Teubner, BSB, 1978.

Andromeda (griech.). 1. In der griechischen Mythologie Tochter des Kepheus und der Kassiopeia, die wegen eines Frevels ihrer Mutter an der äthiopischen Küste, an einen Felsen geschmiedet, einem Seeungeheuer geopfert werden sollte, doch > Perseus befreite und heiratete sie. Nach ihrem Tod wurde A. zu einem Sternbild.

2. Sternbild am Nordhimmel, in dem bei optimalen Sichtbedingungen auch mit bloßem Auge unsere Nachbargalaxie, der Andromeda-Nebel, als verwaschener Fleck auszumachen ist.

3. Moorpflanze, zu den Ericazeen gehörend.

4. Neulateinisches Schuldrama von Caspar Brülow, das 1613 in Straßburg uraufgeführt wurde.

Lit.: Brülovius, Casparus: Andromeda. Ein schöne und Lehrhaffte Tragoedia fürnamlich auß dem Poeten Ovidio genommen: darinn vorgebildet / wie aller Frevel / Gottlosigkeit und Hoffart gestraffet wird / Erst namlich in Lateinischer Sprach gedichtet von den Ehrenhafften und Wolgelehrten … M. Casparo Brulovio … ungefahr in unser Muttersprach versetzt durch M. Isaac Fröreisen von Straßburg. Straßburg, 1612; Fricke, Walter: Die Intensitäts- und Farbverteilung im Andromeda-Nebel. Hamburg-Bergedorf, 1954.

Andvaranaut, Ring des nordischen > Andvari, der zuletzt als Teil des Nibelungenhortes an Sigurd kam und Brunhild geschenkt wurde. Das Motiv stellt eine sich neunfach wiederholende Doppelspirale dar. Die Neunzahl entstammt der nordischen Sagentradition und beschreibt die geheimnisvolle Kraft dieses mythischen Ringes zur Selbstvermehrung.
Aus diesem Grund gilt der > Nibelungenring auch als Quelle des (gleich einem > Füllhorn) unerschöpflichen Nibelungenschatzes. Wer den Ring besitzt, der besitzt die Macht, und deshalb gab dieses Kleinod auch immer wieder Anlass zum Streit zwischen Göttern und Zwergen, Riesen, Drachen und Königen und, nicht zu vergessen, zwischen den Königinnen.

Lit.: Wagner, Richard: Richard Wagners Nibelungenring: Die Dichtungen durchges., mit d. ursprüngl. Fassungen verglichen, mit e. Vorr., e. Einführung „Über Wesen und Inhalt der Nibelungendramen“; [Textbuch] / hg. von Edmund E. F. Kühn. Berlin: Globus Verl., 1914.

Andvari, auch > Alberich genannt, in der nordischen Mythologie ein fischartiger Zwerg, der im Wasserfall als Hecht lebte und eifersüchtig den Zauberring Draupnir („Träufler“), > Andvaranaut, sowie andere Kleinodien der Götter bewachte. Der listenreiche nordische Gott > Loki fing ihn mit dem von ihm erfundenen Fischnetz und ließ ihn gegen die Übergabe seines Goldschatzes und des zaubermächtigen Goldringes wieder frei. Der gekränkte Zwerg belegte den Ring mit einem Fluch, der dann zur Ursache für fürchterliche Verwicklungen als Teil der > Völsunga saga wurde. Über > Fafnir und den Helden Sigurd wurde der Ring später Teil des > Nibelungenhortes.

Lit.: Beneke, Arnold: Siegfried und Alberich: Neue Tatsachen zur Geschichte d. Frühzeit. Die Römer als Zwerge d. dt. Sage; Der urkundl. Beweis v. J. 1612. Wingeshausen, Post Aue, Westfalen: Selbstverl., 1937.

Aneignungszauber, Zufuhr magischer Kraft an den Ausübenden einer Zauberhandlung durch Berührung und Einverleibung (Essen), im Gegensatz zur > apotropäischen Handlung, zum Apotropaion oder > Abwehrzauber.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern; München: Scherz, 1976.

Anekdote (griech.), gehört neben Mythos, Märchen, Sage, Legende und Novelle zur Gattung der poetischen Erzählung; die A. ist auch die übliche Berichtform für ältere paranormologische Fälle. Es handelt sich dabei meist um eine kurze in sich geschlossene Erzählung, in deren Mittelpunkt eine bestimmte bedeutende Gestalt oder ein außergewöhnliches Ereignis stehen. Dabei ist wichtig, dass die Hauptperson bzw. das Hauptereignis, die nicht historisch zu sein brauchen, plastisch beschrieben werden. So unterbrach z. B. die griechische Philosophin Sosipatra einen Vortrag, um den Unfall eines Verwandten, der sich zur gleichen Zeit an einem anderen Ort zutrug, zu schildern. Augustinus berichtet, einer seiner Schüler habe dem karthagischen Wahrsager Albiverius die Aufgabe gestellt, wiederzugeben, woran er (der Schüler) gerade denke; richtig zitierte der Sensitive einen Vers des Virgil.

Konkrete Einzelheiten werden nicht aus Interesse an den konkreten Umständen genannt, sondern aus Freude am Erzählen und zur Weckung erhöhter Aufmerksamkeit bei gleichzeitigem Empfinden des eigenen Herausragens durch die besondere Mitteilung, ohne damit für den Inhalt verantwortlich zu zeichnen, da es eben nur eine Anekdote ist.

Lit.: Thouless, Robert Henry: From anecdote to experiment in psychical research. London: Routledge and K. Paul, 1972; Cum grano salis = Witz und Wahrheit in der Anekdote / bearb. von Maria Ausserhofer und Martina Adami. Bamberg: Buchner, 1998.

Anemone (Anemone spp.), Gruppe von Hahnenfußgewächsen, zu der u. a. der Teufelsbart (Anemone alpina L.), das Leberblümchen (Anemone Hepatica L.), das Buschwindröschen (Anemone nemorosa L.) und die in der > Homöopathie angewandte Echte Kuhschelle (Anemone Pulsatilla L.) gehören. Der Name der A. ist griechisch und bedeutet „Wind“. Antiken Schriftstellern zufolge entspross die Anemone dem Blut des > Adonis oder auch den Tränen der > Aphrodite (Paulys Real-Encyclopädie, Bd. 1, 392). In den Namen und Beinamen der A. klingt bereits die Bedeutung der verschiedenen A.n im Volksglauben an. Der Teufelsbart wird ferner als Hexenbesen, Hutzlmannlen oder Grawes Bergmännle bezeichnet, und das giftige Buschwindröschen heißt nicht nur Giftblum, Sterbglöckl oder Totenblume, sondern auch Hexenblum: „Weil dem Weidevieh Entzündung der Gedärme verursachend“ (Jedlitschka, 9, 139) oder auch: “Um die Hexen von dem Stall zu bannen” (Frankenwarte, Würzburg 1928, nr. 14). Die drei ersten Buschwindröschen soll man nach deutschem und dänischem Volksglauben im Frühling verschlucken, um kein Fieber zu bekommen (Marzell, 289).

Als Heilpflanze spielte das Windröschen eine Rolle im Kampf gegen die Gicht – man nannte sie auch Gichtblome –, während die ebenfalls giftige Kuhschelle, manchmal auch als Troll bezeichnet, mit ihrem weiteren Namen Bitzwurtz ihre Hilfe gegen den Biss giftiger Tiere anbot. Alle haarigen Fruchtstände der genannten A.n-Arten werden volkstümlich auch als Des wilden Mans Kraut, Bergmännchen oder Grantiga Jaga genannt.

Lit.: Paulys Real-Encyclopädie. Hg. v. G. Wissowa u. a. Stuttgart 1894 ff., Bd. 1, 1894; Jedlischka, Heinr.: Volkstümliche Pflanzennamen, Pflanzenaberglauben und Volksheilpflanzen im Wagbachtalkreise (Schlesien). In: Das Kuhländchen. Neu-Titschein 9 (1927), 65 –73. 100 –110. 122 –125, 136 –142. 159 –161. 171 –174. 190 –195. 10 (1928), 8 –12, 28 f. 41– 46; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 1. Leipzig: Hirzel, 1943; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986.

Anenergie (griech.), auch Anergie, psychisch bedingter Mangel an Aktivität bis zur Unterdrückung von Willensregungen, wie gelegentlich bei Bezugspersonen im personengebundenen > Spuk oder bei Angstreaktionen und Depressionen: immunologisch das Nichtreagieren auf ein Antigen (Allergen): negative A. (Anallergie) bei herabgesetzter Widerstandkraft (z. B. Masern), positive A. infolge erworbener Immunität oder natürlicher Resistenz.

Lit.: Schubart, Ulrich: Tierexperimentelle Untersuchungen zur Anergie bei Masern. Berlin, F. U., Med. F., 1968.

Anerkennung (von lat. agnoscere, anerkennen), bezeichnet seit dem 19. Jh. sowohl den Akt als auch den Inhalt einer Einstellung oder Haltung im Sinne von Respektierung, Tolerierung, lobender Bestätigung. Juridisch bedeutet A. die offizielle Bestätigung.

In der > Freimaurerei bedeutet A. die Übereinstimmung in freimaurerischen Grundsätzen und in der Arbeitsweise. Dies bringen Großlogen dadurch zum Ausdruck, dass sie miteinander in ein Anerkennungsverhältnis treten, was die Freigabe des ge­genseitigen Logenverkehrs und zumeist auch den Austausch von Freundschaftsbürgen mit sich bringt. Angesichts der Uneinheitlichkeit der Anschauungen der einzelnen Großlogen gelten neuerdings vielfach als Norm die Grundlagen, die 1928 / 29 von der Großloge von England als Voraus­setzung der A. veröffentlicht wurden und folgende acht Punkte umfassen: 1. Regularität der Abstammung, 2. Bekenntnis zum > Allmächtigen Baumeister aller Welten (seit 1989 nur mehr auf ein höchstes Wesen bezogen), 3. Verpflichtung auf das Heilige Buch („Volume of the Sacred Law“), 4. Zusammensetzung der Mitgliedschaft ausschließlich aus Männern, 5. Alleinige Jurisdiktion der Großloge über die ihr unterstehenden Logen, 6. Auflegen der drei Großen Lichter der Freimaurerei (Heiliges Buch, Zirkel und Winkelmaß), 7. Verbot von Diskussionen über Religion und Politik in den Logen, 8. Anerkennung der alten Landmarken.

Diese Anerkennungsform soll zugleich eine Diskreditierung jener Logen sein, die nicht der englischen Großloge angehören. Dies führt zur Anerkennung von Logen untereinander, die nicht die A. der englischen Großloge haben. Nach dem jeweiligen Vereinsrecht sind jedoch alle Logen gleich.

Lit.: Wörterbuch der philosophischen Begriffe: begründet von Friedrich Kirchner und Carl Michaelis, fortgesetzt von Johannes Hoffmeister, vollständig neu hg. von Arnim Regenbogen u. Uwe Meyer. Darmstadt: Wissensch. Buchges., (1998); Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Anezti (Anedjti), Gott des 9. unterägyptischen Gaus, von dem > Osiris wahrscheinlich Krummstab und Geißel als Herrscherzeichen übernommen hat.

Lit. Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

Anfang (lat. incipere, anfangen), ursprünglich „an etwas fassen, greifen“ (lat. capere), also angreifen, anpacken. Im biblischen Denken ist A. der Beginn der Schöpfung (Gen 1, 1) und Christus schlechthin (Joh 1, 1; Offb 22, 13). Im vorgriechischen mythischen Denken wird die Bedeutung des Ursprungs der Welt mit A. verbunden, im vorsokratischen Denken mit der Frage des Urstoffes, im späteren griechischen Denken stehen für A. die beiden Begriffe arché (lat. principium) und aitía (lat. causa, Ursache).

Paranormologisch hat A. durch die mit ihm verbundene Unsicherheit und Hoffnung eine besondere Bedeutung und wird daher gerne mit einem eigenen Zauber verbunden, dem Anfangszauber. Durch besondere Vorsicht und Berücksichtigung der magischen Zusammenhänge sucht man den A. einer Handlung oder eines Unternehmens in die richtige Bahn zu leiten, positive Kräfte zu verstärken und negative abzuwenden. Bei Verneinung eines A.s sucht man diesen durch negative Kräfte zu unterbinden.

Man wählt Tage von allgemein günstigem Einfluss aus und vermeidet ungünstige. Eine solche Wahl gab es schon im alten Babylonien und in Ägypten. Die einzelnen Tage der Woche standen nach altem Kalenderglauben in Zusammenhang mit gewissen planetarischen Ereignissen. Da jeder Planet einem besonderen Gott zugeordnet wurde, suchte man Geschäfte an einem Tag zu besorgen, dem eben der betreffende Gott vorstand, wie auch jene zu unterlassen, die ihm zuwider waren.

Neben dem Wochentag spielen für den Anfang auch der Mond und der Gestirnestand eine Rolle. Heiraten soll man bei zunehmendem Mond, der für allen Beginn steht. Nichts Neues soll man am Unschuldigen Kindertag anfangen. Am Donnerstag (Hexentag), soll man nichts Wichtiges tun, vor allem keine Ehe beginnen. Ein Werk soll man am Montag, am kürzesten Tag oder zu Neujahr beginnen. Nach anderen Überlieferungen soll man hingegen am Montag nichts anfangen, wie überhaupt die Wahl der Tage unterschiedlich ist und im mittelalterlichen Christentum daher bekämpft wurde (Eligius).
Heute noch ruft man zu Beginn einer Fahrt oder einer besonderen Arbeit den Schutz von Engeln, Heiligen oder von Gott selbst an und zuweilen greift man zu magischen Riten.

Schließlich ist noch die Beobachtung besonderer Zeichen zu vermerken, die zu Beginn des A.s beachtet und gedeutet werden. Fängt ein Unternehmen schlecht an, ist dies eine Warnung. Allerdings soll man sich eines guten Anfangs nicht allzu sehr rühmen: „Den Vogel, der früh singt, frisst abends die Katz.“ Man bemüht sich daher durch Befragungen von Wahrsagern und Hellsehern sowie durch magische Handlungen wie > Bleigießen, > Kartenlegen, > Würfeln u. dgl. die Zukunft zu erforschen.

Lit.: Eligius, Gerardus: Virgae Ludovico Schlaaffio Baudei gnomis facem praelucenti … transmissae. Palaeopoli Advaticorum: Verheyden, 1608; Jeremias, Alfred: Handbuch der altorientalischen Geisteskultur. Berlin: W. de Gruyter & Co., 1929; Simrock, Karl: Handbuch der Deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen Nachdr. d. Ausg. Bonn 1874. Genève: Slatkine Reprints, 1979; Wolf, Kurt W.: Blick in die Zukunft: Kartenlegen, Würfeln, Bleigießen, Pendeln; was Hand u. Gesicht sagen. Bergisch Gladbach: Lübbe, 1986; Löscher, Friedrich Hermann: Erzählungen und Volksstücke aus dem Erzgebirge: Bleigießen am Adreas-, Weihnachts- und Sylvesterabend. [Hg. von Erika Löscher]. Friedrichsthal: Altis-Verl., 2002.

Anfechtung (lat. tentatio, Versuchung), ist das von außen oder innen kommende Infragestellen der persönlichen Lebenshaltung zur Entfaltung der Einheit mit Gott. Diese Störung kann durch die eigene körperliche, psychische und geistige Unausgeglichenheit, durch Einflüsse aus Umwelt und Umgebung, aber auch durch dämonische Einflüsse und göttliche Prüfungen erfolgen. Urbilder solcher A.en sind die Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4, 1) und am Ölberg (Mt 26, 41) sowie des Wüstenvaters Antonius. Im Bereich der > Mystik bilden A.en die steten Bewährungsproben persönlicher Reifung in der Nachfolge Christi. Nur wer hier standhält und notfalls die > dunkle Nacht des Geistes bewältigt, kann das Ziel erreichen. > Versuchung.

Lit.: Unter der Kanzel von Ars: Aussprüche des hl. Johannes M. Vianney; nach Monnin: Geist des Pfarrers von Ars / Ausgewählt u. hg. v. Walter Christoph Koch. Freiburg, CH: Kanisiuswerk, 31948; Görres, Joseph von: Die christliche Mystik. Unveränd. Abdruck der im Verlag G. J. Manz, München – Regensburg, erschienenen Neuaufl. in 5 Bänden. Graz: ADEVA, 1960; Klötzli, Wilfried: Dienst unter Druck: Anfechtung u. Christusgegenwart im Leben d. Apostels Paulus. Zürich; Frankfurt a. M.: Gotthelf-Verl., 1967.

Anfiel (hebr., „Zweig Gottes“) ist der Name eines Engels, der die göttlichen Siegel bewacht und die Schlüssel zu den himmlischen Hallen hat. Von Gott erhielt er den Auftrag > Metatron mit 60 Hieben zu schlagen. Er trug > Henoch in den Himmel. Von den Elementen ist ihm das Wasser zugeordnet.

Lit.: Marc-Roberts-Team: Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens. Graz: Verlag f. Sammler, 2004.

Anfortas, Gralskönig im > Parzival.

Lit.: Alker, Hugo: Parzival und Anfortas: die Schicksalsfrage und ihre existenzphilosophische Deutung. Wien: Selbstverl. d. Verf., 1953.

Angang, aneganc, widerganc, ein durch das ganze Mittelalter hindurch tief verwurzelter und bis heute noch nicht völlig erloschener Aberglaube, demzufolge Tier, Mensch oder Gegenstände, von denen man frühmorgens beim ersten Ausgang „angegangen“ wird, Heil oder Unheil bringen sollen. So gelten im Volksglauben Begegnungen mit Schornsteinfegern und Jägern als günstig, eine alte Frau, ein Fuchs und eine schwarze Katze hingegen als ungünstig. Auch Ort und Zeit sind von Bedeutung, z. B. Wegkreuzung, Friedhof, Mitternacht. Schutz und Abwehr gegen bösen A. sind: ausspucken, sich bekreuzigen oder sofortiges Wegschauen.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern; München: Scherz, 1976; Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie. Coburg: Schütz-Verl., 2001.

Angehenke, heilkräftige Mittel, die angehängt, angebunden oder angeknüpft werden, wie etwa Heilsteine und Amulette.

Lit.: Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Berlin: W. de Gruyter, 1987.

Angekok, Schamane der Eskimos, der die Fähigkeit besitzt, mit Geistern zu kommunizieren bzw. die Geister der Toten zu beschwören. Die Eskimos glauben, dass jeder Unglücksfall auf See von den Geistern ihrer Vorfahren verursacht wird, und bringen ihnen daher Opfer dar.

Lit.: Hainings, Peter: Das große Gespensterlexikon: Geister, Medien und Autoren. Bindlach: Lizenzausg. f. Gondrom Vlg. GmbH, 1996.

Angela della Pace (1610 – 1662), Domenikaner-Terziarin. Im neunten Lebensjahr ging A. mit einer ihrer Freundinnen in die Kirche und kniete sich allein in der Kapelle des hl. Franziskus zum Beten hin. Sie sah die Wundmale des Heiligen und fing in ihrer Kindeseinfalt an, mit ihm zu sprechen. Da kam eine Gestalt auf sie zu und prägte ihr die Male ein. Sie fiel vor Schmerzen, von Licht umgeben, zu Boden. So verharrte sie, bis abends die Freundin vorbeikam. Als Angela nicht reagierte, rief sie Leute herbei, die sie in das Elternhaus brachten. Die Ärzte stellten an Händen und Füßen sowie an der Seite blutende Wunden fest. Sie verabreichten ihr Mittel, um sie wieder zu sich zu bringen, doch vergebens. Sie blieb 8 Tage in diesem Zustand. Als sie erwachte, sagte sie, dass die Ärzte ihr nicht helfen könnten. Zwei Jahre blieb sie noch im Bett und wurde dann plötzlich wieder gesund. Mit 12 Jahren trat Angela in ein Kloster ein, verließ dieses aber nach kurzer Zeit wieder und wurde mit 25 Jahren in ein anderes Kloster aufgenommen.

Nach einiger Zeit sah sie in einer Vision, wie der Herr ihr die Leidenswerkzeuge ins Herz legte, woraufhin sie neuerlich wie tot zu Boden fiel und anschließend mehrere Tage mit starken Schmerzen an den Stigmenstellen bewegungslos darniederlag. 1634 erlebte sie die Durchbohrung des Herzens, gefolgt von einer dreitägigen Ohnmacht. Von da an hatte sie eine Wunde an der Seite, die stark blutete und viele Jahre bestand, sich dann für drei Jahre schloss, erneut aufbrach und an Freitagen wie Festtagen ein wenig blutete. Auf Befehl des Beichtvaters schloss sich die Wunde, doch blieb eine Narbe bis zu ihrem präzise vorhergesagten Todestag, dem 21. Oktober 1662.

Lit.: Marchese, Domenico Maria: Sagro diario domenicano… Napoli: G. Fasulo, 1668 – 1681; Görres, Joseph von: Die christliche Mystik. Unveränd. Abdruck der im Verlag G. J. Manz, München / Regensburg, erschienenen Neuauflage. 2. Bd. Graz: ADEVA, 1960.

Angela von Foligno (1248 / 49 – 4.1.1309), selig (1693, Fest: 4. Januar), Mystikerin. 1248 / 49 (das genaue Datum ist nicht bekannt) in Foligno geboren, war sie zunächst eher weltlichen Dingen zugeneigt, bis sie um 1285 bei der Beichte im Dom zu Foligno ihre Bekehrung erlebte. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Kinder führte sie mit einer gewissen Masazuola ein asketisch-karitatives Leben. Bei einer Wallfahrt nach Assisi brach A. beim Ausgang aus der oberen Basilika in Verzückungsrufe aus, die ihr Berater, ein Verwandter, der Franziskaner Arnaldo, hörte. Nach Foligno zurückgekehrt, befahl er ihr, die Geheimnisse kundzutun. So entstand das von Arnaldo in lateinischer Sprache niedergeschriebene Memoriale, ein schematischer Abriss von A.s religiöser Entwicklung bis 1297 in 26 Schritten. Ein Jahr später folgten die Instructiones, eine Sammlung von 36 Texten meist lehrhaften Charakters. Beide zusammen bilden Il libro della beata Angela da Folingo (dt.: „Gesichte und Tröstungen“).

1291 trat A. dem Dritten Orden des hl. Franziskus bei. Später versammelte sie einen Kreis von Schülern um sich, u. a. > Umbertino von Casale. A. starb am 4. Januar 1309 in Assisi im Kreis ihrer geistlichen Söhne und Töchter und wurde in der Franziskanerkirche in Foligno beerdigt. Obwohl nie ein eigentliches Heiligsprechungsverfahren stattfand, wurde A. schon kurz nach ihrem Tod als Heilige verehrt und 1693 von Papst Innozenz XII. selig gesprochen. Pius X. verlegte ihr Gedächtnis auf den 4. Januar.

A.s mystisches Leben ist gekennzeichnet durch Ekstasen und Visionen, in denen sie die Wahrheiten des christlichen Glauben erfuhr, die in den Aufzeichnungen ihres Seelenführers von einer solchen theologischen Tiefe zeugen, dass sie nicht nur von Männern wie Philipp Neri, Franz von Sales und Alfons von Liguori beachtet, sondern ganz allgemein als „magistra theologorum“ bezeichnet wurde. Das Erleben bei ihrer Entrückung in Gott versucht sie wie folgt zu beschreiben:

Auch erkennt dann die Seele durch Gottes Gegenwart, der sie zu sich erhebt, die Gerichte Gottes und andere unaussprechliche Dinge. Und gar oft wirkt Gott in der Seele wunderbare Dinge, und ich erkenne dann, dass nur Gott allein und keine Kreatur solche bewirken kann. Denn bisweilen wird die Seele plötzlich in Gott erhoben, mit so großer Wonne, dass, wenn sie andauer­te, der Leib es nicht aushalten könnte, sondern alle sei­ne Sinne und Glieder verlieren würde. Und so verfährt Gott oft mit der Seele und verlässt sie plötzlich wieder, wenn die Seele ihn festzuhalten wünscht. Doch bleibt alsdann ein großer Friede und eine Freude in der Seele zurück, und zwar eine so große, dass sie in keiner Wei­se an der Gegenwart Gottes zweifeln kann. Und von jenem Schauen oder Gefühl weiß ich kein Gleichnis zu geben, noch auch nur es zu nennen. Und diese Erleuch­tung und Entrückung und Wonne wird mir bald in die­ser, bald in anderer Weise zuteil, so dass alles immer neu ist. Doch das alles ist unaussprechlich.“ (Lammertz)

A.s theologische Aussagen beziehen sich auf die Trinität, auf Christus und den Hl. Geist. Weitere mystische Erfahrungen beziehen sich auf Maria, die Engel und den hl. Franziskus. Ihre Spiritualität ist geprägt durch die Erkenntnis Gottes und die Selbsterkenntnis.

Lit.: Angela de Fulginio: Der heiligen Angela von Foligno Gesichte und Unterweisungen / In deutscher Bearb. hrsg. u. m. Anm. vers. von J. H. Lammertz. Köln, Bonn u. Brüssel: Heberle, 1851; Angela de Fulginio: Gesichte und Tröstungen der seligen Angela von Foligno / Nach ihren eigenen Worten aufgezeichnet von Bruder Arnaldus. Aus d. Lat. neu übertr. von Jan van den Arend. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1924; Stein am Rhein: Christiana-Verlag, 1975; Angela von Foligno: Zwischen den Abgründen / Ausgewählt, übertragen u. eingeleitet v. Berthe Widmer. Einsiedeln: Johannes Verlag, 1955.

Angela von Merici (1470 / 74 – 17.1.1540 Brescia), heilig (24.5.1807, Fest: 27. Januar), Gründerin der Ursulinen. Geboren in Desenzano am Gardasee, Italien, schloss sie sich dem III. Orden des hl. Franziskus an. 1506 sah sie in einer Vision an einem Platz in der Nähe des Gardasees Engel und Jungfrauen auf einer Himmelsleiter auf- und absteigen und vernahm dabei den Auftrag, in Brescia eine Gemeinschaft von jungen Frauen zu gründen. Getrieben von der inneren Berufung zog sie nach Brescia, wo sie niemand kannte, und wartete auf die weitere Führung von oben. Sie knüpfte bei den Kindern an, doch erst ab 1530 konnte sie ihr Werk mit den ersten 12 Gefährtinnen beginnen. Ihre Reife, Ausstrahlung und Hilfsbereitschaft beeindruckten selbst den Papst und den Adel. Ihre Spiritualität und ihr pädagogischer Einsatz machten sie zu einer hochangesehenen Ratgeberin und zu den großen Reformgestalten der Zeit vor dem Konzil von Trient.

Lit.: Ledóchowska, Terese: Angéle Merici e la Compagnie de Ste Ursule, 2 Bde. Rom, 1968; Conrad, Anne: Mit Klugheit, Mut und Zuversicht: Angela Merici und die Ursulinen. 1., aktualisierte und erg. Aufl. Leutesdorf: Johannes-Verl., 2003.

Angele, Thea, die erste Deutsche, die in Lourdes geheilt wurde. Thea Angele wurde am 24. September 1921 im württembergischen Oberlangensee (Gemeinde Neukirch bei Tettnang) geboren. 1944, im Alter von 23 Jahren, traten bei ihr, die als Stenotypistin in Tettnang arbeitete, Bewusstseinstörungen und Lähmungen an Händen und Füßen auf. Die Krankheit wurde damals als unheilbare Nervenentzündung eingestuft. Zu allem Überdruss wurde Thea bei einem Luftangriff auf die Universitätsstadt Tübingen in einem Luftschutzkeller verschüttet, woraufhin die Krankheit mit aller Heftigkeit ausbrach. Im Januar 1946 wurde in der neurologischen Klinik in Tübingen eindeutig multiple Sklerose diagnostiziert. Krankenhausaufenthalte in Lindau (1946 / 47) und in Tettnang (1947 / 48) brachten keine Linderung. Der Zustand verschlechterte sich, begleitet von häufigen Krampfanfällen. „Ein seit April (1950) bestehender soporöser Zustand wird durch die immer notwendigen Impletolinjektionen (Novokain-Koffein) in die tiefe Bewusstlosigkeit übergeführt.“ (Olivieri, 88)

Vor dem Sterben wollte man einen früher geäußerten Wunsch der todgeweihten Thea Angele, eine Wallfahrt nach Lourdes, erfüllen. Diese fand von 15. bis 23. Mai 1950 statt. Am Samstag, den 20. Mai, bekam sie das vierte Bad. Beim Herausheben konnte sie wieder sprechen und nach der Sakraments-
prozession am Abend den linken Arm frei bewegen. Die folgenden Kontrollen im Ärztebüro bestätigten die Heilung.

Thea Angele trat am 10. Mai 1955 in die Schwesterngemeinschaft der „Unbefleckten Empfängnis“ in Lourdes ein und erhielt dabei den Ordensnamen Maria Mercedes.

Am 28. Juni 1961 wurde das Dekret der Anerkennung der wunderbaren Heilung von Bischof Pierre Marie Théas von Tarbes und Lourdes veröffentlicht.

Lit.: Olivieri, Alphonse: Gibt es noch Wunder in Lourdes? 18 Fälle von Heilungen (1950 – 1969). Mit e. Vorw. von Pierre-Marie Théas [Übers. von Georg Siegmund]. Aschaffenburg: Pattloch, 1973.

Angelika (Angelicaarchangelika L., syn. Archangelika officinalis HOFFM.), auch Echter Engelwurz oder Heiliggeistwurz und früher auch Theriakwurz oder Theriakkraut genannt, stattlicher Doldenblütler mit grünlichen bis gelblichen, nicht ganz rein-weißen Blüten. Die eher seltene A. liebt eigentlich Flussufer, wird aber traditionell in Bauerngärten, vor allem in Gebirgsgegenden angebaut. Die hochwirksame Heilpflanze wird unter ihrem Namen A., der als Diminutiv zu dem griechischen Wort ángelos, „Himmelsbote, Engel“, gehört, nach Ascherson zum ersten Mal bei Matthaeus Sylvaticus im 14. Jh. erwähnt (Ascherson, 251). Als Erzengelwurz bzw. Archangelika taucht die Pflanze schon in alt- und mittelenglischen Glossaren auf (Earle, 15, 36, 43). Das Allgemeine Polyglotten-Lexikon der Naturgeschichte aus dem 18. Jh. berichtet von einer Sage, nach der die Kraft der Angelika jemandem in einem Traum von einem Engel eröffnet wurde (Nemnich, 1, 303f.); Ähnliches findet sich auch bei Grimm (Grimm 1813, Bd. 1, 159). Eine andere Sage erzählt, wie der Erzengel Rafael einen Einsiedler auf die heilenden Kräfte dieser Pflanze hingewiesen habe (Hegi, 5, 1338). Von der starken Heilkraft der A. berichtet ferner Tabernaemontanus: „Engelwurtz […] umb seiner fürträffentlichen Krafft und Tugendt willen als wenn der heilige Geist oder die lieben Engel dem menschlichen Geschlechte dieses Gewächs und heylsame Wurtzel geoffenbaret hetten“ (Tabernaemontanus 1588, 286). Die Lebenskraft oder besser noch „Lebenswürze“ (Trott-Tschepe, 106) der A. spiegelt sich auch in den Worten des englischen Arztes, Physikers und Astrologen Nicholas > Culpeper wider, der die A. in seinem berühmten Kräuterbuch aus dem Jahr 1653 eine Heilpflanze im Zeichen der Sonne im Löwen nannte (Culpeper, 11). Die A. galt als Hauptheilmittel gegen die Pest. Die heilkräftige Pflanze gibt ihre weiteren Anwendungsbereiche schon durch die verschiedenen volkstümlichen Namen kund, wie Brustwurz, Lufftwurzel, Cholerawurzel, Zahnwurzel, Nervenstärk oder Giftwürze, durch letzteren Namen, da sie hilft, „wenn einer Gift gegessen oder getrunken hat“ (Tabernaemontanus 1613, 236). In Zedlers Universal-Lexikon aus dem Jahr 1732 wird schließlich eine Notiz aus dem berühmten Kräuterbuch des Adamus Lonicerus festgehalten: „Und wer ohnversehens eine Spinne gegessen hat, der darf nur Angelicke drauf geniessen, so wird er von allen Schaden befreyet seyn“ (Lonicerus 1679). Lonicerus weiß aber auch von der magischen Kraft dieser Pflanze zu berichten: „Welcher Angelicam bey ihm hat / ist frey vor Zauberey / […] Angelicam bey sich getragen / wird wider Zauberey / und sonst andere Teuffelsgespenst gerühmt“ (Lonicerus 1679). Die A. gilt als magische Schutzpflanze, die auch böse Geister vertreiben kann. Ferner wird sie mit der Steigerung der Hellsichtigkeit in Beziehung gesetzt (Magister Botanicus), während ihr eine psychoaktive Wirkung bislang nicht nachgesagt werden kann (Rätsch, 805).

A. enthält sehr wertvolles > ätherisches Öl, das > Angelikaöl.

Lit.: Tabernaemontanus, Jac. Theod.: New Kreuterbuch. Das erste Buch Frankf. a. M., 1588. Das ander Theyl … durch Nicol. Braun Franckf. a. M., 1591. (Spätere Ausgaben z. B. 1613); Nemnich, P. A.: Allgemeines Polyglotten-Lexikon der Naturgeschichte. Hamburg und Halle (Leipzig) 1 (1793); Grimm, Jacob und Wilhelm: Altdeutsche Wälder. 3 Bde. Cassel, 1813; Ascherson, Paul: Flora der Provinz Brandenburg, der Altmark und des Herzogtums Magdeburg. Berlin, 1864; Earle, John: English Plant-Names from the X to the XV Century. Oxford, 1880; Hegi, Gust.: Illustrierte Flora von Mittel-Europa. Volkstümliche Pflanzennamen gesammelt und bearbeitet von Heinrich Marzell. 13 Bde. München, 1906 – 1931; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 1. Leipzig: Hirzel, 1943; Lonicerus Adamus, 1679; Reprint München 1962; Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste. Welche bißhero durch den menschlichen Verstand und Witz erfunden worden. 64 Bde. Halle und Leipzig, 1732 – 1754, photomechanischer Nachdruck, Graz 1961 – 1964; Schöpf, Hans: Zauberkräuter. Graz: ADEVA, 1986; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Trott-Tschepe, Jürgen: Mensch und Duft im Elementen-Kreis. Feuer, Wasser, Luft und Erde in der Psycho-Aromatherapie. Leer, Ostfriesland: Verlag Grundlagen und Praxis, 1993; Culpeper, Nicholas: Culpeper’s Complete Herbal. A Book of Natural Remedies for Ancient Ills. Herfordshire: Wordsworth Editions Ltd., 1995; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Becker, Udo: Lexikon der Symbole. Freiburg: Herder, 1998; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Angelikaöl, kostbares ätherisches Öl der > Angelika, das aus der Wurzel der Pflanze gewonnen wird und, leicht an eine Mischung aus Sellerie und Ananas erinnernd, sehr aromatisch und würzig duftet. Schon die Mönche von > Chartres benutzten das A. als Zutat zu einem würzigen Likör, dem Chartreuse.
Das neben vielen anderen Wirkstoffen auch Angelicin enthaltende A. wirkt äußerst immunstärkend, inhaliert wie äußerlich angewandt in Salbe – es galt schon im Mittelalter als Pestbekämpfungsmittel. Heute empfiehlt der Aromatherapeut
Jürgen Trott-Tschepe A. besonders bei Stockschnupfen, Reizungen, Magengeschwür, Schwächeanfällen und Lähmungen, während auch auf die psychische Unterstützung des Öls bei allgemeiner Überforderung (Trott-Tschepe, 107), Entscheidungsschwäche, Mutlosigkeit und Angst (Fischer-Rizzi, 65) hingewiesen wird.

Lit.: Fischer-Rizzi, Susanne: Himmlische Düfte. Aromatherapie. Anwendung wohlriechender Pflanzenessenzen und ihre Wirkung auf Körper und Seele. München: Hugendubel, ²1989; Trott-Tschepe, Jürgen: Mensch und Duft im Elementen-Kreis. Feuer, Wasser, Luft und Erde in der Psycho-Aromatherapie. Leer, Ostfriesland: Verlag Grundlagen und Praxis, 1993; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Angeln (Übersetzung des gleichbedeutenden engl. fishing), bezeichnet die Technik mancher Hellseher, die sich bei der Demonstration ihrer angeblichen Fähigkeiten mit kaschiert suggestiven Fragen „herantasten“. Etwa so: „Ich sehe eine Wiese voller blauer Blumen, kann das mit einem Meer zu tun haben?“

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern; München: Scherz, 1976.

Angelo Carletti (*1411 Chivasso bei Turin, Italien, † 11.4.1495 Cuneo), selig (Kultapprobation am 25.4.1753, Fest: 11. April), Theologe und Franziskaner, studierte in Bologna, promovierte in Kirchen- und Zivilrecht, arbeitete als Jurist in Chivasso, wurde Mitglied des Gerichtshofes und trat dann in den Konvent der Franziskaner von S. Maria del Monte in Genua ein. Dort lernte er Francesco della Rovere, den künftigen Papst Sixtus IV., kennen. 1464 wurde er zum Provinzvikar und 1472 zum Generalvikar ernannt. Angesichts der Türkengefahr bestellte ihn Sixtus IV. zum Nuntius und Päpstlichen Kommissar für die Verteidigung der Christen. 1493 erreichte er im Auftrag von Papst Innozenz VIII. einen Friedenspakt zwischen Katholiken und Waldensern.

A. C. war ein großer Prediger und verfasste mehrere Werke, unter denen die Summa casuum conscientiae, auch Summa Angelica genannt, eine Vorrangstellung einnimmt. Er war Spiritual sowohl einfacher als auch mächtiger Leute, so z. B. des Grafen von Savoyen, Karls I., der hl. Katherina von Genua und der seligen Paola Gambara.

A. C. starb am 11. April 1495 im Konvent von Cuneo, wohin er sich als Achtzigjähriger zurückgezogen hatte. Sein unverwester und geschmeidiger Körper, von dem ein milder Wohlgeruch ausging, ruht im Konvent S. Maria degli Angeli in Cuneo / Piemont, wo A. C. auch Stadtpatron ist. 1753 bestätigte Benedikt XIV. den Kult. > Unverwestheit.

W.: Summa Angelica (Summa casuum conscientiae). Venetiis, Georgius de Arivalenis, 1504.

Lit.: Vita del B. Angelo Carletti, Protettore delle città di Cuneo e Chivasso ricavata dai processi e da autentici documenti per cura / Carlo Pellegrino. Cuneo: G. Stellino, 1888.

Angelologie (griech. angelos, Engel; logos, Lehre), Lehre von den > Engeln. Während die Vorstellung von Engeln zum Urgut der Menschheitsgeschichte gehört, ist die A. als eigener Traktat der Dogmatik erst seit der Scholastik des 12. Jhs. zu verzeichnen. Die Vielzahl der Formen und Zusammenhänge, von denen in der Bibel, in der Religionsgeschichte bis hin zur Mythologie von Engeln die Rede ist, erschwert eine Systematisierung. Den ersten systematischen Traktat über die Engel verfasste Dionysius Areopagites um 500, im Westen beschäftigte sich Gregor der Große († 604) mit den Engeln. Beide wurden für die mittelalterliche A. grundlegend. Die Bibel bietet allerdings keine Wortoffenbarung über die Engel, die als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Sie sind einfach da wie in allen Religionen der biblischen Umwelt und werden schlicht in ihrer Existenz erfahren. Dem entspricht auch die Übernahme des Engel-Glaubens in das Nizänische (325) und das Konstantinopolitanische (381) Glaubensbekenntnis: „Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren“ (invisibilia).

In der Epoche des > Rationalismus und der > Entmythologisierung schwand das Verständnis für die invisibilia und damit auch für die Engel, zumal Erfahrungswerte wissenschaftlich irrelevant wurden. Diese Abwertung der Erfahrung in Wissenschaft und Theologie führte in breiter Volksreaktion zu einer überhöhten Betonung der Erfahrung und zu einer Aufwertung der Engel als allgegenwärtige Stör- oder Schutzmächte, oft nur mehr in Form von personifizierten magischen Kräften. Es sind noch nie so viele Bücher über Engel erschienen wie in den letzten Jahrzehnten.

Lit.: Bietenhard, Hans: Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum. Tübingen: Mohr (Siebeck), 1951; Davidson, Gustav: A Dictionary of Angels, Including the Fallen Angels. New York: Free Press, 1967; Adler, Gerhard: Die Engel des Lichts: von den Erstlingen der Schöpfung. Stein am Rhein: Christiana-Verl., 1992; Heidtmann, Dieter: Die Engel: Grenzgestalten Gottes; über Notwendigkeit und Möglichkeit der christlichen Rede von den Engeln. Tübingen, Univ., Diss., 1997; Nierlich, Karin: Das Phänomen Engel erfahren und verstehen: bezugswissenschaftliche Theoriebestände aus Theologie, Kulturhistorie, Kunstgeschichte und schöngeistiger Literatur als interpretatorische Basis für Erfahrungsdokumente von Grundschulkindern zur Angelistik. München: Utz, Wiss., 1997.

Angelos (griech.; lat. angelus, Bote, Nachricht), Name mehrerer Gestalten der griechischen Mythologie. A. hießen der Sohn von > Poseidon und eine > Nymphe, A. war der Beiname des Götterboten > Hermes, der erste Name der Göttin > Hekate, der Tochter von > Zeus und > Hera, und auf Sizilien verehrte man die Göttin > Diana unter dem Namen A.

In der Bibel hat A. die Bedeutung von Bote, > Engel, und ist in der lateinischen Version als Angelus ein weitverbreiteter Taufname.

Lit.: Kittel, Gerhard: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. In Verbindung mit zahlr. Fachgenossen hrsg. von Gerhard Friedrich. Bd. 1. Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer, 1933; Abenstein, Reiner: Griechische Mythologie. Paderborn [u. a.]: Schöningh, 2005.

Angelus Silesius, bürg. Johannes Scheffler, Dichter und Mystiker, wurde 1624 in Breslau geboren. 1643 – 1648 studierte er an den Universitäten Straßburg, Leipzig und Padua, wo er zum Doktor der Philosophie und Medizin promovierte.

Ab 1649 wirkte er als Hof- und Leibarzt beim lutherischen Herzog Silvius Nimrod im schlesischen Oels, wo er sich Abraham von Franckenberg († 1652), einem Böhme-Verehrer, und dessen Kreis anschloss, der ihm die Kenntnis von Schriften, u. a. von J. > Böhme und E. > Weigel wie auch von mittelalterlichen Mystikern eröffnete. Das Verbot der Ausgabe einer Sammlung mittelalterlicher Mystiker war einer der Auslöser seiner Konversion zur katholischen Kirche am 12. Juni 1653, wobei er den Namen Johannes Angelus annahm. Er stellte sich nun in den Dienst gegenreformatorischer Bestrebungen. Seine Konversion rechtfertigte er in Gründliche Ursachen und Motive (1653). Am 29.05.1661 wurde er zu Neiße zum Priester geweiht. Seine Stelle als Hofmarschall Sebastians von Rostock gab er 1666 auf, um sich ganz der Abfassung seiner Streitschriften zu widmen, die er zumeist am Breslauer Stift St. Matthias schrieb, wo er am 9. Juli 1677 starb.

Galt sein anfängliches Interesse der protestantischen Naturmystik, z. B. Böhmes und Weigels, so führte ihn der Einfluss der katholischen Mystik des Mittelalters zur Erkenntnismystik des Cherubinischen Wandersmannes mit zum Teil pantheistisch anmutenden Ideen von Gott. Gott ist nach ihm als Ewigkeit frei von Raum und Zeit, die nur Anschauungsformen des menschlichen Verstandes sind. Gott schafft die Welt in Ewigkeit stets neu, er ist in allen Kreaturen gegenwärtig. Von den lutherischen Theologen scharf angegriffen, entfaltete er seit 1663 eine kontrovers-theologische Tätigkeit und veröffentliche 55 teils wissenschaftlich-theologische, teils populär-apologetische Schriften. Von seinen zahlreichen Schriften seien hier folgende genannt: Geistreiche Sinn- u. Schlußreime ( 1657), eine vermehrte Zweitauflage erschien 1675 unter dem Titel Cherubinischer Wandersmann; von Jesusmystik getragene Lieder, Heilige Seelen-Lust oder Geistliche Hirten-Lieder (1657, erweiterte Aufl. 1668). Nach seiner Priesterweihe (1661) folgten als Bekehrungsaufruf Sinnliche Beschreibungen der vier Letzten Dinge in Versen, dann die Übersetzung der mystischen Schrift Evangelische Perle (1676) aus dem Lateinischen und eine Auswahl seiner kontrovers-theologischen Traktate, die Ecclesiologia oder Kirchen-Beschreibung.

Lit.: Angelus <Silesius>: Johannis Schefflers (Angelus Silesius) Gründtliche Ursachen und Motiven, warumb er von dem Lutherthumb abgetretten, und sich zu der Catholischen Kyrchen bekennet hat / hrsg. u. eingel. v. Hans Ludwig Held. München: Engl, 1912; Angelus <Silesius>: Sämtliche poetische Werke: in 3 Bänden. Hrsg. und eingeleitet von Hans Ludwig Held. Wiesbaden: Fourier, 2002.

Angelus von Jerusalem (1185 – 5.5.1225), heilig (Kultapprobation 1584, Fest: 5. Mai), Karmelit, Märtyrer. Nach dem Tod der Eltern trat er mit seinem Zwillingsbruder im Alter von 25 Jahren in den Karmeliterorden ein und legte im Konvent auf dem Berg Karmel seine Gelübde ab. 1218 erhielt er die Priesterweihe. Daraufhin wurde er nach Rom gesandt, um von Papst Honorius III. die definitive Bestätigung der neuen Regel zu erhalten, die um 1214 vom hl. Albert von Jerusalem verfasst worden war und den Karmeliterorden von einem kontemplativen zu einem Bettelorden wandelte. Nach fruchtbaren Predigten in S. Giovanni im Lateran wurde er nach Sizilien geschickt, um gegen die Katharer zu predigen. Während seiner feurigen Predigten sollen Rosen und Lilien aus seinem Mund gekommen sein. Schließlich wurde er bei einer Predigt in der Kirche der hl. Philippus und Jakobus durch fünf Dolchstiche verwundet und starb vier Tage darauf, am 5. Mai 1225, in Licata. 1662 wurden seine sterblichen Überreste in die neue Kirche Maria vom Karmel überführt. 1656 soll er Licata vor der Pest bewahrt haben.

Lit.: Fornari, Giuseppe Maria <C.M.I.>: Anno memorabile de carmelitani nel quale à giorno per giorno si rappresentano le vite, l’opere & i miracoli di s. Elia profeta loro patriarca e di tutti i santi, e sante, beati […] del suo sacro ordine della beatissima Madre di Dio Maria Vergine del Monte Carmelo ordinato e disposto dal padre maestro Giuseppe Maria Fornari […] Milano: Carlo Federico, 1688 – 1690.

Angenommen, wörtliche Übersetzung des englischen Wortes > accepted, das schon im Gildebuch der Werkmaurer 1619 als „accepted Masons“, „angenommene Maurer“, enthalten ist und in Zusammensetzungen wie „Alte Freie und Angenommene Maurer“ oder „Angenommener Lehrling“ vorkommt.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Angenommener Schüler. Bezeichnung der 2. Stufe der Vorbereitung auf die Einweihung in manchen esoterischen Systemen, für die keine bestimmte Zeitdauer vorgesehen ist, oder der geistigen Zugehörigkeit zu einem esoterischen Kreis. So wird Jakob > Böhme als ein geistig „angenommener Schüler“ mit dem Kreis der Lichtgemeinschaft in Beziehung gebracht.

Lit.: Bô Yin Râ: Wegweiser. Basel u. a.: Kober, 1928.

Anges, Jeanne des (Johanna von den Engeln), bürg. Name: Madame de Becher, war als Oberin des Ursulinenklosters von Loudun im Mittelfrankreich die Hauptfigur der Besessenheitsepidemie von 1632 / 33, die den Pfarrer Urbain > Grandier das Leben auf dem Scheiterhaufen kostete. 1642 schrieb sie im Auftrag der Generaloberin der Ursulinerinnen eine Autobiografie, die mit dem Anfang der Besessenheitsepidemie beginnt und bis zum Jahr 1642 reicht.
1884 wurde das Manuskript von den Schülern Jean Martin Charcots, Georges Gilles de la Tourette und Gabriel Legue, in der Stadtbibliothek von Tours entdeckt und von Gabriel Legue herausgegeben.

Lit.: Sœur Jeanne des Anges: Supérieure di couvent des Ursulines de Loudun (XVIIe Siècle); autobiographie d’une hystérique possédée. Publ. par Gabriel Legue. Paris: Arpentier, 1886.

Angewandte Parapsychologie, allgemeine Bezeichnung des konkreten Einsatzes parapsychologischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Während die parapsychologischen Kenntnisse bei der Abklärung angeblicher paranormaler Phänomene Anwendung finden, werden parapsychische Fähigkeiten wie Telepathie, Hellsehen, Psychokinese und Präkognition bei der Suche nach Vermissten oder Kriminellen, beim Aufdecken fremder Einstellungen und bei der Deutung der Zukunft eingesetzt. Täuschungen und Fehlinterpretationen haben die Sicherheit solcher Anwendungen als Grundlage für Urteils- und Lebensentscheidungen dermaßen reduziert, dass sie höchstens als Anregung zur vermehrten Realitätskontrolle dienen können.

Lit.: Tenhaeff, W. H. C.: Der Blick in die Zukunft: Präkognition. Berlin: Universitas, 1976.

Angeyja, in der altnordischen (isländ.) Mythologie eine Riesin und eine der neun Töchter der > Ran, die gemeinsam als Wellen des Meeres > Heimdall, den Gott allen Anfangs und damit auch den Gott des morgendlichen Sonnen- und Tageslichtes, geboren haben.

Lit.: Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertr. v. Felix Genzmer; eingel. v. Kurt Schier. Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2006.

Angiras (sanskr. ang, sagen, künden; verwandt mit dem griech. angelos, Engel) ist in den > Veden und > Upanishaden ein Seher mit göttlicher Weisheit. So steht in der Mundaka-Upanishad des Atharva-Veda: „Das Brahmanwissen, sagte der dem Angir, dieser dem Satyavaha Bharadvaja, und der dem Angiras, das Höchst-und-Tiefste.“ Manche Schriften, z. B. die Epen, zählen daher das Buch der Autoren Atharva und Angiras zu den Veden und nennen es Atharva-Veda. Da aber die Epen nicht zu den verbindlichen heiligen Schriften gehören, ist die Stellung des Buches von Atharva und Angiras kontrovers.

Lit.: Hundert Lieder des Atharva-Veda / Übers. u. mit textkrit. u. sachl. Erl. versehen von Julius Grill. Niederwalluf (bei Wiesbaden): Sändig, 1971.

Anglet > Cestac, Ludwig-Eduard.

Angoff, Allan (1910 – 1998), Parapsychologe. Am 30. 7. 1910 in Boston, Massachusetts, USA, geboren, studierte er an den Universitäten Boston und Columbia, arbeitete als Journalist für mehrere Zeitungen, war Herausgeber des Magazins Tomorrow im Auftrag der > Parapsychology Foundation und schrieb mehrere Beiträge für das > Journal of Parapsychology. A. war ein großer Befürworter einer Zentralbibliothek für Parapsychologie.

W.: Parapsychology Today: A Geographic View. New York: Parapsychology Foundation, 1971; Eileen Garrett and the World Beyond the Senses. New York: William Morrow, 1974.

Lit.: Angoff, Allan/Betty Shapin (eds.): Proceedings of an International Conference: A Century of Psychical Research. New York: Parapsychology Foundation, 1971; Angoff, Allan (ed.): Parapsychology and the Sciences. New York: Parapsychology Foundation, 1972; Angoff, Allan/Diana Barth (eds.): Parapsychology and Anthropology. New York: Parapsychology Foundation, 1973.

Angra Mainyu (awest., „arger Geist”; Ako Mainyu) oder > Ahriman ist nach der altiranischen Mythologie Sohn des > Ahura Mazda und Zwillingsbruder des guten > Spenta Mainyu. Als Personifikation des Dunklen und Bösen führt er die > Daevas (Dämonen) an und ist Gegenspieler des lichten Ahura Mazda. Während dieser für das Gute steht, trachtet A. M. danach, die Menschheit durch Zwietracht und Zweifel, Kälte und Unwetter, Dunkelheit, Krankheit, Seuchen, Faulheit, Armut und sonstige Widrigkeiten zu verderben. Mit seinem Zwillingsbruder Spenta Mainyu liegt er während der 9.000 Jahre dauernden Weltperiode in dauerndem Kampf, doch wird er nach der Lehre des > Zoroaster, die seine Gestalt zum Ahriman weiterentwickelte, zur Endzeit > Frasho-kereti endgültig besiegt werden.

Nach der späteren Sekte der „Zervanites“ sind Angra Mainyu und Ahura Mazda Zwillinge und Nachkommen der „Unbegrenzten Zeit“ Zervan Akarana (bzw. Zurvan). Eigentlich sollte Ahura Mazda als Erstgeborener die Herrschaft übernehmen, doch gelang es Angra Mainyu vor diesem den Mutterschoß zu verlassen und sich so für Jahrtausende den Vorrang zu sichern. Der Zoroastrismus nimmt jedoch an, dass Ahura Mazda schließlich obsiegen und Angra Mainyu, dessen Symboltier die Schlange ist, in die Finsternis verstoßen wird.

Lit.: Kanga, Sorabji Naoroji: A New Interpretation of the Spenta-Mainyu of the Gathas, Ahura Mazda`s Own Holy Spirit, the Progenitor of Fravashis in the Avesta, and of the Christos or the Christ-Concept and of Logos in Christianity. Bombay: The Gatha Society, 1933.

Angrboda (Angurboda) bezeichnet in der nordischen Mythologie und in der > Edda eine dämonische Riesin. Sie ist die Frau von > Loki, dem sie drei Ungeheuer gebiert: den Riesenwolf > Fenrir, die Schlange von > Midgard, > Jörmungard und die Totengöttin > Hel. Die Götter nehmen Angrboda die unheilbringenden Kinder weg und verbannen diese.

Später gebiert Angrboda die Kinder von Fenrir, > Hati und > Skoll, sowie > Gerda, > Manigarm und den Riesen > Beli.

Im nordischen Pantheon zeigt Angrboda Aspekte einer Muttergottheit. Ihr Name bedeutet „Sorgenbringerin“, „die Kummer Bereitende“ oder die „Unheilbringerin“.

Lit.: Motz, L.: Giantesses and their Names. In: Frühmittelalterliche Studien; 15. Berlin: de Gruyter, 1981, S. 495 – 511; Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheiten und Heldengesänge der Germanen / Hg. Felix Genzmer. München: Hugendubel, 2004.

Angriff, magischer. Einsatz verborgener Kräfte durch Magier und andere Personen, um Menschen Schaden zuzufügen. Dabei können auch Verfluchung, Verhexung, böser Blick, negative Wünsche und Vernichtungsrituale zum Einsatz kommen. Diese können bis zum magischen Töten gehen, was aber nicht als äußerer Angriff auf den physischen Körper, sondern als Einwirkung auf den energetischen Körper, die Psyche und den Geist zu verstehen ist. Solche magischen Angriffe können nur dann zum Tode führen, wenn die angegriffene Person von der Unausweichlichkeit des magischen Todesurteils so überzeugt ist, dass sie durch Ausschalten der eigenen Abwehr das Immunsystem, den psychischen und geistigen Widerstand schwächt und so langsam dahinsiecht bzw. in einer Schockreaktion körperlich zusammenbricht oder dem Leben ein Ende setzt. Der beste Schutz vor derartigen Angriffen ist, ihnen keine Bedeutung beizumessen und sich damit nicht zu befassen, denn beim magischen Angriff ist es immer die betroffene Person selbst, die sich durch Ernstnehmen des Angriffs Schaden zufügt. Inwieweit der magische Angriff, der auf dem Boden des steten Misstrauens und der Angst in seinen vielfältigsten Formen weit verbreitet ist, die Volksgesundheit insgesamt beeinträchtig, bleibt noch offen.

Lit.: Fortune, Dion: Selbstverteidigung mit PSI: Methoden d. Verteidigung gegen PSI-Angriffe. Interlaken: Ansata-Verl. Zemp, 21981; Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf., 1988.

Angst (lat. angustia, Enge), ein mit Beengung bzw. Erregung bis zum Empfinden der Vernichtung verbundenes psychophysisches Lebensgefühl, das zu Handlungs- und Bewusstseinseinschränkung und sogar zum Verlust der wissens- und verstandesmäßigen Steuerung der Persönlichkeit führen kann. Als Grundempfinden des menschlichen Seins hat die Angst einerseits eine Schutzfunktion im Bereich psychophysischer Bedrohung, andererseits eine Existenzfunktion im Bereich der Unsicherheit des menschlichen Daseins, der Konfrontation mit dem Nichts oder der Gottferne. Als Gradmesser der menschlichen Freiheit verweist Angst auf die eigene Begrenztheit und die Unabwendbarkeit von Sterben und Tod. Im Gegensatz zur Furcht, die ihr Objekt kennt, ist die Angst ein personumgreifendes Empfinden der existentiellen Gefahr bei vorhandenem Wunsch der Existenzsicherung. In dieser Existenzunsicherheit kann Angst das Empfinden des Unheimlichen mit Vorstellungen außermenschlicher Mächte hervorrufen, die als Geister Verstorbener, Engel oder Dämonen bezeichnet werden. Dementsprechend haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte vornehmlich folgende Rituale zur Existenzsicherung herausgebildet: Rituale zum Kontakt, zur Besänftigung und zur Anrufung der Verstorbenen; Rituale zur Anrufung der Engel als Schutzmächte für Seele und Leib; Rituale zur Bannung von Dämonen wie auch zum Teufelspakt.

Angst findet sich zudem als Haupt- oder Nebensymptom bei Neurosen und Psychosen sowie bei körperlicher Erkrankungen, z. B. im Zuge von Herz- und Atembeschwerden.

In der Paranormologie spielt die Angst vor allem bei Spuk, Erscheinungen und bestimmten mystischen Erlebnissen eine besondere Rolle.

Lit.: Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen. Innsbruck: Resch, 1992 (Imago Mundi; 13); Ochsmann, Randolph: Angst vor Tod und Sterben. Beiträge zur Thanato-Psychologie. Göttingen u. a.: Hogrefe, Verl. für Psychologie, 1993; Riemann, Fritz: Grundformen der Angst: eine tiefenpsychologische Studie. München; Basel: E. Reinhardt, 1995; Rachman, Stanley: Angst: Diagnose, Klassifikation und Therapie. Bern u. a.: Huber, 2000; Kierkegaard, Søren: Der Begriff Angst. Simmerath: Grevenberg-Verl. Ruff, 2003.

Angstvolle Ichauflösung (AIA). Erleben, das gemeinhin als Horrortrip bezeichnet wird, da es den Verlust von sonst mehr oder weniger verfügbaren Fähigkeiten wie Selbstkontrolle, Urteilsfähigkeit, Realitätskontrolle u. a. beinhaltet und somit der Angst im akuten schizophrenen Syndrom gleicht. Aus der Sicht des Alltagsbewusstseins steht es im Gegensatz zur > Ozeanischen Selbstentgrenzung.

Lit.: Resch, Andreas: Veränderte Bewusstseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990 (Imago Mundi; 12); Bodmer, Ines: Erinnerung an einen außergewöhnlichen Bewusstseinszustand: eine experimentelle Untersuchung zum autobiographischen Gedächtnis. Berlin: VWB, Verl. für Wiss. u. Bildung, 1999.

Angulimaala. Räuber, der zur Zeit Buddhas im Königreich Koosala lebte, Dörfer und Städte in Schrecken versetzte, den Ermordeten die Fingerringe, anguli, abzog und sich um den Hals hängte, weshalb er Angulimaala genannt wurde. Als einst Buddha in die Gegend kam, erblickte ihn der Räuber und folgte ihm. Buddha wusste es aber auf magische Weise so einzurichten, dass er ihn nicht einholen konnte. Schließlich forderte der Räuber Buddha zum Stehenbleiben auf. Buddha antwortete: „Ich stehe, nun bleibe auch du stehen.“ Der Räuber war so beeindruckt, dass er im Gespräch mit Buddha dem verbrecherischen Lebenswandel entsagte und ihm gehorsam folgte, bis er reif war, in den > Bhikkhu-Orden aufgenommen zu werden. Dort wurde er schließlich ein Heiliger.

Lit.: Schmidt, Kurt: Buddhistische Heilige: Charakterbilder. Konstanz: Curt Weller & Co., 1947.

Angurboda > Angrboda.

Angurvadel, Zauberschwert, das Frithjof, ein Held der isländischen Mythologie, geerbt hatte. Das Schwert war mit einem goldenen Heft ausgestattet und strahlte wie das Nordlicht. In Zeiten des Friedens wirkte seine Klinge stumpf und blass, in Zeiten des Krieges hingegen leuchtete sie glutrot.

Lit.: Abhandlung abgefaßt in einem Schreiben an einen Gelehrten von der alten Isländischen Edda: darin vorkommt die Beantwortung der Fragen: 1. Ob in der That es noch ein altes echtes Buch, und Ueberbleibsel der alten Norder, Teutonen und Vandalen-Mythologie gäbe? das man die Edda nennt? 2. Ob die davon, in Copenhagen und Upsal vorhandene Manuscripte echt ? und wie alt dieselben etwa seyn? 3. Ob Sämundar Siegfus (Frode) in Island, sie Ao. 1070 – 75, aus dem alt runischen oder Gothischen, mit lateinischen Buchstaben, historisch gewiß zuerst edirt? oder ob des Snorro Sturlesons Konnungar vor die alte echte Edda zu erkennen sey? 4. Ob die, in einem Avertissement von Stettin versprochene teutsche Version und Edition, noch seiner Zeit zu erwarten sey? / Jacob Schimmelmann. Halle: Curth, 1774; Shepard, Leslie (ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984, 1. Bd.; Roberts, Morgan J.: Mythologie der Wikinger. Kettwig: Athenaion, 1997.

Angus Mac Og, Gott der Jugend und Schönheit aus der keltischen Mythologie, der dem alten irischen Geschlecht der > Tuatha De Dannan, die später zu den Heroic Fairies, den Daoine Sidhe wurden, angehörte. Dieses edle Göttergeschlecht wurde einst von den Milesiern besiegt und in den Untergrund verdrängt, wo ihr Hochkönig > Dagda sein unterirdisches Reich sowie seine Paläste, von denen er zwei für sich selbst behielt, aufteilte. Sein abwesender Sohn Angus war jedoch dabei leer ausgegangen und beschwerte sich darüber gleich bei seiner Rückkehr. So gab ihm Dagda einen seiner beiden Paläste, den Brugna Boinne, doch nur für einen Tag und eine Nacht. Diese Lösung war für Angus allerdings gänzlich inakzeptabel, und so erklärte er den Palast als sein Eigentum für immer und ewig.

Lit.: Briggs, Katharine Mary: A Dictionary of Fairies, Hobgoblins, Brownies, Bogies and Other Supernatural Creatures. London: Allen Lane, Penguin Books Ltd., 1976.

Anhalonium > Peyotl.

Anhaltergespenst. Vielfach berichtetes Phä-
nomen vom Anhalten eines Autos durch Personen, die um eine Mitfahrgelegenheit ersuchen, in das Auto einsteigen und sich dann oft nach einem angeregten Gespräch wie in Luft auslösen. Nach
William Oliver Stevens ist dies die geläufigste Geistergeschichte Amerikas, wird aber auch aus anderen Ländern berichtet. Ob hier nicht doch vielleicht der Wunsch der Vater des Gespenstes ist?!

Lit.: Stevens, William Oliver: Unbidden Guests: a Book of Real Ghosts. New York: Dodd, Mead & Company, 1945.

Anhängen. Heimliches Anhängen von kleinen Spottfiguren an den Kleidern von Personen an bestimmten Tagen: 2. Februar (Lichtmess), Fastnacht, Aschermittwoch, am häufigsten jedoch am 1. April. Diese Form der gesellschaftlichen Verulkung mit einer Mischung aus Scherz, Unterhaltung und Schadenfreude findet in der Gegenwart vor allem im Fasching und bei ähnlichen Veranstaltungen reiche Anwendung.

Lit.: Liebrecht, Felix: Zur Volkskunde. Heilbronn: Henninger, 1879; Moser, Dietz-Rüdiger: Fastnacht – Fasching – Karneval. – Graz u. a.: Ed. Kaleidoskop, 1986.

Anhängezettel. Um den Hals gehängter Zettel, auf den unverständliche Zauberformeln geschrieben sind, die nicht selten Banalitäten beinhalten wie „Lege dich nicht zum Manne, so wirst du nicht schwanger.“ (Alemannia, 285)

Lit.: Lindern, Franz B. von: Speculum Veneris Oder Venus-Spiegel, Das ist Richtige Beschreibung aller Venerischen Kranckheiten. III. Auflage. Strasburg: Beck, 1743; Alemannia. Zeitschrift für Sprache, Literatur und Volksglauben des Elsasses und Oberrheins, hg. von A. Birlinger, Nr. 8 (1880), 285.

Anhauchen, Anhauchung, auch > Anblasen (lat. halare, suflare, davon exsufflatio und insufflatio). Antiker Brauch, der in die christliche Liturgie aufgenommen wurde, zumal Jesus den Seinen den Geist „anhauchte“: „Er hauchte sie an und sprach zu ihnen : Empfanget den Heiligen Geist“ (Joh 20, 22). Das Anblasen (exsufflatio) wurde hingegen beim > Exorzismus zum Austreiben der Dämonen verwendet. In dieser Doppelfunktion der Reinigung und geistigen Neugestaltung findet sich Anhauchen auch in verschiedenen Initiationsriten, wie etwa bei der Initiation in der Freimaurerei des Grafen > Cagliostro.

A. spielt zudem bei alternativen Heilmethoden eine wichtige Rolle. Die Magnetiseure des 19. Jhs., z. B. Jean > Béziat, der „Heiler von Avignon“, bediente sich desselben. Nach Eliphas > Lévi ist Anhauchung auch eine wichtige Praxis der okkulten Medizin. Warmes Anhauchen soll nach ihm die Blutzirkulation anregen, Gicht und Rheumatismus heilen, während kaltes Anhauchen Schmerzen lindere.

Das Anhauchen von Körperstellen, die Schmerzen verursachen, ob Kopf, Hals, Ohren, Nase, Brust oder Beine, ist ein weit verbreiteter Brauch und bringt bei einfachen Entzündungen und Verletzungen sehr oft eine Linderung des Schmerzes, sei es durch die Stimulation der Körperstellen ähnlich der > Akupunktur, > Moxibustion und Massage wie auch durch die Zuwendung der helfenden Person als bioenergetische, psychologische und geistige Verstärkung.

Lit.: Tenhaeff, Wilhelm Heinrich Carl: Außergewöhnliche Heilkräfte: Magnetiseure, Sensitive, Ge-
sundbeter. Olten u. a.: Walter, 1957; Resch, Andreas: Paranormale Heilung. Innsbruck: Resch,
21984 (Imago Mundi; 6); Maier, Peter: Die Feier der Missa chrismatis: die Reform der Ölweihen des Pontificale Romanum vor dem Hintergrund der Ritusgeschichte. Regensburg: Pustet, 1990; Lévi, Eliphas: Transzendentale Magie: Dogma und Ritual (Alphons Louis Constant). Basel: Sphinx Verl, 51992.

Anhorn, Bartholomäus (1616 – 1700), reformierter Pfarrer und Verteidiger des Hexenglaubens. Geboren am 16. Januar 1616 in Fläsch, Graubünden / Schweiz, war er von 1661 – 1676 Pfarrer in Bischofszell und dann im zürcherischen Elsau bei Winterthur, wo er am 6. Juli 1700 starb. Bekannt wurde A. vor allem durch sein 1200 Seiten umfassendes Buch Magiologia (1674), in dem er aus volkskundlicher und geistesgeschichtlicher Sicht zur Warnung der Christen ein Kompendium der Hexenkünste vorlegte, das für die Geschichte des > Okkultismus eine wichtige Kasuistik enthält. Zeitgeschichtlich ist es jedoch eine Bestärkung des Hexenglaubens.

Auf Grund seiner Ablehnung des „Atheismus“ („Ist dan die Höll nur Scherz und Spott, dass sie kein Sünder will erkennen?“) unternimmt Anhorn in Magiologia den Versuch, den Glauben an die Wirksamkeit von Zauberei und Hexerei gegen kritische Zweifel zu verteidigen („dann Zauberey und Hexenkunst ist nicht allzeit ein blawer Dunst“). Er wendet sich u. a. auch gegen den „Canon episcopi“ und gegen Erfahrungsberichte, die den > Hexenflug als Illusion darstellen: „Hingegen können der Exemplen eine grosse Mänge beygebracht werden, welche bezeugen, dass die Zauberer und Hexen, nicht zwar alle zeit, aber doch mehrmahlen, durch den Lufft zu ihren Zusammenkunfften würklich und leiblich von dem läidigen Teufel geführet werden; massen solches durch die Erfahrung gelehrt, alte und newe Theologi, Rechtsgelehrte und Arzet gestehen, die Hexen selber bekennen und die unverneinlichen unläugbaren Exempel erweisen.“ Bei den Hexenprozessen lehnt er jedoch die > Wasser- und die > Tränenprobe oder das Abschneiden der Haare ab. Auch die Denunziation als Teilnehmer von > Hexensabbaten erscheint ihm als „kein gewüsser Beweisse thumb der Hexerey und Zauberey“.

In Fragen der Prozessführung verweist er den Leser vor allem auf den Juristen Benedikt Carpzow, einen Vertreter von rigiden Verfolgungen auf der Grundlage des > Hexenhammers. Dementsprechend gilt für A. der Teufelsbund auch ohne > Schadenzauber als todeswürdiges Verbrechen. Nichts abgewinnen kann er dem Argument, die Hexen seien „arme schwache weiblin“, die sich gegen die Verführung des Teufels nicht zu wehren vermochten oder nur unter melancholischen Einbildungen litten und somit gar nicht schuldfähig seien.

W.: Anhorn, Bartholomaeus: Magiologia. Christliche Warnung fuer dem Aberglauben un[d] der Zauberey: Darinnen gehandlet wird Von dem Weissagen, Tagwellen und Zeichendeuten, von dem Bund, der Zauberer mit dem Teufel: von den geheimen Geisteren, Waarsagen, Loosen und Spielen: von den Duellen … Von dem Grewel der Zauberey, der Zauberer Straff, und muegligkeit der Bekehrung zu Gott … fuergestelt Durch Bartholomäum Anhorn, Pfarrern der Evangelischen Kirchen und Gemeind zu Bischoffzell. Basel: Meyer, 1674.

Anhydrit (griech. ánhydros, wasserarm), heilkräftiger Stein, der praktisch wasserfreier Gips ist. Der Stein gehört in die Mineralklasse der Sulfate und kommt in Pastelltönen von zartem Grau, Blau und Rot vor oder kann auch farblos sein. Der Name des A.s wird auch mit Engeln assoziiert, da er vor 1800 den Namen Angelit trug. Daher wird er in der englischen Literatur für > Astralreisen empfohlen. Allgemein wird der A. jedoch bei psychischen Belastungen eingesetzt, auch zur Vorbeugung schizophrener Schübe, und stabilisiert und erdet labile Persönlichkeiten. Auf der körperlichen Ebene wirkt der Stein bei Störungen der Nierenfunktion und des Wasserhaushalts, entgiftet und baut Gewebeschwellungen ab.

Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.

Ani, etruskischer Gott, der auf der berühmten > Bronzeleber von Piacenza, im Nordpunkt, d. i. im höchsten Himmel, lokalisiert ist. Die Bronzeleber ist eine Nachbildung einer Schafsleber und war offenbar ein Lehrmodell für etruskische > Haruspices. Ihre einzigartige Bedeutung besteht darin, dass sie die erwähnte etruskische Himmelseinteilung in 16 Göttersitze zu rekonstruieren hilft. Etymologisch könnte der Name A. mit dem des römischen Gottes > Janus zusammenhängen.

Lit.: Pfiffig, Ambros Josef: Religio etrusca: sakrale Stätten, Götter, Kulte, Rituale. Wiesbaden: VMA-Verl., 1998; Roch, Marianne: Die Bronzeleber von Piacenza – Templum – Augures. Hamburg, 2002.

Aniel, der 37. Engel in der Kabbala, bedeutet „Gott der Tugend“. Er gehört zum Chor der Mächte und ist den von 24. bis 28. September Geborenen zugeschrieben. Durch seine Anrufung können angeblich Wissen, künstlerischer Sinn und Macht über den Gegner erlangt werden. A. unterstehen Wissenschaft und Kunst, das Eindringen in die Naturgeheimnisse sowie die Inspirationen der Philosophen und Weisen.

Lit.: Weinfurter, Karl: Mystische Fibel: ein Handbuch für die Schüler der praktischen Mystik; erster Band / Dt. Bearb. v. Erich Sopp. Sersheim / Wttbg.: Osiris Verlag, 1954.

Anima (griech. anemos, Hauch, Wind), ursprüngliche Bezeichnung von „Atem“, im Unterschied zu spiritus, dem „Atemzug“. Bis in die römische Kaiserzeit wurde A. streng von > Animus, dem eigenständigen Leben und Wirken des Menschen, getrennt.

In der scholastischen Philosophie des Mittelalters, insbesondere bei Thomas von Aquin, bekommt die Seele in Anlehnung an Aristoteles die Bedeutung einer forma corporis, einer Gestaltungskraft des Körpers, und folgende Gliederung: anima vegetativa, Pflanzenseele, insoweit sie die Körperfunktionen regelt; anima sensitiva, die empfindende, wahrnehmende Seele, die Tierseele; anima rationalis, die Geistseele, die Seele des Menschen, die unkörperlich ist und daher den Tod des Körpers überdauert.

Lit.: Scheffczyk, Leo: „Unsterblichkeit“ bei Thomas von Aquin auf dem Hintergrund der neueren Diskussion: vorgetragen am 9. Dezember 1988. Bayer. Akad. d. Wiss. München: Beck, 1989; Jüttemann, Gerd / Sonntag, Michael / Wulf, Christoph (Hg.): Die Seele: ihre Geschichte im Abendland. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 1991; Schulze, Markus: Leibhaft und unsterblich: zur Schau der Seele in der Anthropologie und Theologie des hl. Thomas von Aquin. Freiburg, CH: Univ.-Verl., 1992; Aristoteles: Von der Seele. [Aus dem Altgriech. übers. von Olof Gigon]. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1996.

Anima, Animus (lat.). In der Psychologie von C. G. > Jung werden die Begriffe „Anima“, „Animus“ in Anknüpfung an Sigmund Freuds Auffassung der Bisexualität als unbewusste Seelenbilder zu Archetypen von Mann und Frau der jeweils gegengeschlechtlichen seelischen Inhalte.

Anima hat sich als unbewusstes Seelenbild der Frau in der Psyche des Mannes als Niederschlag aus Erlebnissen an Frauen der Umgebung, aus meist verdrängten gegengeschlechtlichen Eigenschaften und aus all den Erfahrungen gebildet, die der Mann im Laufe der Menschheitsgeschichte mit dem weiblichen Geschlecht gemacht hat. Dieser aus Urzeiten herkommende Typus von Erfahrungen ist im kollektiven Unbewussten als Archetyp gespeichert und wird in der Projektion auf bestimmte Frauenfiguren erfahrbar. Solche Projektionen von Anima-Figuren finden sich in Märchen und Mythen, insbesondere aber in den vielfältigen Gestalten der Mutter.

Gleich der Anima hat sich der Animus als unbewusstes Seelenbild des Mannes in der Psyche der Frau gebildet. Als Archetyp wird er in der Projektion auf bestimmte Männerfiguren in Märchen, Mythen und Religionen erfahrbar, insbesondere in der Gestalt des Alten Weisen.

Lit.: Jacobi, Jolande: Die Psychologie von C. G. Jung: eine Einführung in das Gesamtwerk / Mit einem Geleitwort von C. G. Jung. 5., rev. u. erg. Aufl. m. 9 mehrfarb. u. 10 einfarb. Abb. u. 19 Diagrammen. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1967; Jung, Emma: Animus und Anima / Lilly Jung-Merker; Rüf, Elisabeth [Hg.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1967; Jüttemann, Gerd / Sonntag, Michael / Wulf, Christoph (Hg.): Die Seele: ihre Geschichte im Abendland. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 1991; Jung, C. G.: Die Archetypen und das Kollektive Unbewußte. Zürich; Düsseldorf: Walter, 91996 (Ges. Werke 9 / 1).

Anima Mundi (lat.) > Weltseele, zu unterscheiden von > Spiritus Mundi.

Anima separata (lat., vom Leib getrennte Seele). Die christliche Lehre von der A. besagt, dass der Mensch in seinem nichtmateriellen Personträger, der Seele, nicht dem Tod des Körpers anheimfällt und daher in einem Zwischenzustand verweilt, bis am Jüngsten Tag die Vollendung an Leib und Seele erfolgt. Bereits in diesem Zwischenzustand kann die Seele in der Anschauung Gottes als vollkommen selig gedacht werden, was Papst Benedikt XII. in der Bulle Benedictus Deus 1336 als verbindliche Glaubenslehre vorgelegt hat.

Während in der protestantischen Theologie die Auferstehung häufig gegenüber der Unsterblichkeit der Seele betont wird, da sie mit der Todesverfallenheit des Menschen nicht vereinbar sei, betont die katholische Theologie in der Unsterblichkeit der Seele eine vom Schöpfer gegebene Qualität des Menschen, welche die Identität des geschichtlichen mit dem vollendeten Menschen verbirgt. Im Lehrschreiben der Glaubenskongregation, „Zu einigen Fragen der Eschatologie“ (1979) wird betont, dass die Kirche am Begriff der Seele festhält. Im Zwischenzustand besteht das Ich des Menschen fort. Die letzte Vollendung erfolgt am Jüngsten Tag.

Lit.: Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.

Animal Psi, engl. Bezeichnung für paranormale Fähigkeiten von Tieren sowie für deren Erforschung. > Tiere, > Tierparapsychologie.

Lit.: Morris, R. L.: Animals and ESP. In: Psychic, Okt. 1973; Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt a. M.: Fischer, 1981; Shepard, Leslie A. (Ed.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology 1. Detroit: Gale Research Inc., ³1991; Sheldrake, Rupert: Der siebte Sinn der Tiere: warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher ungeklärte Fähigkeiten der Tiere. München: Econ, Ullstein, List Verlag, 2001.

Animalisch (lat., tierisch). In der Paranormologie bezeichnet man als „animalisch“ triebhafte Verhaltensformen, die nicht von der Persönlichkeitskontrolle getragen werden und insbesondere in Extremsituationen, wie bei Satanskulten und Besessenheitsfällen, gemeldet werden.

Lit.: Rodewyk, Adolf: Dämonische Besessenheit heute: Tatsachen und Deutungen. Aschaffenburg: Paul Pattloch, 1966; Zacharias, Gerhard: Satanskult und Schwarze Messe: ein Beitrag zur Phänomenologie der Religion. Wiesbaden: Limes, 21970.

Animalische Elektrizität. Von Luigi Galvani (1737 – 1798) 1791 geprägte Bezeichnung zur Erklärung der Ergebnisse seiner Froschschenkelexperimente. Bereits 1770 stellte man fest, dass der seit der römischen Antike bekannte Schock, den Torpedofische und andere Fische verursachten, auf elektrischen Entladungen beruhte. Als Galvani dann 1791 in dem berühmten Buch De viribus electricitatis seine Ansicht veröffentlichte, dass dem Tier selbst eine eigene organische Elektrizität innewohne, und zwar eine positive wie eine negative, brach unter Physikern, Physiologien und Ärzten eine wahre Flut von Experimenten mit Fröschen unter Verwendung unterschiedlicher Metalle los. Dabei wurde Alessandro Volta (1745 – 1827), Physikprofessor in Pavia, zum größten Gegner, indem er nach der Erfindung der voltaischen Batterie die Kontraktionen, bei denen Metalle im Spiel waren, auf die Stimulation von Muskeln oder Nerven auf schwache elektrische Ströme zurückführte. Galvani antwortete mit Experimenten ohne Metalle, in denen er das Vorhandensein der > Bioelektrizität endgültig nachweisen konnte.

Lit.: Galvani, Luigi: De viribus electricitatis in motu musculari: Commentarius. Bononiae, 1791; Galvani, Luigi: Abhandlung über die Kräfte der Electricität bei der Muskelbewegung: (Comm. Bonon. Sc. et Art. Inst. et Acad. T. 7); (1791). Thun [u. a.]: Deutsch, 1996; Bischof, Marco: Tachyonen – Orgonenergie – Skalarwellen: feinstoffliche Felder zwischen Mythos und Wissenschaft. Aarau, CH: AT Verlag, 2002.

Animalischer Magnetismus, auch Tierischer Magnetismus, bezeichnet nach Franz Anton > Mesmer eine spezifische Energie des menschlichen Organismus in Wechselwirkung mit den Himmelskörpern und der Erde. Diese Wechselwirkung wird nach Mesmer von unbekannten mechanischen Gesetzen bestimmt und von einem universalen Fluidum in Fluss und Gegenfluss getragen. Die Wechselwirkung zeigt sich besonders beim menschlichen Organismus, der analog zum Magneten verschiedene und entgegengesetzte Pole aufweist, die übertragen, verändert, zerstört und verstärkt werden können. Gerade diese Eigenart des tierischen Organismus, empfänglich zu sein für den Einfluss der Himmelskörper, und die Wechselwirkung der Gegenstände der Umgebung in Analogie zum Magneten veranlassten Mesmer 1779, hier von Animalischem Magnetismus zu sprechen.

Aktivität und Qualität des Animalischen Magnetismus können konzentriert, akkumuliert, reflektiert und auf belebte und unbelebte Körper, auch auf Entfernung hin, übertragen werden, wobei die einen oder anderen mehr oder weniger empfänglich sind. Es gibt nach Mesmer sogar lebende Organismen, die eine gegenteilige Eigenart haben, sodass allein ihre Gegenwart alle Wirkungen des magnetischen Effektes zerstört. Diese gegenteilige Qualität durchdringt ebenfalls alle Körper, kann akkumuliert, reflektiert und auf Entfernung hin übertragen werden. (Mesmer, S. 76 – 79)

Den Ausgangspunkt von Mesmers Theorie vom Animalischen Magnetismus bilden seine Dissertation De planetarum influxu (1766) und seine 1772 begonnene Anwendung des Magnetismus bei der Behandlung von Kranken. Der Ausdruck selbst geht auf den Jesuiten Athanasius > Kircher (1601 – 1680) zurück und fand dann im Rahmen der Loslösung der Hypnose von ihrem mythisch-religiösen Hintergrund besondere Beachtung.
Die drei Hauptgestalten in diesem Ablösungsprozess waren der katholische Priester und Exorzist Johann Joseph > Gassner (1727 – 1779), der Jesuit und Astronom Maximilian > Hell (1720–1792), der den Kranken zur Heilung Stahlplatten an den Körper legte, und eben der Arzt Franz Anton Mesmer, der, wie dargelegt, biomagnetische Kräfte in Wechselwirkung mit Kosmos und Umwelt als naturgegebene Wirkkraft bezeichnete und sie
Animalischen Magnetismus nannte. Da diese Deutung jedoch auf den entschiedenen Widerstand der offiziellen Wissenschaft stieß, wurde Mesmer als Scharlatan verschrien, weshalb er 1778 Wien in Richtung Paris verließ, wo er eine „magnetische Praxis“ errichtete. Seine Erfolge machten ihn zwar berühmt, doch lehnte ihn die Schulmedizin weiterhin ab. Im März 1780 setzte König Ludwig XVI. von Frankreich eine Kommission zur Begutachtung ein. Diese bezeichnete 1784 die magnetischen Phänomene als Einbildung, als Suggestion, ohne allerdings Mesmers Heilerfolge in Frage zu stellen. Damit setzte sich die psychologische Deutung der sog. „magnetischen Phänomene“ durch. Das Verständnis der Hypnose verlagerte sich von der „äußeren Kraft“ des Hypnotiseurs auf die „innere Kraft“, die Imagination des Klienten. So versucht man seit James > Braid (1795 – 1860), der den „magnetischen Schlaf“ als Neurypnologie und später als „Hypnose“ bezeichnete, als Suggestionseffekt zu verstehen.

Der bioenergetische Faktor von Hypnotiseur und Klient wurde hingegen ignoriert bzw. nicht erkannt. Allerdings wurde in einer zweiten Erklärung der Kommission 1785 eingeräumt, das für einige Erscheinungen eine besondere Kraft, eben das magnetische Fluidum, reklamiert werden könne.

Die anthropologische Relevanz dieser Erfahrungen wurde nur von wenigen, wie z. B. von A. Schopenhauer erkannt, der im Animalischen Magnetismus eine Experimental-Metaphysik sah. In der praktischen Anwendung wurde die Tradition des Heilmagnetismus sowohl von Ärzten wie Eberhardt Gmelin, Christoph Hufeland, Justinus Kerner, Dietrich Georg Kieser und Karl Passavant als auch von Laien wie Jean Philippe François Deleuze, Jules du Potet und Marquis de Puységur fortgeführt und spielt gegenwärtig angesichts der unüberschaubaren Zahl an Heilern eine nicht gerade unbedeutende Rolle. Die Schulmedizin lehnt die bioenergetische Heilkraft nach wie vor ab, weil sie weder psychologisch noch physikalisch zu erklären ist. Dass der lebende Organismus eine eigene Wirkkraft hat, ist offensichtlich, liegt aber noch jenseits jeder wissenschaftlichen Erklärung. Der Begriff Magnetismus ist in diesem Zusammenhang missverständlich.

Lit.: Mesmer, Franz Anton: Mémoire sur la découverte du magnétisme animal. Paris: Didot, 1779; Kieser, Dietrich Georg: System des Tellurismus oder thierischen Magnetismus: Ein Handbuch. Neue Ausgabe. Leipzig: Herbig, 1826; Mesmer, Franz-Anton: Le Magnétisme Animal / M. e. Einführung von Robert Amadou; Kommentare und Bemerkungen von Frank A. Pattie und Jean Vinchon. Paris: Payot, 1971; Wolters, Gereon (Hg.): Franz Anton Mesmer und der Mesmerismus: Wissenschaft, Scharlatanerie, Poesie. Konstanz: Univ.-Verl., 1988; Bischof, Marco: Tachyonen – Orgonenergie – Skalarwellen: feinstoffliche Felder zwischen Mythos und Wissenschaft. Aarau, CH: AT Verl., 2002.

Animalismus (lat. animal, Tier), Tierverehrung, Bezeichnung für die in Jägerkulturen herrschende Vorstellung, dass Tiere beseelt und menschenähnlich oder sogar übermenschlich mächtig seien. Die furchterregende Fremdartigkeit etwa der Schlange, die Überlegenheit hinsichtlich Schnelligkeit, Stärke und Fruchtbarkeit (Stier, Kuh, Vogel), erwecken ein numinoses Erstaunen. Dies äußert sich in Vorstellungen vom Tier als Schutzgeist und zweitem Ich, dem tierischen > Alter Ego (von der Doppelseele, die in einem menschlichen Individuum und in einer Tiergestalt anwesend ist), im Glauben an die Wiedergeburt im Tier, in bestimmten Praktiken, wie der Bitte um Versöhnung mit dem getöteten Tier, im Wahrsagen aus Tierknochen, in den zahlreichen Formen der > Jagdmagie und vor allem in Tierpantomimen. Häufig erfolgt auch eine „Bestattung“ von Körperteilen der erlegten Tiere, um die Wiederbelebung und Erhaltung des Wildes zu sichern. Der A. findet sich daher vor allem bei Hirten- und Jägerkulturen, in Ägypten oder im Hinduismus und gilt als Vorläufer des > Totemismus.
Diese Vielfalt der Tierverehrung insbesondere als Schutzgeist findet heute im Maskottchen ihren magischen Niederschlag.

Lit.: Hopfner, Theodor: Der Tierkult der alten Ägypter nach den griechisch-römischen Berichten und den wichtigeren Denkmälern. Wien: Hölder, 1913; Aram, Kurt: Magie und Zauberei in der alten Welt. Berlin: Deutsche Buch-Gemeinschaft GmbH, 1927; Zerries, Otto: Wild- und Buschgeister in Südamerika: eine Untersuchung jägerzeitlicher Phänomene im Kulturbild südamerikanischer Indianer. Wiesbaden: Steiner, 1954.

Animatismus (lat. animatus, beseelt) bezeichnet die Beseelung sämtlicher Elemente der Natur und aller Gegenstände des menschlichen Gebrauchs (> Allbeseelung, Panpsychismus). Der Begriff erhielt durch die Theorie von Robert R. Marrett insofern besondere Bedeutung, als diese A. als Glauben an eine unpersönliche, omnipräsente Naturkraft versteht, der am Anfang aller Religionen gestanden habe. Der naive Mensch erkenne in allem, was ihm als Auffälliges begegnet oder was auf ihn nachdrücklich wirkt, etwas Seelisches. A. wird von anderen als Vorstufe des > Animismus, als > Präanimismus, bezeichnet. Die Vertreter der A.-Theorie sahen u. a. auch in den Konzepten des > Mana, > Manitu, > Wakonda und > Orenda eine Ausdrucksform dieses „Kräfteglaubens“ (> Dynamismus).

Lit.: Marret, Robert R.: The Threshold of Religion. London: Methuen, 1909; Wundt, Wilhelm: Mythus und Religion; Teil 1. 4., unveränd. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1926; Tylor, Edward Primitive Culture. Reprinted in 2 vols.: Vol I, The Origins of Culture; Vol. II, Religion in Primitive Culture. New York: Harper Torchbooks. 1958 (1871).

Animismus (lat. anima, Seele), Glaube an die Beseeltheit der Natur und die Naturkräfte bei Natur- und Kulturvölkern als Deutung der Eigenart der kosmischen Phänomene und der persönlichen Umwelt. Diese Anschauung könnte nach Edward Burnett Tylor (1832 – 1917), der sich zur Erklärung von Religion eingehend mit dem Animismus befasste, aus Traumerfahrungen entstanden sein, in denen der Mensch sich selbst unkörperlich erlebt und in denen auch Verstorbene auftreten. Tylor bezeichnete daher den Animismus als die früheste nachweisbare Religionsform und trat damit in Widerstreit zu den Vertretern eines > Präanimismus, nach denen der Mensch zunächst noch keinen Seelenglauben besaß, sondern die Natur allgemein für belebt hielt (daher auch > Animatismus). Tylors animistische Entstehungstheorie der Religion geht zudem am Faktum vorbei, dass sich bereits bei den Naturvölkern der Eingottglaube findet, der Glaube an vergöttlichte Seelen nicht das früheste Stadium der Religionsgeschichte bildet und außerdem nicht universal verbreitet ist. Ferner sind die in der Religionsgeschichte verbreiteten Seelenvorstellungen zu komplex, um einfach als Folge des Animismus gedeutet zu werden.

Den Begriff Animismus selbst entnahm Tylor der älteren Psychologie, vor allem in Anlehnung an dessen Verwendung durch den deutschen Mediziner und Chemiker Georg Ernst Stahl (1659 – 1734), der die Seele als Bildnerin des Leibes betrachtete.

Die Ansicht, dass die Seele (das Seelische) das Prinzip des Lebens und des Lebendigen sei, findet sich allerdings schon bei den ionischen Naturphilosophen (> Hylezoismus), bei Aristoteles, den Stoikern. In der Scholastik spricht Thomas von Aquin von anima vegetativa und sensitiva. In der Renaissance-Philosophie wird das Leben auf einen „spiritus“, „archeus“ u. dgl. zurückgeführt, so von Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, van Helmont, Telesius u. a. Auch Leibniz und Schelling vertreten den Animismus. Nach Wundt ist Animismus diejenige metaphysische Anschauung, welche in der Überzeugung des durchgängigen Zusammenhangs der psychischen Erscheinungen mit der Gesamtheit der Lebenserscheinungen die Seele als das Prinzip des Lebens auffasst.
Dieses Prinzip des Lebens deckt sich mit der Psyche der Psychologen, die zwar ein hohes Maß an Selbständigkeit besitzt, aber letztlich an den Körper gebunden ist. In dieser Bedeutung wurde der A. von Alexander > Aksakow (1832–1903) in die Parapsychologie eingeführt, um dem Geistprinzip > Spiritismus ein Lebensprinzip entgegenzustellen, das dann von J. B. > Rhine mit > Psi als etwas Nicht-Physisches bezeichnet wurde, welches aber dennoch Teil des genetischen Systems des Organismus sei. Damit wird der Animismus in der Parapsychologie als Psi zum Erklärungsmodell des Außergewöhnlichen als relativ freie, aber doch an die Körperlichkeit gebundene Kraft, die mit dem Tod des Körpers erlischt. Die Frage eines geistigen Personträgers, der den Tod überdauert, wird bewusst nicht mehr gestellt, weil A. als
Psi jede Form des Spiritismus ausschließt. Damit sind auch alle Fragen des Fortlebens nach dem Tode, der Geister und Geistererscheinungen rein innerpsychisch, d. h. mit Psi zu deuten.
Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass eine immanente, innerpsychische Erklärung eine spirituelle Einwirkung, sei es von innen als geistiger Personträger oder Geistseele wie auch von außen als Geistwesen, nicht ausschließt.

Lit.: Stahl, Georg Ernst: Theoria medica vera: physiologiam & [et] pathologiam, tanquam doctrinae medicae partes vere contemplativas e naturae & [et] artis veris fundamentis, intaminata ratione & [et] inconcussa experientia sistens. Halae, 1708; Aksakov, Aleksandr Nikolaevic: Animismus und Spiritismus: Versuch einer kritischen Prüfung der mediumistischen Phänomene mit besonderer Berücksichtigung der Hypothesen der Halluzination und des Unbewussten; als Entgegnung auf Dr. Ed. v. Hartmanns Werk: „Der Spiritismus“. Leipzig: Mutze, 1919; Resch, Andreas: Animismus. In: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen: Fakten, Hintergründe, Klärungen / Hans Gasper; Müller, Joachim; Valentin, Friederike [Hg.]. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 1990; Anacker, Stefan H.: Animismus: Folge von defizitärem Wissen über Lebewesen und nichtlebenden Objekten oder Produkt von verstärkter Phantasietätigkeit / der Versuch eines Entscheidungsexperiments. Göttingen: Univ., Inst. f. Psychol., 1998; Wundt, Wilhelm: Völkerpsychologie: eine Untersuchung d. Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus u. Sitte; in 10 Bd. Neudr. Aalen: Scientia-Verlag; Wundt, Wilhelm: Grundzüge der physiologischen Psychologie. Bristol: Thoemmes Press, 1998.

Animismus, kindlicher. Spielgegenstände,
wie bspw. ein Teddybär, werden mit Leben versehen, physikalische Prozesse wie Gewitter, Nebel, Schnee usw. mit dem zürnenden Himmel, mit Schleiern von Feen u. Ä. in Verbindung gebracht. Tiere und Pflanzen sprechen und unterhalten sich. All diese Erlebnisse sind getragen von Angst und gleichzeitiger Sehnsucht nach Geborgenheit mit der gesamten Umgebung, die nach allen Seiten hin mit Leben, Gefühl und Wissen erfüllt ist.

Lit.: Condrau, Gion (Hg.): Transzendenz, Imagination und Kreativität: Religion – Parapsychologie – Literatur und Kunst. Zürich: Kindler, 1979.

Animisten, Vertreter des Animismus, speziell Parapsychologen, die alle paranormalen Vorgänge auf besondere psychische Kräfte von Personen zurückführen, eine Geistseele aber, die den Tod überlebt und leibfrei existieren kann, sowie jedwede Einwirkung geistiger Wesenheiten und daher den > Spiritismus ablehnen.

Lit.: Hutten, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten: das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen / M. e. Vorw. v. Hans-Diether Reimer. Stuttgart: Quell Verlag, 141989; Raupert, J. Godfrey: Die Geister des Spiritismus: Erfahrungen und Beweise. Innsbruck; Wien; München: Tyrolia, o. J.

Animozentrik (Seele-zentriert), astrologische Lehre, nach der bei allem Tun die Seele des Menschen den Mittelpunkt des Interesses bilden sollte. So verzichtet sie zum Teil auf das Erstellen von prognostischen Horoskopen und versucht durch Techniken der Meditation im Vorstellungsraum Zeichen und Signale prognostischer Art zu sehen, da Prognosen mit Hilfe von Horoskopen einen Menschen zum Gefangenen der Sterne machen können. Der Mensch wird nicht durch kosmische Gesetze bestimmt, sondern er kann sich vielmehr durch eine geistige und spirituelle Entfaltung seiner eigenen Seele innere Freiheit verschaffen.

Lit.: Sahihi, Armann: Das neue Lexikon der Astrologie: 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf; München: Ariston, 1991.

Animus (lat.), Inbegriff des Denkens, Fühlens und Wollens des Menschen in Form von Stimmung, Mut, Verlangen Vorhaben, Absicht, ja sogar Stolz. Bis in die römische Kaiserzeit war A. daher ein Gegenbegriff zu > Anima, dem atemspendenden Lebensprinzip überhaupt. Bei Augustinus ist A. im Unterschied zur leibgebundenen Seele, der Anima, die von göttlicher Liebe geleitete und Einsicht gewährende menschliche Fähigkeit, die wie der mens, der Geist, zu den höheren Seelenvermögen gehört und dem ‚Intellectus‘, dem Intellekt, gleichkommt. C. G. Jung bezeichnet mit „Animus“ den Archetypus des Mannes in der Frau und mit „Anima“ den Archetypus des Weiblichen im Mann.

Lit.: Jung, Emma: Animus und Anima / Lilly Jung-Merker; Rüf, Elisabeth [Hg.]. Zürich; Stuttgart: Rascher, 1967; Jung, C. G.: Die Archetypen und das Kollektive Unbewusste. Zürich; Düsseldorf: Walter, 91996 (Ges. Werke 9 / 1); Wörterbuch der philosophischen Begriffe: begründet von Friedrich Kirchner und Carl Michaelis, fortgesetzt von Johannes Hoffmeister, vollständig neu hg. von Arnim Regenbogen u. Uwe Meyer. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1998.

Anios (griech.), König von Delos, Sohn des > Apollon und der Rhoio, wurde von Apollon als dessen Priester aufgezogen, nachdem ihn seine Mutter in Delos auf Apollons Altar gelegt hatte. Er war Freund des > Anchises und zeugte außer einem Sohn die drei Töchter Elais, Oino und Spermo, die auf Wunsch, Wein, Getreide und Öl hervorbringen konnten, womit A. der Überlieferung nach die Griechen vor Troia versorgte. Ein günstiger Wind trieb die Flotte des Aeneas zu Anios.

Lit.: Vergilius Maro, Publius: Aeneis: lateinisch-deutsch. In Zusammenarbeit mit Maria Götte hg. und übers. von Johannes Götte. Düsseldorf; Zürich: Artemis und Winkler, 2000; Holzapfel: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 2002.

Aniruddha (sanskr., „ungehindert“), Beiname Vaharas, des dritten > Avatars von > Vishnu. Vahara ist ein Eber, in den sich die Daitya-Prinzessin Usha verliebt. Mit Hilfe magischer Kräfte holt sie ihn in ihre Kammer. Ihr Vater Bana schickt seine Häscher zu A. Dieser tötet seine Angreifer, woraufhin ihn Bana gefangen nimmt. Als > Krishna und sein Bruder > Balarama davon hören, eilen sie A. zu Hilfe. In der folgenden Schlacht schlagen sich > Shiwa, der Zerstörer, und > Karttikeya, der Gott des Krieges, auf die Seite Banas, der aber den Kampf trotzdem verliert. Shiwa muss nun Krishnas Vorherrschaft anerkennen. Das Leben von Bana wird jedoch geschont und A. kann mit seiner Prinzessin heimkehren.

Lit.: Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens. Reichelsheim: Edition XXL GmbH, 2000.

Anis (Pimpinella anisum L., syn. Anisum vulgare GAERTN.), auch Andreaskraut genannt, weißblühende Heilpflanze aus der Familie der Doldenblütler. Die Pflanze kommt aus dem Orient und wurde in den östlichen Mittelmeerländern seit alters kultiviert, während sie in Deutschland seit dem frühen Mittelalter angebaut wird. Die Gewürzpflanze mit den aromatischen Früchten wird schon von > Dioskurides lobend erwähnt (Dioskurides, III, 56). Ihre Früchte sollen ihm zufolge schmerzstillend und harntreibend wirken, hilfreich sein gegen den Biss giftiger Tiere und außerdem aphrodisische (> Aphrodisiakum) Wirkung zeigen. Neuere Erkenntnisse bezeichnen den A. als krampflösend, gut gegen Blähungen und unterstützend bei Erkrankungen der Atemwege. Weitere Namen für den A., wie Süsser Kümmel, Welscher Fenchel, Mutterkraut und Lausölpflanze, lassen noch andere Möglichkeiten der Anwendung dieser Pflanze erkennen.
A. ist auch eine der vielen verschiedenen Zusatzstoffe zu Betelbissen (Rätsch, 729) und steht zudem auf der Zutatenliste der Orientalischen Fröhlichkeitspillen sowie verwandter Zubereitungen (Rätsch, 772).

Auch dem A. hängt der Ruf einer zauberkräftigen Pflanze an, die vor allem Schutzfunktion haben soll. > Amuletten werden daher gerne die Samen des A. zugefügt.
Nicht zuletzt enthält A. ätherisches
> Anisöl.

Lit.: Dioskurides: Pedanii Dioscuridis Anazarbei de materia medica libri V ed. M. Wellmann. 3 voll. Berolini 1907 – 1914. Dt. Übersetzung von J. Berendes. Stuttgart, 1902; Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 3. Stuttgart: Hirzel, Wiesbaden: Steiner, 1977; Schöpf, Hans: Zauberkräuter Graz: ADEVA, 1986; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium. Speyer: Die Sanduhr, ²1995; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Anisöl, > ätherisches Öl, das aus den Samen der Anispflanze (> Anis) gewonnen wird. Die Anwendung von A. wird besonders bei Magen- und Darmkrämpfen, Niesanfällen, Husten und Brustverschleimung empfohlen. In Kombination mit anderen ätherischen Ölen von > Melisse, Bitterorange (> Neroli) und > Römischer Kamille soll es angenehme Träume hervorrufen (Fischer-Rizzi, 195).

A. enthält vor allem den Wirkstoff trans-Ane-
thol (Rätsch, 729).

Lit.: Fischer-Rizzi, Susanne: Himmlische Düfte. Aromatherapie. Anwendung wohlriechender Pflanzenessenzen und ihre Wirkung auf Körper und Seele. München: Hugendubel, ²1989; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991; Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau, CH: AT, 1998.

Anitya (sanskr., „Unbeständigkeit“). Nichts ist von Dauer, alles ist im Fluss von Werden und Vergehen, alles ist > Maya, deren einzige Beständigkeit der Wandel ist. Ohne die Erkenntnis dieser Vergänglichkeit, auf der die Leidhaftigkeit des Daseins beruht, gibt es keinen Eintritt in den überweltlichen Pfad.

Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen / Ingrid Fischer-Schreiber; Ehrhard, Franz-Karl; Friedrichs, Kurt; Diener, Michael S. (Hrsg.). Bern: Scherz, 1986.

Anjin, auch Anshin (jap.), Friede des Geistes, ein Bewusstseinszustand, der sich nach Auffassung des > Buddhismus nur in der Erfahrung der > Erleuchtung einstellt. Im > Zen gilt die Praxis von > Zazen als einer der kürzesten Wege zur Erlangung des Friedens des Geistes.

Lit.: Diener, Michael S.: Das Lexikon des Zen: Grundbegriffe und Lehrsysteme, Meister und Schulen, Literatur und Kunst, meditative Praktiken, Geschichte, Entwicklung und Ausdrucksformen von ihren Anfängen bis heute. Bern; München; Wien: Otto Wilhelm Barth Verlag, 1992.

Anker (lat. ancora, griech. ankyra), der eiserne Haken zum Festmachen der Schiffe wurde über die Römer bekannt. In der Antike war der A. Attribut verschiedener Meeresgottheiten, vor allem > Neptuns. Da der A. bei Sturm den einzigen Halt des Schiffes bedeutet, ist er Symbol der Hoffnung; als solches finden wir ihn auch in Hebr. 6,  18ff. Im Christentum wurde er zudem noch zum Sinnbild des Glaubens als Verankerung mit Gott. Zur Zeit der Christenverfolgungen war der A. mit dem Querbalken unter dem Ring auch ein heimliches Zeichen für das Kreuz. Seit Beginn des 3. Jhs. findet er sich auf von Christen benutzten Siegelringen, Gemmen sowie auf christlichen Grabinschriften. Der A. wird sehr oft mit Fischdarstellungen verbunden. Im Mittelalter verschwand die A.-Symbolik, um im 15. Jh. wieder aufzutauchen, besonders in Verbindung mit der Spes, der Hoffnung. Diese Symbolik wurde dann vom 17. bis zum 19. Jh. zum alleinstehenden Motiv in der Grabmalkunst. Bei den Reformierten gilt der A. als Symbol der Kirche. Das Ankerkreuz dient in verschiedenen Abwandlungen auch als Wappen, meist christlicher Vereinigungen, oder bildet als Wappenteil eine Brücke zur Heraldik.

Lit.: Dictionnaire d‘archéologie chrétienne et de liturgie / hg. von F. Cabrol und H. Leclercq. Paris: Letouzey, 1907 – 1953; Kennedy, Ch.: Early Christians and the Anchor, Biblical Archaeologist 38 (1975); Schwarz-Winklhofer, I. / Biedermann, H. (Hg.): Das Buch der Zeichen und Symbole. 3., verb. u. verm. Aufl. Graz: Verlag für Sammler, 1990.

Ankh (ägypt., Leben). Ägyptische Hieroglyphe, auch Ankh-Kreuz, Lebensschleife oder > Henkelkreuz genannt, symbolisiert die Befruchtung der Erde durch die Sonne sowie das Leben. Es findet sich in der ägyptischen Kunst, in der Hand von Göttern und Königen und auf den Wandreliefs in den Pyramiden. So trug die ägyptische Göttin der Wahrheit, > Ma’at, ein Henkelkreuz. Bei der Darstellung von Bestattungsritualen wird es oft oben, an der Seite der Schleife, gehalten.

Die christlichen Ägypter, die Kopten, übernahmen das Zeichen unter dem Namen Henkelkreuz (crux ansata) als Symbol für die lebensspendende Kraft des Kreuzes und für Christus als die Sonne des Heils. Auf Grabstelen ist es oft zusammen mit den Zeichen > Alpha und Omega zu sehen.

Bei den > Druiden gilt das Ankh-Kreuz als Heilungsstab. Die Heilungsfunktion bezieht es aus der genauen Anordnung der Balken. Es symbolisiert Frieden, Glück, Zufriedenheit, zukünftiges Leben. Gleichzeitig sind im oberen Teil das Weibliche und im unteren Teil das Männliche enthalten. In einer weiteren Deutung umfasst der obere Teil den Bereich des unterägyptischen Nildeltas, der untere Teil den oberägyptischen Nil und beide zusammen das ober- und unterägyptische Reich.

Schließlich wird dem Ankh-Kreuz, gleich den > Pyramiden, eine starke Schwingung kosmischer Energie zugesprochen.

Lit.: Lurker, Manfred: Wörterbuch der Symbolik. 5., durchges. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1991; Rauscher, Walter H.: Heilende Kräfte der Pyramiden-Energie und ihre praktische Anwendung. Karlsruhe: Fidelitas Verlag W. H. Rauscher, 1997; Herder-Lexikon Symbole. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 72000.

Anklopfen hat zunächst die Bedeutung der Bitte um Einlass und Aufnahme: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Mat 7,  8; Luk 12,  36)

Bei einer > Loge klopft man an, um in den Bund aufgenommen zu werden.

A. bedeutet aber auch so viel wie „ankommen“. Wenn die letzte Stunde kommt und der Tod anklopft, dann heißt es gehen. Gehen heißt es auch, wenn das Gericht anklopft.
Schließlich hat A. noch die Bedeutung einer Warnung. So soll man, wenn man bei Nacht einen Besuch macht, nicht an die Zimmertür klopfen, denn bei Nacht klopfen die Hexen an. Wer hingegen mit den Füßen anklopft, der ist willkommen, weil er die Hände voll hat.

Lit.: Gossner, Johannes: Das Anklopfen des Heilandes vor der Tür des Menschen. Konstanz: Hirsch, 1929; Grimm, Jacob: Deutsches Wörterbuch / Hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1. Leipzig: Hirzel, 1954; Fischer, Hermann: Schwäbisches Handwörterbuch: schwäbisch-deutsch, deutsch-schwäbisch / auf der Grundlage des „Schwäbischen Wörterbuchs“ von Hermann Fischer und Wilhelm Pfleiderer bearb. von Hermann Fischer und Hermann Taigel. Tübingen: Laupp, 1999.

Ankoppelungsphänomen. Bezeichnet nach Otto Bergsmann die physikalische Veränderung eines biologischen Substrats durch externe Feldstärken ohne Zwischenschaltung von Transmissionsmechanismen. Bei derartigen Erscheinungen handelt es sich meist um sehr schnell vor sich gehende Funktionsänderungen, die scheinbar ohne direkten Einfluss des Agens ablaufen. Sie treten ohne Einverleibung einer Substanz und ohne sensorisch wahrnehmbare Störgröße auf. Die Wirkung kann nur als die Veränderung eines technisch registrierten Parameters, einer somatischen oder psychischen Leistung erfasst werden. Die Basis dieser empirisch gefundenen Erscheinungen ist noch weitgehend unerforscht, könnte nach Bergsmann aber durch ultraschwache oder fernreichweitige Felder mitbedingt werden. Zu den bekanntesten Ankoppelungsphänomenen gehören laut Bergsmann: > Wetterfühligkeit; die elektrobiologische Ankoppelung, die in der > Baubiologie getestet wird; der Medikamententest der > Elektroakupunktur (EAV, BFD), der RAC (Auriculo-cardialer-Reflex), der kinesiologische Muskeltest, das Radiästhetische Rutenphänomen, die Wirkung des low power-Lasers.

Lit.: Bergsmann, O.: Bioelektrische Phänomene und Regulation in der Komplementärmedizin: eine Einführung. Wien: Facultas Universitätsverlag, 1994.

Ankou ist nach bretonischer Überlieferung der Name des Todes, aber auch des Todesboten. Alten und kranken Menschen erscheint „Père Ankou“ in vielerlei Gestalten in Träumen und Visionen, und zwar nicht immer als gefürchteter Feind, sondern vielfach auch als Befreier aus hartem Geschick, ähnlich wie > Gevatter Tod in der deutschen Volksüberlieferung. Dabei tritt A. meist als schattenhaft erscheinender, großer Mann im dunklen Mantel auf.

In manchen Sagen nimmt der dunkle Todesbote auch spukhafte Züge an und wirkt wie ein tier- oder menschengestaltiger Dämon.

Gelegentlich wird A. als „Friedhofswächter“ bezeichnet, der über den Frieden der Toten zu wachen hat und jenen erschreckt und bestraft, der die Grabesruhe stört. Berichte darüber gibt es in ganz Europa. Damit ist auch der Volksglaube verbunden, demzufolge man früher bei Errichtung eines neuen Friedhofes im ersten Grab irgendein unglückliches Opfer bei lebendigem Leib beerdigte, das dann zum A., dem geisterhaften „Friedhofswächter“, wurde.

Nicht selten sieht man im A. auch den im letzten Jahr Verstorbenen, der als Sensenmann „unter den Lebenden Ernte hält und sie auf einen wackeligen Karren mit quietschenden Rädern lädt“ (Delumeau).

Lit.: Delumeau, Jean: Angst im Abendland: die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1985; Borrmann, Norbert: Lexikon der Monster, Geister und Dämonen: die Geschöpfe der Nacht aus Mythos, Sage, Literatur und Film; das (etwas) andere Who is Who. Lizenzausgabe. Köln: Parkland, 2001.

Ankündigungen, innere Stimmen oder Empfindungen, auffällige Vorgänge, seltsame Zufälle die als Vorboten kommender Ereignisse, wie Todes- oder Unglücksfälle, aber auch als positive Begebenheiten verstanden oder gedeutet werden. > Präkognition.

Lit.: Zucker, Konrad: Psychologie des Aberglaubens. Heidelberg: Scherer, 1948.

Ankündigungstraum. Bezeichnung für einen Traum, in dem ein Ereignis vorangemeldet wird. Gegenstand der Ankündigung kann eine Heilung, eine Wiedergeburt oder sonst eine Begebenheit sein. So erscheint in sehr vielen Fällen dem Kranken der Heilige eines bestimmten Kultortes mit der Versicherung der baldigen Genesung, sofern der Betroffene an das Grab pilgere. Die Aufforderung nimmt nicht selten eine solche Intensität an, dass dieser sich unmittelbar zum Handeln verpflichtet fühlt. Es kommt aber auch vor, dass der Träumende die Wallfahrt an das Grab im Traum vorwegnimmt.

Ebenso kann sich der Traum auf die Wiedergeburt eines Kindes beziehen, d. h. die Voraussage enthalten, dass ein Mensch, der vorher gelebt hat, zurückkommen werde, um sich in einer bestimmten Familie zu inkarnieren. Die meisten dieser Träume ereignen sich gegen Ende der Schwangerschaft, am häufigsten unmittelbar vor der Geburt.

Lit.: Cranston, Sylvia: Wiedergeburt: ein neuer Horizont in Wissenschaft, Religion und Gesellschaft. München: F. Hirthammer Verlag, 1989; Wittmer-Butsch, Maria: Psychologische und parapsychologische Phänomene in Mirakelberichten und Kanonisationsakten aus Mittelalter und früher Neuzeit: Teil 2. Zürich; Freiburg i. Br.: Historisches Seminar d. Univ. Zürich; Institut f. Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Freiburg i. Br., 1999.

Ankunftsphänomen (engl. arrival case). Zufälliges Eintreffen einer Person, an die man gerade gedacht hat und deren Eintreffen sich genau in der Weise abspielt, wie man dies vorweggenommen hat, bis hin zur optischen Vorstellung. Das akustische Pendant ist der aus Norwegen bekannte > Vardögr.

Lit.: Martensen-Larsen, H.: An der Pforte des Todes: eine Wanderung zwischen zwei Welten / Mit einer Einführung von Karl Heim. 4. Aufl. Berlin: Furche Verlag GmbH, o. J.

Anky-Kele, der Gott des Meeres der nordostsibirischen Tschuktschen, der als Herr der (Wasser-)Tiere und somit der Nahrung auch Macht über Leben und Tod der Menschen hat.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 21989.

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Anna (hebr., Gnade, Gotteshuld, Anmut), heilig (Fest: 26 Juli), Frau des Joachim und Mutter Marias, deren legendäres Leben erstmals im 2. Jh. in dem in Syrien oder Ägypten verfassten Protoevangelium beschrieben wird. Im 5. und 6. Jh. wird die Beschreibung in Marienlegenden weiterverbreitet und erreicht im Mittelalter eine besondere Blüte. Seit 1501 wird in Düren die ehemals in Mainz aufbewahrte Annareliquie, ein Stück der Hirnschale, verehrt. Zeugen der Verehrung der A. sind die vielen Marienkirchen. A. wurde schon früh zur Patronin der Schwangeren und Gebärenden. In der weiteren Entwicklung dieses Patronatsdenkens erscheint A. als Schutzheilige der Ehe, der Witwen und Dienstboten, der Schiffer und des Bergbaus. A. wird auch gegen eine Reihe körperlicher Gebrechen angerufen.

Lit.: Anzenberger, Franz: Die hl. Mutter Anna, die Perle unter den Frauen: Eine Lehr- und Gebetsschule für Bräute, Frauen und Witwen. Kevelaer: Butzon & Bercker, 1913; Kleinschmidt, Beda: Die heilige Anna, ihre Verehrung in Geschichte, Kunst und Volkstum. Düsseldorf: L. Schwann, 1930; St Anna-Büchlein: Gebete u. Andachten zur Verehrung d. hl. Anna, d. Mutter d. seligsten Jungfrau Maria. Winterberg: Steinbrener, 1939.

Anna Katharina Emmerick > Emmerick, Anna Katharina.

Anna Maria Taigi > Taigi, Anna Maria.

Anna Perenna. Römische Gottheit, vielleicht etruskischer Herkunft. Einer Legende zufolge war sie die Schwester Didos, nach deren Tod sie zu Aeneas flüchtete, der damals in Latium lebte. Die Gattin des Aeneas, Lavinia, verfolgte sie aus Eifersucht. Sie musste fliehen und wurde in eine Nymphe verwandelt. Nach einer anderen Version verkaufte sie zur Zeit des römischen Ständekampfes zwischen Patriziern und Plebejern nach Ausweisung der Plebs auf den Heiligen Berg in Gestalt einer alten Frau den ausgewiesenen Plebejern Tag für Tag selbstgebackenen Kuchen, um sie vor einer Hungersnot zu bewahren. Zur Erinnerung an diese segensreiche Tätigkeit feierte man in Rom alljährlich am 15. März ein Volksfest im Grünen.

Lit.: Otto, W. F.: Anna Perenna, In: Wiener Studien 35 (1912), 322 – 331; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 8., erw. Aufl. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 1988.

Anna vom hl. Bartholomäus Garcia

(*11.10.1549 Almendral, Spanien, † 7.6.1626 Antwerpen, Belgien), selig (6. Mai 1917, Fest: 7. Juni), Karmelitin. Mit 21 Jahren trat A. in das Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen vom hl. Joseph in Avila ein und war die erste Laienschwester nach der Reform der hl. > Theresia von Avila, deren Assistentin sie nach der Profess am 15. August 1572 wurde. Von Theresia, die am 4. Oktober 1582 in ihren Armen in Alba de Tormes starb, lernte sie schreiben und einen tiefen Einstieg in das mystische Leben. Im Jahre 1571 soll ihr in Avila das erste Mal Christus erschienen sein, das zweite Mal 1583 in Alba de Tormes. 1604 begab sich A. mit vier Mitschwestern nach Frankreich, um auch dort die Reform einzuführen. 1605 wurde sie Priorin von Pontoise und 1608 von Tours. Als nächste Station folgte 1611 Belgien. Die Jahre von 1612 bis zu ihrem Tod 1626 verbrachte sie in Antwerpen. Nach ihrem Tod ereigneten sich zahlreiche Wunder.

Von ihrer tiefen Spiritualität zeugen die unter Gehorsam geschriebene Autobiografie sowie spirituelle Abhandlungen für die Novizinnen. Am 6. Mai 1917 wurde A. von Papst Benedikt XV. seliggesprochen.

Lit.: Autobiographie de la V. M. Anne de Saint-Barthelemi: compagne inseparable de Sainte Terese; avec commentaire et notes historiques par Marcel Bouix. Paris: Jacques Lecoffre, 1869; Obras completas de la Beata Ana de San Bartolome / edición crítica preparada por Julián Urkiza. Roma: Teresianum, 1981.

Annales des Sciences Psychiques. 1891 von Prof. Charles > Richet und Dr. X. Dariex gegründetes Monatsmagazin, das von 1905 – 1919 von Graf Cesar Baudi de Vesme herausgegeben wurde und damit die Revue des Etudes Psychique ablöste. 1919 wurde das Magazin durch > Revue Metapsychique, das offizielle Organ des > Institut Metapsychique International in Paris, ersetzt. Zwischen 1905 und 1910 wurde von Laura L. Finch eine englische Ausgabe unter dem Titel Annals of Psychic Science veröffentlicht.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Annali dello Spiritismo („Annalen des Spiritismus“), die erste spiritistische Zeitschrift Italiens. Sie wurde 1863 von Niceforo Filalete (Pseudonym von Prof. Vincenzo Scarpa) ins Leben gerufen und erschien bis 1898.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Anneberg (auch Aunabergius), nach der deutschen Mythologie ein Bergwerksdämon. So soll er einst in einer Silbermine, die zu seinem Wirkungskreis gehörte, 12 dort arbeitende Bergknappen allein mit seinem Atem getötet haben. Er war ein bösartiger und schrecklicher Dämon, der sich manchmal als riesiger Ziegenbock zeigte, dann wieder als Pferd mit übergroßem Nacken und furchterregenden Augen in Erscheinung trat. > Berggeister, > Bergwerk.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Annius von Viterbo (1432 – 1502). Der Dominikanerpater Giovanni Nanni da Viterbo, bekannter als Annius von Viterbo, veröffentliche 1494 – 1498 eine Sammlung von Manuskripten mit Kommentaren zu Texten, die fälschlicherweise Berosus, Cato, Xenophon u. a. zugeschrieben wurden und 1498 in Rom als sein Hauptwerk mit dem Titel Antiquitatum variarum volumina XVII erschienen. In diesen Schriften beschreibt A. weitläufig einen germanischen Stammbaum. Dies hatte fatalen Einfluss auf die Bildung des Mythos einer gemeinsamen Abstammung der Germanen und ihrer frühen Heldengeschichte, ausgelöst durch die Wiederentdeckung der Germania des römischen Historikers Tacitus im 15. Jh. Tacitus erwähnt nämlich im zweiten Kapitel seiner im Jahre 98 publiziertenGermania einen mythischen Stammvater der Germanen namens > Tuisto: „Die Germanen feiern in alten Liedern, den einzigen Denkmälern ihrer Überlieferung und Geschichte, einen erdgeborenen Gott Tuisto und seinen Sohn Mannus, den Urvater und Begründer ihres Stammes…“ Diese Ausführungen wurden nun von den deutschen Humanisten nach den genealogischen Beschreibungen der Germanen rezipiert, die A. den deutschen Gelehrten in einer raffinierten Synthese anbot.

Nanni integrierte nämlich antike Informationen in den biblischen Ursprungsmythos und behauptete in einem dem babylonischen Priester Berosus zugeschriebenen „Fragment“ (sog. Pseudo-Berosus), dass der einzig von Tacitus erwähnte germanische Tuiscon ein direkter Nachfahre des biblischen Noah sei. Aus germanischen Stammesnamen wie den Ingävonen, Herminonen, Istävonen, Sueben etc. leitete Nanni deren Stammväter ab, nämlich Ingävon, Herminon, Suevus usw. und konstruierte so eine völlig fiktive deutsche Urvätergenealogie. Nannis Pseudo-Berosus wurde nämlich in Deutschland zeitgleich mit der Taciteischen Germania rezipiert und war ab dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jhs. allgemein bekannt. Er suggerierte den deutschen Humanisten, dass die Deutschen aufgrund ihrer biblischen Wurzeln ein „uralt volck“, die älteste Nation Europas, das europäische Urvolk schlechthin seien.

So entwickelte sich in Deutschland Mitte des 16. Jhs. auf der Grundlage dieser Fälschung ein in Europa einzigartiger Stammväterkult. Dieser hatte die Funktion, das durch die Reformation in seinem Zusammenhalt gefährdete Heilige Römische Reich Teutscher Nation auf eine neue ideologische Grundlage zu stellen: Erstens sollte die Religionsspaltung durch den Gedanken einer gemeinsamen Abstammung aller Deutschen aufgehoben werden; zweitens sollte sich das Reich von seiner römischen Tradition lösen. 1543 erschien in Nürnberg die erste Tuiscongenealogie, die 12 Holzschnitte umfasste. Sie beginnt mit Tuiscon und endet mit dem ersten fränkischen Kaiser, Karl d. Großen (800 – 814).

W.: Berosi sacerdotis chaldaici antiquitatum libri quinque reliquorum antiquitatum authorum catalogum, sequens indicabit pagellacum commentariis Joannis Annii viterbensis. Wittebergae: Typis Martini Henckelij sumptibus Samuelis Seelfischij, 1612.

Lit.: „Römische Caesaren, germanische Stammväter und Römisch-deutsche Kaiser“. In: Die Kultur der Kleider. Zum hundertjährigen Bestehen der Lipperheideschen Kostümbibliothek. Hrsg. von Adelheid Rasche. Berlin, 1999; Hutter, Peter: Germanische Stammväter und römisch-deutsches Kaisertum. Hildesheim [u. a.]: Olms, 2000; Tacitus, Cornelius: Germania: lateinisch und deutsch. Übers., erl. und mit einem Nachw. hg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclam, 2000.

Anno lucis > A. L.

Anno Mundi (lat. ab creatione mundi, seit Erschaffung der Welt, Abk. A. M.), bezeichnet in der jüdischen Chronologie das Jahr berechnet vom Beginn der Schöpfung an. Wenngleich seit dem 9. Jh. 3762 und 3758 Jahre vor Christus als die Zeit der Schöpfung ausgewiesen wurden, wird von den Juden allgemein der 7. Oktober 3761 v. Chr. als fixes Datum der Schöpfung angenommen. So wurde in Jerusalem im September 1999 der Beginn des Jahres 5760 A. M. gefeiert.

Lit.: Vecchietti, Hieronymus: De anno primitivo ab exordio mundi ad annum iulianum accomodato et de sacrorum temporum ratione; [Augustae Vindelicorum], (1621).

Annus (lat.), Jahresgott. Eine schwäbische Zeichnung im sog. Jüngeren Kapiteloffiziumsbuch aus Zwiefalten (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. 2°415), entstanden um 1162, zeigt die kreisende Zeit, mit den zwölf Bildern des Tierkreises (innerer Ring) und den entsprechenden jahreszeitlichen Verrichtungen (äußerer Ring). In der Mitte sitzt der alte, sich stets erneuernde Jahresgott A. (Chronos), der in seiner Linken die Sonne, in der Rechten den Mond trägt. Aus dem Außenring blasen die zwölf Winde heraus und in den Ecken stehen die vier Jahreszeiten in passender Kleidung. A. bildet den Ruhepol des Ganzen, die Achse des Rades. Das Bild erinnert an Darstellungen des Kosmosmenschen bei > Hildegard von Bingen.

Lit.: Hildegard von Bingen: Welt und Mensch: das Buch „De operatione Dei“ / Aus d. Genter Kodex übers. u. erläutert v. Heinrich Schipperges. Salzburg: Otto Müller, 1965; Endres, Franz Carl: Das Mysterium der Zahl: Zahlensymbolik im Kulturvergleich / Schimmel, Annemarie. München; Kreuzlingen: Hugendubel, 1984.  

Annwfn oder Annwyn bezeichnet in der walisischen Mythologie die der sichtbaren Welt entgegengesetzte > Anderswelt. Die Etymologie des Wortes ist ungeklärt, es könnte sowohl „große Tiefe“ als auch „Nichtwelt“ oder „Innenwelt“ bzw. Unterwelt“ bedeuten.

A. wird als fernab gelegene Insel oder auch als unterirdisches Land vorgestellt. Es sei ein Land von außergewöhnlicher Schönheit und Wonne.

Lit.: The Mabinogion: from the Welsh of the Llyfr coch o Hergest (The Red Book of Hergest) in the Library of Jesus College, Oxford. London: Quaritch, 1877; Facsimile & Text of the Book of Taliesin. Llanbedrog: N. Wales, 1910 [i. e. 1915]; Maier, Bernhard: Lexikon der keltischen Religion und Kultur. Stuttgart: Alfred Kröner, 1994.

Annwyn > Annwfn.

Anomal, Anomalie (gr. anomalos, uneben), ungleich, von einem Gesetz / einer Regel abweichend, Abweichung vom Durchschnitt körperlich oder seelisch. > Anormal.

Anomale Erkenntnis (engl. anomalous cognition (AC)). Neuerer Sammelbegriff für > ASW.

Anomalien (griech. anómalos, ungleich, nicht entsprechend), Sachverhalte, die aus dem Rahmen des Üblichen fallen, von der Schulwissenschaft vernachlässigt, in keine existierende Theorie passen oder keiner fertigen Methodik zugänglich sind.

In der Psychologie versteht man unter A. im weitesten Sinn psychische Besonderheiten aller Art, im engeren Sinn alle nicht krankhaften seelischen Abweichungen von der Norm.

Paranormologisch werden mit A. alle physischen, psychischen und geistigen Eigenheiten bezeichnet, die von der Norm abweichen, jedoch nicht pathologisch sind. Dazu gehören insbesondere unerklärliche Naturereignisse, veränderte Bewusstseinszustände und außergewöhnliche geistige Leistungen.

Lit.: Resch, Andreas: Veränderte Bewußtseinszustände: Träume, Trance, Ekstase. Innsbruck: Resch, 1990 (Imago Mundi; 12); Resch, Andreas: Wunder der Seligen 1983 – 1990. Innsbruck: Resch, 1999.

Anomalistik bezeichnet das wissenschaftliche Bemühen, angebliche außergewöhnliche Ereignisse, die durch gegenwärtig akzeptierte wissenschaftliche Theorien nicht deutbar scheinen, anhand interdisziplinärer Untersuchungen einer Klärung zuzuführen. Der Begriff A. wurde 1973 von dem Anthropologen Roger W. Wescott geprägt und wird inzwischen von einigen unabhängigen Organisationen und Zeitschriften vertreten, wie der vom Astrophysiker Peter Sturrock gegründeten „Society for Scientific Exploration“ (SSE) mit der Zeitschrift Journal of Scientific Exploration, dem mehrbändigen „Sourcebook Projekt“ von William Corliss, dem „Center for Scientific Anomalies Research“ des Soziologen Marcello Truzzi in Verbindung mit der Zeitschrift Zetetic Scholar, den Fortean Studies unter dem Herausgeber Steve Moore, der von Patrick Huyghe und Dennis Stacy redigierten Zeitschrift The Anomalist sowie von der deutschen Gesellschaft für Anomalistik mit der Zeitschrift für Anomalistik.

A. weist zwei besondere Kennzeichen auf: 1. Akzeptierung der Existenz von unerklärlichen Phänomenen empirischer Natur, die mit wissenschaftlichen Methoden zu überprüfen sind; 2. Interdisziplinarität, getragen von der Überzeugung, dass eine letztgültige Erklärung unbedingt im Rahmen einer ganz bestimmten wissenschaftlichen Disziplin gefunden werden muss. Metaphysische, theologische oder übernatürliche Aspekte werden ausgeschlossen.
Personen, die einen solchen Ansatz verfolgen, werden „Anomalisten“ genannt.

Lit.: Wescott, R.: Anomalistics: The Outline of an Emerging Area of Investigation. Paper prepared for Interface Learning Systems (1973); Truzzi, M.: On the Extraordinary: an Attempt at Clarification. In: Zetetic Scholar, No. 1 (1978) 11; Wescott, R.: Introducing Anomalistics: A New Field of Interdisciplinary Study. In: Kronos 5 (1980) 36.

Anomalistisches Jahr. Das anomalistische Jahr ist die Zeitspanne zwischen zwei Durchgängen der Erde durch ihren sonnennächsten Bahnpunkt. Es dauert 365 Tage 6 Stunden 13 Minuten und 53 Sekunden.

Sinngemäß bezeichnet man als anomalistischen Monat die im Mittel vergehenden 27 Tage, 13 Stunden, 18 Minuten und 33 Sekunden von einer Erdnähe des Mondes bis zur nächsten.

Lit.: Herrmann, Joachim: Das große Lexikon der Astronomie. Faktum-Lexikon-Institut. [Hrsg. vom Lexikon-Institut Bertelsmann]. Niedernhausen: Orbis-Verl., 2001.

Anormal (gr. a, ohne; lat. norma, Norm), nicht normal, ungewöhnlich, abweichendes Verhalten. In dieser Bedeutung wird „anormal“ auch im parapsychologischen Schrifttum verwendet. > Anormalität, Abnormalität, > abnormal, > Abnormität.

Lit.: Moser, Fanny: Das große Buch des Okkultismus. Olten: Walter, 1974.

Anormalität, vom normalen Verhaltensbereich als abweichend empfundenes Verhalten. > Abnormalität, > abnormal, > Abnormität.

Anpiel. In talmudischen Schriften ein Beschützer der Vögel. Jeder Vogelart wurden von den Rabbis zum Schutz ein oder mehrere Engel zugeteilt. Zudem sagt man A. auch nach, dass er Henoch in den Himmel geführt habe (> Anfiel) und Gebete der Menschen in den siebenten Himmel weiterleite. A. gilt ferner als Wächter des Ein- und Ausatmens und hat zudem eine Verbindung zu > Binah (Einsicht, Sefirah III) im > Baum des Lebens.

Lit.: Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.; Maier, Johann: Die Kabbalah. München: Beck, 1995.

Anpsi > Animal Psi.

Anrufung (lat. invocatio), Bitte um die Hilfe Gottes, der Engel und Heiligen, der Geister wie auch okkulter Mächte bis hin zur Teufelsbeschwörung. In der rituellen abendländischen Magie bedient man sich hebräischer Gottesnamen, wie > Jahwe oder > Adonai, sowie der Engelsnamen, die mit den vier Elementen in Verbindung stehen: > Raphael (Luft), > Michael (Feuer), > Gabriel (Wasser) und > Uriel (Erde). Solche magischen Anrufungen werden meist in einem magischen Kreis vorgenommen.

Lit.: Bardon, Franz: Die Praxis der magischen Evokation: Anleitung zur Anrufung von Wesen uns umgebender Sphären. – Freiburg / Br.: Bauer, 21956; Bodin, Jean: Vom aussgelasnen wütigen Teuffelsheer / M. e. Vorw. v. Hans Biedermann. Um ein neues Vorwort verm. Nachdr. d. Ausg. Straßburg 1591. Graz: ADEVA, 1973.

Ansaugzauber. Nach der irischen Sage Aided Con Culainn, die wohl bereits aus dem 9. Jh. stammt, jedoch nur bruchstückhaft und spät überliefert wurde, kam der als absolut unbesiegbar geltende Cú Chulainn durch Zauber und Verletzung verschiedener Tabus schließlich folgendermaßen zu Tode: Es werden drei Speere geschmiedet, der Held wird durch einen besonderen „Ansaugzauber“ außer Landes gelockt, wo er zauberischen Heerhaufen gegenübersteht. Trotz böser Vorzeichen – eine Fibel fällt ihm aus dem Mantel und sein Pferd weint Bluttränen – wagt er den Kampf und stirbt.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.   

Ansbach, eine kreisfreie Stadt in Bayern, Deutschland, in der Paranormologie durch den Kaspar-Hauser-Gedenkstein und die Werwolfdokumentation im Stadtmuseum bekannt.

Der Kaspar-Hauser-Gedenkstein im Hofgarten des Schlosses am östlichen Lindenplatz trägt die Inschrift: Hic occultus occulto occisus est (Hier wurde ein Unbekannter von einem Unbekannten ermordet). Der Stein erinnert an das tragische und bislang ungeklärte Sterben des geheimnisvollen Findlings Kaspar > Hauser am 17. Dezember 1833 in Ansbach.

In der Werwolfdokumentation im Stadtmuseum wird in Form von Flugschriften und alten Abbildungen auf eine berühmte lokale Überlieferung hingewiesen, die den Ansbachern lange Zeit den Ruf „Wolfshenker“ einbrachte. Wie es zu diesem Spitznamen kam, davon ist in einem 1686 erschienenen Traktat von Theophilus Lauben die Rede: Demnach trieb 1685 ein mordlustiger Wolf in der Gegend von Ansbach sein Unwesen; er hatte bereits einen Knaben und eine junge Frau zu Tode gebissen. Erst als das Tier in einen mit Reisig überdeckten Brunnen gefallen war, konnte es überwältigt werden. Man brachte den Kadaver nach Onolzbach (alter Name für Ansbach) und hängte ihn an einem Schnellgalgen in menschlicher Kleidung mit Perücke und Bart auf. Darüber hinaus hatte man dem toten Tier die Schnauze abgeschlagen und eine Maske mit menschlichem Gesicht aufgesetzt. Dieses Vorgehen brachte den Ansbachern und ihrer Obrigkeit den Spitznamen „Wolfshenker“ ein. Auf Einblattdrucken wurde die Geschichte verbreitet und erregte großes Aufsehen. Das seltsame Verfahren mit dem toten Wolf geht darauf zurück, dass mit dem Auftreten des schreckenerregenden Tieres das Gerücht aufkam, der Wolf sei der ein Jahr zuvor verstorbene verhasste Bürgermeister Michael Leicht. Bei der Bevölkerung war Leicht, der zweitreichste Mann in Ansbach, wegen seines Geizes, Eigennutzes, Wuchers und vermuteter Amtsuntreue äußerst unbeliebt. Er starb zwar eines natürlichen Todes, doch hieß es schon bald, er habe vom Dachfenster seines Hauses aus seiner eigenen Beerdigung zugesehen und rumore nachts in der Wohnung.

Lit.: Der Schwarze Führer: Deutschland; 253 geheimnisvolle Stätten in 194 Orten / M. e. Einf. v. Lutz Röhrich. Freiburg i. Br.: Eulen Verlag, 2000.

Anschar und Kischar, in der babylonischen Mythologie das männliche und weibliche Prinzip. Im Schöpfungsepos > Enuma Elisch werden A. und K. als zweites Götterpaar nach > Lahmu und Lahamu beschrieben. Beide Paare entstanden, als sich > Apsu, das Ur-Süßwasser, mit > Tiamat, dem Ur-Salzwasser, vermengte. A. bedeutet Himmelshorizont, weil er die himmlische Welt repräsentiert, während K. eine irdische Göttin gewesen sein soll, worauf ihr Name „Erdhorizont“ hinweist. A. und K. zeugten > Anu, den Himmelsgott, und > Ea, den Gott des frischen Wassers und der Weisheit. Außerdem zeugten sie die > Igigi, die Gottheiten des Himmels, und die > Anunnaki, die Götter, die auf der Erde und in der Unterwelt wohnten. Ab dem 9 Jh. v. Chr. wurde > Assur oder Ashshur, der Reichsgott der Assyrer, mit A. gleichgesetzt.

Lit.: Enuma elish: the Seven Tables of Creation, or the Babylonian and Assyrian Legends Concerning the Creation of the World and of Mankind / ed. by L. W. King. New York: AMS Press (Luzac’s semitic text and translation series), o. J; Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens. Reichelsheim: Edition XXL GmbH, 2000; Raoul Schrott: Gilgamesh: Epos. Frankfurt a. M.: Fischer-Taschenbuch-Verl., 2004; Achmatova, Anna A.: Enuma elisch: Traum im Traum / Übertr., Anm. und Nachw. von Alexander Nitzberg. Basel u. a.: Engeler, 2005.

Anschauungsbilder, nach dem deutschen Psychologen Erich Jaensch (1883 – 1940) vorgeschlagene Bezeichnung der Wiedergabe visueller Wahrnehmungsbilder, die in ihrer Erscheinungsweise zwischen Nachbildern und Vorstellungen stehen. Gleich Nachbildern sollen sie empfindungsmäßig gegeben und im Raum lokalisierbar, dabei aber wie Vorstellungen von der Anwesenheit eines Gegenstandes unabhängig sein. Von anderen Autoren werden die A. zu den > Halluzinationen gezählt, doch gehen sie meist nicht mit einer Störung des Realitätsbewusstseins einher. > Eidetik.

Lit.: Über den Aufbau der Wahrnehmungswelt und die Grundlagen der menschlichen Erkenntnis / Von E. R. Jaensch (u. Mitarb.). Leipzig: Joh. Ambr. Barth, 1927.

Anschleudern und > Besprengen von und mit kaltem Wasser zur Behebung von Ohnmacht und ähnlichen Zuständen. Bei ohnmachtähnlichen Anfällen aufgrund von Aufregung sei es hingegen ratsam, abzuwarten und Fenster und Türen zu öffnen, um für frische Luft zu sorgen.

Lit.: Most, Georg Friedrich: Encyklopädie der Volksmedizin / Einleitung Karl Frick und Hans Biedermann. Neuaufl. der Ausg. Graz 1973 (durch eine neue Einleitung vermehrter Nachdruck der 1843 bei F. A. Brockhaus in Leipzig erschienenen Ausgabe). Graz: ADEVA, 1984.

Anschneiden. Gemäß der Ehrfurcht vor dem Brot war das A. des Brotes ehemals eine ernste Handlung, die nur dem Brotherrn zustand. Schneidet der Hausvater das Brot an, so bleibt angeblich das Glück im Haus. Das A. des Brotes im Namen Gottes soll bannlösend wirken.

Lit.: Staub, Friedrich: Das Brot im Spiegel schweizerdeutscher Volkssprache und Sitte: Lese schweizerischer Gebäcknamen; aus den Papieren des schweizerischen Idiotikons / [Erm. Verf.: Friedrich Staub]. Leipzig: Hirzel, 1868.

Anschütz, Georg Ernst (1886 – 1953), deutscher Psychologe, Professor in Konstantinopel und Hamburg, verfasste eine Systematik der Psychologie. Dabei ging er von Gestaltqualitäten aus und setzte sich vor allem mit Fragen der Musikästhetik und der > Farb-Ton-Forschung unter Anwendung von > Synästhesien auseinander. In Hamburg gründete er die Freie Forschungsgesellschaft für Psychologie und Grenzgebiete des Wissens.

W.: Das Farbe-Ton-Problem im psychischen Gesamtbereich: Sonderphänomene komplexer optischer Synästhesien („Sichtgebilde“). Mit Niederlegungen u. unter Mitarb. von Eduard Reimpell. Halle a. S.: C. Marhold, 1929.

Anselm von Besate († um 1060), studierte Rhetorik und Logik in Parma und Reggio, wirkte als Weltkleriker in Mailand, diente Heinrich II. als Notar und starb im Dienste des Bischofs von Hildesheim um 1060. Sein großangelegtes Werk Rhetorimachia ist ein eigenartiges Produkt der Schulrhetorik im weiteren Sinne. In vollem Bewusstsein seiner rhetorisch-dialektischen Berufung nannte er sich selbst Peripateticus und schuf ein buntscheckiges Werk, das Lehrschrift, Deklamation, Novelle, Selbstdarstellung und Pamphlet zugleich ist. Es wurde vielfach als bizarr und heutzutage als unlesbar erklärt. Von Interesse sind einige Stellen, die sich auf magische Praktiken beziehen. So muss der Magier, um die Liebe von Mädchen und verheirateten Frauen zu entfachen, drei Nächte zusammen mit einer Katze und einem Hahn wachen. Nach Ablauf dieser Frist verbrennt er die Tiere und bereitet aus der Asche ein Pulver, das die gewünschte Leidenschaft auslösen soll.

W.: Rhetorimachia. [s. l.]: [s. n.], 1958.

Anselm von Canterbury (geb. um 1033 in Aosta, gest. 21.4.1109 in Canterbury), heilig (1494, Fest: 21. April), Benediktiner in Bec (Normandie), dort Prior und Abt, 1093 Erzbischof von Canterbury, Philosoph, Kirchenlehrer (1720). In seinen Schriften entwickelt A. in der platonisch-augustinischen Tradition ein Denkverfahren, in dem betend-nachdenkliche Vernunft und Glaube einander so erschließen, dass der Glaube in seiner inneren Wahrheit und Stimmigkeit als überbietende Erfüllung der Vernunft als solcher erscheinen kann. In dieser Theologie, deren rationale Seite über die Scholastik hinaus bis hin zu Hegel und Bath fruchtbar geworden ist, manifestiert sich liebendes Streben zu Gott, wobei A. in der Emotionalität seiner Orationes sive meditationes die in seiner Epoche beginnende > Erlebnismystik vorwegnimmt. In der Auseinandersetzung mit Heinrich I., der die Oberhoheit des Staates über die Kirche durchsetzen wollte, soll ihm mehrmals Maria erschienen sein. 1103 wurde Anselm verbannt, 1106 erreichte er jedoch den sog. Kompromiss von Bec, der zum Modell für das Wormser Konkordat werden sollte.

W.: S. Anselmi Cantuariensis archiepiscopi Opera omnia: [5 Vol.] / Rec.: Franciscus Salesius Schmitt. Seccovii [Seckau, Steiermark]: [Benediktinerabtei], 1938 – 61.

Anselm von Parma († 1440), italienischer Astrologe und Verfasser der Institutiones Astrologiae, die nie im Druck erschienen sind. Johannes > Weyer und andere Dämonologen hielten ihn für einen Zauberer, weil eine Sekte, die Anselmiten, behaupteten, Wunden und Entzündungen durch magische Sprüche heilen zu können. Sie gaben jedoch an, ihre Heilergabe nicht von Anselm von Parma, sondern von > Anselm von Canterbury erhalten zu haben.

Lit.: Witches, Devils, and Doctors in the Renaissance: Johann Weyer, De praestigiis daemonum / M. e. Vorw. v. John Weber. Tempe, Arizona: Arizona Board of Regents for Arizona State University, 1998.

Ansgar von Bremen (*8. oder 11,9.801 bei Corbie in der Picardie, Frankreich, † 3.2.865 Bremen), heilig (Fest: 3. Februar). Er fühlte sich in seinem Leben oft durch Träume, ekstatische Visionen und telepathische Erfahrungen geleitet. Bereits in jungen Jahren soll ihm Maria erschienen sein und dazu ermuntertet haben, sich in den Dienst der Glaubensverbreitung zu stellen. Er trat in den Benedik­tinerorden ein, wirkte zuerst als Lehrer an der Klosterschule in Corvey und wurde dann ab 827 durch seine Missionsarbeit in Dänemark und Schweden zum „Apostel des Nordens“. 831 wurde er erster Bischof von Hamburg, 845 auch Bischof von Bremen. 852 gewann er König Olaf von Schweden für den christlichen Glauben, was den Durchbruch für die Mission bedeutete. Er zog sich häufig in ein Kloster zurück und widmete sich spirituellen und karitativen Aufgaben. A. starb 865.

Lit.: Mehnert, Gottfried: Ansgar: Apostel des Nordens. Kiel: Luth. Verl.-Ges, 1995.

Ansitif, wenig bekannter Dämon, der 1643 bei der Besessenheit der > Nonnen von Louviers den Körper von Sr. Barbara vom hl. Michael okkupiert haben soll.

Lit.: Wargny, Christophe: Louviers: sur la route de l‘autogestion? Paris: Syros, 1976; Bavent, Magdelaine: Bekenntnisse der Magdelaine Bavent: Geschichte der Magdelaine Bavent, Nonne im Kloster Saint-Louis in Louviers, mit ihrer allgemeinen und testamentarischen Beichte…, zusammen mit den Urteilen gegen Mathurin Picard, Thomas Boullé und die genannte Bavent, die allesamt des Verbrechens der Magie überführt wurden / Die biograph. Einl. J. Lemonnyers wurde durch e. erw. Fassung d. Hg. v. 1979 ersetzt. Übers. aus dem Franz. von Dieter Walter. Berlin: Zerling, 1980.

Ansprachen > Auditionen.

Ansuperomin, nach Pierre Delamere, einem Berater Heinrichs IV. von Frankreich (1589 – 1610), ein > Zauberer, der des öfteren bei > Hexensabbaten gesehen wurde, wie er auf einem Teufel in Gestalt eines Ziegenbockes reitend zum Tanz der Hexen die Flöte spielte.

Lit.: Wedeck, Harry E.: A Treasury of Witchcraft: A Sourcebook of the Magic Arts. Avenel, New Jersey: Gramercy Books, 1961.

Antaboga, Weltschlange in der balinesischen Mythologie. Am Urbeginn existierte nur A. Durch Meditation schuf er die Urschildkröte > Bedawang, auf deren Rücken zwei weitere Schlangen und der sog. Schwarze Stein liegen, der den Deckel der > Unterwelt bildet. Diese wird von der Göttin > Setesuyara und dem Gott > Batara Kala beherrscht, welche das Licht und die Erde schufen.

Oberhalb der Erde befindet sich eine Schicht Wasser und darüber sind mehrere Himmel. Im Fluthimmel lebt > Semara, der Gott der Liebe. Darüber liegt der dunkelblaue Ätherhimmel, die Heimat von Sonne und Mond. Über dem Ätherhimmel befindet sich der Dufthimmel mit einer Fülle wunderschöner Blüten. Hier leben der menschenköpfige Vogel Tjak, die Schlange Takshaka und die Awan, eine weitere Schlangengruppe. Letztere werden von den Menschen als Sternschnuppen wahrgenommen. Über dem Dufthimmel ist der Flammenhimmel, wo die > Ahnen wohnen und darüber liegt die Heimat der Götter.

Lit.: Storm, Rachel: Die Enzyklopädie der östlichen Mythologie: Legenden des Ostens. Reichelsheim: Edition XXL GmbH, 2000.

Antahkarana (sanskr.) auch antakarana, antaskarana und antarindriya, wörtl. „Inneres Organ“, „Inneres Instrument“. A. ist das, was uns denken, empfinden, erinnern und unterscheiden lässt und wird daher auch mit „Verständnis“ übersetzt. Es setzt sich zusammen aus > Manas (Denken), > Chitta (Unterscheidung von Objekten), > Buddhi (Einsicht) und > Ahamkara (Ich-Macher). Als feine Form der > Prakriti ist A. leblos, wird aber aktiv und tätig, weil das Bewusstsein des > Atman sich in ihm reflektiert. Die Theosophen bezeichnen A. als Brücke zwischen dem höheren Manas und dem Kamamanas während der Inkarnation bzw. zwischen dem spirituellen Ego und der persönlichen Seele des Menschen.

Lit.: Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen / Ingrid Fischer-Schreiber; Ehrhard, Franz-Karl; Friedrichs, Kurt; Diener, Michael S. [Hrsg.]. Bern [u. a.]: Scherz, 1986 ; Blavatsky, Helena P.: Die Geheimlehre. 4 Bde. Den Haag: J. J. Couvreuer, o. J.

Antaios (griech., „Begegner“), Riese aus der griechischen Mythologie, Sohn der Erdgöttin > Gaia und des Meeresgottes > Poseidon. Jeden, dem A. begegnete, forderte er zum Ringkampf auf und tötete ihn. Schließlich wurde er selbst von Herakles im Ringkampf getötet. Seine Kraft schöpfte A. immer wieder aus der mütterlichen Erde, so dass Herakles seine Tat nur gelingen konnte, als er A. in die Luft hob und somit dessen Kontakt zur Mutter Erde unterbrach. A. symbolisiert daher die Bedeutung der Erdverbundenheit bzw. andersherum die Gefahr der Entwurzelung für die Gesundheit eines Menschen.

W. Bonin vergleicht dieses Kraftschöpfen aus der Erde mit den Aussagen vieler > Medien, die für die Erzeugung psychokinetischer Effekte Fußboden-Kontakt, die tellurischen Kräfte, benötigen.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt / M.: Fischer, 1981; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Wien: Brüder Hollinek, 1988.

Antaranga-Sadhana, (sanskr., innere spirituelle Übungen), die letzten drei geistigen Stufen der acht Stufen auf dem Weg zur Meisterung des Yoga des > Patanjali, nämlich: > Dharana (Konzentration), > Dhyana (Meditation) und > Samadhi (Erleuchtung).

Lit.: Kindenberg, Wladimir: Yoga: mit den Augen eines Arztes; eine Unterweisung. Berlin: Richard Schikowski, 41960.

Antariska (sanskr., äußere Sphäre), Grenzbereich zur Atmosphäre, wo die feinstofflichen Wesen leben. Dort wird auch die > Akasha-Chronik geschrieben. Medial begabte Menschen, sollen mit dieser Sphäre in Kontakt treten können.

Lit.: Steiner, Rudolf: Aus der Akasha-Chronik. Basel: Zbinden, 21955.

Anterograde Amnesie > Amnesie.

Anthesteria (griech., „Fest der Blüten“), ein dreitägiges Blumenfest zu Ehren des > Dionysos, das jedes Jahr Ende Februar stattfand (Anthesterion ist der achte Monat von Mitte Februar bis Mitte März). Am ersten Tag (11. Anthesterion), pithoigía (Fassöffnung), kostete man in der Familie aus den Fässern (píthoi) den Wein der letzten Lese. Am 2. Tag (12. Antestherion) fand das Fest der Weinkrüge (choaí) statt, mit dem feierlichen Einzug des Dionysos (Limnaios) und seiner „Hochzeit“ mit der Frau des Archon Basileus, der für die sakralen Angelegenheiten zuständig war. (Die neun Archonten waren die höchsten zivilen Amtsinhaber.) Dann folgte ein allgemeines Wetttrinken mit dem Preis für den besten Trinker. Die Seelen der Verstorbenen versuchte man mit allerlei Zaubermitteln (wohl vor allem Lärm) zu verscheuchen, denn man glaubte, dass sich in diesen Tagen die Seelen der Toten außerhalb der Unterwelt befänden. Der 3. Tag (13. Anthesterion), chýtroi, war den Toten und ihren Seelen geweiht. Man stellte ihnen und dem chthonischen Hermes (dem Seelen- und Totenbegleiter) Töpfe (chýtroi) mit gekochtem Gemüse auf, um sie gnädig zu stimmen.

Lit.: Rachet, Guy: Lexikon der griechischen Welt / Übers. u. hg. v. Robert Hilgers. Darmstadt: Primus Verl., 1999.

Anthony, Susan Brownwell (1820 – 1906), war gemeinsam mit Elizabeth Cady Stanton eine Anführerin der Wahlrechtsbewegung für Frauen und trug dazu bei, dass der 19. Zusatzartikel zur US-Verfassung das Stimmverbot aus Geschlechtsgründen verbietet.

Gleichzeitig galt sie als anerkannte Verfechterin des Phänomens der > Präkognition und der Möglichkeit der „Intervention“ zur Vermeidung vorausgesehener Ereignisse: Als Anthony in einem Hotel in Atlantic-City weilte, träumte sie eines Nachts, dass sie in einem der Hotels von Atlantic City verbrannte. Am Morgen verließ sie das Hotel und reiste ab. Am nächsten Tag zerstörte ein Feuer das Hotel und andere entlang des Straße.

Lit.: Berger, Arthur S.: The Encyclopedia of Parapsychology and Psychical Research. New York: Paragon House, 1991.

Anthropoflux. Der Elektro-Ingenieur Erich Konrad Müller (1853 – 1948), Direktor der „Salus“ in Zürich, gilt als der Entdecker des „Anthropoflux“. Er beobachtete 1882, wie die von den Händen eines spanischen Magnetiseurs ausgehenden Strahlen auf einem Spiegel deutlich sichtbare, wenn auch sehr feine Linien von ca. 60 cm Länge hervorriefen. Die Anthropoflux genannte > Emanation, vor allem aus Finger- und Zehenspitzen, soll stoßweise und in schwankender Intensität erfolgen und nichtelektrischer Natur sein.

Lit.: Müller, Erich Konrad: Objektiver, elektrischer Nachweis der Existenz einer „Emanation“ des lebenden menschlichen Körpers und ihre sichtbaren Wirkungen. Basel: Schwabe, 1932; Hartmann, A.: Die Ausstrahlung des lebenden menschlichen Körpers und deren sichtbare Wirkung. In: Der Lebenskraftheiler. Wiesbaden, 6 (1932), 41.

Anthropogene Mythen. Mythen von der Entstehung des Menschengeschlechts. Sie sind Bestandteil der > kosmogonischen Mythen.

Lit.: Dorsch Psychologisches Wörterbuch / Friedrich Dorsch; Häcker, Hartmut; Stapf, Kurt H. (Hg.). 12., überarb. u. erw. Aufl. Bern: Hans Huber, 1994.

Anthropogenese, Anthropogenie (griech.). Entwicklungsgeschichte des Menschen seit der Urzeit, was nach E. Haeckel eine Keimes- und Stammesgeschichte aus tierischen Vorfahren besagt.

Lit.: Haeckel, Ernst: Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen: Keimes- und Stammesgeschichte; gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge. 6. verb. Aufl. Leipzig: Engelmann, 1910.

Anthropogonie (griech., „Entstehung des Menschen“), mythische Vorstellung oder Lehre von Ursprung und Entwicklung des Menschen, wobei verschiedene Auffassungen zum Tragen kommen. So sehen einige Ethnien ihren Ursprung im Wasser, andere in der Erde, in Pflanzen oder Tieren. Wieder andere Völker sehen sich durch einen göttlichen Zeugungsakt oder einen Akt der Schöpfung von Gott erschaffen.

Lit.: Baumann, Hermann: Schöpfung und Urzeit des Menschen im Mythus der afrikanischen Völker. Berlin: Reimer, 1964; Rudolph, Kurt: Theogonie, Kosmogonie und Anthropogonie in den mandäischen Schriften: eine literarkrit. u. traditionsgeschichtl. Untersuchung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1965; Tsioli, Hero: Platons Anthropogonie, zum Problem der Interpretation der platonischen Anthropologie. Kiel: Univ., Diss., 1980.

Anthropologie ( griech. ánthropos, Mensch; logos, Lehre), „Lehre vom Menschen“, die im Wesentlichen in naturwissenschaftliche, ethnologische, philosophische und theologisiche A. gegliedert werden kann. Zur naturwissenschaftlichen A. gehören Arten- und Rassenlehre, Abstammungs-, Erb- und Konstitutionslehre. Die ethnologische A. ist identisch mit der Ethnologie, also der Völkerkunde, die im 19. und 20. Jh. im anglo-amerikanischen Sprachbereich durch die Sozial- und Kulturanthropologie ergänzt wurde, welche die Wirkungen der Gesellschaft im weitesten Sinn auf die Angehörigen von überschaubaren Kulturen und deren Verhalten untersucht. Im Unterschied dazu befasst sich die philosophische A. mit der Frage nach dem Wesen des Menschen und seiner Stellung in der Welt und zur Natur. Seit ihrer Erneuerung nach dem ersten Weltkrieg durch Scheler, Plessner, Gehlen, Rothacker und Portmann setzt sich die philosophische A. auch mit der Analyse der „Befindlichkeit des Menschen“ (Kulturpsychologie und Kulturanthropologie) auseinander. Die theologische A. stellt über die naturwissenschaftliche, ethnologische und philosophische Betrachtung hinaus den Menschen in Beziehung zu Gott als seinem Schöpfer, die systematisch entfaltet, rational verantwortet und mit der Sinnfrage verbunden wird.

Die Berücksichtigung paranormaler Phänomene führt zu einem wesentlich neuen Menschenbild durch Einbezug des Außergewöhnlichen in und um den Menschen, worauf schon die Parapsychologen > Rhine und > Tenhaeff hingewiesen haben. Letzterer betont die Einheit von Mensch und Phänomen und fordert die Erweiterung der rein quantitativen, Fakten-orientierten Forschung um die Dimension der menschlichen Persönlichkeit.

Lit.: Bonin, Werner F.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Frankfurt / M.: Fischer, 1981; Landmann, Michael: Philosophische Anthropologie. Berlin u. a.: De Gruyter, 1982; Tenhaeff , W. H. C.: Anthropologische Parapsychologie und historischer Idealismus. In: Andreas Resch: Der Kosmische Mensch. Innsbruck: Resch, 1984, S. 263 – 307.

Anthropomantie (engl. anthropomancy).
Menschenverachtende Zukunftsdeutung aus dem Aussehen der Eingeweide durch Aufschneiden von lebenden Menschen, meist jungen Frauen oder Kindern. Einer Legende zufolge soll der Magier
Kaiser Julian „der Abtrünnige“ bei seinen Wahrsage-Ritualen mehrere Kinder geopfert haben, um ihre Eingeweide zu beschauen. Die A. wurde hauptsächlich im Römischen Reich, bei den alten Griechen und im alten Ägypten praktiziert. Heute ist dieses Ritual offenbar nicht mehr in Gebrauch.

Lit.: Hille, Jörg: Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum frühen Mittelalter. Frankfurt / M., Univ., Fachbereich 01, Rechtswiss., Diss., 1978; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. – Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Anthropomorphismus (griech. anthropos, Mensch; morphé, Gestalt), die Übertragung menschlicher Eigenschaften und Verhaltensformen auf nichtmenschliche Wesen und Gegenstände. Am häufigsten geschieht diese Übertragung auf Gott, vornehmlich in den Religionen. So ist in der Bibel öfters „nach Menschenart“ von Gott die Rede, indem sie Gott menschliche Gefühle und Verhaltensweisen zuschreibt, von seinem Antlitz (Jes 58, 8), von Mund und Stimme (Dtn 4, 36), von Armen und Händen (Dtn 7, 19) spricht. Wie ein Mensch empfindet Gott Freude, Zorn und Reue (Gen 6, 6 f.). Hingegen kann die Liebe Gottes nicht als A. bezeichnet werden, weil sie zum Wesen Gottes gehört. Anthropomorph sind vor allem auch die Götter Homers. Die Kritik solcher Gottesvorstellungen beginnt daher bereits beim Philosophen Xenophanes (565 – 470). Diese ist vor allem dann vorzunehmen, wenn der Mensch die Analogie seiner Redeweise nicht bedenkt und Gott aufgrund der bildhaften Redeweise dem Menschen verfügbar macht.

Der A. ist bevorzugt auch ein wesentlicher Bestandteil der > Magie, wobei den verschiedensten Gegenständen und Wesenheiten menschliche Fähigkeiten zugeschrieben und diese zuweilen mit besonderer Mächtigkeit versehen werden, wie z. B. Steine, Pflanzen und Tiere. Dieser Zug der menschlichen Identifikation mit dem Nicht-Menschlichen erreicht im Märchen seinen literarischen Höhepunkt.

Schließlich ist der A. auch ein Grundelement menschlichen Lebens. Es gehört mit zur menschlichen Lebensgestaltung, dass persönliche Gefühle und Vorstellungen auf Gegenstände, Pflanzen, Tiere und Wesenheiten übertragen werden, da man nur eigene Empfindungen verspürt und diese notgedrungen auf die Umwelt überträgt, um beim Gespräch mit ihr sie auch fühlend zu erfahren.

Lit.: Kuitert, Harry M.: Gott in Menschengestalt: eine dogmat.-hermeneut. Studie über d. Anthropomorphismen d. Bibel. [Aus d. Holl. übers. von Erich-Walter Pollmann]. München: Kaiser, 1967; Piesl, Helga: Vom Präanthropomorphismus zum Anthropomorphismus: Entwicklungsstadien im altmesopotam. Pantheon, dargest. am präanthropomorphen kur u. an d. Hauptgottheit den.lil2. Innsbruck: Innsbrucker Ges. zur Pflege d. Geisteswiss., 1969; Christ, Franz: Menschlich von Gott reden: d. Problem d. Anthropomorphismus bei Schleiermacher. Einsiedeln u. a.: Benziger, 1982.

Anthropophagie (gr. ànthropos, Mensch; phàgein, essen, fressen), Menschenfresserei, Kannibalismus, Essen von Menschenfleisch bzw. Trinken von Menschenblut in rituell-magischer Praxis bei verschiedenen antiken Völkern. So berichtet das Buch der Weisheit: „Du hast auch die frühen Bewohner deines heiligen Landes gehasst, weil sie abscheuliche Verbrechen verübten, Zauberkünste und unheilige Festbräuche; sie waren erbarmungslose Kindermörder und verzehrten beim Opfermahl Menschenfleisch und Menschenblut.“ (Weish 12, 3 – 5)

Die Praxis der A. beruht neben den rituellen und magischen Vorstellungen insbesondere auf dem > Animismus. Durch Einverleiben des frischen Fleisches, insbesondere des Herzens und Blutes eines zu diesem Zweck getöteten Menschen, eigne man sich auch seine Kräfte und seine Persönlichkeit an. Ein Ausläufer dieser animistischen Vorstellungen findet sich heute in der Identifikation mit den sog. Stars. Auch der Reliquienkult hat hier seine psychologische Grundlage.

Im > Satanismus bekommt A. einen lebensvernichtenden Aspekt im Sinne der Aneignung der vitalen Macht durch Zerstörung jungen Lebens, insbesondere der Leibesfrucht, bzw. durch das Vermächtnis der eigenen Seele mittels Unterschrift mit dem eigenen Blut.

Lit.: Frick, Karl R. H.: Das Reich Satans: Luzifer / Satan / Teufel und die Mond- und Liebesgöttinnen in ihren lichten und dunklen Aspekten – eine Darstellung ihrer ursprünglichen Wesenheiten in Mythos und Religion. Graz: ADEVA, 1982; Frick, Karl R. H.: Die Satanisten: Materialien zur Geschichte der Anhänger des Satanismus und ihrer Gegner. Graz: ADEVA, 1985; Schöppl von Sonnwalden, Herman: Kannibalismus bei den nordamerikanischen Indianern und Eskimo. Wyk auf Foehr: Verl. für Amerikanistik, 1992; Peter-Röcher, Heidi: Kannibalismus in der prähistorischen Forschung: Studien zu einer paradigmatischen Deutung und ihren Grundlagen. Bonn: Habelt, 1994; Keck, Annette u. a. (Hg.): Verschlungene Grenzen: Anthropophagie in Literatur und Kulturwissenschaften. Tübingen: Narr, 1999.

Anthroposophie (gr. ánthropos, Mensch; sophía, Weisheit), Menschenweisheit, ist die Bezeichnung der von Rudolf > Steiner (1861–1925) begründeten Geisteswissenschaft in all ihren Äußerungen: wissenschaftlich-philosophische Grundlage (Erkenntnistheorie), Schulungswesen, Einzeldisziplinen wie Medizin (Heilkunst), Heilmittelherstellung, Pädagogik, Theologie, Sozialwissenschaft, Landwirtschaft, künstlerische Sparten, wie Eurythmie, Dramatik, Sprachkunst, Baukunst und bildende Künste. Der Ansporn zu dieser Gründung fußt nach Steiner auf seinen Einblicken in die geistige Welt. Daher ist A. „eine Erkenntnis, die vom höheren Selbst des Menschen hervorgebracht wird“.

Das Wort „Anthroposophie“ wurde bereits 1828 von dem Schweizer Philosophen Ignaz P. V. Troxler für einen Erkenntnisweg geprägt, der vom Geistigen im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall vordringen möchte. Der Begriff findet sich auch bei Immanuel Hermann Fichte. Steiner definiert daher A. wie folgt: „Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte.“ (Steiner, Anthroposophie).

Ab 1909 versuchte Steiner den Ausdruck „Anthroposophie“ mit konkretem Inhalt zu füllen, offensichtlich um seine übersinnliche Forschung in deutlichem Abstand von der Christentumsferne und der zunehmenden Indisierung der theosophischen Bewegung zu halten. Während die Anthropologie eine rein physische Menschenkunde betreibt und die Natur in den Mittelpunkt stellt, die Theosophie hingegen Gott, stellt sich die Anthroposophie zwischen Gott und die Natur und lässt den Menschen in sich sprechen.

War Steiners Menschenkunde in seinen Berliner Vorträgen „Anthroposophie“ von 1909 noch stark auf das Leibliche bezogen, so erweiterte er diese Sicht durch die beiden Zyklen „Psychosophie“ und „Pneumatosophie“ von 1910 und 1911, ebenfalls in Berlin, um die Lehre von der Seele und dem Geist, um so die Menschenkunde von einer Dichotomie, Seele und Geist, zu einer Trichotomie zu führen und den Menschen als dreigliederiges Wesen mit Körper, Seele und Geist zu verstehen. Dadurch eröffnete sich für Steiner der Zugang zum Wissen von der Wiederverkörperung des Menschen und zur Erkenntnis, dass der Mensch durch geistige Schulung in sich höhere Organe ausbilden kann, die ihn dem Geistigen im Weltall näher bringen können. Dieses Näherkommen vollzieht sich in einer progressiven Vollendung auf dem Weg der Wiedergeburt, ohne damit je die ersehnte ewige Glückseligkeit in der Geborgenheit Gottes zu erfahren, da der Mensch schicksalsmäßig, d. h. kosmisch bestimmt, ewig zu neuen Erdenleben berufen sei. Ein Jenseits als Vollendung und Aufenthalt im Sinne eines individuellen Lebens und ewiger Glückseligkeit ist der Anthroposophie fremd.
Dieses Grundverständnis der Anthroposophie wird heute von der > Anthroposophischen Gesellschaft weitergeführt, die Steiner bei seiner Trennung von der > Theosophischen Gesellschaft 1912 / 13 ins Leben gerufen hat.

Lit.: Troxler, Ignaz Paul Vital: Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik. Nach d. Druckausg. v. 1828 hg. v. Willi Aeppli. Bern: Troxler-Verl., 1944; Steiner, Rudolf: Anthroposophie, Psychosophie, Pneumatosophie: 12 Vorträge, gehalten in Berlin vom 23. – 27. Oktober 1909, 1. –  4. November 1910 u. 12. – 16. Dezember 1911. [Nach vom Vortragenden nicht durchges. Nachschr. hg. von d. Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung. Die Hg. besorgten Hendrik Knobel u. Johann Waeger]. Dornach / Schweiz: Rudolf-Steiner-Verlag, 1980; Steiner, Rudolf: Anthroposophie: ein Erkenntnisweg in 185 Stationen; anthroposophische Leitsätze. Hg. von Taja Gut. Dornach: Rudolf-Steiner-Verl., 2004.

Antroposophische Gesellschaft, gegründet von Rudolf > Steiner (1861 – 1925), versteht sich als eine Gemeinschaft von Menschen, die überzeugt sind, dass die Aufgaben von Gegenwart und Zukunft nur durch eine spirituelle Vertiefung des Lebens gelöst werden können. Die A. ging aus der > Theosophischen Gesellschaft (TG), insbesondere der Deutschen Sektion, hervor, nachdem Steiner, der bis zu diesem Zeitpunkt als Generalsekretär der Deutschen Sektion der TG fungiert hatte, aufgrund gravierender Differenzen um die Interpretation von Christus und Christentum aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen worden war. Der eigentliche Bruch fand bereits 1911 statt. Die endgültige Trennung erfolgte am 2. Februar 1913 und die Deutsche Sektion der Adyar-TG nannte sich fortan Anthroposophische Gesellschaft.
Die Zerstörung des ersten Goetheanums in Dornach, Schweiz, in der Silvesternacht 1922, wenngleich durch bösartige Brandstiftung von Gegnern verursacht, war u. a. fast ein Symbol für den desolaten Zustand der damaligen Gesellschaft, der eine Neugründung erforderlich machte.

So wurde anlässlich der Tagung zu Weihnachten, 24. Dezember 1923 bis 1. Januar 1924, durch Rudolf Steiner und die bei der Tagung Anwesenden, in Anknüpfung an die am 28. Dezember 1912 in Köln gegründete Anthroposophische Gesellschaft die Anthroposophische Gesellschaft, auch Allgemeine Athroposophische Gesellschaft genannt, mit Sitz in Dornach, neu gegründet. Diese hütet, pflegt und führt seither Steiners Werk weiter. Steiner wurde Mitglied und übernahm selbst den Vorsitz.

Die gegenwärtige Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft hat ihren Sitz weiterhin in Dornach und wird aus den einzelnen Landesgesellschaften gebildet, die wiederum aus den autonomen Arbeitszentren hervorgehen. Ihre Lehre ist die > Anthroposophie.

Lit.: Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft: Jahresbericht. Dornach: Allgem. Anthroposophische Ges., 2000; Mackay, Paul: Die Anthroposophische Gesellschaft als Michael-Gemeinschaft: vom „Wir“ im Grundsteinspruch. Dornach: Verl. am Goetheanum, 2002.

Anthroposophische Medizin bezeichnet eine medizinische Richtung, die auf den Lehren des Dr. Rudolf > Steiner (1861 – 1925) basiert. Unter anderem waren seine Ideen auch Grundlage für die Waldorfpädagogik, die Heilpädagogik und die biologisch-dynamische Landwirtschaft.

Basis der anthroposophischen Medizin sind die sogenannten vier „Wesensglieder“ des Menschen:

Physischer Leib

Äther-, Lebens- oder Bildekräfteleib

Astralleib

Das Ich, eine Kraft, die ihn über jedes Tier erhebt.

Diese vier Wesensglieder stehen nicht nur in enger Beziehung zueinander, sondern gleichen sich in Größe und Gestalt. Sie werden erst im Tod voneinander getrennt. Das menschliche Dasein beginnt nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod, sondern das „Ich“ des Menschen kehrt aus dem Jenseits wieder auf die Erde zurück, um neue Erfahrungen zu sammeln und bereits erlebte weiterzugeben. Der Mensch ist ein Mischwesen aus Materie und Geist.

Die anthroposophische Medizin geht nun davon aus, dass jeder Mensch mit seinem Körper, seiner Seele und seinem Ich-Bewusstsein ein dreigegliedertes System funktioneller Bereiche in sich trägt: das Sinnes-Nerven-System als Grundlage des Denkens und des Wachbewusstseins; das rhythmische System von Kreislauf und Atmung als Grundlage des Fühlens und als Ort des Traumbewusstseins und das Stoffwechsel-Gliedmassen-System als Grundlage des Wollens und Ort des Unterbewussten.

Anthroposophen verwenden als Medikamente ausschließlich homöopathisch zubereitete Heilmittel. Außer medikamentöser Behandlung umfasst die anthroposophische Therapie zahlreiche künstlerische und physikalische Behandlungsarten.

Lit.: Anthroposophische Medizin: ein Weg zum Patienten; Beiträge aus der Praxis anthroposophischer Ärzte, Therapeuten, Pflegender und Pharmazeuten / hg. von Michaela Glöckler. Stuttgart: Verl. Freies Geistesleben, 1999; Öschelbronner Akzente: anthroposophische Medizin und Forschung / Klinik Öschelbronn; Carl-Gustav-Carus-Institut. Niefern-Öschelbronn: Klinik Öschelbronn, 2001.

Anthropozentrik, astrologische Lehre, die den Menschen als Zentrum des Universums hinstellt und in ihm als Mikrokosmos alle Wahrheiten und Vorgänge im gesamten Universum, dem Makrokosmos, reflektiert sieht.

Lit.: Sahidi, Arman: Das neue Lexikon der Astrologie: 1400 Begriffe der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik und Astrologie. Genf; München: Ariston, 1991.

Anti, „der Bekrallte“, falkengestaltiger Gott des 12. oberägyptischen Gaues, „Herr des Ostlandes“; neuerdings wird der Name auch Nemti, „der Wanderer“, gelesen.

Lit.: Hornung, Erik: Der Eine und die Vielen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1971.

Antichrist (griech.). Belege für die Vokabel antíchristos finden sich erst in den Joh.-Briefen (1 Joh 2, 18.22; 4, 3; 2 Joh 7). Diese sprachliche Neuschöpfung kann zweifach verstanden werden, je nachdem ob man anti als „anstelle von“ oder mit „gegen“ übersetzt. Im ersten Fall setzt sich der A. an die Stelle des Christus (pseudochristoi in Mk 13, 22; Mt 24, 24), im zweiten Fall gegen Christus (Joh 2, 18). Nirgends wird jedoch im NT der A. mit dem > Teufel gleichgesetzt.

Die detailliertesten Aussagen des NT über das endzeitliche Wirken des A. finden sich in der Offenbarung, wenn auch der Terminus „antíchristos“ fehlt. So wird der A. schon frühzeitig als zukünftige individuelle Gestalt begriffen, die mit der Kraft Satans die Menschheit der Endzeit verführt und bedrückt. Schon bald wird der A. aber auch verschlüsselt als zeitgenössische Person, etwa Nero, oder als kollektive Macht, Römisches Reich, identifiziert. Dieses Bild ist dann Allgemeingut des Mittelalters. Luther sieht sogar im Papsttum das Bild des Antichristen. Die Vorstellung war damit für die Auseinandersetzungen mit Gegnern innerhalb und außerhalb der Kirche brauchbar, wie Der Antichrist von Friedrich Nietzsche zeigt.

Eine besondere Rolle spielt der A. in verschiedenen religiösen Gruppierungen und okkulten Bewegungen. Zum besonderen Zeichen des A. wird die Zahl > 666 in der Offenbarung des Johannes. Aleister > Crowley behauptete nach seiner Initiation durch das Buch des Gesetzes, der Antichrist und Herrscher des Neuen Zeitalters zu sein.

Lit.: Preuss, Hans: Die Vorstellungen vom Antichrist im späteren Mittelalter, bei Luther und in der konfessionellen Polemik: ein Beitrag zur Theologie Luthers und zur Geschichte der christlichen Frömmigkeit. Leipzig: Hinrichs, 1906; Newman, John Henry: Der Antichrist: nach der Lehre der Väter / M. e. Nachw. hg. v. Werner Becker. München: Kösel, 1951; Rauh, Horst Dieter: Das Bild des Antichrist im Mittelalter: von Tyconius zum deutschen Symbolismus. 2., verb. und erw. Aufl. Münster: Aschendorff, 1979; Nietzsche, Friedrich: Der Antichrist: Fluch auf das Christentum. Neuenkirchen: Phänomen-Verlag, 2003.

Antidämonisch, böse > Geister und > Dämonen abweisend. Ein Mittel, dem diese Kraft zugeschrieben wird, heißt > Fuga daemonium. Vor allem > Amulette wirken a., aber auch sehr vielen Pflanzen wird eine solche Wirkung zugeschrieben. Als a. gelten z. B. > Frauenflachs, > Leinkraut, > Johanniskraut, > Salbei, > Wacholder, > Weinraute und > Ysop. Eine besonders beliebte und alte Anwendungsart solcher Kräuter ist das Räuchern. Auch Räucherungen mit Weihrauch werden gegen böse Geister eingesetzt, so etwa in > Poltergeistfällen oder bei > Besessenheit.

Lit.: Müller-Ebeling, Claudia u. a.: Hexenmedizin. Aarau, CH: AT, ²1999.

Antidyskratikum (griech. anti, gegen; dys, miss-; krasis, Mischung). Natürliches Mittel, mit dem nach der > Humoralpathologie eine schlechte Säftezusammensetzung (Dyskrasie), z. B. durch Förderung der Ausscheidungsfunktionen, verbessert werden soll.

Lit.: Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde: und alternative Heilverfahren. Berlin; New York: de Gruyter, 1996.

Antigone, Tochter von > Ödipus und Lokaste (nach anderer Version Euryganeia), Schwester von Eteokles, Polyneikes und Ismene. Sie begleitete ihren blinden und alten Vater in die Verban­nung und kehrte nach dessen Tod in Attika nach Theben zurück, wo ihr Onkel > Kreon die Herrschaft übernommen hatte.

Als ihre Brüder im Kampf um Theben gefallen waren, bestattete Antigone, dem Gesetz der Menschlichkeit folgend, trotz des Verbotes Kreons auch Polyneikes, der mit den Sieben gegen Theben gekämpft hatte. Sie wurde deshalb zur Strafe lebendig in ein Felsengrab gesperrt, wo sie sich erhängte. Als Haimon, Kreons Sohn und zugleich ihr Verlobter, zu ihrer Befreiung in das Grab eindrang und sie tot auffand, tötete er sich über ihrer Leiche. Auch seine Mutter Eurydike, Kreons Gattin, beging Selbstmord.

Der Antigone-Stoff diente, abgesehen von Sophokles, für zahlreiche Dramen als Vorlage.

Lit.: Sophocles: Antigone: mit Materialien. Übers. von Heinrich Weinstock. Ausgew. von Hans-Dieter Reeker. Leipzig; Stuttgart: Klett-Schulbuchverl. Leipzig, 2004; Mythos Antigone: Texte von Sophokles bis Hochhuth / hg. Lutz Walther und Martina Hayo. Leipzig: Reclam, 2004.

Antike Mysterien (engl. ancient mysteries), religiöse Einweihungszeremonien in der Antike, an denen jemand nur nach einer Vorbereitungszeit, Prüfung und Ablegung eines Gelübdes teilnehmen durfte. Die ältesten heute bekannten Mysterien sind jene von > Eleusis. So zog alljährlich im September eine feierliche Prozession von Athen nach Eleusis, um dort für neun Tage die Wiederkehr der > Kore und die Vereinigung der beiden Göttinnen zu feiern. > Demeter war die Schutzgöttin der > Eleusinien wie auch der > Thesmophorien. Es gab viele Mysterienkulte in der griech.-römischen Antike. Der Weg zur Teilnahme an den Mysterien führte über die Einweihung, die von Sünden reinigen und einst ein glückliches Dasein im Jenseits bewirken sollte. Die Eingeweihten konnten die Göttin selbst schauen, doch mussten sie darüber schweigen.

Lit.: Henne am Rhyn, Otto: Das Buch der Mysterien. Leipzig, 1890; Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Wien: Verlag Brüder Hollinek, 81988; Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 1993; Kloft, H.: Mysterienkulte der Antike: Götter – Priester – Rituale. München: Beck, 1999.

Antike Parapsychologie > Antike Paranormologie.

Antike Paranormologie. Paranormologische Erscheinungen gibt es seit den Frühzeiten der Menschheit. Schon in den ältesten Büchern der ersten Kulturvölker, wie Inder, Ägypter, Chaldäer und Chinesen, werden paranormale Phänomene meist verwoben mit magischen Vorstellungen und vielfach in legendärer Einkleidung erwähnt. Erste Erklärungsversuche finden wir dann in der griechischen Philosophie. > Pythagoras von Samos (6. Jh.) erklärte das Fortleben nach dem Tode mit der Reinkarnation, nach > Heraklit (536 – 490) steht die menschliche Vernunft mit der göttlichen in Verbindung und kennt daher die Entscheidungen der universalen Vernunft. Diese verkündet beim Schlaf der Seelen ohne Mithilfe der Sinne die Zukunft. > Demokrit (460 – 371) erklärt die Träume mit Bildern, die von allen Körpern ausgehen und in die Poren des Körpers der Schlafenden eindringen. Bei > Sokrates ist oft von seinem > Daimonion die Rede, der in jedem Menschen als Gottesfunke individuell wirkt und als Gottesstimme im Herzen vernehmbar wird. > Platon (427 – 347) spricht von einer „theia mania“, einer von Gott hervorgerufenen Ekstase, welche die Schranken von Raum und Zeit durchbricht. > Aristoteles (384 – 322) entwickelte u. a. zur Erklärung der telepathischen Träume eine Wellentheorie im Gegensatz zur Korpuskeltheorie des Demokrit. Insbesondere hat sich der Priester von Delphi, der Platoniker > Plutarch (46 – 125), mit den paranormalen Phänomenen befasst. Er spricht von einer Geistseele, die über dem Körper schwebt und durch eine Schnur mit diesem verbunden ist, betont die Bedeutung des Fastens, der Narkotika (der Dämpfe aus den pythischen Höhlen) zur Erzeugung ekstatischer Zustände bzw. von Trance und ist der Ansicht, dass die Seele in die Zukunft schauen könne.

Schließlich sei von den vielen anderen nur noch > Artemidoros von Daldis (um 100) erwähnt, der in seinem fünfbändigen Werk über den Traum, > Oneirocriticon (Traumklassifizierungen), dem einzigen erhaltenen Lehrbuch der Traumdeutung jener Epoche, zwischen prophetischen Träumen durch göttliche Inspiration und normalen Träumen unterscheidet.

Lit.: Tischner, Rudolf: Geschichte der Parapsychologie. Tittmoning: Pustet, 1960; Dodds, Erec Robertson: Die Griechen und das Irrationale. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1970; Artemidorus, Daldianus: Traumkunst. [Übers. von Friedrich S. Krauss. Neubearb. und mit einem Nachw. sowie Anm. vers. von Gerhard Löwe. Einl. von Fritz Jürss]. Leipzig: Reclam, 1991.

Anti-Levitation, vom deutschen Ing. Fritz Grunewald vorgeschlagener Begriff zur Bezeichnung des bei medialen Sitzungen des öfteren empfundenen Effekts eines Schwererwerdens des > Mediums.

Lit.: Grunewald, Fritz: Physikalisch-mediumistische Untersuchungen. Pfullingen i. Württ.: Baum, 1920; ders.: Versuche über Materialisation und Telekinese. 2 Vortr. geh. auf d. 2. internat. Kongress f. parapsycholog. Forschung in Warschau am 1. Sept. 1923. Leipzig: Mutze, 1924.

Antilope(n) (griech., „Blumenauge“). Als A. werden in der Regel alle Hornträger bezeichnet, die nicht zu den Rindern, Schafen und Ziegen gehören und durch eine schlankere Gestalt ausgezeichnet sind. Eine weiße Antilope ist das alte Gauzeichen des 16. oberägyptischen Gaues. Als Göttin in der Gestalt einer Antilope dürfte > Satis, die Spenderin des Kataraktwassers und „Herrin von Elephantine“, verehrt worden sein; daher rührt auch in geschichtlicher Zeit ihr Kopfschmuck, der aus der oberägyptischen Königskrone und zwei geschweiften Antilopenhörnern bestand. Im Symboldenken gab es eine Beziehung zwischen Antilope und Wasser. So war der anderen Kataraktengöttin > Anuket die Gazelle, eine Antilopenart, heilig. In Südarabien war die A. Symboltier des Gottes > Attar, der dem Land den Regen spendet. Später erlitt die A. in Ägypten jedoch das Schicksal der meisten Wüstentiere. Sie wurde verfemt und verfolgt, weil sie dem > Seth angehörte. So zeigt das Gauzeichen des 16. oberägyptischen Gaues später über der Antilope den siegreichen Falken des Horus.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypter. Handbuch der mystischen und magischen Welt Ägyptens. Bern [u. a.]: Scherz, 1998.

Antimachos (griech.). Nach der griechischen Mythologie war Antimachos 1. ein trojanischer Adeliger und ein großer Krieger, der sich aufgrund friedlicher Vereinbarung der Rückkehr der Helena aus Troia widersetzte und empfahl, die Unterhändler der Griechen zu töten. Später wurden seine Söhne in einem Ver­geltungsakt umgebracht;
2. ein Sohn des > Herakles und einer Tochter des Thespios sowie Vater des Deiphontes;
3. einer der > Kentauren, der auf der Hochzeit des Pirithous durch Caeneus ums Leben kam;
4. griechischer Dichter aus Kolophon (um 400 v. Chr.), älterer Zeitgenosse Platons. Mit seinen beiden Hauptwerken, dem Epos Thebais (über die beiden mythischen Thebanischen Kriege) und einem nach seiner verstorbenen Geliebten Lyde benannten Elegienzyklus, der die Mythen durch den Tod getrennter Liebespaare behandelte, war er Begründer der gelehrten Dichtung und als solcher Vorläufer und Vorbild der Alexandriner, die ihn wegen seiner Gelehrsamkeit gleich nach Homer stellten.

Lit.: Leutsch, Ernst Ludwig von: Thebaidis cyclicae reliquiae / disposuit et commentatus est Ernest. Ludovicus de Leutsch. Gottingae: Dieterich, 1830; Matthews, Victor J.: Antimachus of Colophon: text and commentary. Leiden [u. a.]: Brill, 1996.

Antimasonische Sozietät. Adelige Gesellschaft, die – wenngleich den > Freimaurern nachgebildet – über keine Grade verfügte und sich durch wohltätige Werke und Tugendübungen auszuzeichnen versuchte. Die Mitglieder erkannten einander an geheim gehaltenen Zeichen, trugen einen speziellen Ring und besondere Kleidung. Da antifreimaurerisch, durfte kein Mitglied der Freimaurer aufgenommen werden. Auch Frauen war der Zutritt gestattet. Die Gemeinschaft bestand hauptsächlich in Gottorf, Deutschland, zwischen 1741 und 1779.

Lit.: Schuster, Georg: Die geheimen Gesellschaften, Verbindungen und Orden. Erster Band. Wiesbaden: Fourier, o. J.

Antimon, eine Bezeichnung, die sich erstmals im 11. Jh. bei Constantinus Africanus findet, wahrscheinlich aber älter und von umstrittener Herkunft ist. Zunächst wurde darunter ein sehr feines Pulver verstanden, später eine „feine“, d. h. flüchtige, geistige Flüssigkeit, der Weingeist. In der Natur kommt A. hauptsächlich als Grauspießglanz (Antimonit, Stibnit) vor. In älteren Texten ist A. in der Regel dieser Spießglanz und nicht ein elementares A.
Bereits in der Antike wurden Antimonpräparate in der Heilkunde verwendet. Pulverisiertes Antimonsulfid diente zur Herstellung von Augensalben oder Augenschminke und zur Behandlung von Wunden und Geschwüren. Die von > Paracelsus eingeführte innerliche Anwendung von Antimonverbindungen war im 16. und 17. Jh. sehr umstritten. Aus metallischem A. fertigte man „pocula vomitoria“, Becher, die mit Wein gefüllt waren, der nach einigem Stehen durch gelöstes A. Brechreiz verursachte und daher auch zur Alkoholentwöhnung verwendet wurde. Hingegen wirkten die aus A. gedrehten „pillulae perpetuae“, ewige Pillen, abführend und vererbten sich als teure Familienstücke auf ganze Geschlechter, denn „wenn sie gleich hundertmal eingenommen und wieder ausgegeben, würden sie doch alle Zeit purgieren und man große Not haben zu merken, dass sie etwas verringert werden“ (Peters, Pharmazeutik 1, 208 und 2, 121 f.).

Antimonverbindungen dienten auch zur Herstellung keramischer Farbstoffe. In der Probierkunst verwendete man Antimonsulfid zur Scheidung von > Gold und > Silber. Wegen dieser außergewöhnlichen Eigenschaften spielte A. in der > Alchemie eine wichtige Rolle. Die unterschiedlichen Farben der Antimonverbindungen repräsentierten verschiedene Stufen des > Opus magnum. Eine ausgezeichnete Stellung nahm der sog. Signatstern (Stella antimonii, Antimonium stellatum) des A. ein, der beim Reduzieren von > Antimonit mit > Eisen als > Regulus mit sternförmig kristallisierter Oberfläche gebildet wird.

Lit.: Peters, Hermann: Aus pharmazeutischer Vorzeit in Bild und Wort. Berlin, 1. Bd. 21891, 2. Bd. 1889; Flügel, Georg Josef: Volksmedizin und Aberglaube im Frankenwalde. Hof: Ackermann-Verl., 1995; Priesner, Claus / Figala, Karin (Hg): Alchemie. München: Beck, 1998.

Antimonit, Edelstein, der in der Antike Stibiun hieß, abgeleitet von dem ägyptischen Wort für eine aus dem A. hergestellte Wimperntusche, stem. Der A. gehört in die Mineralklasse der Sulfide und hat einen metallischen Glanz in Grau bis Schwarz. Ihm wird eine starke Wirkung im geistigen Bereich zugeschrieben, vor allem wenn es darum geht, schlechte Gewohnheiten abzulegen. So wurden Becher aus A.-Metall im 17. und 18. Jh. in Klöstern benutzt, um den Mönchen das Alkoholtrinken abzugewöhnen. Der A. kann „persönliche Interessen und höhere Ideale in Einklang“ bringen und unterstützt die Kontrolle der eigenen Gefühle (Gienger, 145). Im Körperbereich hat der Stein lindernde Wirkung bei Hautbeschwerden, fördert z. B. die Wundheilung und hilft bei Ausschlägen und Juckreiz. Auch Magenprobleme und Übelkeit könnten mit dem A. behandelt werden.

Lit.: Gienger, Michael: Lexikon der Heilsteine: von Achat bis Zoisit. Saarbrücken: Neue Erde, 42000.

Antipathes (griech., „gegen das Leiden“), ein Schutzmittel, z. B. ein > Amulett, ein Kräuterbündel oder Ähnliches, das man gegen böse Verzauberung bei sich trägt.

Einige verstehen unter A. die schwarze Koralle, andere eine harten, schwarzen Gummi.

Lit.: Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Antipathie (griech. anti, gegen; patheia, Leid(enschaft), Gemütsstimmung), gefühlsmäßige, spontane Abneigung gegenüber Personen, Sachen oder Einflüssen. Wahrscheinlicht bedingt durch Gestalt, Geruch und Stimme, insbesondere aber durch störende Bioresonanz und nicht bewältigte persönliche Erinnerungen in Denken und Fühlen, was theosophisch auch durch unbewusste Beziehungen in der Präexistenz erklärt wird. Antipathische Reaktionen sind auch beim Tier zu beobachten.

Lit.: Jäger, Otto: Antipathie und Sympathie: ihre Klärung u. Wandlung. Hamburg: Furche-Verl., 1961; Shepard, Leslie (Hg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984. 1. Bd.

Antiphates, König der > Laistrygonen, der menschenfressenden Riesen auf Sizilien. Als Odysseus’ Schiffe in den Hafen von Telepylos einliefen, schickte dieser drei seiner Gefährten als Gesandte zum König, die um Aufnahme bitten sollten. A. ergriff den einen von ihnen und befahl, ihn zum Abendessen zuzubereiten. Die beiden anderen entkamen. Dann rief A. sein Volk zusammen und die Laistrygonen schleuderten gewaltige Felsbrocken auf die Schiffe, sodass ein großer Teil der Besatzung getötet wurde. Odysseus, dessen Schiff hinter einem Felsen angebunden war, konnte unversehrt den Hafen verlassen.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.

Antiquarius, Rheinischer > Rheinischer Antiquarius.

Antiquus Arcanus Ordo Rosae Rubeae Aureae Crucis > AAORRAC.

Antium (lat.), alte Küstenstadt in Latium, heute Anzio, etwa 50 km südlich von Rom, war in römischer Zeit ein beliebter Badeort und gehörte mit Klaros und Praeneste zu den berühmten Stätten der > Losorakel.

Lit.: Luck, Georg: Magie und andere Geheimlehren in der Antike. Stuttgart: Kröner, 1990, S. 324.

Antizipation (lat., Vorwegnahme), Vorwegnahme einer künftigen Begebenheit oder Entwicklung aufgrund naturwissenschaftlicher Untersuchungen, geisteswissenschaftlicher Prognosen, intuitiver Erfahrungen, präkognitiver Erkenntnisse und visionärer Schauungen.

Die Verifizierung der A. kann immer erst nach Eintreten des Vorweggenommenen erfolgen.

Lit.: Ignatow, Assen: Der Teufel und der Übermensch: die Antizipation des Totalitarismus bei Dostojewski und Nietzsche. Stuttgart: Evang. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, 1989; Gaede, Friedrich (Hg.): Antizipation in Kunst und Wissenschaft: ein interdisziplinäres Erkenntnisproblem und seine Begründung bei Leibniz. Tübingen [u. a.]: Francke, 1997.

Antizufallswahrscheinlichkeit, bezeichnet den Grad von Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis nicht zufällig ist. Die statistische Beweisführung eignet sich bei wiederholbaren Experimenten mit gleichen Parametern, doch lässt sich die Existenz eines Phänomens rein mathematisch nicht beweisen.

Lit.: Tornier, E.: Die Arbeitshypothese Antizufallswahrscheinlichkeit. In: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete des Psychologie III (1959 / 60) 2 / 3.

Antonia, Prinzessin von Württemberg (1613 – 1679), christliche Kabbalistin. In einem Kreis, den A. um sich scharte, wurde die sog. „Kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia von Württemberg“ geschaffen, die heute in der Dreifaltigkeitskirche in Bad Teinach, Schwarzwald, Deutschland, steht. Die Lehrtafel wird als ein Höhepunkt christlicher Kabbala bezeichnet. Sie ist eine Meditationshilfe, die Erkenntnis fördern und zugleich ein gottesdienstliches Werk sein soll. Auf der sehr bunten und großen Tafel hat alles seine Bedeutung: Farben, Buchstaben, Szenen aus der Bibel, aus kabbalistischen Schriften und antiken Quellen wie dem > Physiologos, die Symbolik des Männlichen und Weiblichen, des Rechts und Links, Oben und Unten, Astrologisches und die Symbolik des Gartens. Die Bildkomposition verbindet den > Sefirot-Baum mit einem > Mandala.

Lit.: Oetinger, Friedrich Christoph: Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia. Hg. von Reinhard Breymayer und Friedrich Häußermann. Berlin; New York, 1979; Schauer, Eva Johanna: Dramaturgia Pietatis im Württemberg des 17. Jahrhunderts. Prinzessin Antonia zu Württemberg und ihre kabbalistische Lehrtafel. Diss., Hannover, 2003.

Antoniterkreuz oder Antoniuskreuz (lat. crux commissa bzw. comissa, zusammengefügtes Kreuz) ist die Bezeichnung für das T-förmige Kreuz, auch Ägyptisches Kreuz oder Schächerkreuz genannt. Der kurze Querbalken befindet sich am oberen Ende des Kreuzstammes. Der T-Form wegen heißt der Typus auch Thaukreuz.

Dieses Kreuz in Form eines T zierte in Ägypten die Brust einer Serapis-Statue, Symbol des künftigen Lebens. Der Überlieferung nach trug auch der hl. > Antonius der Große, der Einsiedler und Wüstenvater in Ägypten (geb. 251 / 52 – 356 / 57), dieses Kreuz, das als Attribut des Heiligen jedoch erst seit der Gründung des Antoniter-Ordens bekannt ist. Die Angehörigen dieses Ordens trugen ein blaues Antoniuskreuz auf ihrem schwarzen Mantel.
Der hl. Antonius soll mit diesem Kreuz die Dämonen vertrieben, die Götzen gestürzt und die Pest bekämpft haben. Er habe das Kreuz auf seinem Mantel und an seinem Stab getragen, eine Tracht, die in Wirklichkeit auf die Antonierherren des Mittelalters zurückgeht. Die Geschichte dieses Ordens hängt mit der Geschichte einer Epidemie, des > Antoniusfeuers (
ignis sacer), zusammen. Daher soll das A. gegen Pest und ähnliche Krankheiten schützen.

Seit 1736 ist das A. das Wappen der Justus-Liebig-Universität in Giessen, Deutschland.

Lit.: Zöckler, Otto: Das Kreuz Christi: religionshistorische und kirchlich-archäologische Untersuchungen; zugleich ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte. Gütersloh: Bertelsmann, 1875; Korte, Gandulf: Antonius der Einsiedler in Kult, Kunst und Brauchtum Westfalens. Hg. von Adalbert Klaus. Werl / Westf.: Coelde, 1952; Maria Baptista <a Spiritu Sancto>: Der heilige Antonius, Erzvater d. Einsiedler. Saarbrücken: Verl. f. religiöses Schrifttum Dr. Krueckmeyer, 1955; Anderhub, Andreas: Das Antoniterkreuz in Eisen: zur Geschichte d. Univ. Giessen während d. 1. Weltkriegs. Giessen: Selbstverl., 1979.

Antonius a Spiritu Sancto, Unbeschuhter Karmelit (OCD), geb. am 20.06.1618 in Portugal, am 8.01.1673 in Lissabon zum Bischof für den Kongo geweiht und dort am 12. oder 27.01.1674 verstorben. Er verfasste mehrere Schriften, von denen sein Handbuch der Mystik, das 1676 in Lyon unter dem Titel Directorium mysticum, in quo tres difficillimae viae, scilicet purgativa, illuminativa et unitiva undique illucidantur erschien, besonders hervorsticht. Wie der Titel besagt, zeichnet das Buch den dreifachen mystischen Weg der Reinigung, Erleuchtung und der Einigung. Die Darlegungen erfolgen anhand der mystischen Lehre seines Ordens unter Berücksichtigung der > Theresia von Avila und des > Johannes vom Kreuz sowie des hl. > Thomas von Aquin.

W.: Antonius a Spiritu Sancto / Directorium mysticum, in quo tres difficillimae viae, scilicet purgativa, illuminativa et unitiva undique illucidantur et sanctorum patrum praecipue Angelici D. Thomae. Lugduni: Barbier, 1677.

Antonius der Große (um 251 – 356), heilig (Fest: 17. Januar), auch „der Einsiedler“ und „der Abt“ genannt. Um 251 in Koma, dem heutigen Keman, in Mittelägypten als Sohn wohlhabender christlicher Eltern geboren, übernahm er nach deren Tod im Alter von 18 Jahren die Sorge für seine jüngere Schwester. Nachdem er beim Verlesen des Evangeliums Jesu Worte: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben, dann komm und folge mir nach“ (Mt 19, 21) gehört hatte und bald darauf: „Sorgt euch nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage“ (Mt 6, 34), vertraute er seine Schwester asketisch lebenden Frauen an und führte selbst das Leben eines Asketen, zunächst in der Nähe seines Heimatdorfes, dann in einer Grabstätte, um sich anschließend für 20 Jahre in eine verlassene Verteidigungsanlage in der Wüste zurückzuziehen. Um 311 ging er nach Alexandrien, um die Christen während der Verfolgung des Maximus Daja zu stärken. Dann zog er sich wieder in die Wüste zurück, wo er von vielen Asketen und Geistlichen aufgesucht wurde. 337 solle er auf Bitten der Geistlichen nach Alexandrien gekommen sein, um öffentlich gegen die Arianer aufzutreten.

Seine Vita, geschrieben von Athanasius, erzählt zudem ausführlich von Heilungen, Vorhersagen und Visionen. So sagte A. auch seinen Tod voraus und befahl den Seinen, ihn heimlich zu beerdigen. Er starb nach der Hieronymus-Chronik 356 im Alter von 105 Jahren. 561 wurde sein Grab entdeckt und seine Gebeine wurden nach Alexandrien überführt, von wo sie 635, nach der Eroberung Ägyptens durch die Muslime, nach Konstantinopel gelangten. Um 1000 kam der größere Teil der Reliquien in die Prioratskirche St-Didier de la Motte nach Frankreich und schließlich 1491 in die heutige Ruhestätte in der Pfarrkirche St-Julien in Arles.
Der Einfluss und die Verehrung von A. ist zum Großteil der Lebensbeschreibung des Athanasius zu verdanken, die kurz nach 356 entstand und bald in das Lateinische übersetzt wurde. Seine Verehrung ist bis heute lebendig geblieben, wie schon aus seinen Patronaten abzulesen ist: > Antoniusfeuer (Ergotismus gangraenosus, Kribbelkrankheit), eine seuchenartige Krankheit, die mit feuriger, brennender Rötung der Extremitäten begann;
Antoniuswasser, zu seinen Ehren geweihtes Wasser, das von Antoniusfeuer Befallenen gereicht wurde; Antoniusschwein, Attribut des Heiligen, wobei sich das Schwein auf das Privileg der Antoniter bezieht, als Entgelt für ihre Armenpflege, ihre Schweine frei weiden lassen zu dürfen. > Antoniterkreuz.

Lit.: Herling, Ludwig Maria von: Antonius der Einsiedler. Innsbruck: F. Rauch, 1929; Athanasius, Alexandrinus: Vita Antonii. Hg. u. mit e. Einl. vers. von Adolf Gottfried. Graz u. a.: Verlag Styria, 1987.

Antonius Maria Claret y Clará > Claret y Clará, Antonius Maria.

Antonius von Aachen (1820 – mind. 1872). Im Jahre 1872 berichtete J.-M. Curicque, ein Priester, in seinen Voix prophétiques (Prophetische Stimmen), die in Paris erschienen, von einem Einsiedler namens Antonius, der in der Gegend von Aachen lebte. Dieser soll die Sehergabe besessen und seine Prophezeiungen teils über seinen Bruder, teils über einen mit ihm befreundeten Priester unmittelbar an Curicque weitergeleitet haben.

Da über den Einsiedler sonst nichts bekannt ist, beziehen sich die folgenden Angaben ausschließlich auf Curicque. Nach seinen Ausführungen hat A. in den Jahren vor Veröffentlichung seiner Prophezeiungen Ereignisse angekündigt, die genau in Erfüllung gingen – so die Vertreibung der Österreicher aus Italien (1859), die Errichtung der preußischen Vorherrschaft in Deutschland (1866), der deutsch-französische Krieg von 1870, die Einnahme Roms durch die Truppen des neu geeinten Italien (1870).

Im Jahre 1871 soll der Einsiedler dem schon erwähnten Priester weitere zukünftige Ereignisse mitgeteilt haben, die dieser wiederum an Curicque weitergab. Darin ist die Rede von der Wiedereroberung des Elsass durch die Franzosen und weiteren geschichtlichen Ereignissen, deren Verifizierung im Einzelnen zu wünschen übrig lässt.

Lit.: Curicque, J.-M.: Voix prophétiques ou signes, apparitions et prédictions modernes touchant les grands événements de la chrétienté au XIXe siècle. Paris: Palmé, 41972.

Antonius von Padua (1195 – 1231), heilig (1232, Fest: 13. Juni), Franziskaner, Kirchenlehrer. In Lissabon, Portugal, geboren, erhielt er bei der Taufe den Namen Ferdinand. 1210 trat er bei den Augustiner Chorherren ein und wechselte 1220 unter dem Namen Antonius zu den Franziskanern im Kloster St. Antonius zu Livares bei Coimbra. Er wollte nach Afrika, um den Märtyrertod zu erleiden. Durch Krankheit zur Umkehr gezwungen, gelangte er nach einer angeblichen Erscheinung der Gottesmutter mit dem Jesuskind 1221 auf das Generalkapitel der Franziskaner in Assisi. In Monte Paolo bei Forlì wurde man auf seine Predigergabe aufmerksam und ernannte ihn zum Prediger gegen die Ketzer, so 1222 – 1224 gegen die Katharer in Oberitalien und Südfrankreich. 1224 bestimmte ihn der hl. Franz von Assisi zum ersten theologischen Lehrer des Ordens. Sowohl als Lektor der Theologie als auch als Prediger hatte er ungeheuren Erfolg. A. starb am 13. Juni 1231 in Arcella bei Padua und wurde bereits 1232 heilig gesprochen. 1263 wurde sein Leichnam in die neue Basilika von Padua übertragen.1946 wurde A. unter dem Titel „Doctor evengelicus“ zum Kirchenlehrer ernannt.

Von den Schriften gelten die Sermones domenicales und die Sermones in solemnitatibus Sanctorum als sicher authentisch.

Die Verehrung von A. ist bis heute ungebrochen und reicht weit über die katholische Kirche hinaus. Schon zu Lebzeiten wurden ihm unzählige außerordentliche Gaben zugeschrieben, wie z. B. sich Anderssprachigen und auch Tieren in feurigen Predigten verständlich zu machen (> Xenoglossie). Am bekanntesten ist seine „Fischpredigt“. Als ihm die Bewohner von Rimini nicht zuhören wollten, kamen die Fische ans Ufer und erhoben lauschend ihre Köpfe. Während einer Gründonnerstag-Predigt in der Kathedrale von Limoges erinnerte sich A., dass er am anderen Stadtende eine Messe hätte lesen sollen; er zog sich die Kapuze über den Kopf und sank vor dem Altar nieder, wo er in dieser Haltung bewegungslos einige Minuten verweilte. Zur gleichen Zeit sah man ihn in der Klosterkapelle im Gebet. > Bilokation.

So ist A. zum Fürbitter bei zahlreichen Begebenheiten des Lebens geworden. Insbesondere wird er angerufen, um Verlorenes zu finden oder Gestohlenes wiederzuerlangen. Er ist ferner Patron der Armen (Antoniusbrot), Liebenden, Eheleute, Bäcker, Bergleute und Reisenden.

Lit.: Kérval, Léon de: Sancti Antonii de Padua vitae duae. Paris: Fischbacher, 1904; Scandaletti, Paolo: Antonius von Padua: Volksheiliger u. Kirchenlehrer. Graz [u. a.]: Styria, 1983; Rotzetter, Anton: Antonius von Padua: Leben und Legenden. Werl: Dietrich-Coelde-Verl., 1995.

Antoniusfeuer, der ignis sacer der Römer, die Gesichtsrose, bezeichnet den im Mittelalter unter gefährlichen Symptomen aufgetretenen Ergotismus gangraenosus, auch Antoniplage und Antonirache genannt. Es handelte sich dabei um eine Krankheit, die durch das Mutterkorn, einen giftigen Pilz, hervorgerufen wurde, der sich in der Roggenähre einnistet und dessen Giftgehalt vor der Ernte am höchsten ist, aber bereits nach drei Monaten stark abfällt. Zu den Vergiftungen kam es meist nach langen Hunger- und Dürreperioden, wo das geerntete Getreide sofort verbraucht wurde.

Es gab zwei Arten von Erkrankungen, die krampfartige und die brandige Form.
Die
krampfartige Form befiel das Nervensystem und verursachte Rückenschmerzen, Jucken und Kribbeln in den Gliedmaßen, Herzstörungen, Erstickungsanfälle und Müdigkeit. Das Bewusstsein blieb jedoch erhalten. Die Todesrate war hoch, meist aufgrund eines Krampfanfalles.

Die brandige Form führte zum Verlust von Extremitäten mit Gewebsuntergang (Nekrosen) und Geschwürbildung an den Gliedmaßen infolge Durchblutungsstörungen. Die Extremitäten fielen entweder von alleine ab oder mussten amputiert werden. Hier bestand noch eine Überlebenschance. Als Gegenmittel wurden Steinstaub, Pfingst- und Ostertau sowie Pech und Wagenschmiere verwendet, die allerdings keine Wirkung zeigten.
Zur Pflege der Kranken wurde 1059 in Südfrankreich der
Antoniter-Orden (Canonici Regulares Sancti Antonii CRSAnt) gegründet, auch Antoniusorden, Antoniter oder Antonianer genannt. Papst Urban II. bestätigte den Orden 1095 als Laienbruderschaft. Ab 1247 lebten die Brüder nach der Regel des hl. Augustinus und 1298 wurde der Orden von Papst Bonifatius VIII. in einen Chorherrenorden umgewandelt. Er besaß angeblich ein Geheimmittel gegen das „hl. Feuer“ (ignis sacer). Der Orden unterhielt im 15. Jh. in ganz Europa etwa 370 Spitäler, in denen rund 4.000 Erkrankte versorgt wurden.

Die Übertragung des lateinischen Namens ignis sacer auf den heiligen Antonius, den Wüstenvater, ist schon im 12. Jh. nachweisbar. Damals soll Wasser, in das man Reliquien des Heiligen tauchte, wider das Leiden geholfen haben.

Im Mittelalter konnten die Ärzte noch keine Hinweise auf die Ursache der Vergiftung finden. Erst 1630 erkannte ein Arzt aus Antwerpen den Zusammenhang zwischen dem Mutterkorn des Roggen und der brandigen Form des Ergotismus.

Lit.: Höfler, Max: Deutsches Krankheitsnamen-Buch. München: Piloty & Loehle, 1899; Bauer, Veit, Harold: Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin. Berlin [u. a.]: Springer, 1973; Grabner, Elfriede: Krankheit und Heilen: eine Kulturgeschichte der Volksmedizin in den Ostalpen. 2., korrig. u. um e. Einleitung erw. Aufl., Wien: Österr. Akad. d. Wissenschaften, 1997, S. 74 – 90.

Antum (Antu), Gemahlin des altmesopotamischen Himmelsgottes > An.

Antworter, magisches Schwert des Meeresgottes und Jenseitsführers Mannanan, Sohn des Lir, der in der irischen Sage des frühen Mittelalters das Meer verkörpert. Der Thron von Mannanan ist die Insel Man und er gilt als ein besonderer Beschützer Irlands. Sein weiter Mantel schillert in allen Farben und kann unsichtbar machen. Mannanan kann sämtliche Illusionen wecken und ist mit jeder List vertraut. Er besitzt magische Schätze, z. B. eine Ozeanfähre, die einen ohne Ruder und Segel schnell wie ein Gedanke in das Land seiner Wünsche trägt; ein weißes Pferd, das über Wasser und Land laufen kann, und den Antworter, ein Schwert, dem niemand zu widerstehen vermag und das jede Rüstung durchbohrt.

Lit.: Benning, Maria Christiane: Alt-irische Mysterien und ihre Spiegelung in der keltischen Mythologie. Stuttgart: Mellinger, 21978; Botheroyd, Sylvia: Irland: Mythologie in der Landschaft; ein Reise- und Lesebuch. Darmstadt: Häusser, 1997.

Anu > An.

Anubis („der in den Mumienbinden ist“), altägyptischer Gott der Mumifizierung und der Toten. Ursprünglich war er Wächter der Totenstadt von Saqqara, wo es häufig Schakale zu beobachten gab. So hat A. zum einen die Gestalt eines großen schwarzen Hundes oder Schakals, zum anderen eines Menschen mit einem Hunde- oder Schakalkopf. Als Totengott ist er „Herr der Gotteshalle“ und „Herr der Reinigungsstätte“ und damit Leiter der Mumifizierung. Im Neuen Reich wurde A. als Wache haltender Hund auf einem Kasten, der Balsamierungsgerät oder Eingeweidebehälter enthielt, dargestellt. Als > Osiris die Herrschaft des Totenreiches antrat, wurde A. sein Untergebener und hatte die Wägung der Herzen beim Totengericht vorzunehmen und die Seelen der Verstorbenen durch die Unterwelt zu führen. A. war zudem der Beschützer der Friedhöfe und besaß eine Reihe von Kultorten an verschiedenen Stellen des Landes. Später wurde er als Hermanubis von den Griechen mit > Hermes, der die Seelen der Toten begleitete, gleichgesetzt.

Lit.: Lafaye, Georges: Histoire du culte des divinités d‘Alexandrie Sérapis, Isis, Harpocrate et Anubis hors de l‘Egypte depuis les origines jusqu‘ à la naissance de l‘école Néo-Platonicienne. Paris: Thorin, 1884; Dogs in Antiquity: Anubis to Cerberus; the Origins of the Domestic Dog / Douglas Brewer / Terence Clark / Adrian Phillips. Warminster: Aris & Phillips, 2001.

Anuket (griech. Anukis), ägyptische Göttin des Kataraktgebietes. Sie wurde besonders in Elephantine verehrt und auch „Herrin Nubiens“ genannt. In Verbindung mit der Nilflut hatte sie die Funktion einer Wassergöttin. Ihr heiliges Tier war die Gazelle.

Lit.: Valbelle, Dominique: Satis et Anoukis. Mainz: von Zabern, 1981.

Anukis > Anuket.

Anunnaki, eine Gruppe von sumerischen und akkadischen Göttern, die auf der Erde und in der Unterwelt wohnten. > Anschar und Kischar.

Lit.: Leick, Gwendolyn: A Dictionary of Ancient Near Eastern Mythology. N. Y.: Routledge, 1998.

Anupapadaka, auch Anupadka (sanskr.), in Hinduismus und Buddhismus Bezeichnung für elternlos, nicht-geboren, also ewig; von ,an‘- „nicht“, ,upa‘- „entsprechend“; und der Ursachen-(kausativen) Form der Wortwurzel ,pad‘- „hervorgehen“; also einer, der ohne Ursache hervorgeht, ein „Elternloser“. Das Wort wird auch in der Bedeutung von „innerer Gott“, „innere Quelle“ verwendet, von der in mystischer Emanation die Hierarchie einer Klasse der himmlischen Wesen, der > Dhyani-Buddhas, ausgeht, die unmittelbar, ohne Zwischenglieder, aus dem Schoß von > Adibuddha oder dem kosmischen > Mahat hervorgehen und daher „elternlos“ oder „durch sich selbst bestehend“ genannt werden.

Bei Alice > Bailey bezeichnet A. die 6. Ebene, die Prinzipien der Welt; bei Max > Heindel die Welt des Urgeistes.

Lit.: Miers, Horst E.: Lexikon des Geheimwissens. München: Goldmann, 21979; Werner, Helmut: Lexikon der Esoterik. Wiesbaden: Fourier, 1991.

Anuruddha (sanskr.), der 1. der sechs Vettern des > Buddha, die gemeinsam in den von Buddha gegründeten Bhikkhu-Orden eintraten. Nach dem Tod des Buddha stand A. der Mönchsversammlung vor und traf die notwendigen Anordnungen für seine Ein-
äscherung. A. blieb neben Mahakashyapa eine hervorragende Führungsgestalt und soll die Gabe des Hellsehens und die Fähigkeit besessen haben, in der Meditation Visionen zu erleben.

Lit.: Schmidt, Kurt: Buddhistische Heilige: Charakterbilder. Konstanz: Curt Weller & Co., 1947; Das Lexikon des Buddhismus: Grundbegriffe, Traditionen, Praxis; Bd. 1: A – M / Klaus-Josef Notz [Hg.]. Orig.ausg. Freiburg i. Br.: Herder, 1998.

Anussati (Pali, „Betrachtungen“). Ursprünglich sechs Betrachtungen über den Erleuchteten, das Gesetz, die Jüngerschaft, die Sittlichkeit, die Himmelswesen, um durch Freiwerden von den drei unheilsamen Wurzeln Gier, Hass und Wahn Freude für die buddhistische Lehre zu erreichen. Später kamen noch Betrachtungen über den Tod, den Körper, die Atmung und den Frieden hinzu.

Lit.: Fischer-Schreiber, Ingrid u. a. (Hg.): Lexikon der östlichen Weisheitslehren: Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Zen. Bern [u. a.]: Scherz, 1986.

Anwaht. Im Alemannischen bezeichnet man damit plötzlich auftretende Kopfschmerzen, die einem dämonischen > Anblasen, > Anhauchen (Anwehen) zugeschrieben wurden – wie schon bei > Paracelsus, der „Drachenschuss“ (Hexenschuss) und A. nebeneinanderstellt. Bei dieser Erkrankung wird vor allem das > Vermessen angewendet.

Lit.: Höhn, Heinrich: Volksheilkunde 1. Stuttgart: Kohlhammer, 1920; Paracelsus: Opera / von Philippi Theophrasti Bombastus von Hohenheim Paracelsi. [Nachdr. der Ausg.] Strassburg, Zetzner, 1616. Regensburg: Licht-Quell-Verl. Weigerstorfer, 1995.

Anwehen > Anhauchen.

Anwesenheitsempfinden oder Anwesenheitsempfindung, engl. feeling of a presence, kurz FOP, bezeichnet das Wahrnehmen eines Wesens, das nicht auf einer Sinneswahrnehmung, sondern auf einer Art Gefühl basiert. Brugger, Regard und Landis ordnen das Phänomen der A. unter dem Namen “feeling of a a presence” in eine Gruppe von sechs charakteristischen Typen autoskopischer Phänomene ein, auch wenn es sich hier streng genommen gar nicht um ein visuelles Erlebnis handelt, was der Begriff > Autoskopie eigentlich meint (Brugger, Regard & Landis 1997, S. 21).

Das Phänomen des „Fühlens einer Gegenwart“ ist in unserer Zeit mit 7,91 % relativ häufig in der Normalbevölkerung verbreitet (Brugger, Regard & Landis 1996, S. 120). Allerdings fassen die Autoren unter diesem Begriff alle möglichen Wesen zusammen, von dem gespürten unsichtbaren Begleiter eines Bergsteigers, über den imaginierten Spielkameraden eines Kindes oder ein extraterrestrisches Wesen bis hin zu Schutzengeln (Brugger, Regard & Landis 1996, S. 114). Die Verfasser heben dabei zwei bemerkenswerte Aspekte dieser FOPs hervor: das ist einmal die räumliche Lokalisierung dieser „Gegenwart“ – es handelt sich ja um ein bloßes Fühlen, nicht um einen optischen Vorgang –, und zwar wird das Wesen generell in einem bestimmten Abstand von der eigenen Person wahrgenommen; zum anderen ist es die absolute Gewissheit, mit der dieses unsichtbare Wesen gespürt wird (Brugger, Regard & Landis 1996, S. 115). Der Philosoph und Psychiater Karl Jaspers, der das FOP-Phänomen schon 1913 ausführlich beschrieb, spricht von einer „leibhaften Bewusstheit“ der Anwesenheit eines unsichtbaren Wesens (Jaspers, 1913).

Die Autoren weisen weiter darauf hin, dass FOP-Phänomene häufig im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten wie Epilepsie, Schizophrenie, Migräne, Depression, organischen Psychosen und Zuständen nach Vergiftungen festgestellt wurden (Brugger, Regard & Landis 1996, S. 115), was jedoch umgekehrt nichts darüber aussagt, ob Menschen, die diese Erlebnisse haben, ebenfalls häufig an diesen bestimmten Krankheiten leiden und um welche Art des FOP es sich handelt. Störungen im Gehirn und Erlebnisse mit Geistern können parallele Erscheinungen sein. Über die Ursachen von Geistererscheinungen sagen diese Krankheiten jedoch nichts aus.

Lit.: Brugger, Peter / Regard, Marianne / Landis, Th.: Unilaterally Felt “Presences”: The Neuropsychiatry of One’s Invisible Doppelgänger. In: Neuropsychiatry, Neuropsychology, and Behavioral Neurology 9 (2), 1996, 114 – 122; Brugger, Peter / Regard, Marianne / Landis, Theodor: Illusory Reduplication of One’s Own Body: Phenomenology and Classification of Autoscopic Phenomena. In: Cognitive Neuropsychiatry 2 (1), 1997, 19 – 38.

Anwesenheitstelepathie bezeichnet Telepathie zwischen Personen, die räumlich miteinander verbunden sind. Zumeist wird der Ausdruck für Fälle verwendet, bei denen ein telepathischer Inhalt ohne Wissen einer anwesenden Person abgezapft wird, wovon namentlich bei spiritistischen Séancen die Rede ist, wo sich das Medium durch Abzapfen des Bewusstseins der anwesenden Teilnehmer die nötigen Informationen aneignen soll. > Abzapfen, > Abwesenheitstelepathie, > Telepathie.

Lit.: Moser, Fanny: Der Okkultimus. Täuschungen und Tatsachen. München: Ernst Reinhardt, 1935.

Anxurus > Axurus.

Anzapfen > Abzapfen.

Anziehen des neuen Menschen. Die Aufforderung des Apostels Paulus im Epheserbrief: „Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben, und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,  22 – 24) wurde in abgewandelter Bedeutung auch in das freimaurerische Ritual aufgenommen. So fordert der Frei­maurerbund von dem Suchenden, der in feierlicher Weise aufgenommen (eingeweiht) werden soll, dass er in einem festlichen (dunklen) Gewand erschei­ne. „Wie die alten Mysterienbünde, versinnbildlichen auch die Freimaurer die Verwandlung, die sie durch den Eintritt in den Bund zu erleben wünschen, durch das Kleid und durch gewisse Gemeinschaftsformen; freilich genügen ihnen wenige, sofort ins Geistige gewendete Andeutungen. Der Myste (ebenso der Suchende, Br[uder]) legt ein anderes, vom Alltagsgewand verschiedenes Kleid an und zieht damit symbolisch einen anderen Menschen (den ,neuen Adam‘) oder einen anderen Leib an.“ Der alte Leib stirbt oder er bleibt zurück; der „Reine und Ver­wandelte tritt über die heilige Schwelle. Nachher aber tritt der alte Mensch wieder in sein Recht. Der Alltag gewinnt seine Macht zurück; der Br. ist wieder ein unter das Joch der Notdurft gebeugtes Wesen“ (Lennhoff, S. 83). Der ethische Sinn des A. liegt für den Freimaurer darin, dass er sich der Sitte entsprechend zu den feier­lichen Anlässen der Zusammenkünfte festtäglich klei­den und dass er die symbolisierenden Abzeichen des Bundes anlegen soll. Im Tempel, bei der Arbeit er­scheint der Freimaurer als ein Mensch, dem ein wür­diges Gewand behilflich sein soll, um einen erhobenen Gemütszustand erfahren zu können (Lennhoff. ebd.).
Im Christentum hat A. hingegen die Bedeutung einer Wesenswandlung und nicht nur einer rituellen Funktionsgebarung.

Lit.: Lennhoff, Eugen: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erw. Neuaufl. d. Ausg. v. 1932. München: Herbig, 2000.

Anziehungkraft des Bezüglichen. Von dem Schriftsteller Wilhelm von Scholz (1874 – 1969) eingeführter Begriff zur Bezeichnung des sinnvollen „Zufalls“, den er u. a. durch folgende Begebenheit beleuchtet:
Eine Frau fotografierte 1914 im Schwarzwald ihren 4-jährigen Sohn; den Film mit 6 Aufnahmen übergab sie in Straßburg einer Bekannten, die ihn zum Entwickeln in ein Labor bringen sollte . Infolge des Kriegsausbruches war diese Bekannte, eine Russin, nicht mehr auffindbar und mit ihr der Zettel mit der Kontrollnummer des Labors. Ohne besagte Nummer sah sich die Firma jedoch außerstande, den Film zu finden. 1916 kaufte die Frau im Frankfurter Raum einen Film und machte Aufnahmen ihrer inzwischen geborenen Tochter. Beim Entwickeln zeigten sich Doppelbelichtungen: Der neu gekaufte Film war jener, der in Straßburg verloren gegangen war.
Im spiritistischen Kreisen erklärt man solche Ereignisse auch als möglichen Eingriff jenseitiger Geister, während Autoren der Parapsychologie an eine Beteiligung von Psi oder an das Pauli-Jungsche > Synchronizitätsprinzip denken.

Lit.: Koestler, Arthur: Die Wurzeln des Zufalls. Bern [u. a.]: Scherz, 1972; Scholz, Wilhelm von: Der Zufall und das Schicksal: d. geheimen Kräfte d. Unwahrscheinl. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 1983.