Andreas Resch: Josef Moscati

JOSEF MOSCATI
(1880-1927)

ARZT

Heilig: 25. Oktober 1987
Fest: 12. April

JOSEF MOSCATI wurde am 25. Juli 1880 als siebtes von neun Kindern des Richters Francesco Moscati und der Rosa De Luca, Marchesi di Roseto, in Benevent geboren und am 31. Juli auf den Namen Josef Maria Karl Alfons getauft. 1881 wurde der Vater zum Berater des Appellationsgerichts von Ancona ernannt, wohin er mit seiner Familie übersiedelte. In Ancona verbrachte Josef seine Kindheit bis zu den ersten Monaten des Jahres 1888, als er dem Vater aufgrund von dessen Berufung nach Neapel folgen musste. Hier empfing Josef am Fest der Unbefleckten Empfängnis 1888 die Erstkommunion. Diese Erfahrung bedeutete auch die Grundlegung seines eucharistischen Lebens – eines der Geheimnisse von Moscatis Heiligkeit. Nach der Volksschule besuchte Josef von 1889 an das Gymnasium und Lyzeum und legte 1897 im Alter von 17 Jahren mit ausgezeichnetem Erfolg die Reifeprüfung ab. Wenige Monate später begann er an der Universität Neapel Medizin zu studieren, wo Männer von Ruf – sowohl Anhänger des Positivismus als auch des Materialismus – lehrten, wie Vogt, Moleschott, Büchner und Feuerbach. Durch ein unheilbares Trauma, das sich sein Bruder Albert 1893 bei einem Sturz vom Pferd zuzog, für die physischen Leiden anderer sensibilisiert und gleichzeitig konfrontiert mit der relativen Ohnmacht der Ärzte angesichts des frühzeitigen Todes seines Vaters, der am 21. Dezember 1897, zwei Tage nach einer Hirnblutung, starb, wusste Josef seinen Glauben zu bewahren, ja sogar zu verstärken. Der Tod seines Bruders am 12. Juni 1904 war eine ungemein schmerzliche Erfahrung, die er ein Leben lang in Erinnerung behielt.

Nach Erlangung des Doktorats in Medizin am 4. August 1903 mit Höchstnoten und der ehrenvollen Publikation seiner Arbeit wurden die Universität und das Krankenhaus zum ersten Arbeitsumfeld Moscatis. Nur fünf Monate später beteiligte er sich an dem für die ordentliche Assistentenstelle an den Vereinigten Spitälern Neapels ausgeschriebenen öffentlichen Wettbewerb, aus dem er als Zweiter hervorging. Nahezu gleichzeitig bestand er den Wettbewerb als außerordentlicher Mitarbeiter mit solch phänomenalem Erfolg, dass er – wie in einer Begutachtung zu lesen ist – „Prüfer und Kollegen gleichermaßen verblüffte“.

Von 1904 an arbeitete Moscati als Assistent am Spital der Unheilbaren in Neapel. Er organisierte u. a. die Hospitalisierung der Tobsüchtigen. 1906 brach der Vesuv aus, woraufhin er sich sehr bewährte. Am 4. April desselben Jahres erwies sich die Eruption als eine ernsthafte Bedrohung für die an den Hängen des Vulkans liegenden Kleinstädte, darunter Torre del Greco, wo es ein zum Spital der Unheilbaren gehöriges kleines Krankenhaus gab. Zahlreiche Betroffene mussten aus der Gegend fliehen und niemand kümmerte sich um sie. Moscati begab sich persönlich vor Ort, um den Räumungsbefehl zu überbringen, und legte selbst Hand an, um den Kranken beim Umzug zu helfen, bevor das Haus einstürzte. Kaum war die Rettungsaktion beendet, gab das Dach des Gebäudes dem Druck der Asche nach.

Zwei Tage später unterbreitete Moscati dem allgemeinen Sanitätsdirektor der Vereinigten Krankenhäuser den schriftlichen Vorschlag, jenen, die ihm geholfen hatten, eine Zulage zu gewähren. Gleichzeitig ersuchte er darum, von einer Eintragung seiner Person in die Liste abzusehen.

1911 gewann er den Wettbewerb als ordentlicher Assistent an den Vereinigten Krankenhäusern. Es folgte die Ernennung zum ordentlichen Assistenten für die Spitäler und im Anschluss an den Wettbewerb für den planmäßigen Arzt die Ernennung zum Primar für die „Unheilbaren“. In besagtem Jahr lieferte Moscati beim Ausbruch der Cholera einen weiteren Beweis für seine selbstlose Haltung. Zur gleichen Zeit habilitierte er sich im Fach Physiologische Chemie und erhielt den Auftrag zur wissenschaftlichen und experimentellen Forschung am Institut für Biologische Chemie. Von 1911 an hielt er ohne Unterbrechung Vorlesungen über „klinische Laboruntersuchung“ und „Medizinische Chemie“ mit praktischen Übungen und Vorführungen. Während des Ersten Weltkrieges bot sich Moscati als Freiwilliger an, jedoch ohne Resonanz. Die Militärbehörden überantworteten ihm die verwundeten Soldaten, von denen das Spital der Unheilbaren, das dem Militär unterstellt wurde, überquoll. Er visitierte und behandelte an die 3.000 Soldaten, worüber er Tagebücher und Krankengeschichten anlegte. Für sie war er nicht nur Arzt, sondern auch ein umsichtiger und freundlicher Ratgeber.

In einigen akademischen Jahren unterwies er zudem in privatem Rahmen zahlreiche Promovierte und Studenten in Semiotik und medizinischer Kasuistik sowie in klinischer und anatomischer Pathologie. Jahre hindurch stellte er die Vertretung bei den offiziellen Kursen für Physiologische Chemie und Physiologie und betreute darüber hinaus den Lehrstuhl für Klinische Chemie.

1922 erhielt Moscati die Freie Dozentur an der Klinik für Allgemeinmedizin. Den ihm von der Universität angebotenen ordentlichen Lehrstuhl lehnte er hingegen ab, da – wie er sagte – sein Platz an der Seite der Kranken sei.

Nach dieser bewussten und verantwortungsvollen Entscheidung wandte er sich endgültig der Spitalstätigkeit zu und setzte Zeit, Erfahrung und Fähigkeiten zum Wohle der Patienten ein. Die körperlichen und seelischen Leiden nahmen in seinen Gedanken den ersten Platz ein, denn die Kranken, so sagte er, „verkörpern die Gestalt Christi, unsterbliche, göttliche Seelen, für die das biblische Gebot gilt, sie so zu lieben wie sich selbst“. Moscatis Ruf als Lehrer und Arzt stand außer Zweifel. 1919 ernannte ihn der Verwaltungsrat des Spitals zum Leiter der Männerabteilung III. In einem Brief Moscatis vom 26. Juli 1919 ist zu lesen:

„Als Knabe blickte ich mit Interesse zum Spital der Unheilbaren hinüber, das mir mein Vater von der Terrasse unseres Hauses aus zeigte; dabei stiegen Gefühle des Mitleids in mir auf für das namenlose Leid, das hinter jenen Mauern gelindert wurde. Eine heilsame Verwirrung erfasste mich und ich begann an die Vergänglichkeit aller Dinge zu denken, und die Illusionen schwanden dahin wie die Blüten der mich umgebenden Orangenhaine. Damals, noch völlig gefangen von literarischen Studien, ahnte ich nicht und wagte nicht im Traum daran zu denken, dass ich in diesem weißen Gebäude, hinter dessen Fenstern man die dort beherbergten Kranken gleich weißen Gespenstern wahrnehmen konnte, eines Tages die höchste Stelle innehaben würde.“

Moscatis universitärer und wissenschaftlicher Lebenslauf wird vervollständigt durch eine Liste von 32 wissenschaftlichen Publikation und die Teilnahme an zwei internationalen Kongressen in Budapest (1911) und Edinburgh (1923). Seine Forschungen konzentrierten sich in erster Linie auf das Glykogen und damit zusammenhängende Fragen. Es waren jedoch nicht so sehr seine sichere innovative Methodik im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und sein ungewöhnlicher diagnostischer Blick, die bei seinem jeweiligen Gegenüber Bewunderung auslösten, sondern es war vor allem seine Persönlichkeit, die bei allen, die ihm begegneten, einen tiefen Eindruck hinterließ, und sein konsequentes Leben, das tief geprägt war vom Glauben und der Liebe zu Gott und den Menschen. So schrieb er am 17. Oktober 1922, in einem Moment besonderen physischen Schmerzes und der Opposition eines Kollegen, den er unterstützt hatte, für sich: „Liebe die Wahrheit; zeige dich, wie du bist, ohne Verstellung, ohne Angst und ohne Rücksicht. Und wenn dich die Wahrheit Verfolgung kostet, so nimm sie an; und wenn es eine Qual ist, ertrag sie! Und wenn du für die Wahrheit dich selbst und dein Leben opfern müsstest, sei stark im Leid.“

In diesem Sinne verstand er auch seinen Arztberuf als Auftrag, indem er in seinen Patienten den leidenden Christus sah. Dieser Impuls großzügiger Liebe war es, der Moscati dazu anspornte, sich ohne Unterlass für die Leidenden einzusetzen, die Kranken in den Armenvierteln aufzusuchen, sie kostenlos zu behandeln, ja, ihnen sogar mit seinem eigenen Verdienst unter die Arme zu greifen. In diesem Sinne ermunterte er auch seine unzähligen Schüler: „Bleibt in der Liebe zur Wahrheit, zu Gott, der die Wahrheit selbst ist, zu allen Tugenden, dann könnt ihr euren Dienst als Mission ausüben.“ – „Nur eine Wissenschaft ist unerschütterlich und unvergänglich, die von Gott geoffenbarte Wissenschaft vom Jenseits. Blickt in all euren Werken zum Himmel und auf die Ewigkeit des Lebens und der Seele und ihr werdet euch ganz anders orientieren, als euch rein menschliche Betrachtungen suggerieren würden, und euer Tun wird vom Guten inspiriert sein.“ „Nicht die Wissenschaft, sondern die Nächstenliebe hat die Welt in einigen Abschnitten ihres Lebens verändert, wo der Tod nur eine Etappe, eine Metamorphose zu einem höheren Aufstieg ist, wenn man sich dem Guten hingibt.“

Mitten in der Arbeit, nach kurzer Krankheit und nachdem er den Tag wie gewohnt mit der Kommunion und einigen Krankenbesuchen begonnen hatte, ließ sich Moscati am 12. April 1927 in den Sessel fallen, kreuzte bald darauf die Arme vor der Brust und schied in Frieden. Sein Alter betrug 46 Jahre und 8 Monate. Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich wie ein Lauffeuer und erfüllte alle gleichermaßen mit Trauer und Schmerz. Sein Leichnam wurde im Friedhof von Poggioreale begraben, in der Friedhofskapelle der Erzbruderschaft der Pilger von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Am 16. November 1930 wurden die sterblichen Überreste in der Kirche Gesù Nuovo, Piazza del Gesù, Neapel, Italien, beigesetzt.

Am 16. November 1975 wurde Giuseppe Moscati von Papst Paul VI. seliggesprochen und am 25. Oktober 1987 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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