VINZENZ GROSSI
(1845-1917)
PRIESTER UND GRÜNDER
DER
TÖCHTER DES ORATORIUMS
Heilig: 18. Oktober 2015
Fest: 7. November
VINZENZ GROSSI wurde am 9. März 1845 in Pizzighettone, Diözese Cremona, Italien, als Vorletztes von zehn Kindern der Mühlenbesitzer Balthasar und Magdalena Azelia Capellini geboren und unmittelbar darauf in der Pfarrkirche San Bassiano auf den Namen Vinzenz getauft. Von den Eltern lernte er Sanftmut und Arbeitsfreude, verbunden mit einer aufrichtigen Liebe zu Gott. Der Vater war Müller und die gesamte Familie arbeitete mit, was einen gewissen Wohlstand garantierte.
Mit elf Jahren, nach der Erstkommunion, verspürte Vinzenz den Ruf zum Priestertum und äußerte den Wunsch, es seinem Bruder Josef gleichzutun, der das Priesterseminar besuchte. Familiäre Umstände zwangen ihn jedoch, sein Vorhaben aufzuschieben und vorerst in der väterlichen Mühle mitzuarbeiten. Nebenbei widmete er sich, unter Anleitung des Pfarrers, privat dem Studium von Gymnasialfächern.
Mit 19 Jahren wurde Grossi, nach Ablegen der Gymnasialprüfungen, am 4. November 1864 in das Seminar von Cremona aufgenommen. Trotz der wegen des Unabhängigkeitskrieges bedingten Unterbrechung des Seminarbesuchs machte er bemerkenswerte Fortschritte. Seine Lehrer erkannten, dass er seinem Weg auch außerhalb des Seminars treu blieb. So widmete er sich dem Apostolat unter den Jüngsten. Gleichzeitig musste er sich mit der schwierigen Situation von Kirche und Gesellschaft auseinandersetzen. Die Ereignisse vor und nach der Einheit Italiens und die Konfusion in der Lehre innerhalb der Kirche ergaben ein ziemlich komplexes Bild. Doch dank der Zusammenkünfte, die sein Bruder Josef zu verschiedenen kirchlichen Themen in seinem Pfarrhof organisierte, bekam er Mittel an die Hand, um die Situation korrekt einzuschätzen und sich in seinem Amt ganz der Seelsorge zu verschreiben.
Im Februar 1869 erhielt Grossi die niederen Weihen und am darauffolgenden 22. Mai wurde er zum Priester geweiht. Von Anfang entschloss er sich zu einer echten und unumstößlichen Treue gegenüber dem Papst und dessen Amt. Nach einigen Erfahrungen in der Seelsorge wurde er zum Pfarrer von Regona, einer Fraktion von Pizzighettone, ernannt, wo er zehn Jahre blieb. Die Randstellung, die einfache bäuerliche Umgebung, die verbreitete Armut und die religiöse Gleichgültigkeit konnten den jungen Priester nicht entmutigen. Er betete, studierte und öffnete sein Haus für die Katechese der Knaben, um ihnen eine gewisse Bildung zu vermitteln, so dass sie an einem sicheren Ort spielen, eine kleine Mahlzeit einnehmen und so den ärmlichen Familientisch entlasten konnten. Pfarrer Vinzenz hatte ein Auge auf die Leidenden, erwies sich als eifriger Beichtvater und spiritueller Begleiter. Nach nur wenigen Jahren verwandelte er die kleine Ortschaft in ein „Klösterchen“, wie es seine Mitbrüder nannten.
Seine besondere Sorge galt den Mädchen, für die er in einer kleinen Räumlichkeit seines Pfarrhauses ein „Oratorium“, einen Ort der Begegnung, einrichtete, wo sie sich in Ruhe entspannen konnten.
Da Pfarrer Vinzenz in ständigem Kontakt mit der Landbevölkerung stand, entging ihm auch nicht, dass die Jugend unter äußerst prekären Bedingungen aufwuchs. Es gab allerdings ein paar rechtschaffene Mädchen, die ihn ersucht hatten, ihr Spiritual zu sein. Eine von ihnen bot sich sogar als Sühneopfer für die Heiligung der Priester an – ein Opfer, das Pfarrer Vinzenz angesichts des geistigen Verfalls des damaligen Klerus als wertvolles Instrument erachtete, um seine neue Mission besser zu verstehen. So fing er an, einige seiner Mitarbeiterinnen um sich zu versammeln und sie zum Gemeinschaftsleben anzuleiten.
1883 wurde er als Pfarrer nach Vicobellignano versetzt, wo er 34 Jahre blieb. Die Ernennung durch den Bischof unterstrich die ihm entgegengebrachte Wertschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit eines erfahrenen Pfarrers für ein Gebiet, in dem der Protestantismus in seiner methodistischen Ausrichtung Platz gegriffen hatte.
Pfarrer Vinzenz zeigte auch den Protestanten gegenüber sofort eine große Zuneigung und Öffnung: „Die Methodisten müssen verstehen, dass auch sie mir am Herzen liegen“, sagte er, während er sich im Gebet sammelte. Die Wirkung blieb nicht aus. So kam der protestantische Pastor des Öfteren, um seine Fastenpredigten zu hören, und die protestantischen Familien schickten ihre Kinder in die Pfarrschule.
Im Wissen um die verbreitete religiöse Ignoranz und die Notwendigkeit, trügerischen Ideologien entgegenzutreten, predigte Pfarrer Vinzenz auch außerhalb seiner Pfarrei. Gleichzeitig hielt er, wenngleich fern von Regona, weiterhin am Projekt einer neuen Frauenkommunität fest. Als Namen wählte er „Töchter des Oratoriums“, nicht so sehr um auf den bevorzugten Ort ihrer Tätigkeit hinzuweisen, als vielmehr um an ein geistliches Modell höchster spiritueller Freude zu erinnern, das er die „heilige Jovialität“ des hl. Philipp Neri, des Gründers der Kongregation des Oratoriums, zu nennen pflegte.
Um mit der Jugend leichter ins Gespräch zu kommen, sollten seine „Töchter“ kein bestimmtes Kleid tragen, doch wünschte sich Grossi überzeugte und ernsthafte Schwestern. Daher kümmerte er sich persönlich um ihre Ausbildung in Form von regelmäßigen Tagungen, jährlichen geistlichen Exerzitien und zahlreichen Briefen. Die ersten Fundamente des neuen Instituts wurden 1895 in Pizzighettone gelegt. Als Oberin der Gruppe wurde Schwester Maria Caccialanza gewählt. Nach ihrem Tod am 5. September 1900 folgte Lodovina Scaglione, die erste Generaloberin. Zur Diözesanapprobation des Instituts kam es am 20. Juni 1901.
Erschüttert von der sozialen und materiellen Armut der weiblichen Jugend seiner Zeit, bildete Pfarrer Vinzenz kleine Töchtergemeinschaften, die sich bestmöglich um die Pfarrjugend kümmern sollten. Für dieses Apostolat wurden ein Haus in Maleo in der Diözese Lodi sowie weitere Kommunitäten in der Diözese Guastalla errichtet und für die pädagogische Ausbildung der Schwestern, die den Unterricht übernehmen sollten, entstand ein Haus in Lodi, das dann zum Mutterhaus wurde.
Pfarrer Vinzenz widmete sich einerseits der Arbeit in der Pfarrei, andererseits seinen Töchtern. Die Sorge, in der Pfarrei nicht die gewünschten Früchte einer reichen Aussaat einbringen zu können, veranlasste ihn, um Erlaubnis zu bitten, sich zu seinen Töchtern nach Lodi zurückziehen zu dürfen. Der Bischof riet ihm jedoch davon ab und legte ihm nahe, das Ende des Krieges abzuwarten.
Als sich Grossi 1917 wegen dringender Geschäfte in Lodi aufhielt, erkrankte er und kehrte nach Vicobellignano zurück. Sein Zustand verschlechterte sich allerdings so sehr, dass die Schwestern von Lodi herbeieilten, um ein letztes Mal seinen Segen zu erhalten. Pfarrer Vinzenz konnte jedoch nur mehr die Worte sprechen: „Der Weg ist offen: nun heißt es gehen!“ Diese Worte wurden zum Motto des Instituts, das in unterschiedlichen Situationen und Zeiten der ursprünglichen Inspiration kreativ Folge zu leisten versucht.
Pfarrer Vinzenz Grassi wurde auf dem Friedhof von Vicobellignano beerdigt. 1944 wurden seine sterblichen Überreste auf den Friedhof von Lodi überführt und 1947 in einem eigens errichteten Grab in der Kapelle des Mutterhauses der Töchter des Oratoriums in der Via Paolo Gorini 27 beigesetzt, wo sie auch heute noch ruhen.
Am 1. November 1975 wurde Vinzenz Grossi von Papst Paul VI. seliggesprochen und am 18. Oktober 2015 von Papst Franziskus heiliggesprochen.