Denken

(Griech. noein; lat. cogitare; engl. think; it. pensare), geistige Tätigkeit, durch die verschiedene Vorstellungen in Beziehung gesetzt werden, bzw. das Verbinden verschiedener Vorstellungen zu einer Einheit.
Eine Definition ist deshalb so schwierig, weil die einen das D. allein der Gehirntätigkeit (Monismus), die anderen einer vom Organismus sich abhebenden geistigen Fähigkeit (Dualismus) zuschreiben. Dazwischen gibt es zwar eine Reihe von Versuchen, den Kontrast Leib-Seele aufzulösen, doch bleiben das sog. Leib-Seele-Problem und damit die Fragen des D. weiterhin ungelöst.
Trotz der Schwierigkeit einer einheitlichen Definition des D. lassen sich jedenfalls die unterschiedlichsten Denkformen ausmachen, die für eine abgewogene Erkenntnis zu berücksichtigen sind, weshalb hier in alphabetischer Folge einige davon genannt seien:
Das abendländische D. ist gekennzeichnet durch die Deutung der Welt aus letzten Prinzipien. Das analytische D. sucht nach Klärung der Fakten. Das archaische D., das als ursprüngliche Form des Denkens den kulturellen Verhaltensweisen zu Grunde legt, befasst sich mit einer ganzheitlichen Weltsicht. Das dialogische D. mit dem Prinzip des Seelentausches kommt als altes Schamanenerbe vor allem im magischen Bereich der Heilkunde und im Übertragungseffekt von Psychotherapie und psychologischer Beratung zum Tragen. Beim gnostischen D. geht es um das Sehen mit den „Augen der Seele“, bei dem das innerste Wesen der Dinge in plastisch bildhaften leuchtenden Gestalten erscheint und die Quelle jener Erkenntnis bildet, die man als Apokalypse, als „Enthüllung“ oder „Offenbarung“ bezeichnet. Im indischen D. enthält jeder Teil des Universums alle Informationen über das Ganze, weshalb der Yogi seinen Geist in einem Punkt, ekagra, versammelt und ihn auf sein meditatives Ziel, dem Lichtpunkt in der Optik vergleichbar, lenkt. Beim intuitiven D. erfolgt das Erfassen von Zusammenhängen unmittelbar. Im magischen D. sind Ereignisse oder Gegenstände Kraftquellen, die den Denkenden und das Umfeld mit in den Bann ziehen ganz im Gegensatz zum mechanistischen D., wo Ereignisse und Gegenstände nur in ihrer Funktion erachtet werden. Dagegen strebt das östliche D. nach Synthese, also nach einer Verbindung und Verschmelzung verschiedener Gegenstände. Das religiöse D. erfolgt in Form der Einung der Vielfalt in Sinnzusammenhänge, wie dies besonders bei Paracelsus der Fall war. Das symbolische Denken geschieht in Form der Verbindung von Bedeutungszusammenhängen in der Vielfalt. Das Traumdenken fügt der Form des symbolischen, religiösen und magischen Denkens noch Vermischen und Auflösen von Zeit und Raum hinzu.
Somit ist das D. eine Fähigkeit des Menschen, die sowohl in ihrer Eigenart wie in ihren Formen letztlich ein Geheimnis bleibt.

Lit.: Oerter, Rolf: Psychologie des Denkens. Donauwörth: Auer, 1980; Furtmüller, Carl: Denken und Handeln. München: Ernst Reinhardt, 1983; Brander, Sylvia: Denken und Problemlösen. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1985; Arnauld, Antoine/Nicole, Pierre: Die Logik oder die Kunst des Denkens. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1994.
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