Andreas Resch: Johannes XXIII., Angelus Joseph Roncalli


JOHANNES XXIII.
(1881-1963)

Selig: 3. September 2000
Heilig: 27. April 2014
Fest: 3. Juni

JOHANNES XXIII., ANGELUS JOSEPH RONCALLI, geboren am 25. November 1881 in Sotto il Monte (heute Sotto il Monte Giovanni XXIII), Provinz Bergamo, war der erste männliche Spross von Giovanni Battista Roncalli und Marianna Mazzola. Noch am gleichen Abend wurde er vom Pfarrer Don Francesco Rebuzzini, der auch sein erster Lehrmeister war, auf den Namen Angelus Joseph getauft. Die alteingesessene Familie, die in bescheidenen Verhältnissen im Ortsteil Brusicco wohnte, war zu Beginn des 15. Jahrhunderts aus dem Valle Imagna nach Sotto il Monte gekommen. Im Haus lebten verschiedene miteinander verwandte Familien, „sodass es im Hause Roncalli, dem personenreichsten des Dorfes, 30 Mäuler zu stopfen gab, und dies dreimal täglich“. Am 13. Februar 1889 erhielt Angelus das Sakrament der Firmung und einige Wochen später, am 31. März, wurde er zur Erstkommunion zugelassen.
Nach Abschluss der Volkschule in seinem Heimatdorf und einer Grundausbildung in Latein beim Pfarrer von Carvico trat er am 7. November 1892 in das Kleine Seminar von Bergamo ein, wechselte im Folgejahr an das Große Seminar und erhielt am 24. Juni 1895 den Talar der Kleriker. Anlässlich der geistlichen Exerzitien 1896 begann Roncalli seine „Vorsätze“ zu schreiben, die sich zu einem sehr persönlichen Tagebuch entwickelten (Il giornale del anima, Tagebuch der Seele), das er, wenngleich unregelmäßig, auch als Papst bis zum Tag vor seinem Tod weiterführte. Nach dem zweiten Jahr in Theologie im Juli 1900 wurde er im darauffolgenden Januar an das römische Seminar San Apollinare nach Rom geschickt. Am 30. November 1901 musste er seine Studien jedoch wegen des Militärdienstes unterbrechen. Nach seiner Verabschiedung als Unteroffizier nahm er das Theologiestudium am 10. Dezember 1902 am Römischen Seminar wieder auf, und zwar unter der ebenso entschiedenen wie gütigen geistlichen Führung des Redemptoristen Francesco Pitocchi († 1922), den er zeitlebens in dankbarer Erinnerung behielt. Am 13. Juli 1904 machte Roncalli im Alter von 22½ Jahren das Doktorat in Theologie, und am 10. August 1904 wurde er zum Priester geweiht. Während der ersten hl. Messe am Tag darauf in der Basilika St. Peter bekräftigte er seine ganze Hingabe an Gott und seine Treue zur Kirche.
Im Oktober 1904 begann Roncalli ein Studium in Kirchenrecht, das er im Februar 1905 unterbrach, als er zum Sekretär des neuen Bischofs von Bergamo, Msgr. Giacomo Radini Tedeschi, gewählt wurde. Daneben übte er noch eine Reihe weiterer Ämter aus. Von 1906 an musste Roncalli im Seminar verschiedene Fächer unterrichten: Kirchengeschichte, Patrologie und Apologetik; von 1910 an wurde ihm auch der Kurs in Fundamentaltheologie zugewiesen. Von kleinen Unterbrechungen abgesehen verrichtete er diese Aufgaben bis 1914. Das Studium der Geschichte ermöglichte ihm die Ausarbeitung einiger lokalgeschichtlicher Texte, darunter die Veröffentlichung der Akte der Apostolischen Visitation des hl. Karl in Bergamo (1575) mit einer Ausgabe in fünf umfangreichen Bänden, die zwischen 1936 und 1958 erschienen. Roncalli war auch Schriftleiter der Diözesanzeitschrift La Vita Diocesana und von 1910 an Assistent der Katholischen Frauenverbindung. Durch den frühzeitigen Tod von Msgr. Radini Tedeschi 1914 endete eine außergewöhnliche pastorale Erfahrung, die Roncalli, wenngleich von einigen Unannehmlichkeiten, wie der gegen ihn gerichteten unbegründeten Anklage des Modernismus, begleitet, bei der Erfüllung der ihm zugeteilten Aufgaben stets als grundlegenden Bezugspunkt betrachtete. Der Ausbruch des Krieges 1914 führte dazu, dass er drei Jahre lang als Kaplan im Grad eines Unteroffiziers die in das Militärspital von Bergamo eingelieferten Verwundeten betreute.
Im Dezember 1920 lud ihn Papst Benedikt XV. ein, der Arbeit der Glaubenskongregation in Italien vorzustehen, während er in Bergamo kurz zuvor den Probebetrieb des Hauses der Studierenden, einer Institution zwischen Pensionat und Kolleg, in die Wege geleitet und der Bischof ihn gleichzeitig mit der Führung der Seminaristen betraut hatte. In dieser neuen Funktion bereiste er ganz Italien und initiierte missionarische Tagungen. Eine lange Reise führte ihn auch ins Ausland, um das Projekt des Heiligen Stuhls zu verwirklichen, das darauf abzielte, die verschiedenen Institutionen zur Unterstützung der Missionen nach Rom zu bringen.
Am 3. März 1925 begann für Roncalli mit der Ernennung zum Titularerzbischof von Areopolis und dem Auftrag des Apostolischen Visitators in Bulgarien die Phase seiner diplomatischen Karriere im Dienst des Heiligen Stuhls, die sich bis 1952 hinzog. Nach der Bischofsweihe am 19. März 1925 in Rom fuhr er nach Bulgarien und blieb fast 10 Jahre in Sofia, wo er in ständigem Kontakt mit der orthodoxen Welt und den katholischen Kommunitäten auf dem Balkan und in den slawischen Ländern stand, was ihm den Weg zu seiner ökumenischen Berufung ebnete. 1931 wurde die Aufgabe des Apostolischen Visitators in jene des ersten Apostolischen Delegaten von Bulgarien umgewandelt. Am 27. November 1934 wurde Roncalli zum Apostolischen Delegaten der Türkei und Griechenlands ernannt – Länder, die mit dem Vatikan noch keine diplomatischen Beziehungen unterhielten. Im Unterschied zu Griechenland, wo Roncallis Tätigkeit zu keinem nennenswerten Ergebnis führte, verbesserten sich, bedingt durch die verständnisvolle Art und die Offenheit des Delegaten, nach und nach die Beziehungen mit der türkischen Regierung. Mit Geschick organisierte Roncalli einige offizielle Begegnungen mit dem Patriarchen von Konstantinopel – die ersten nach Jahrhunderten der Trennung von der katholischen Kirche.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm Roncalli eine kluge neutrale Haltung ein, was ihm einen wirksamen Beistand zugunsten der Juden ermöglichte, von denen Tausende vor der Vernichtung gerettet wurden, und nicht zuletzt zum Vorteil der durch Hunger zermürbten griechischen Bevölkerung gereichten.
Völlig unerwartet wurde er durch die persönliche Entscheidung Pius XII. auf die ehrenvolle Nuntiatur nach Paris berufen, wo er am 30. Dezember 1944 ankam. Seine menschlichen Qualitäten brachten ihm die Wertschätzung des diplomatischen und politischen Umfeldes von Paris ein, wo er mit einigen der höchsten Exponenten der französischen Regierung freundschaftliche Beziehungen aufbaute. Im September 1945 besuchte er im Konzentrationslager von Chartres die deutschen Gefangenen und organisierte mit Kaplan Franz Stock Theologiekurse für die dort internierten Seminaristen. Seine diplomatische Tätigkeit nahm durch die Besuche vieler Diözesen Frankreichs, eingeschlossen Algerien, eine ausgesprochen pastorale Note an.
Beim letzten von Papst Pius XII. abgehaltenen Konsistorium am 12. Januar 1953 wurde Roncalli zum Kardinalpriester mit dem Titel von S. Prisca und der Berufung auf den Sitz von Venedig ernannt, wo er am folgenden 15. März eintraf. Sein Bischofsamt zeichnete sich durch einen gewissenhaften Einsatz aus, wodurch er die Hauptpflichten eines Bischofs, nämlich Pastoralvisitation und Abhaltung der Diözesansynode, erfüllte.
Die Wahl des 77-jährigen Kardinals Roncalli zum Nachfolger von Pius XII. am 28. Oktober 1958 ließ viele an ein Übergangspontifikat denken. Doch schon bei der Krönung am darauffolgenden 4. November umriss er klar das biblische Bild vom Guten Hirten als das einzig wirklich geeignete, um die Aufgaben des Papstes zu umschreiben. So zeigte er von Beginn an einen Stil, der seine durch vielerlei bedeutsame Erfahrungen herangereifte menschliche und priesterliche Persönlichkeit widerspiegelte. Er bewegte sich frei durch die vatikanischen Paläste, blieb stehen, um mit jedem, der ihm begegnete, ein Wort zu wechseln, und besuchte die Kranken und die Gefangenen. Zu diesen eher nebensächlichen, aber medienwirksamen Gesten gesellten sich wichtige Entscheidungen, wie die Überschreitung der geschlossenen Anzahl der Kardinäle ab seinem ersten Konsistorium am 15. Dezember 1958 und die Ankündigung des II. Vatikanischen Konzils in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. April 1959. Es handelte sich um eine persönliche Entscheidung, die der Papst nach privaten Beratungen mit einigen ausgewählten Vertrauenspersonen und mit Kardinal-Staatssekretär Tardini gefasst hatte. Die Zielsetzungen, die der Konzilsversammlung erteilt und in der Eröffnungsrede am 11. Oktober 1962 in ausgearbeiteter Form dargelegt wurden, waren grundsätzlicher Art: es ging nicht um die Definition neuer Wahrheiten, sondern um eine Neuauslegung der traditionellen Lehre in einer dem modernen Empfinden angepassten Form. Im Blick auf eine Reform der Gesamtkirche lud Johannes XXIII. in einem erneuerten kirchlichen Missionsverständnis, das alle Menschen umfasst, vielmehr zur Förderung der Barmherzigkeit und des Dialogs mit der Welt als zur Verurteilung und Gegenüberstellung ein. Von einer solchen universalen Öffnung durften die verschiedenen christlichen Konfessionen nicht ausgeschlossen sein, die daher ebenfalls zur Teilnahme am Konzil eingeladen wurden, um den Prozess der Annäherung in die Wege zu leiten.
Am 10. Mai 1963 wurde Johannes XXIII. mit dem Balzan-Preis für den Frieden zum Zeugnis seines Einsatzes zugunsten des Friedens durch die Veröffentlichung der Enzykliken Mater et Magistra (1961) und Pacem in terris (1963) sowie in Anerkennung seines entschiedenen Einsatzes in der schweren Kuba-Krise im Herbst 1962 ausgezeichnet. Am 17. Mai 1963 feierte er seine letzte hl. Messe. Am Abend des 3. Juni starb er, von der ganzen Welt bewundert und betrauert.
Seine sterblichen Überreste ruhen in der Basilika St. Peter in Rom.
Am 3. September 2000 wurde Johannes XXIII., Angelus Joseph Roncalli, von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck: Resch, 2010 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 4). XIII, 376 S., 86 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-088-9, Ln, EUR 39.90 [D], 40.98 [A]

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