(* 28.02.1874 St. Kanzian am Klopeiner See, Österreich; † 07.07.1965 Grundlsee, Österreich), röm.-kath. Priester und Theologe, Lebensreformer, Vegetarier, Tierversuchs- und Atomkraftgegner, Pazifist, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler.
U. engagierte sich für die Freiwirtschaftslehre des Sozialreformers Silvio Gesell und ab 1938 in Österreich gegen die NS-Herrschaft. Seine z.T. radikalen Ansichten und seine rhetorische Begabung bescherten ihm den Beinamen „Savonarola von Graz“.
In seiner Jugend wollte U. Priester werden und immatrikulierte sich nach der Matura an der Gregoriana in Rom. Dort promovierte er in Philosophie und Theologie, empfing die Priesterweihe und promovierte 1907 in Naturwissenschaften. Bereits 1905 hatte er sich mit einer Arbeit über die Spekulative Dogmatik im Fachbereich Theologie habilitiert. Nebenbei studierte er Wirtschaftswissenschaften (Promotion 1924), Kunstgeschichte und Medizin. Seine politischen Ambitionen, mit einer eigenen Partei im österreichischen Nationalrat vertreten zu sein, schlugen fehl.
Von 1936 bis 1937 lehrte U. an der Universität Graz, doch wurde ihm sein Lehrauftrag von den kirchlichen Behörden entzogen. Udes anfängliche Sympathien für den Nationalsozialismus aufgrund der antikapitalistischen Thesen wandelte sich schließlich zu einer kompromisslosen Gegnerschaft. 1944 wurde er verhaftet, wegen Wehrkraftzersetzung und „Feindbegünstigung“ angeklagt und zum Tod verurteilt. Der Todesstrafe entging er aufgrund des Zusammenbruchs des NS-Regimes 1945.
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte U. einer umfangreichen Vortrags- und Schriftsteller-Tätigkeit und setzte sich bis zu seinem Tod konsequent für die Ziele der pazifistischen Bewegung ein. Die Rückkehr an die Universität wurde ihm wegen seiner politischen Einstellung von den kirchlichen Behörden verwehrt.
Die Entwicklung seiner Tätigkeitsfelder beschrieb U. folgendermaßen: „Zuerst bekämpfte ich den Alkoholismus und Nikotinismus, dann die Unsittlichkeit, vor allem die Reglementierung der Prostitution, beschäftigte mich mit der Genuss- und Warenerzeugungsfrage, setzte mich für den Vegetarismus ein, bekämpfte den Krieg und arbeitete für den Friedensgedanken, und stemmte mich mit aller Macht gegen die politische Verderbtheit und gegen den Kapitalismus.“
Sein Publikationseifer und sein legendäres Redetalent sorgten für einen beachtlichen Bekanntheitsgrad. Das Engagement für einen immer radikaler werdenden Pazifismus und Antikapitalismus war der Kirchenhierarchie ein Dorn im Auge, bis es schließlich zum Bruch kam.
Als das Grazer Medium Maria Silbert von einem Universitätskollegen angegriffen wurde, setzte sich U. aufgrund eigener Beobachtungen für die Echtheit und absolute Ehrlichkeit der „Seherin von Waltendorf“ ein, was er u.a. im „Grazer Volksblatt“ vom 30. März 1924 zum Ausdruck brachte:
„Fürs erste muss ich feststellen, dass sich Frau Silbert, die ich vorher nicht gekannt habe, jedesmal meiner peinlichen Kontrolle und den verschiedenen Versuchsanordnungen in bereitwilligster Weise gefügt hat. Dass zwei dieser Sitzungen ebenfalls mit positiven Ergebnissen in meiner Privatwohnung stattfanden, möchte ich deshalb erwähnen, weil die Möglichkeit eines Betruges oder von Täuschungen viel leichter fernzuhalten bzw. viel leichter zu entdecken gewesen wäre. Ich kann bereits mit Sicherheit folgende Tatsachen feststellen: Wir konnten jene eigenartigen, oft geradezu verblüffenden, unbedingt durch Intelligenz hervorgerufenen oder, besser gesagt, mit intelligentem Inhalt erfüllten Klopftöne bei jeder Sitzung in ausgedehntestem Maße beobachten, ebenso die eigenartigen Trance-Zustände des Mediums. Die Tatsache der sogenannten Berührungen an Füßen und Armen auf eine unerklärliche, jeden Betrug oder Taschenspieler-Künste ausschließenden Weise konnte ich bei jeder Sitzung an mir selbst und bei anderen Beobachtern nachweisen… Allein schon die vielen herrlichen und überraschend an Elektrizität erinnernden Lichterscheinungen, die wir in reichstem Maße bei den verschiedensten Gelegenheiten einwandfrei beobachteten, stellen die Existenz okkulter Fähigkeiten des Mediumismus der Frau Silbert außer allen Zweifel.“
U. beteiligte sich auch an einigen Sitzungen, die 1925/26 unter Führung des späteren Jesuitenastronomen der Vatikanischen Sternwarte, Alois Gatterer, mit M. Silbert durchgeführt wurden. In Gatterers (längst vergriffenem) Buch Der wissenschaftliche Okkultismus und sein Verhältnis zur Philosophie (1927) sind diese Séancen ausführlich beschrieben.
Mit dem Tod von U. am 7. Juli 1965 verlor auch die paranormologische Forschung einen mutigen Bekenner.
W. (Auswahl): Die Erschaffung der Welt. Graz: Styria, 2. Aufl. 1923; Materie und Leben. Graz: Styria, 1923; Du sollst nicht töten! Dornbirn: H. Mayer, 1948.