Exorzismus

(Latinisiert aus griech. exorkismós, „das Hinausbeschwören“), Bezeichnung für die religiöse Praxis, Dämonen bzw. Teufel, die in Menschen, Tieren, an Orten oder in Dingen vermutet werden, „auszutreiben“. Auch Befreiungsdienst, Teufels- oder Dämonenaustreibung gehören seit der Antike zu den üblichen Abwehrhandlungen, deren Anwendung von der jeweiligen Kultur abhängig ist. So reicht die erkennbare Form des E. vom intellektuellen Dialog über das Gebet bis zum Tanz im Trancezustand. Medizin, Psychologie und Psychiatrie beurteilen das entsprechende Besessenheitsverhalten als Symptom einer organischen Störung oder einer psychischen Fixierung.
Im religiösen Raum hat der E. vor allem in der Katholischen Kirche einen offiziellen pastoralen Stellenwert.

Nach dem älteren Kanonischen Recht (CIC 1917) ist E. „ein im Namen Gottes oder Jesu an den Teufel gerichteter Befehl, Menschen oder Gegenstände zu verlassen oder sich eines schädigenden Einflusses auf diese zu enthalten“. Um einer magischen Deutung dieser Definition entgegenzuwirken, versucht ein neuerer Kommentar zum gegenwärtig gültigen katholischen Kirchenrecht (CIC 1983) das Verständnis von Exorzismus als eindringliches Gebet der Kirche zu formulieren, Gott möge einen vom Bösen in ungewöhnlicher Weise bedrängten Menschen durch die Erlösungstat Jesu Christi von dieser Bedrängnis befreien.
Nach kirchlichen Tradition werden drei Arten von Exorzismen unterschieden:
1) Exorzismus im strengen Sinn zur Befreiung einer vom Teufel besessenen Person;
2) Taufexorzismen zum Zeichen für das Ende des Einflusses des Teufels auf die menschliche Seele vor der Taufe;
3) Sachbeschwörungen zur Abwehr schädlicher Einflüsse des Teufels auf Dinge und Gegenstände.
Sowohl kirchenrechtlich als auch liturgiewissenschaftlich erfolgt eine weitere Differenzierung in den
Großen Exorzismus und die kleinen Exorzismen sowie in die Gebete zur Befreiung vom Bösen.
Der feierliche
Große Exorzismus „richtet sich gegen die dämonische Besessenheit eines Menschen, d.i. die gewaltsame Besitzergreifung vom Leibe und den niederen Seelenkräften eines Menschen durch einen bösen Geist“.
Die
kleinen Exorzismen sind die „bei der Taufspendung sowie bei Weihungen und Segnungen vorkommenden Teufelsbeschwörungen, besonders bei der Weihwasserweihe, der Salzweihe und der Weihe der heiligen Öle“. Sie wollen der durch die Ursünde heraufbeschworenen Herrschaft des Teufels über die Welt begegnen. Dagegen wurden die kleinen Exorzismen bei der heutigen Erwachsenentaufe in „Gebete um Befreiung“ umbenannt.
Eine weitere liturgietheologische Unterscheidung der Exorzismen erfolgt nach deren Ausrichtung. Exorzistische Gebete, die an die bösen Geister gerichtet sind und diesen in direkter Befehlsform gebieten, aus der besessenen Person, einem anderen Lebewesen oder einem Gegenstand auszufahren, werden entsprechend „imprekatorische bzw. imperativische Exorzismen“ genannt. Jene Gebete, die sich mit der flehentlichen Bitte um Hilfe zur Befreiung vom Bösen an Gott selbst richten, heißen „deprekatorische bzw. deprekative Exorzismen“.
Der Große Exorzismus ist nur mit Erlaubnis des zuständigen Bischofs anzuwenden, während die kleinen Exorzismen nach den liturgischen Vorschriften zu erfolgen haben. Das Befreiungsgebet ist der Verantwortung des Einzelnen überlassen.

Da die Terminologie der genannten Störungen unter den Exorzisten, die kaum Kontakt miteinander haben, stark variiert, haben sich die Exorzisten Italiens auf die Verwendung folgender Begriffe geeinigt:

1. Äußere Störungen: Der Teufel bzw. sein Exponent befindet sich vollkommen außerhalb der Person, die durch tätliche Angriffe, Behinderungen, Geräusche usw. beeinträchtigt werden kann. So geschah es auch bei einigen Heiligen.
2. Dämonische Infestationen: Diese betreffen vor allem Häuser, Büros, Geschäfte, Werk- und Lagerstätten, Gegenstände, Tiere. Schon Origenes spricht davon unter Erwähnung vorgenommener Exorzismen.
3. Dämonische Obsession: Sie beeinträchtigt vor allem Körper, Gesundheit, Beziehungen, Familie und manifestiert sich durch seltsame Nöte, die keine andere Erklärung zulassen.
4. Dämonische Umsessenheit: Wie schon der Begriff zum Ausdruck bringt, wird die Person von Gedanken, Wünschen, aufwühlenden und angsteinflößenden Mitteilungen, von Verzweiflung, Mord- und Selbstmordgedanken, Flüchen und Wolllust gequält.
5. Dämonische Besessenheit: Es sind dies die klassischen Besessenheitsformen, bei denen die Person gespalten ist. Sie spürt auf vielerlei Weise die Präsenz einer anderen Wesenheit, die in ihr lebt und sie konditioniert, dominiert und attackiert; ein Etwas, das (auch mit Gewalt) auf jedwede Provokation reagiert, vor allem auf alles Heilige, das Gebet, das Schriftwort, die Sakramente, den Priester, insbesondere den Exorzisten; eine Wesenheit, welche die Person in Trance versetzen, in unbekannten Sprachen sprechen, hellseherische Erfahrungen und Vorahnungen haben, übermenschliche Kräfte annehmen lassen kann usw.
6. Dämonische Unterwerfung: Eine solche liegt vor, wenn die Person freiwillig in einem expliziten oder impliziten Pakt die Abhängigkeit vom Teufel oder von Geistern akzeptiert hat.

Mit dieser ausführlichen Darlegung sollen auch die Aufgaben des Exorzisten besser veranschaulicht werden.

Lit.: Resch, Andreas: Religiöse Erfahrungen und Wunder (Reihe R; 13). Innsbruck: Resch, 2018: Scala, Monika: Wissen Sie, was Exorzismus ist? Liturgiehistorische Nachforschungen anhand von Textquellen. Grenzgebiete der Wissenschaft 62 (2013) 4, 291-333.
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