Brahman

Oder Brahma (sanskr., „Wachsen“), der eine höchste und alles durchdringende Geist des impersonalen Absoluten ohne Attribute, das der Ursprung und Träger des sichtbaren Universums ist. Das neutrale Nomen Brahman (Brahma) ist von der maskulinen Form > Brahmā, dem Schöpfergott in der Hindu-Trias zu unterscheiden. B. wurde ursprünglich in den > Vedas und besonders im > Atharvaveda zur Bezeichnung für die geheimnisvolle Kraft hinter einer magischen Formel und Kulthandlung verwendet. In den > Upanishaden erhält B. dann die Bedeutung von „Quelle der Macht“ und damit die des impersonalen, höchsten ewigen Prinzips hinter dem Ursprung des Universums und den Göttern. Diese Bedeutung bildete sich in der systematischen Philosophie des > Vedanta heraus, welche lehrt, dass B. das Impersonale, die Weltseele oder das Absolute, die Essenz und wesensgleich mit dem Selbst, der Einzelseele, dem > Atman ist. Es ist charakterisiert durch Sein (sat), Bewusstsein (cit) und Wonne (ananda), frei von Leid und Vergänglichkeit. Atman und B. sind eins. Die Erkenntnis des B. ist das höchste Ziel des menschlichen Lebens, weil es Befreiung (> Moksa) von dem sich widerholenden Kreislauf von Leiden und Wiedergeburt bringt.
Die Hinwendung auf ein Verständnis dieses impersonalen Absoluten stellte die theistischen Hindus, für welche die Erfahrung einer persönlichen Beziehung zum ungeschaffenen Schöpfer alles Geschaffenen besonders wichtig ist, vor die Frage nach der Stellung von Brahmā, Vishnu und Shiva zu B. Eine Lösung bestand darin, dass man die Drei (trimurti) als augenscheinliche Aspekte des B. ansah. In der heiligen Silbe > AUM (Om), dem Symbol des neutralen B., stehen A, U, M nacheinander für B., Vishnu und Shiva. Aus dem ewigen Neutrum B. geht für jeweils eine Weltperiode (> Para) ein zeitlich begrenzter männlicher Schöpfergott, Brahmā, hervor.
Einen eigenen Kultus für B. hat es hingegen kaum gegeben. Die einzigen B.-Tempel befinden sich in Puşkara (bei Ajmer) und Idār.

Dargestellt wird B. mit vier gekrönten Häuptern und vier Händen, die eine Vedaschrift, ein Gefäß mit Gangeswasser, einen Stab und einen Opferlöffel halten.

Lit.: Die altindische Philosophie nach den Grundworten der Upanishads: Der Gedanke vom All-Selbst in d. Rede-Wettkampf u. d. 3. Lehrgesprächen d. Yajnavalkya u. die Brahman-Atman-Lehren in ihren Haupt-Zeugnissen aus 12 Upanishads d. Veda/in d. Übers. von Paul Deussen. Jena: Diederichs, 1914; Narayanananda <Svami>: Brahman und das Universum. Freiburg i.Br.: N.U. Yoga Centre, 1979; Upanischaden: ausgewählte Stücke; UNESCO-Sammlung repräsentativer Werke, Asiatische Reihe/Aus d. Sanskrit übertr. u. erl. v. Paul Thieme. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2002.
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