Islamische Mystik

Die i. M. wird von jener mystischen Bewegung getragen, die als „Sufismus“ bezeichnet wird. Ihr Anliegen war es von Anfang an, die bloße Befolgung der Vorschriften des Islam durch tiefere Dimensionen des Glaubens zu erweitern. Die Mitglieder dieser Bewegung werden als Mitglieder der verschiedenen Sufi-Orden „Sufis“ genannt. Diese Orden entstanden ab dem 12. Jh. überall in der islamischen Welt und wurden meist nach ihren Gründern benannt, wie etwa der Mevlevi-Orden (Tanzende Derwische) nach Mevlana Rumi (gest. 1273) oder die Naqschbandiyya nach Baha’uddin Naqschband (gest. 1389).
Die Sufis selbst führen ihre Tradition unmittelbar auf Mohammed zurück, den sie den ersten Sufi-Scheich nennen. Die westliche Forschung weist meist auf eine frühe asketische Bewegung des 8./9. Jh. vor allem im Gebiet des heutigen Irak hin.
Besondere Bedeutung in der geschichtlichen Entwicklung des Sufismus kommt Mohammed al-Ghazali (gest. 1111) zu, der als Gelehrter entscheidend dazu beitrug, dass der (gemäßigte) Sufismus mit der orthodox-islamischen Theologie zusammen gedacht werden konnte und so für viele Muslime akzeptabel wurde.
Die großen Sufis werden als Heilige verehrt und ihre Grabstätten gelten daher als wichtige Wallfahrtsstätten. Zwischen den einzelnen Orden gibt es allerdings gewaltige Unterschiede. Grundlegend für alle ist die Auffassung, dass der Mensch sich unterwegs befindet und dass sein Ziel das Aufgehen in Gott ist. Unter Anleitung des spirituellen Meisters macht sich der Schüler daran, sich von den Dingen dieser Welt zu lösen und sich stattdessen ganz auf die Liebe zu Gott zu konzentrieren. Häufig geht man dabei von einem Stufenweg aus, bei dem man, beginnend mit dem Gesetz (Scharia), über verschiedene Stufen schließlich zur vollkommenen Erkenntnis und zur „Schau Gottes“ gelangt.
Der Einfluss der Sufi-Orden auf die Gesellschaft und das öffentliche Leben war teilweise so groß, dass die Herrschenden die i. M. oft beargwöhnten, sogar bekämpften und verboten. Doch bis heute ist die i. M., der Sufismus, eine immer noch starke Bewegung selbst dort, wo die Orden offiziell verboten sind (wie z.B. in der türkischen Republik). > Sufismus.

Lit.: Schimmel, Annemarie: Sufismus: eine Einführung in die islamische Mystik. München: Beck, 2000.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.