Innsbrucker Hexenprozess 1485

Der erste bisher bekannte Hexenprozess im deutschen Sprachraum bleibt nach wie vor der lnnsbrucker Hexenprozess von 1485, dessen Akten (zum Großteil) von Hartmann Ammann, Chorherr von Neustift, im Hofarchiv in Brixen gefunden und 1890 durch folgende Abhandlung vorgestellt wurde: Hartmann Ammann: Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Folge 3, Heft 34, Innsbruck 1890.
Da sich die behaupteten Delikte hauptsächlich auf Schadenzauber und ansatzweise auf Gottesfrevel beschränkten, die klassischen Hexereidelikte aber fehlten, wäre hier eigentlich eher von einem Zaubereiprozess und nicht von einem Hexenprozess zu sprechen. In der Literatur bzw. in der Hexenforschung hat sich allerdings der Begriff „Innsbrucker Hexenprozess“ durchgesetzt. Es ist der einzige Zaubereiprozess in Tirol, der von einem Geistlichen, dem Dominikaner Heinrich Institoris, höchstpersönlich geführt wurde. Alle anderen Prozesse in Tirol unterstanden der weltlichen Justiz, außer es handelte sich bei den Angeklagten um Priester.

Institoris begann Anfang August 1485 mit seinen Ermittlungen und hatte bis Ende des Monats aufgrund von Denunziationen ca. 50 verdächtige Personen aufgespürt. Auffallend ist, dass sich diese alle persönlich kannten. Da Bischof Georg Golser von Brixen wegen Krankheit von einer persönlichen Teilnahme am Prozess absehen musste, übertrug er Institoris die endgültige Vollmacht zur Fortführung und Beendung des Prozesses. Dieser gestaltete die Verhöre nach eigenem Gutdünken. Die Anklagepunkte betrafen weder Teufelspakt oder -buhlschaft noch Hexenflug und Sabbat, sondern beschränkten sich im Wesentlichen auf Liebes- und Schadenzauber, Ehebruch und Mord.
Mit 21. Oktober 1485 endeten die Befragungen. Vor dem Urteil sollte das Verfahren nachträglich noch durch einen eigenen Gerichtshof geprüft werden, der sich aus Institoris, zwei Notaren und drei Abgesandten des Bischofs von Brixen zusammensetzte. Überraschenderweise trat hier ein gewisser Johannes Merwais aus Wendingen, Lizentiat in Kirchenrecht und Doktor der Medizin, in das Geschehen ein und präsentierte sich als Verteidiger der Opfer. Aufgrund zahlreicher Mängel erklärte er den geführten Prozess für gesetzeswidrig und plädierte für dessen Annullierung und die Freilassung der beschuldigten Frauen. Das Endurteil am 31. Oktober 1485 trug dem schließlich Rechnung. Daraufhin erklärte Bischof Golser die Vollmachten des Inquisitors für erloschen und legte Institoris nahe, das Land zu verlassen, was dieser aber erst befolgte, als ihm mitgeteilt wurde, dass man für seine Sicherheit nicht mehr bürgen könne. Immerhin dienten ihm die Erfahrungen im Innsbrucker Prozess in der Folge für den Hexenhammer.
Dieser Hexenprozess hat auch noch dahingehend besondere Bedeutung, als er einen tiefen und nachhaltigen Eindruck von dem damals in Ausformung befindlichen Inquisitionsprozess vermittelt. Dem „Innsbrucker Hexenprozess“ wie dem Inquisitionsprozess kommt zudem eine zentrale Bedeutung im Hinblick auf die „Sozialdisziplinierung“ der frühen Neuzeit zu.
Nota:
Zum besseren Verständnis der angeführten Angaben sei die Chronologie der Ereignisse, wie sie aus den Quellen hervorgehen, abrissartig vorgestellt:
23.7.1484: Publizierung der päpstlichen Bulle „Summis desiderantes affectibus“ durch Bischof Georg von Brixen.
August/September 1485: Vorerhebungen/Verhöre für den Hexenprozess.
Oktober 1485: Hexenprozess zu Innsbruck.
14.11.1485: Bischof Georg von Brixen legt lnstitoris (dem Inquisitor) brieflich nahe, Tirol zu verlassen. Dieser bleibt dennoch bis Jänner/Feber 1486 in Innsbruck und bereitet einen neuerlichen Hexenprozess vor.
8.2.1486: Der Bischof fordert den Inquisitor nochmals schriftlich auf, seine Untersuchungen einzustellen.
1487: In erster Auflage erscheint der Malleus Maleficarum („Hexenhammer“) der Dominikanermönche Heinrich Institoris und Jakob Sprenger.

Lit.: Rabanser, Hansjörg: Hexenwahn: Schicksale und Hintergründe. Die Tiroler Hexenprozesse. Innsbruck/Wien: Haymon, 2006; Vögl, Klaus Christian: Der Innsbrucker Hexenprozess 1485. Grenzgebiete der Wissenschaft 39 (1990) 2, 99-122.
 
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