Hexenverfolgung

Besagt das Aufspüren von Personen, denen man Schaden durch Zauberei oder Teufelspakt zuschrieb. Bei Verhaftung wurde im Prozess zur Erlangung eines Geständnisses neben Befragungen auch Folter eingesetzt. Die Bestrafung erfolgte durch Verwarnung, Gefängnis und im Extremfall durch Hinrichtung mit Enthauptung oder Verbrennung. Hinzu kam kirchlicherseits noch der Vorwurf der Apostasie und Häresie.
Überblickt man das Thema Hexen in der Weltliteratur, so lässt sich zusammenfassend folgende Beschreibung geben: Hexen reiten auf Besen, treffen sich beim Hexentanz, schließen einen Pakt mit dem Teufel, verkehren mit ihm. Mit ihren Zauberkräften können sie Menschen, Tieren, Pflanzen und der Natur Schaden zufügen.
Im Grunde handelt es sich dabei um die von vielfältigen Formen der Angst erzeugten Vorstellungen, die zumeist auf ältere undurchsichtige Frauen, aber auch auf Männer und Kinder übertragen wurden.

1. Begriff
Die Bezeichnung „Hexe“ geht zurück auf 1. ahd. hag(h)a-zus(a), mhd. hesce, häxe, zusammengesetzt aus hag „Zaun“, zu(sa), kontrovers abgeleitet von germ. tusjo, westf. dus, „Teufel“, galloromanisch dusius, „unreiner Geist, skrt. dasyu; 2. ital. strega, lat. strigs, strigis, „Eulenvogel“, „vampirartiger Naturdämon“; 3. frz. sorcière von lat. sors, „Los“; 4. engl. witch, altengl. wicca, „Zauberin“; 5. span. bruja, unbekannte vorspanische Wurzel.
Als Hexe bzw. Hexer gilt nach dem Volksglauben eine mit Zauberkräften ausgestattete Heil oder Unheil bringende weibliche oder männliche Person.
2. Hexen und Hexer
Die ersten Belege für den deutschen Begriff „Hexe“ finden sich in den Frevelbüchern der Stadt Schaffhausen aus dem späten 14. Jahrhundert. Den Glauben an Zauberinnen und Zauberer, die Schaden anrichten können und die wir heute als Hexen und Hexer bezeichnen, gab es bereits in den antiken Hochkulturen Ägyptens, Babyloniens oder Assyriens. Es ist der Glaube an sog. Zwischenwesen. Auch das ursprüngliche Wort „Hexe“ im Deutschen bezeichnet ein weibliches Zwischenwesen auf dem Zaun einer Einhegung.
Mit dem Erstarken der christlichen Religion im 4. Jh. wird auch die Frage von Magie und Zauberei zum Thema, wenngleich die frühen Christen nicht an die Wirksamkeit von Zauberei glaubten.
Es überrascht, dass für das Früh- und Hochmittelalter Stellungnahmen der Päpste zu Hexen noch sehr spärlich sind. Dies hängt damit zusammen, dass die Bekämpfung der heidnischen Magie fast ausschließlich zur Aufgabe der Bischöfe gehörte.
3. Inquisition
Die Päpste traten erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts im Kampf gegen die neuen Ketzerbewegungen wie Katharer und Waldenser vermehrt in Erscheinung.
An Stelle der eigentlich zuständigen Bischöfe, die ihrer Aufgabe nur mangelhaft nachkamen, berief Gregor IX. bereits 1227 eigene päpstliche Sonderbeauftragte, darunter Konrad von Marburg, als Inquisitoren ein, die in Deutschland nach Ketzern fahnden sollten. Diese Vorgehensweise des Heiligen Stuhls wird auch als päpstliche Inquisition bezeichnet.
Der Begriff Inquisition beinhaltet dabei nicht nur eine neue kirchliche Institution, sondern auch ein neues Prozessverfahren. Ab 1231 wurden zunehmend direkt vom Papst oder dem Generaloberen der Franziskaner oder Dominikaner Inquisitoren berufen und mit der inquisitio, der Nachforschung nach Ketzern, betraut. Innozenz IV. (1243-1254) führte 1252 mit der Bulle Ad exstirpanda Kommissionen aus einem Priester und drei Laien ein, die in ihrer Umgebung gegen Häretiker vorgehen sollten, ohne Verhaftung und Prozesse, was Aufgabe der Bischöfe blieb. Alexander IV. (1254-1261) legte 1258/1260 kirchenrechtlich lediglich fest, dass sich die Inquisitoren mit den Delikten divinationibus et sortilegiis, Hellsehereien und Wahrsagereien, nur befassen sollten, wenn sie häretisch wären.
Es war nun wiederum die Aufgabe der Inquisitoren, für die der Dominikaner Nikolaus Eymerich (ca. 1320-1399) zum Generalinquisitor bestellt wurde, der 1376 in seinem Directorium Inquisitorum den Stand der theologischen Forschung und die kirchenrechtliche Praxis darstellte.
4. Hexenverfolgung
Dieser Häresieverdacht gegenüber Ketzern schlug dann in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im nordwestlich von Mailand gelegenen Alpenraum in die Hexenverfolgung um, was im französischen Sprachraum durch Begriffe wie vaudoiserie und vauderie Waldensertum, verallgemeinert als Ketzertum – ab 1430 nahtlos in die Bedeutung Hexerei überging, wodurch über die Schweiz die Wörter „Zauber“ und „Zauberin“ in Deutschland langsam durch „Hexe“ ersetzt und mit der ursprünglichen Tätigkeit der hagzissa verbunden wurden.
Diese neue „Hexengeburt“ war das Denkprodukt von Juristen und Theologen. Die fünf grundlegenden Traktate erschienen auffälligerweise innerhalb von etwa 17 Jahren zwischen 1428 und 1446.
Der große Humanist Pius II. (1458-1464, Enea Silvio Piccolomini) verlieh den Inquisitoren die Befugnis, auch Bewanderte in den magischen Künsten unter die Lupe zu nehmen. Von sich aus waren die Päpste jedoch in diesen Belangen von Magie und Hexerei nicht aktiv.
5. Hexenhammer
Für den deutschen Sprachraum ist die berüchtigte Bulle Innozenz’ VIII. (1484-1492), Summis desiderantes affectibus, von 1484 zugunsten der in Deutschland tätigen Inquisitoren Heinrich Institoris (Kramer) und Jakob Sprenger von Bedeutung.
Heinrich Institoris wurde 1474 von der Ordensleitung zum Inquisitor ernannt. Vier Jahre später präzisierte Sixtus IV. (1471-1484) seinen Kompetenzbereich für ganz Oberdeutschland (per totam Alemaniam superiorem). Bereits 1483 war er ein geachteter Inquisitor. Dabei betonte er die weltliche Seite des Gerichts mehr als die geistliche, da bei den kirchlichen Gerichten die Überlebenschancen weit größer waren.
6. Reformation
Auch die Reformation wurde mit dem Phänomen der Hexenverfolgung konfrontiert und hat diesbezüglich durch ihre Protagonisten Martin Luther und Johannes Calvin den Magie- und Hexenwahn mit Aussagen bis zu Tötungsbefehlen verschärft. Im Gegensatz zu Luther und Calvin sind in Zwinglis Schriften Hexen und Hexenprozesse kein Thema.
7. Das Heilige Offizium
1542 gründete Paul III. (1534-1549) mit der Bulle Licet ab initio die Sacra Congregatio Romanae et Universalis Inquisitionis seu Santi Officii (Die Heilige Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition oder das Heilige Officium) mit einer Kommission aus Kardinälen zum Kampf gegen Ketzer. Die Kompetenzen der Inquisition wurden unter Paul IV. (1555-1559) sogar auf die Astrologen ausgeweitet.
1657 wurde eine römische Hexenprozess-Instruktion veröffentlicht, die im Vorwort sehr nüchterne Töne anschlägt:
„Die Erfahrung, Lehrmeisterin der Dinge, zeigt deutlich, dass täglich bei der Führung von Prozessen gegen Hexen, Unholdinnen und Zauberinnen von verschiedenen Diözesanbischöfen, Vikaren und Inquisitoren sehr schlimme Fehler begangen werden, zum höchsten Schaden sowohl der Gerechtigkeit als auch der angeklagten Frauen, so dass in der Kongregation der Heiligen, Römischen und Universalen Inquisition gegen die ketzerische Verderbtheit seit langem beobachtet wurde, dass kaum jemals ein Prozess richtig und rechtmäßig ablief, sondern dass es meistens notwendig war, zahlreiche Richter zu tadeln wegen ungebührlicher Quälereien, Nachforschungen und Verhaftungen sowie verschiedener schlechter und unerträglicher Methoden bei der Anlage der Prozesse, der Befragung der Angeklagten, exzessiven Folterungen, so dass bisweilen ungerechte und unangemessene Urteile gefällt wurden, sogar bis zur Todesstrafe und der Überlassung an den weltlichen Arm, und die Sache ergab, dass viele Richter so leichtfertig und leichtgläubig waren, schon wegen eines äußerst schwachen Indizes anzunehmen, eine Frau sei eine Hexe.“
Die Verfasser der Instruktion verneinen nicht, dass es Hexen gibt, sie müssten aber deshalb nicht auch schon in einem Pakt mit dem Teufel stehen.

Um zudem Prozesswiederholungen zu vermeiden, wurden folgende Grundsätze eingeschärft:
1. Klärung durch Ärzte, ob ein Todesfall durch natürliche Ursachen statt vermeintlicher Zauberei erfolgte.
2. Ermittlung des Corpus delicti (Gegenstand des angeblichen Verbrechens) durch eingehende Hausdurchsuchung bei Verdächtigen nach Belastendem wie Puppen oder Nadeln. Doch selbst bei einem Fund ist Vorsicht geboten, denn: „Wo Frauen sind, dort sind auch Nadeln.“
3. Ablehnung des Vorwurfs gegen Dritte, am Hexensabbat teilgenommen zu haben, auch nicht im Zusammenhang mit anderen Indizien.
4. Äußerste Vorsicht bei Exorzismen, vor allem wenn der angebliche Teufel Personen belastet.
5. Anspruch des Angeklagten auf Verteidigung und ein faires Verfahren durch:
a) Verbot von Suggestivfragen,
b) Aushändigung einer Anklageschrift,
c) Heranziehung eines Verteidigers, bei mittellosen Angeklagten auf Kosten des Gerichts,
d) Verbot demütigender Untersuchungen des Körpers durch Rasur aller Haare zur Ermittlung eines Teufelsmals.

8. Schlussbemerkung
Die angeführten Darlegung von Hinrichtungen nach einer Verurteilung als Hexer oder Hexe konfrontieren uns am Schluss noch mit einer Reihe von Allgemeinplätzen, die es zu korrigieren gilt:
1. Die meisten Hexenverbrennungen fanden in Europa nicht im Mittelalter, sondern in der Frühen Neuzeit statt. In Deutschland wurde die letzte Hexe 1775 verbrannt.
2. Die Aufklärung hätte die Hexenverfolgung gestoppt. Die Aufklärung wird in Deutschland zwischen 1720 und 1800 anberaumt, also zu einer Zeit, in der die Hexenverfolgung schon zum Erliegen kam, und zwar durch Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden, so der Jesuit Friedrich von Spee und andere. Die Aufklärung hat jedoch ihrerseits geduldet, dass während der Französischen Revolution Tausende von völlig Unschuldigen hingerichtet wurden, wie allein schon die 3.000 Opfer in der Diözese Angers bezeugen, von denen man mindestens 2.000 mit Namen kennt.
3. Die Opfer der Hexenverfolgung beliefen sich nicht auf 8 bis 9 Millionen Personen, wie die NS-Propaganda vermutete, sondern auf ca. 50.000 auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in den 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Dabei waren die Opfer zwischen protestantischen und katholischen Gebieten ungleich verteilt, mit etwa 10.000 Opfern auf katholischer Seite.
4. Die Opfer waren nur in Deutschland mehrheitlich Frauen. Sonst war das Geschlechterverhältnis zahlenmäßig zumindest ausgeglichen. In Estland waren sogar 60 Prozent und in Island 90 Prozent Männer.
5. Die Inquisition war lediglich an einigen hundert der über drei Millionen Hexenprozesse (Schuldspruchquote: 1,5 Prozent) beteiligt. Diese fanden zudem vor weltlichen Gerichten statt. Die Inquisition interessierte sich hauptsächlich für Ketzer, nicht für Hexen. Im katholischen Spanien gab es wegen der Inquisition keine Hexenverfolgung und in Italien sorgte die Inquisition dafür, dass so gut wie keine Hexe verbrannt wurde, denn die Katholische Kirche hat die Hexenverfolgung niemals offiziell bejaht, im Gegensatz zu Luther und Calvin. Vielmehr hat sie wegen lokaler Vorgangsweisen von Bischöfen deren Vollmachten auf ein Mitspracherecht reduziert und die Inquisitoren als Informanten eingeschaltet. Diese hatten den Auftrag, verdächtige Personen ernsthaft zu prüfen, zurechtzuweisen, zu inhaftieren und zu bestrafen, nicht aber sie zu verbrennen. In der Praxis hat dies den Hexenwahn eher gemindert als befördert.
6. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass es sich bei der Hexenverfolgung um kein rein zeitgeschichtliches Phänomen handelt, sondern letztlich um Verhaltensformen des Menschen, die weltweit bei vermeintlichem Schadenzauber zum Selbstschutz dienen. Von Personen, die angeblich Schadenzauber ausführen, ist heute noch in vielen Ländern und Kulturen, wie in Lateinamerika, Südostasien und vor allem in Afrika, die Rede. Weitere Berichte von epidemischen Hexenjagden kommen aus Indonesien, Indien, Südamerika und den arabischen Staaten.
Inzwischen wird Hexenverfolgung vom UNHCR der UNO kontinuierlich als massivste Missachtung der Menschenrechte kritisiert. Betroffen sind nach den Reports des UNHCR die sozial Schwächsten in der Gesellschaft, vor allem Frauen und Kinder sowie Alte und Außenseitergruppen.
7. Hexenverfolgungen im Sinne von Denunziation gibt es schließlich auch in den sog. hochentwickelten Ländern, wo Anklagen bei Aussicht auf eine mögliche Vergütung epidemieartige Ausmaße annehmen können. Hier ist nicht zuletzt auch auf Anschuldigungen ehemals Schutzbefohlener über angeblich erfahrene schlechte Behandlung zu verweisen, wo selbst längst verstorbene Personen, die sich nicht mehr verteidigen können, zur Zielscheibe werden, nur um sich zu bereichern. Schließlich können allein schon gewisse verbale Äußerungen zu Denunzierung und Haft führen. „Hexenverfolgung“ wird es daher immer geben.

Lit.: Bodin, Jean: De la Démonomanie des sorciers. Paris: DuPuys, 1580; Weyer, Johannes: Von Teufelsgespenst, Zauberern und Giftbereitern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden, dazu ihrer Strafe, auch von den Bezauberten und wie ihnen zu helfen sei. De praestigiis daemonum (dt.). Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Frankfurt a.M.: Basseum, 1586; Der Hexenhammer = Malleus maleficarum / [Jakob Sprenger]; Heinrich Kramer (Institoris). Neu aus dem Lat. übertr. von Wolfgang Behringer … Hrsg. und eingeleitet von Günter Jerouschek und Wolfgang Behringer. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 2000; Behringer, Wolfgang (Hrsg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 2000; 2001; Decker, Rainer: Die Päpste und die Hexen: aus den geheimen Akten der Inquisition. Darmstadt: Primus, 2003; Resch, Andreas: Hexenverfolgung. Grenzgebiete der Wissenschaft 66 (2017) 3, 219-258.

 

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