Hermetik

Auch Hermetismus, neuzeitliche Bezeichnung für eine antike religiös-philosophische Offenbarungslehre. Der Name bezieht sich auf die mythische Gestalt des Hermes Trismegistos, des als Wissensspender geltenden „dreifach größten Hermes“. Dabei handelt es sich um eine im ägyptischen Hellenismus entstandene synkretistische Verschmelzung des griechischen Gottes Hermes mit Thot, der in der ägyptischen Mythologie und Religion als Gott der Weisheit und der Wissenschaft galt.
Die religiös-philosophische Hermetik mit Erklärungen für die Entstehung und Beschaffenheit der Welt gibt Anweisungen für die Erlangung von Weisheit, die Läuterung und Erlösung der Seele. Die „technische“ Hermetik hingegen beinhaltet Lebensmeisterung und Naturbeherrschung durch okkultes Wissen und Zauberei mit einer Vielzahl von magischen, astrologischen und alchemistischen Vorstellungen.
Mittlerweile hat sich allerdings gezeigt, dass eine saubere Trennung zwischen philosophischer und technischer Hermetik aufgrund von bedeutsamen Überschneidungen sowohl unmöglich als auch unhistorisch ist.
Das in der Frührenaissance entdeckte Corpus Hermeticum, eine Sammlung antiker hermetischer Offenbarungsschriften, wurde von Marsilio Ficino aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Die Wirkung erwies sich als nachhaltig, da viele Renaissance-Humanisten Hermes Trismegistos für einen Verkünder altehrwürdiger Weisheitslehren aus der Zeit der alttestamentlichen Propheten hielten, weshalb man seine Lehren mit dem christlichen Glauben vorteilhaft vereinbaren könne. Als aber der Humanist Isaac Casaubon 1614 die kaiserzeitliche Entstehung des angeblich uralten Corpus nachwies, waren hermetische Offenbarungen nur mehr für okkultistische und esoterische Kreise interessant.

Lit.: Lucentini, Paolo/Perrone Compagni, Vittoria (Hrsg.): Hermes Latinus. Turnhout: Brepols, 1994ff (kritische Edition); Ebeling, Florian: Das Geheimnis des Hermes Trismegistos: Geschichte des Hermetismus. München: Beck, 2., durchges. Aufl., 2009.
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