Heiliger Hain

(Álsos), der heiligste Teil des Tempelbezirks eines Heiligtums, der den Tempel selbst oder dem Altar vorbehalten ist und oft von einer Baumpflanzung begrenzt war. Den álsos des Dionysos-Tempels von Megalopolis zu betreten, war Sterblichen untersagt, doch verfuhr man im Allgemeinen nicht so streng. Der Zugang zum álsos von Olympia war jährlich auch Frauen gestattet, die dort der Hippodameia opfern wollten.
Die Tradition solcher heiliger Haine reicht bis in das prähistorische Griechenland zurück. So suchten etwa die Argonauten in einem dem Ares geweihten heiligen Hain nach dem goldenen Vließ. Solche Haine gab es auch in der Nähe prophetischer Heiligtümer, wie jenen des Apoll bei Klaros und Didyma oder den des Zeus bei Dodona, bei dem eine Eiche Orakelkraft besessen haben soll. In Attika waren Olivenbäume der Athena heilig. In Demos von Lakiadai gehörten die Feigenbäume der Demeter.
Aber auch bei Kelten, Germanen und Slawen spielten heilige Haine eine besondere Rolle und sind archäologisch durch Funde von Kultstätten bezeugt. Sie waren durch Gräben, Steinsetzungen, Pfähle oder Pfeile von ihrem profanen Umfeld abgegrenzt. Im H. wurden Opfer dargebracht, Kultfeste gefeiert, heilige Gegenstände, darunter auch Kriegsbeute, aufbewahrt und wichtige Stammesangelegenheiten beraten.
Schließlich waren die Bäume eines Haines an sich heilig und unverletzlich, weil sie im Besitz einer Gottheit standen. Die Anlagen von Gärten und Parks für die Götter symbolisierten das Paradies.

Lit.: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Bd. 5. Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler, 1998; Rachet, Guy: Lexikon des alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999; Rätsch, Christian: Der heilige Hain: germanische Zauberpflanzen, heilige Bäume und schamanische Rituale. Baden/München: AT Verl., 2005.
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